Gedanken zur Nacht #4

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      Gedanken zur Nacht #4

      Gedanken zur Nacht #4

      Es ist mehr als 20 Jahre her, dass ich meine ersten Erfahrungen mit (BD)SM machte, das erwähnte ich schon in den letzten Nachtgedanken. Damals gab es das BD noch nicht, es hiess schlicht SM, war pervers und ich werde nie den Moment vergessen, als ich mit meiner damaligen Freundin am Küchentisch meiner Eltern saß und sie aus der Zeitung vorlies, dass die VHS in Mülheim a.d. Ruhr ein SM Seminar anbietet. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, der bewirkte, dass wir begannen miteinander zu reden. Herauszufinden welche Wünsche und Fantasien in unseren Köpfen spukten. Für mich war damals "von hinten" schon frauenverachtend, sie träumte davon überwältigt, benutzt und vieles mehr zu werden.

      Für eine Weile fanden wir einen Mittelweg, es war toll, aber es war etwas, was zwischen uns stattfand und genau in diese Beziehung passte.
      Die Beziehung endete, es folgten weitere, mir fehlte nichts, nur der Sex war nie mehr so frei von Gedanken, so frei von Konventionen, so offen und ungehemmt, so frei von Gedanken daran, ob die Partnerin auch jedes Mal auf ihre Kosten kommt, so frei von selbstgemachtem Druck, und so frei auch mal egoistisch zu sein.

      Irgendwann kehrte ich in meinen Gedanken zurück zu dieser Zeit, als Sex ausschliesslich Spass machte, in der es viel weniger Grenzen gab, in der ich mir nehmen durfte was ich wollte, geschenkt bekam womit ich nicht rechnete und mich wirklich angenommen fühlte.

      So weit, so gut. Jetzt mal zum praktischen Teil, den wohl die meisten von uns kennen. Das passende Gegenüber findest Du nicht am Tresen in der Apotheke, an der Kasse im Supermarkt oder im Publikum bei Deinem letzten Auftritt. Also natürlich findest Du es auch genau dort, aber um das herauszufinden, musst Du erst mal etwas aufbauen um dann vielleicht irgendwann herauszufinden, dass genau *der* Punkt mal wieder nicht passt.

      Was ist also einfacher, als sich im Internet auf die Suche zu begeben. Auf einschlägigen Websites, Foren, Partnerportalen.

      Du meldest Dich also auf verschiedenen Plattformen an, wartest ab was passiert, bekommst ein paar Emails, schreibst die ein oder andere Person an, deren Profil Dir spannend erscheint, verbringst Abende damit zu lesen und zu schreiben. Manche Konversation versandet schnell, andere vertiefen sich, manchmal trinkst Du einen Kaffee mit jemandem, Du beginnst Dich zu vernetzen, besuchst Stammtische und Treffen, lernst Menschen kennen, spannende Menschen, nette Menschen und irgendwann stellst Du fest, dass es Dir gut tut Menschen zu treffen, die eine ähnliche Neigung haben wie Du, einfach weil Du weisst, dass es so ist. Dass da jemand ist, dem gegenüber Du nicht hinterm Berg halten müsstest, dass Du andere Vorlieben hast, als viele Deiner Nachbarn. Du lernst über Sex zu reden und über Dinge, die den meisten Leuten wohl die Schamesröte ins Gesicht treiben würde und Du geniesst, dass Du genau das gerade in dem Moment geniessen kannst, während es an den Nebentischen immer leiser wird.

      Und sonst? Nix.

      Du beginnst das Lächeln von Liesschen Müller an der Theke in der Apotheke zu ignorieren, weil Du keine Lust hast herauszufinden, dass sie Dich pervers findet. Stattdessen läufst Du durch den DM Markt und fragst Dich, ob das Mädel in der Kassenschlange vor Dir wohl auch vom gleichen Ufer stammt, weil sie eine enge Kette um den Hals trägt.

      Du triffst Dich mit Online Bekanntschaften und stellst fest, dass sie entweder nicht Dein Typ sind oder komplett andere Vorstellungen haben als Du. Oder sie gleiche Vorstellungen signalisieren und dann doch komplett anders ticken. Oder anderes nicht passt. Das hättest Du mit Liesschen Müller auch haben können.

      Was bleibt unterm Strich? Ich habe in meiner "Online Zeit" als Top/Dom/Sadist/Was_auch_immer viereinhalb Erkenntnisse gewonnen.

      1. Einige der Subs/Bottoms/Was_auch_immer, zu denen ich Kontakt hatte und habe, gehören zu den absolut stärksten Persönlichkeiten, die ich jemals kennengelernt habe, ich bin um jeden dieser Kontakte froh und alleine das hat den Weg in die virtuelle Welt gelohnt.

      2. Wir haben zu viele Schubladen. Es werden Neigungen ausgetauscht und abgefragt. Viele davon existieren nur im Kopf, es gibt wenig gemeinsames Herantasten, Herausfinden, Experimentieren. Der Mensch spielt oft eine geringere Rolle als seine Neigungen.

      3. Online Dating ist für mich nichts. Verlieben hat etwas mit allen uns zur Verfügung stehenden Sinnen zu tun, richen, hören, sehen, spüren und fühlen. Lesen gehört für mich nicht dazu.

      4. BDSM ist kein Lebenselixier für mich. Es gibt so viele Dinge, die wichtiger sind. Und die Suche nach der vermeintlichen sexuellen Befriedigung macht mich müde, müder und am Ende noch viel müder.

      4 1/2. Ich bin müde, die Vögel fangen an zu zwitschern, es wird Zeit ins Bett zu gehen.

      Euch eine gute Nacht.

      Turnschuh.
      Da sitz ich nun, Tränen in den Augen.Wie treffend du das alles beschrieben hast.
      Es gehört so viel mehr dazu wenn man einem Menschen begegnet.
      BDSM ist nicht das was in Büchern oder Net steht, sondern das was zwei Menschen daraus machen,
      ihren eigenen Weg finden, sich aufeinander einlassen und sich Raum geben zu wachsen und sich zu entwickeln.
      Das erfordert Zeit, Geduld, Hingabe und Liebe................