Milchpreise, was ist zu tun?

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      Ich war früher Unternehmensberater (Sanierung mit Schwerpunkt Kennzahlensysteme und Vertragsoptimierung), ganz einfach wenn ein Unternehmensteil keine Perspektive hat, dann muss man ihn einstellen, außer er ist wichtig für andere Unternehmensteile. Wenn der Bauer als mit Gewinnen aus Biogas seine Kühe querfinanzieren kann weil die viel Mist produzieren alles gut, wenn nicht muss er den Betrieb einstellen. Niemand hat in einer, auch nicht einer sehr sozialen, Markwirtschaft eine Gewinn oder Jobgarantie. Bauern sind nicht dumm, jene die aufgeben werden, wie die Weber, Setzer, usw, auch wieder in Lohn und Brot kommen. Ein Schulfreund war Bauer nun verdient er sein Geld mit erneuerbarer Energie, angeblich viel leichter verdient und seinem Wagen nach alles andere als unlukrativ :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Thema Milchpreise ist ja auch nicht von heute oder gestern. Viele der Grossbauern haben das schon vor Jahren erkannt, das hat ja auch mit Studium nichts zu tun, wenn ein Überangebot da ist, sinkt der Preis.
      Diese Grossbauern (nicht HobbyBauern) haben damals schon angefangen, alternative Einkünfte zu erschliessen, angefangen von der Solarenergie auf ihren Dächern, jetzt Biogas und Solar auf den grossen Feldern. Zumindest kann man das in unserer Region gut beobachten.

      Und soweit ich das mitbekommen habe, musste da nichtmal immenses Eigenkapital verwendet werden, da kamen ordentlich Zuschüsse zum tragen.

      moischdermaddin schrieb:

      Ich wage zu bezweifeln das es unter den jammernden Kleinlandwirten viele gibt die direkt an Discounter liefern und so von denen unter Druck gesetzt werden.
      Landwirt liefert an Genossenschaftsmolkerei (in der er Genosse ist) diese verkauft es dann oft nochmal weiter, dort wird es dann in die bunten Tetrapacks gefüllt, mit lustigen Namen und Bildchen versehen und an die Diskounter geliefert, oder?
      Hier gibt es zwei Modelle, zum einen das von Dir beschriebene, jedoch geht es hier weniger in Tetra Packs, sondern eher um qualitative Weiterverarbeitung in Richtung Sennerei oder sonstige Milchprodukte.
      Zu den Discountern holen es häufig die Molkereien, mit denen diese zusammenarbeiten selbst bei den Betrieben ab, das wäre dann die quantitative Seite.

      tyko schrieb:

      zB medion, die aus einer kl werkstatt hervorgegangen sind, wo aldi sie dann stark unter druck gesetzt hat. sie sich die genehmigung sogar von dem holen mußten um auch noch später in eigenregie verkaufen zu dürfen.
      Nicht ganz richtig, Medion hatte selbst Technologie in den 80ern von einem insolventen Unternehmen gekauft um damit dann weiter zu entwickeln und produzieren. Das Geschäftsmodel hat nur auf einen bestimmten Abnehmerkreis abgezielt, da die Stückzahlen dort nicht die Rotation erzeugen würde, welche andere Produktionsstätten fordern würde. Erst nach dem Gang an die Börse fing der ganze Unfug erst so richtig an. Manchmal ist Fremdkapital eben nicht so freundlich gestimmt wie das Eigene :)
      Daraus entsprang dann die Medion Microstar Konstellation, die aber auch ihre Absatzkanäle untereinander trennte, so war damals Microstar für Media-Saturn gedacht und Medion für die anderen Absatzkanäle.
      Inzwischen gehört dies zu Lenovo, der weltweit größte Hersteller für Computer und Lapotp neben HP. Wobei man hier genau unterscheiden muss zwischen Business und Consumer.

      Gentledom schrieb:

      ganz einfach wenn ein Unternehmensteil keine Perspektive hat, dann muss man ihn einstellen, außer er ist wichtig für andere Unternehmensteile
      Und genau so ist es. Ein Betriebswirt bekommt diese Regel in seinen ersten Vorlesungen eingeprügelt.
      Habe ich keine Komplimentärnutzen aus einem Gut, so ist es zu eliminieren.
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      moischdermaddin schrieb:

