zivilrechtliche Ansprüche aus BDSM-Session

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      zivilrechtliche Ansprüche aus BDSM-Session

      Wenn es um Rechtsthemen bezüglich BDSM geht, wird meist erstmal das Strafgesetzbuch hervorgeholt und die allseits bekannten, einschlägigen Paragraphen zu Rate gezogen (Körperverletzung, Freiheitsberaubung, ...). Kürzlich habe ich in diesen Thread die Unterscheidung nach gewerblich / privat aufgeworfen und eine der Antworten war auch eine mögliche rechtliche Unterscheidung. Bei der strafrechtlichen Körperverletzung ist es meines Wissens nach egal, ob sie gewerblich oder privat begangen wurde, entsprechende Unterscheidungen müssten daher, wenn es sie denn gibt, hinsichtlich der zivilrechtlichen Ansprüche zu finden sein.

      Wie sieht es überhaupt mit zivilrechtlichen Ansprüchen aus einer BDSM-Session aus? Ist Dom gegebenenfalls Schadensersatzpflichtig, wenn Sub anschließend (versehentlich) einige Tage arbeitsunfähig ist? Wie schaut es mit Schmerzensgeld aus? Kommt eventuell ein stillschweigender Haftungsausschluss in Betracht und liegt darin ein möglicher Unterschied zwischen privater und gewerblicher Session?

      Beispiel:
      Wenn der Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens meine Kiste mit Meißener Porzellan fallen lässt, hab ich Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Umzugsunternehmen. Wenn diese Kiste aber ein Freund fallen lässt, der mir aus Gefälligkeit beim Umzug hilft, hab ich gegenüber diesem Freund keinen Anspruch auf Schadensersatz. (jeweils leichte Fahrlässigkeit vorausgesetzt, vgl. Landgericht Aachen Az: 4 O 536/86)

      Wenn nun Sub in ein Dominastudio geht, sich auf der Streckbank behandeln lässt und die Dame es leicht fahrlässig etwas übertreibt, sodass die Schulter luxiert, kann Sub dann zivilrechtliche Ansprüche gegen die Domina geltend machen (z.B. Schmerzensgeld)? Und wenn die gleiche Situation wieder im privaten Umfeld stattfindet, greift dann auch hier der stillschweigende Haftungsausschluss?
      Zivilrechtlich ist es ähnlich wie im Strafrecht. Die Einwilligung in die Verletzungshandlung schließt Schadenersatzansprüche aus den §§ 823 ff. BGB (darunter auch das Schmerzensgeld) aus. Problematisch wird es, wenn die konkrete Verletzungshandlung nicht mehr von der Einwilligung gedeckt ist. Bei einfach fahrlässigen Überschreitungen wird es dann wohl auf eine Risikoabwägung im Einzelfall ankommen.

      Für den gewerblichen Bereich ergeben sich nach herrschender Meinung wohl keine Unterschiede, da dem Kunden einer Prostituierten kein Leistungsanspruch zugestanden wird, womit ihm auch keine vertraglichen Schadenersatzansprüche zustehen (Münchener Kommentar zum BGB, ProstG § 1, Rdnr. 11). Es bleibt damit bei den o. erwähnten deliktischen Ansprüchen und deren Einschränkung.
      Now my name isn't Harry ...
      Neben der rein gesetzlichen Seite ist da noch das Problem des Nachweises und weiterhin der von Harry Palmer bereits angesprochene Punkt der Einwilligung. Um zweifelsfrei kein Risiko zu haben müsste vorab genau geklärt werden was geht und unübliche oder besonders risikoreiche Spielarten sollten vorab gesondert besprochen werden. Sagt Sub Bondage ist OK, ist es fraglich ob sie damit auch Bondage gemeint hat welches kopfüber stattfindet oder bei dem sich die Arme auskugeln können. Klare Absprachen sind daher wichtig :) Ob eine Domina unter das ProstG fällt wäre eine gute Frage. Ich könnte mir gut vorstellen, dass bei einer SM Session doch ein Schadensersatz möglich ist, habe dazu aber nicht den passenden Kommentar zur Hand :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Gentledom schrieb:

      Ob eine Domina unter das ProstG fällt wäre eine gute Frage...
      ... die zudem nicht unumstritten ist (da macht der Beruf doch wieder Spaß :D ). Ich möchte dem geneigten Leser an dieser Stelle die Kommentierung im "MüKo" nicht vorenthalten:

      Münchener Kommentar schrieb:

      Weniger klar ist die Lage hinsichtlich solcher Handlungen, die zwar nach außen hin neutral erscheinen (zB Turnübung, gynäkologische Untersuchung, Züchtigung), denen jedoch ein sexuelles Motiv zugrunde liegt. Im strafrechtlichen Schrifttum wird verbreitet bestritten, dass jene Motivation die Handlungen zu sexuellen macht. Diese Ansicht ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass innere Vorgänge nicht pönalisierungswürdig erscheinen. Für § 1 S 1, der keine strafrechtliche Sanktion ausspricht, sondern die handelnde Person zivilrechtlich schützen will, ist demgegenüber insoweit eine einengende Auslegung nicht angezeigt. Somit sind auch ihrem äußeren Erscheinungsbild nach neutrale Handlungen erfasst, die erst durch die Absicht der geschlechtlichen Erregung oder Befriedigung zu sexuellen werden. Dabei muss es nicht zu einem direkten körperlichen Kontakt mit dem Kunden oder einer anderen Person kommen. In Übereinstimmung mit der Legaldefinition des § 184g Nr. 1 StGB ist es jedoch erforderlich, dass die sexuelle Handlung von einer gewissen Erheblichkeit ist.
      Now my name isn't Harry ...
      vielen Dank für eure Antworten!

      Die sehr weit gefasste Interpretation des MüKo überrascht mich schon etwas und wirft in meinen Augen mehr Fragen auf, als das sie beantwortet. Was wäre denn dann mit dem breiten Feld der Massagen, von Thai bis Tantra mit diversen "Extras"? Und könnte letzten Endes vielleicht sogar ein Bondage-Workshop unter diese Auslegung der Prostitution fallen?

      Der Kunde einer Domina ist ja somit weitgehend ungeschützt und auch die §§ 630a ff. BGB (insbesondere Einwilligung und Aufklärung bei Behandlungsverträgen) finden wohl keine Anwendung. Bemerkenswert, dass eine identische nach außen hin neutral erscheinende Handlung (zum Beispiel mit Nadeln in Haut stechen) völlig unterschiedlich vor dem Gesetz gesehen werden, ausschließlich davon abhängig, ob der Kunde sich nun Heilung oder sexuelle Erfüllung wünscht.

      Mich wundert es, dass grundlegende Regeln gewerblichen Handels ausgerechnet im "ältesten Gewerbe der Welt" noch nicht angekommen sind. Das betrifft ja nicht nur rechtliche Vorschriften, sondern auch viele andere Einrichtungen, die in sonstigen Gewerben Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen (um mal den Rückbezug zum ursprünglichen Thread herzustellen): geregelte Aus- und Fortbildung, Handwerkskammer, Berufsgenossenschaft, ...
      :golly: ganz ehrlich jetzt die Profis die ihre Passion ernst nehmen haben sich Rechtliche Absicherungen erstellen lassen mit denen sie auf einer recht sicheren Seite sind!
      In meinen zwei Dojos läuft es wie in jedem anderen guten auch bevor überhaupt irgendwas gemacht wird gibts eine Erklärung was da steht, was genau die Kunden Unterschreiben sollen und müssen.
      Ohne Unterschrift keine Leistung. Damals noch ohne Dojos und in eigen Regie hatte ich eine eigen Formulierten Vertrag und selbst DER hatte vor Gericht bestand!

      f.lugl schrieb:

      Die sehr weit gefasste Interpretation des MüKo überrascht mich schon etwas und wirft in meinen Augen mehr Fragen auf, als das sie beantwortet.
      Welcome to my world. :thumbsup: Jura ist eben keine exakte Wissenschaft. Wie kommentierte letztlich ein Richter am BGH ein von ihm mitverfasstes Urteil so schön; "ich weiß, dass diese Entscheidung eine Fülle von Fragen aufwirft, mit denen wir uns dann wohl in den nächsten Jahren beschäftigen müssen". Toll, vor allem weil es bei diesen Fragen meistens um schweres Geld geht. :/

      Wie man allerdings die Züchtigung durch eine Domina als "nach außen neutrale Handlung" auffassen kann, bleibt das Geheinmis des Münchener Kommentars. Hier in Hamburg würde man das wohl ohne Zögern unter Prostitution subsumieren.

