Die Topf- / Deckel - Problematik

      Die Topf- / Deckel - Problematik

      Aus gegebenem Anlaß möchte ich mich der Topf-/ Deckel - Problematik zuwenden. Ich wollte das schon länger, aber jetzt gab es gerade vorhin ein schönes Beispiel, wo der gute alte Spruch mit dem Deckel, den es ja allgemein bekannt passend zu jedem Topf gibt, wieder einmal so weit ausgelegt wurde, dass ich mir nicht mehr nur für mich denken, sondern auch öffentlich aussprechen will: Leute, auch dieses - zugegeben wunderschöne - Modell hat Grenzen!

      Und wie bei jedem Modell, das sehr universell einsetzbar ist, gilt: Je weiter diese Grenzen (der Anwendbarkeit des Modells) im "Extremen" liegen, desto gefährlicher ist es, sie nicht wahrzunehmen.

      Sind wir uns ehrlich, ist es wie mit einer Straße: Anders vielleicht als bei einem verfallenen Feldweg würde niemand erwarten, dass eine schöne, sechsspurig ausgebaute Autobahn plötzlich in einer Schlucht endet. Je öfter wir zu Recht sagen können: Such doch einfach Deinen Deckel, Topf (oder umgekehrt), desto weniger machen wir uns bewußt, dass wir damit in seltenen extremen Sonderfällen zur Maus sagen: Mach Dir keine Sorgen, das gehört so, dass Du die Eckzähne der Katze blitzen siehst, das ist doch genau das, was Du willst, Du wirst schon nicht ... schwupp - und schon ist ein Portion Whiskas gespart ... In diesem Sinne würde ich gerne (obwohl mir vor meinem erhobenen Zeigefinger selbst schon graut) ein bisschen Baustellenbeschilderung vor das böse Autobahnende in der Schlucht stellen wollen ...

      Die Topf/Deckel-Problematik ist ein "gefährlich Ding ...".

      Der Grundsatz klingt so einfach und tröstlich, wie liberal. Und ich möchte meine Kritik keineswegs so verstanden wissen, dass ich ihm nicht zu 99,9% zustimmen würde:

      Laß Dir von niemandem als Deinem eigenen Gefühl sagen, was richtig und falsch für Dich ist. UND: Verzage nicht, denn es wird sich ein Mensch finden, der genau diese, Deine Ansicht teilt und mit dem Du Dich auf wunderbare Weise ergänzt ...

      Und doch ist es gefährlich, sehr gefährlich, wenn er in eine Richtung mißverstanden wird, die nahelegt, dass es eigentlich NICHTS gibt, worum man (und jetzt kommen wir dann gleich ganz konkret zu Dom/Sub) sich sorgen sollte ...


      Das Topf-/Deckel Prinzip hat meiner Ansicht nach jede Rechtfertigung, wenn es darum geht, Intoleranz abzuwehren oder jedweder Person Mut zu machen, dass sie genau das, was sie sucht, auch finden kann (und wird - wenn sie hartnäckig genug daran bleibt). Es hat meiner Meinung nach aber null Platz in der Argumentation, wenn es darum geht, objektiven Schaden schönzureden oder gar zu rechtfertigen.

      Und hier kommt des Pudels Kern: Es gibt hin und wieder mehr als nur interessante Diskussionen, wo denn Grenzen zum "objektiven Schaden" liegen. Mal mehr und mal weniger direkt. Gerade wurde z.B. diskutiert, wie sehr Dom egoistisch sein darf. Im Grunde nix Böses und eine interessante Diskussion. Aber ein extrem gutes Beispiel für in unseren schmutzigen ( :gruebel: ) Gedanken versteckten, an objektive Schädigungsabsicht (bumm - böses Wort, ausnahmsweise unjuristisch gemeint ...) grenzenden Denkmustern.

      Da lese ich - wahrscheinlich ohne jede böse Absicht - über das Topf-/Deckel-Prinzip: Wenn Sub einen super-egoistischen Dom sucht, dann passt doch alles, wenn sub einen super-egoistischen Dom findet. Topf, Deckel drauf, Sack zu - und sie lebten glücklich bis ...

      Ja bis, Sprung zu einem anderen Thread, in dem ebenfalls gestern aktuell ein Beitrag gepostet wurde - Dom Sub zeigt, was wahrer "Egoismus" ist und wie austauschbar sie ist, wenn er ihm folgt. Oder möchte jetzt irgendjemand bestreiten, dass es eine super-egoistische Handlung von Dom ist, wenn er Sub auf die Straße setzt, weil ihm auf eben jener die vermeintliche Sub+ über den Weg läuft ??? War doch genau das, was Sub wollte? Oder paßt der Deckel dann doch nicht auf den Topf?