      Ich wage zu bezweifeln das es unter den jammernden Kleinlandwirten viele gibt die direkt an Discounter liefern und so von denen unter Druck gesetzt werden.
      Landwirt liefert an Genossenschaftsmolkerei (in der er Genosse ist) diese verkauft es dann oft nochmal weiter, dort wird es dann in die bunten Tetrapacks gefüllt, mit lustigen Namen und Bildchen versehen und an die Diskounter geliefert, oder?
      Währen sich diese Landwirte einig das sie sich selber über ihre Genossenschaft einen fairen Preis zahlen, und würden das alle die machen die jammern so gäbe es am Markt einfach plötzlich nur noch gute Milch zu fairen Preis....
      Mein Bruder ist in keiner Genossenschaft. Er beliefert durch Abholung den nächstgelegenen Milchhof (Molkerei). Dieser wiederum produziert / beliefert u.a. (die früher eigene Marke) "Grünländer" an Hochland und "GutesLand" für Lidl.
      Der Preis wird hier vom Milchhof bzw. dessen Abnehmer festgelegt.
      If you don't live for something - you'll die for nothing. (Jamey Jasta)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Binemaja ()

      Ich bin Geisteswissenschaftlerin und sehe das Problem daher weniger unter betriebswirtschaftlicher, sonder aus gesellschaftspolitischer Perspektive. Lässt man die Entwicklung weiter laufen, ohne ordnend einzugreifen, was ist dann das Ergebnis? Zum einen natürlichen weniger Produktion, zum anderen aber eine neue Produzentenstruktur: es wird wohl keine Groß- und Kleinproduzenten sondern vielmehr eine Konzentration der Herstellung auf wenige Großproduzenten geben. - Und das finde ich nicht erstrebenswert. ;)
      Juhu,

      der Milchpreis, eins meiner aktuellen Lieblingsthemen ;) Ich habe die vorhandenen Antworten nur teilweise überflogen, ihr bekommt trotzdem meine Meinung dazu zu hören ;)

      Polemisch: Lasst die bauern pleite gehen!

      Differenzierter: Ich finde es gruselig, dass jemand Mist bauen darf, sich verspekuliert und dann Unterstützung bekommt. Wenn der Literpreis bei konventioneller Haltung zu niedrig ist, gibt es 2 Möglichkeiten, in meinen Augen:

      1. Ich stelle meinen Betrieb auf Bio um, dann bekomme ich einen anständigen Preis für mein Produkt.
      2. Ich produziere mehr, um mehr zu verdienen, drücke damit aber den Gesamtpreis....

      Ich muss ganz ehrlich sagen, auch wenn es nun der ein oder andere schlimm findet, wer Viehzeug konventionell hält und durch den massiven Preisdruck der Verbraucher pleite geht, ist selber schuld, fertig. Und wenn die Großmolkerei miese preise zahlt, dann baut man eben eine lokale mit guten Preisen auf, es gibt da das ein oder andere beispiel... Da mir bis jetzt kein Argument zugetragen wurde, dass eine grottige Haltung mit niedrigen Preisen in meinen Augen rechtfertigt, bin ich da auch nicht sonderlich diskussionsbereit. Vielleicht sehe ich das auch "entspannter" weil "meine" Milch eh bei rund 1€ pro Liter liegt, teilweise mehr, teilweise weniger, abhängig davon, ob ich sie kaufe oder selber mache und aus was sie besteht.

      Liebe Grüße Liz

      Liesa schrieb:

      Blöde Frage: Warum lassen die Bauern, die zuviel Milch haben, ihre Kälber nicht trinken und den Rest melken? Ginge das?

      Klingt einfach, aber so ist es nicht.

      Mutterkuhhaltung (Kalb läuft mit Kuh) braucht ganz andere Haltungs-Bedingungen als eine reine Milchkuhherde. Zudem ist es nicht rentabel - eine Kuh bringt ein Kalb im Jahr - und diese Kalb bringt im Jahr ein paar hundert Euro - also keine Lösung - zudem lässt sich eine Mutterkuh (Kalb säugt direkt an de Kuh) nicht mehr maschinell melken - und so eine Kuh gibt viel weniger Milch.
      Die Milchproduktion passt sich dem Saugen des Kalbes an.

      Bestimmt füttern viele Bauern schon ihre Kälber mit reiner Kuhmilch (also milkt die Kuh und gibt die Milch über Eimern dem separat gehaltenen Kalb)
      Mit dieser Mehtode bleibt immer noch viel Milch übrig - weil so die Kuh viel mehr Milch gibt als das Kälbchen trinkt.
      Bei diesem Preisen kauft wohl kaum ein Bauer Milchpulver! Meine Eltern haben das schon vor 25 Jahren schon so gemacht.
      Gerade das Thema Milchpreis und die generelle Preisentwicklungen auf den aktuellen Märkten für Commodities und Dienstleistungen, sind ein vielschichtiges Problem bei dem jede gesellschaftliche Gruppe (Verbraucher, Produzenten, Staat) ihren Beitrag leisten muss. Jetzt nach schnellen, einseitigen Lösungen zu schreien (z.B. Drosselung der Ausbringungsmenge, Subventionen etc.), wird ungefähr so nachhaltig sein wie weitere Milliardeninvestitionen in Dieselmotoren.

