Hallo ihr Lieben,
ich wurde gebeten den folgenden Bericht zum Thema "Leben ohne BDSM" einzustellen.
ich wurde gebeten den folgenden Bericht zum Thema "Leben ohne BDSM" einzustellen.
Anonym schrieb:
Ich wurde gefragt, ob ich zu diesem Thema etwas schreiben möchte und ich war mir unsicher. “Erst mal sehen”, war meine Antwort. Denn wie soll ich das beschreiben? Wie soll ich “meine Geschichte” verpacken, damit sie “richtig” ankommt? Wie soll ich es formulieren, damit klar wird, dass ich niemanden verurteile oder ablehne? Wie ehrlich soll ich sein, ohne das sich jemand damit angegriffen fühlt? Das meine Entscheidung allein durch mich getroffen wurde, auch wenn mein Umfeld seinen Beitrag dazu geleistet hat?
Aber all diese Fragen konnte ich mir nicht beantworten, trotzdem fing ich an zu schreiben. Wort für Wort und nun möchte ich sie mit Euch teilen. Ehrlich, direkt und hoffentlich verständlich:
Was bringt einen Menschen dazu aus zu steigen? BDSM war und ist doch die ultimative Lösung für alles. Allumfassend und ewigwährend. Die Büchse der Pandora, dessen Einfluss nur durch das Stillen der eigenen, vielleicht sogar niederen, Bedürfnisse im Zaun gehalten werden kann.
Ja, dieser Eindruck kann entstehen, wenn man BDSM für sich entdeckt. Wenn man den Erfahrungen anderer glauben schenken mag und die Euphorie förmlich überspringt.
Das Feuer der Leidenschaft ist entfacht, die Suche beginnt. Höher, schneller, weiter - die Welt in der wir eintauchen ist grenzenlos. Denn nur wir selbst setzen unsere Grenzen. Die Weltordnung ist von unserer Fantasie abhängig. Wie Kinder, die Laufen lernen, fallen wir, stehen wieder auf und manchmal geben wir anderen die Schuld für unseren Fall.
Wir wachsen, lernen und entwickeln uns.
Auch ich habe meine Erfahrungen gemacht. Schöne und schlechte, die ich nicht missen mag. Jede einzelne ist kostbar, keine Frage. Doch trotzdem haben sie ihren Beitrag geleistet für die Entscheidung, die ich gefällt habe.
Ich muss gestehen, ich hatte das Glück das ich viele Menschen kennengelernt habe, die es schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten praktizieren, die mir beigestanden haben, mir ihre Erfahrungen mitgeteilt und mir eine Welt gezeigt haben, die moralisch vielleicht etwas anders war, aber doch mit meinen Moralvorstellungen vereinbar. Eine Welt bestimmt von einem Kodex, einer Struktur in der jeder seinen Platz hat.
Geschichten von Vertrauen, Ehrlichkeit und Gruppenzusammenhalt.
Das diese Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit stammten wollte ich wohl nicht wahr haben, aber die Realität holt uns alle irgendwann ein...
Ich habe meine ersten Erfahrungen gemacht und es fühlte sich richtig an. Natürlich war ich glücklich, fühlte mich angekommen und verstanden. Mein Vertrauen wuchs zwar nur langsam, aber Schritt für Schritt lernte auch ich mich besser kennen. Ich schämte mich nicht mehr für mein Verlangen oder meine Bedürfnisse. Das Tabu wurde gebrochen und ich war frei. Frei von Zwängen und der dauernden Maskerade. Trotzdem behielt ich mir meine Moralvorstellungen und einen gewissen Ehrenkodex bei. Man muss wissen, dass BDSM für mich nie etwas schmuddeliges oder moralisch verwerfliches war oder ist. Es sind die Menschen, die es dazu machen. Und das musste ich lernen.
Bittere Erfahrungen blieben nicht aus: Ich lernte es, austauschbar zu sein. Ein Lückenfüller, ein Ersatzteil in der funktionierenden Maschinerie BDSM, wie wir es heute kennen.
Ob das nicht zu hart klingt? Vielleicht. Für jemanden, der dies aus erster Hand erfahren musste ist es auch hart, dazu zu stehen und es in Worte zu fassen. Dem Ganzen eine Gestalt zu geben.