      Keine "falsche Anwendung", sondern ein Problem des Topf-/Deckel-Problems an sich, wie ich meine. Weil es eben dort, wo jemand körperlich, emotional, "beziehungstechnisch" oder wie sonst auch immer geschädigt wird, wie oben schon ausgeführt, nicht als "Rechtfertigung" dienen kann. Dort hat es seine Grenze.

      Für mich bedeutet das, dass wir Fragestellungen, in denen wir uns damit beschäftigen (und diese Diskussionen sind schwer genug objektiv führbar), ob etwas (einschließlich einer eigenen Haltung, eines eigenen Wunsches ...) objektiv "ungesund" oder für die betroffene Person nachteilig sind, eben nicht mit dem Topf-/Deckel-Argument erschlagen können! Und dass Dinge eben manchmal nicht so simpel sind, wie sie scheinen. Dass es nicht für alles einen "Stehsatz" gibt, sondern dass dort, wo wir uns mit Grenzen beschäftigen (und das tun ja viele von uns, einschließlich meiner selbst gerne ...) komplexe Fragen eben auch mal komplexer Antworten und intensives Beschäftigen mit der konkreten Situation und des konkreten Gegenübers bedürfen und - wichtig - dass wir manchmal, um nicht zu sagen sehr oft, gerade als Dom gerade für uns selbst hinterfragen müssen, ob das was wir als Dom und Sub da offensichtlich übereinstimmend "wollen", auch im Nachhinein für uns beide noch eine gute Idee gewesen sein wird. Topf und Deckel hin und her ...

      Und daher bin ich der Meinung, dass ein (gesunder) Egoismus des Dom, ebenso wie eine Abenteuerlust beider Partner, Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und was sonst uns immer noch treibt, sich nicht nur (das ja sowieso) der Topf-/Deckel-Überprüfung (will mein Partner das auch / ist es vom Konsens umfaßt), sondern, wenn wir verantwortungsvoll sein wollen auch dieser "können wir beide damit auch NACHHER leben"-Überprüfung und auch der "ist es das, wo ich/sub/wir beide uns hin entwickeln wollen"-Prüfung unterziehen muß.
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse
      Muss dir da völlig recht geben .. ausser Austauschbarkeit gilt auf beiden Seiten ...
      Norden, Süden, Krieg und Frieden, Chaos, Ordnung, Liebe, Hass
      Unwahrheiten, Ehrlichkeiten bringe ich in jede Stadt
      Trauer, Freude, Tod und Leben, will ich nehmen, will ich lassen
      wenn der Narr dann weiterzieht, wird man ihn lieben oder hassen
      ( R.I.P. Schelmish 15.12.2012 )
      eine kleine Ergänzung von mir, dem Topf/Deckel in die Diskussion werfenden.
      Topf und Deckel müssen in sich so gefestigt und stabil sein,dass sie auch auf Dauer zueinander passen. Auch wenn sie mal zu heiß werden oder mit aller Wucht auf den Boden krachen.
      Viele Deckel passen auf viele Töpfe, aber leider viele leider nicht auf Dauer. Die Kunst ist also die eine,gleich jeglicher Widrigkeiten auch auf Dauer passende Kombination zu finden. Geht man damit nicht verantwortungsvoll genug um, besteht natürlich ein Risiko, dass Topf oder Deckel Schaden nehmen. da gebe ich dir/ euch vollkommen recht. Und oft es auch mangelnde Wertschätzung und Pflege, die einen Deckel kaputt gehen lässt.od er eben auch den Topf.

      LG
      Arne
      Das sehe ich ja eigentlich ganz ähnlich, lieber @arne.

      Deshalb hatte ich ja die Kritik im anderen Post auch entsprechend "entschärft" ...

      Phylax schrieb:

      Die Topf/Deckel-Problematik ist ein "gefährlich Ding ...". Nicht für Töpfe und Deckel, die sich ihrer zu 100% und voll und ganz bewußt sind.
      Das Problem, auf das ich hier hinweisen will, tritt sicher eher "am Anfang" der Beschäftigung mit der Neigung im Allgemeinen oder mit einer Beziehung im Speziellen auf. Da, wo man sich üblicherweise eben Fragen stellt: Ist dieses oder jenes gut oder nicht gut für mich.

      Und da kann es halt (in meinen Augen zu) leicht passieren, dass man diese Fragen auf die leichte Schulter oder nicht ernst genug nimmt, wenn man sich (nur) denkt: Ich will es, er/sie will es - also ist doch alles in Ordnung. Leider ist es halt so, dass, bloß wenn beide etwas gerade gut und richtig finden, es leider noch nicht immer auch gut und richtig sein muß ...
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      Die Grenzen sollten für mich immer bei "safe" und "sane" sein. Und beides muss manchmal wohl auch von einer "Partei" allein entschieden werden. Gegebenenfalls vielleicht gegen den Wunsch der anderen "Partei". Eben, was du, @Phylax, ausdrückst als "später damit leben können". Ich persönlich bin so gar kein Anhänger dieser Denkweise, dass eben einfach ALLES ok ist, wenn man sich "einig" ist.
      Eine fremde Seele, das ist ein dichter Wald.
      Anton Pawlowitsch Tschechow
      Es ist ja häufig so, dass Modelle zwar gut den Allgemeinfall erklären, aber in Grenzbereichen nicht mehr passen.