      Der Kunde einer Domina (und jeder anderen Prostituierten) ist in der Tat weitestgehend schutlzlos, was das Vertragsrecht angeht. Das steht vor dem Hintergrund, dass das ProstG die Rechtsstellung der Prostituierten verbessern und diese aus der "Schmuddelecke" des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB) herausholen soll. Der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG) hat es dem Gesetzgeber dabei aber verwehrt, den Prostitutionsvertrag als echten zweiseitigen Vertrag auszuformulieren. Denn dann wäre die Prostituierte ja gezwungen, den Vertrag zu erfüllen (wozu sie der Gesetzgeber aber nicht zwingen darf). Wo es aber keine vertragliche Hauptleistungspflicht (hier Sex, bzw. Haue) gibt, kann es auch keine Schlechterfüllung dieser Hauptleistungspflicht geben; ergo kein vertraglicher Schadenersatzanspruch und Rückgriff auf die Deliksnormen (§§ 823 ff. BGB).
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      Schallgewitter schrieb:

      ganz ehrlich jetzt die Profis die ihre Passion ernst nehmen haben sich Rechtliche Absicherungen erstellen lassen mit denen sie auf einer recht sicheren Seite sind!
      Auf der rechtlich sicheren Seite sind Dominas m. E. nie. Da hilft auch kein so schön vorformulierter Vertrag, denn nach § 309 Nr. 7a BGB kann die Haftung für eine (auch nur fahrlässige) Körperverletzung nicht durch Allegmeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden.

      Allerdings kann durch einen schriftlichen Vertrag dokumentiert werden, dass sich der Verletzte aus freien Stücken einem Verletzungsrisiko ausgesetzt hat, womit wir im Streitfall wieder bei der Risikoabwägung im Einzelfall wären.

      OT: Wäre eigentlich mal ein spannendes Aufsatzthema.
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      @Harry Palmer ich dachte das ist ein wenig wie bei Ärzten und der Körperverletzung bei Operationen bzw. im Notfall. Der Patient muss vor der OP ja auch vertraglich der durchgeführten Körperverletzung zustimmen, sonst ist der Arzt am Arsch (ausser es war ein Notfall und es wurde zum Wohle des Patienten davon ausgegangen, dass er lieber einen Arm als sein Leben verliert als Beispiel aber darauf kann sich ne Domina ja kaum berufen^^)

      Also wenn Domina und Kunde vertraglich festhalten, dass sie ihm im Rahmen der Session den Arsch so blau hauen wird, dass er ne Woche nicht mehr sitzen kann, er das unterschreibt und das dann gemacht wird, ist die Domina juristisch sicher. Aber so wie du es schreibst klingt das so als könne der Typ trotzdem mit einer Schmerzensgeldforderung durchkommen?
      Ich hatte Konkret genau einen einzigen Fall von wir sehen uns vorm Richter. Das war aber noch vor meinen beiden Dojos und es ist tatsächlich zur Verhandlung gekommen, und da hat mir dieses Vertragspampflet von damals 3Seiten Leinformulierung (heute 16 Seiten pure Juristen Kauderwelsch) den Arsch gerettet und meine "Unschuld" belegt!

      Bevor ich dann im vorigen Jahr mein erstes Baby aufgemacht habe, habe ich echt bei Kollegen Recherche betrieben und die haben alle solche ewig langen Dinger, war dann bim Anwalt habe mich beraten lassen was alles machbar ist in Richtung Absicherung gegenüber allen möglichen Sachen (ist ja nicht nur der ich verklage dich Aspekt sondern da tun sich plötzlich xxxl Löcher auf an die man im Traum nicht denkt) und habe das dann von 3 anderen Juristen gegenprüfen lassen und zum Schluss gegen eine nicht gerade kleine Summe so aufsetzen lassen :pardon: ich bin kein Jurist oder so ergo muss ich wohl oder übel darauf vertrauen das dieses Ding einfach passt.
      @Arphen Ein klares "Jein".
      Wenn sich die Domina im Rahmen des vereinbarten hält, kann sich der Kunde natürlich nicht beklagen. Aber was ist, wenn etwas schiefgeht. Mal ein Beispiel:

      Masoschist M sucht die Donina D auf. Es wird vereinbart, dass sie ihn fesseln, schlagen und Tiernamen geben soll. D legt wie vereinbart los, schießt aber etwas übers Ziel hinaus und haut M (fahrlässig) den Arsch blutig. M, der als Sachbearbeiter im Bauordnungsamt eine ausschließlich sitzende Tätigkeit ausübt, ist zwei Wochen arbeitsunfähig.
      Muss D dem M Schadenersatz leisten?

      Hier wäre sowohl "ja", als auch "nein" als Lösung rechtlich vertretbar. Merke: In der Juristerei gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur vertretbar oder nicht.
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