Natürlich habe ich den Fehler bei mir gesucht! Wie anmaßend wäre es, andere dafür verantwortlich zu machen, zu mal es ja kein Einzelfall war. Wenn es mir passiert und das mehrfach, muss es an mir liegen.
Ich übte mich in Selbstreflektion und verglich mich auch mit anderen. Was machte ich im Vergleich zu anderen falsch? Was machte ich anders?
Ergebnis dieser Feldstudie war, dass ich mich zurück hielt, Vertrauen langsam aufbaute, nicht bereit war sofort 100% zu geben und Ansprüche hatte. Ich glaubte den Worten, die man mir entgegenbrachte.
“Du bist mir wichtig.” oder “Du bedeutest mir viel.” , “Wir gehen es langsam an” waren für mich das, was man im ersten Augenblick meinen könnte. Doch meine persönlichen Erfahrungen zeigte mir, dass diese Worte anders zu verstehen waren: “Du bist mir jetzt gerade wichtig oder bedeutest mir jetzt gerade viel - später kann das anders sein.” “Wir gehen es so langsam an, wie ich es für richtig halte.” Warum spricht man es nicht so aus? Warum bekommt man nicht das Recht, auf eine ehrliche Antwort auch ehrlich zu reagieren und selbst entscheiden zu können, ob man sich dessen bereit fühlt?
Ehrlichkeit wie sie so hoch angepriesen wurde, war nur die verzerrte Wahrnehmung eines Einzelnen. Der Interpretationsfreiraum eines Jeden.
Aber vielleicht hatte ich nur Pech. Wer weiß das schon?
Vielleicht verstand ich diese Sprache, diese Welt und die Menschen nur nicht. Vielleicht war meine Unfähigkeit nicht vollkommen zu Vertrauen bei vielen ein Anzeichen für fehlendes Interesse. Ich habe Verständnis für all diese Erfahrungen und Handlungen in der Vergangenheit, denn ja, ich mache Arbeit. Ich weiß das.
Diese Mühe wollte sich keiner machen. Es war niemand bereit, zurück zu stecken - wieso auch? Bei dem Angebot an Damen, die alles boten, wozu ich nicht fähig oder bereit war.
Ich kann es nur allzu gut verstehen. Bereue ich es? Nein. Mit Sicherheit nicht, denn ich kann noch jeden Morgen in den Spiegel schauen.
Während meiner Zeit als “aktiver BDSMler” musste ich auch feststellen, dass die Toleranz, die so oft in den Vordergrund gestellt wurde, das Abschwören des Schubladendenkens nichts anderes war, als leere Worte.
Denn seien wir ehrlich, ist es tolerant, die Ablehnung der eigenen Neigung oder das Unverständnis zu BDSM zu verteufeln? Wer sind wir denn, uns über andere zu stellen? Müssen wir die Grenzen anderer nicht genauso respektieren und achten, wie unsere eigenen? Wie tolerant sind wir, wenn wir von Vanillas oder Stinos reden? Wie ehrlich sind wir zu uns selbst, wenn wir einerseits uns in den Himmel, für unsere Toleranz, loben, aber nicht einmal fähig sind, zu akzeptieren, dass nicht jeder damit umgehen kann?
Ich konnte mich damit nicht identifizieren und wollte es auch nicht. Ich gab zu, nicht in allen Punkten tolerant zu sein. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht. Ich war und bin nicht heilig. Dafür bin ich zu sehr Mensch.
Das alles hat mich dazu gebracht, für mich das Thema BDSM abzuschließen. Mich davon ein Stück weit zu distanzieren.
Wieso sollte ich etwas versuchen oder suchen, dass mir gezeigt hat, dass das was ich brauche und suche unerreichbar für mich sein wird.
Vielleicht wird sich das eines Tages ändern. Vielleicht werde ich irgendwann dazu fähig sein, aber vielleicht auch nicht. Ich bin nicht unglücklich. Im Gegenteil, ich habe meine innere Ruhe gefunden und stehe zu meinen Prinzipien: Ehrlichkeit und einem scheinbar veralteten Moralkonstrukt. Ich hatte die Wahl mich zu entscheiden: Verrate ich mich oder bleibe ich mir treu.
“BDSM ist vielleicht ein Teil von dir, aber du bist nicht BDSM. Du bist so viel mehr und dieses mehr bietet alles, was es für ein gesundes und glückliches Leben braucht.”
Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen. Astrid Lindgren