      Da wird dann das Modell von anderen Prinzipien abgelöst. Bei BDSM zum Beispiel SSC. Oder allgemein durch ein paar Dinge, die der Gesetzgeber ersonnen hat um Menschen zu schützen.
      "I don't exist when you don't see me
      I don't exist when you're not here"

      Safrina schrieb:

      Die Grenzen sollten für mich immer bei "safe" und "sane" sein.

      Cliffhanger schrieb:

      Es ist ja häufig so, dass Modelle zwar gut den Allgemeinfall erklären, aber in Grenzbereichen nicht mehr passen.

      Da wird dann das Modell von anderen Prinzipien abgelöst. Bei BDSM zum Beispiel SSC. Oder allgemein durch ein paar Dinge, die der Gesetzgeber ersonnen hat um Menschen zu schützen.
      Das spricht den zentralen Punkt schön an. Es ist eben das, was ich meine: Die Topf-/Deckel-Sache paßt in gewissen Grenzbereiche nicht. Aber viele von uns bewegen sich nunmal gern in Grenzbereiche. Und viele von uns (mich selbst eingeschlossen), verlassen da auch schon mal bewußt den Schutzbereich des Gesetzgebers ...

      Und da ist eben das Problem, dass man in diesen "heiklen" Bereichen sich nicht mehr auf "Prinzipien" verlassen darf, sondern - je heikler es wird, desto mehr - die Pflicht hat, über jede seiner Handlungen konkret und ausgiebig selbst nachzudenken und alle möglichen Folgen, soweit nur irgenwie absehbar, und zwar für beide Seiten, mit zu berücksichtigen.

      SSC "als Prinzip" hilft hier beispielsweise auch nicht. Denn klar: "safe" und "sane" sind Grenzen. Aber wir befinden uns ja bei diesen Praktiken als Ganzes "im Grenzbereich" (vgl. oben: wir bewegen uns nunmal gerne im Grenzbereich ...).

      Das heißt, dort wo es "gerade noch" safe ist, muß ich umso mehr darauf aufpassen und mich darauf konzentrieren, dass es das im konkreten Fall auch bleibt, wo es "gerade noch" sane ist, muß ich umso mehr darauf aufpassen, dass es keine negativen Auswirkungen hat.

      Und das Consensual ist in dem Fall - leider - überhaupt eine "wertlose" Schranke. Denn das sagt ja nichts anderes aus als das Topf-/Deckel Ding. Nur weil beide damit einverstanden sind, muß es noch lange nicht safe und sane sein ...

      Das heißt (nur zur Klarstellung, denn ich glaube, dass wir uns da ja ohnehin eben gerade einig sind): je näher wir uns an die "Grenzen" eines Prinzips heranwagen, desto mehr müssen wir im Einzelfall konkret aufpassen, nichts "Dummes" zu machen.

      Um beim ursprünglichen Bild im EP zu bleiben: Wir dürfen dann halt nicht mit 160 km/h auf das Autobahnende zurasen, sondern vielleicht doch nur mit den im Baustellenbereich angemessenen 80 oder 60 km/h. Und mit dem EP wollte ich ja eigentlich nix anderes, als die entsprechenden Warnschilder aufstellen ... :D
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      @Phylax bewußt den Schutzbereich des Gesetzgebers verlassen erfordert unbedingt Konsens, jedenfalls nach meinem Verständnis. Aber: IAmNotALawyer...

      Wenn man das einseitig bewusst und ohne Konsens macht, dann greift im Zweifel doch der Schutzbereich. Deshalb lieber doch Topf/Deckel :D
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      @Cliffhanger: NATÜRLICH im Konsens. Dee Konsequenzen bin ich mir vollständig bewußt (cuzIAMaLawyer, just btw ... :whistling: ) Zur Konsensproblematik haben wir hier ja schon einiges geschrieben ...

      Was ich nur meinte, ist: gesetzlicher Schutz als Alternativkonzept kann die persönliche Sorgfalt ebensowenig ersetzen wie der (ohnehin nötige) Konsens. Dies schon allein deshalb, weil die spezialpräventive Wirkung von Gesetzen (also konkret das Ausmaß, in dem sie mich subjektiv davon abhaltwn können, gegen sie zu verstoßen) nie absolut ist, sondern immer davon abhängig ist, welche Risken ich einzugehen bereit bin.

      Mit anderen Worten: Gesetze können Dummheiten nicht verhindern, sondeen nur sanktionieren - daher müssen wir trotz allfälliger Gesetze beim selbst nachdenken bleiben.
      Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. Laotse