      Aber fangen wir mal mit unseren drei Gruppen an:
      1. Der Staat

      Shit rolls downhill, an sich ist das ja nichts Neues. Ich möchte hier dem Staat auch nicht die alleinige Schuld an der Misere geben, jedoch müssen wir uns ernsthaft überlegen, ob das ganze Problem nicht durch das wahnwitzige Subventionssystem der letzten Jahrzehnte begünstigt wurde. Wenn ich über Jahre hinweg den Milchpreis durch Quoten auf einem künstlich hohem Niveau halte, welchen Anreiz gebe ich dann den Marktteilnehmern ihr bisheriges Geschäftsmodell bzw. ihre Handlungsweise zu verändern? Ein ähnliches Phänomen konnten wir doch bereits in der Solar-Industrie beobachten. Über Jahre hinweg wurden Unternehmen mit Subventionen permanent angefixt. Investitionen in Innovationen und Veränderungen wurden auf einem Minimum gehalten, da der Markt vom Staat mit der EEG-Umlage gemacht wurde und "das Geschäft eben da war". Kurzum, man hat über Jahre hinweg Unternehmen am Leben gehalten, die komplett am (realen) Markt vorbeiproduziert haben. Ein weiterer Punkt ist auch die teils mehr als unbedachte Lenkung der Subventionsgelder. Wenn ich nur daran denke, dass der Inhaber eines größeren Österreichischen Brauseherstellers Subventionen für seinen Bergbauernhof bekommt, sich aber gleichzeitig für ein paar Millionen Euro einen Formel 1 Rennstall vor die Haustüre stellt, dann muss ich mich ernsthaft fragen, was in diesem System falsch läuft. Die Frage der Generationengerechtigkeit bei solchen Subventionen, müssen wir uns gar nicht erst stellen...

      Eine Form, die ich mir bei Subventionen für Milchbauern vorstellen könnte, wären Beihilfen analog zum Venture Capital bei Privatunternehmen. Der Staat stellt finanzielle Mittel zur Verfügung um strukturelle Änderungen anzustoßen, diese müssen dann jedoch nach einer definierten Zeitdauer (idealerweise mit einer Premium) zurückbezahlt werden.

      2. Der Verbraucher / Konsument

      Hier müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen. Wenn nicht wir Deutschen, wer dann hat über Jahre hinweg die "Geiz ist geil" - Mentalität so zum Erbrechen zelebriert wie wir? So lange der Markt nach günstigen Produkten frägt und nicht bereit ist eine Premium zu bezahlen, so lange wird sich auch immer jemand finden, der dieses Nachfrage bedienen wird. Ganz überspitzt ausgesagt ist unser Markt fast wie Prostitution: egal wie niedrig der Preis schon ist, am Ende findet sich immer jemand, der sich drunter legen wird. Es ist zwar schlimm, aber das wird sich erst ändern, wenn wir uns alle darüber klar werden, was "faire" Preise wirklich sind. Ich habe als Verbraucher entweder die Wahl Produkte zu kaufen, die es Unternehmen ermöglichen sozialverträglich agieren zu können, oder Produkte zu kaufen, die meinen persönlichen Nutzen maximieren. Meine persönliche Sicht: So lange über meinen Schreibtisch noch (staatliche und private) Ausschreibungen laufen, bei denen (selbst in sensiblen Bereichen) der Preis für Einkäufer das einzige Kriterium ist, dann sehe ich zumindest in dieser Hinsicht schwarz.

      3. Der Bauer / Produzent

      Kurz gesagt, viele unserer Bauern hatten entweder den strukturellen Schuss nicht gehört oder haben sich, meiner Ansicht nach, nach Wegfall der Milchquote von dem Motiv treiben lassen, das auch schon vor einigen Jahren unseren Finanzsektor in Schieflage gebracht hat, die Gier. Wenn ich nach Wegfall der Milchquote meine Produktion hochfahre (und wahrscheinlich nicht alleine, sondern mit zig tausend anderen Milcherzeugern), dann ist es quasi schon eine Milchmädchenrechnung, dass der Marktpreis sinkt. Sich dabei darauf zu verlassen, dass der Markt ewig weiterwachsen wird und mir ein stabiles Preis-Level garantiert, halte ich dabei für eine sehr gefährliche und fahrlässige Prämisse. Dass sich bei dieser Entwicklung irgendwann ein paar wenige big player bilden, dürfte selbsterklärend sein.

      Für die Lösungen des Problems wird man noch lange Zeit dicke Bretter bohren müssen, aber das Problem wird sich nur durch radikales Umdenken aller Marktteilnehmer beheben lassen.

      Just my two cents...