Aus Spiel wurde Ernst - eine kleine Streitschrift

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      Aus Spiel wurde Ernst - eine kleine Streitschrift

      DS, zwei kleine Buchstaben, ein großes Kopfkino, zehntausend schöne Vorstellungen im Kopf.

      Ungefähr so begegnen mir hier im Forum eine zunehmende Zahl an (vor allem ) Userinnen. Die Malesubs unter uns sollten sich aber nicht direkt ausgegrenzt fühlen, denn mein Text soll einiges, aber nicht geschlechtsspezifisch daher kommen.

      Dennoch, so zeigt es die ein oder andere Statistik, gibt es anscheinend mehr weibliche Submissive in der Szene als männliche.

      Fangen wir einfach ganz von vorn an:
      Man hat also, warum auch immer, plötzlich das Thema BDSM im Kopf und merkt mit wachsender Begeisterung, dass eine Menge der Fantasien, die man schon lange hegte unvermittelt zu einer aufregenden, sexuell erfüllenden und manchmal sogar ganzheitlichen Erfahrung werden KÖNNEN.
      Die Suche beginnt nach dem Passenden, dem Traummann/der Traumfrau, dem ultimativen dominanten Gegenüber, der alle Träume wahr werden lässt.

      Und schwupps, da hat man jemanden gefunden, die Reise ins unbekannte Land geht unvermittelt los. Es wird Vertrauen investiert, es werden neue Wege begangen, neue Erfahrungen gemacht, manchmal beginnt ein ganz anderes zweites Leben.

      Zauberhaft...bis hierhin. Das erste Mal Befehle erhalten, die ersten Kontrollmechanismen werden abgegeben, man fühlt sich geborgen, geführt und behütet.

      Man kommt in ein Forum, vielleicht dieses, vielleicht ein anderes, man tauscht sich aus über die großartigen Dinge die da passieren. Man erschreckt sich über Praktiken aus dem BDSM-Bereich, die man noch allzu argwöhnisch betrachtet: Messer, Feuer, Schlaginstrumente, Atemkontrolle, TPE,
      Nägel, Waterboarding etc etc.
      „So was gefährliches ist nix für mich, davor habe ich zu viel Angst/Vorbehalte/Vorurteile“ denkt man.
      „Was wir machen geht nicht so weit...“ denkt man.

      Nur ein bisschen Orgasmuskontrolle
      nur ein bisschen Unterwerfung
      nur ein bisschen so anziehen/aussehen wie Dom es mag
      nur ein bisschen Erziehung
      nur ein bisschen Macht abgeben
      nur ein bisschen SPIELEN

      Und da liegt des Pudels Kern, denn all die Dinge, die ich gerade aufzählte, spielen mit der Seele, mit dem Mensch-Sein, mit dem eigenen Selbst.
      (Wer ein bisschen verfolgt hat, auf welche Threads ich normalerweise wie antworte, weiß, dass ich ganz bestimmt nicht zu der Fraktion gehöre, die nun den Zeigefinger hebt und laut ruft: GEFAHR!!)

      Aber: Beziehungen zerbrechen, manchmal sogar schneller als man denkt. Oder sie ändern sich in eine Richtung, die man so eigentlich nicht geplant, geschweige denn gewollt hat.
      Eventuell wird man also plötzlich allein gelassen oder findet sich in einer Struktur wieder, die so nicht beabsichtigt war, in die man einfach hineingeraten ist.
      Schneller oder langsamer arbeitet sich die Erkenntnis ins Bewusstsein, dass man doch mit dem Schmerz gespielt hat und zwar mit dem psychischen. Und dass dieser nicht durch Hautöl, Heparin-Salbe oder ein Pflaster zu beheben ist. Dass er sich einbrennt ins eigene Bewusstsein, dass die erlangte sexuelle Freiheit, das gefühlte neue Selbstbewusstsein mit dem Spielpartner verschwunden sind.
      Das Loch, in das man fällt, ist verdammt tief. Es arbeiten sich Selbstzweifel an die Oberfläche:
      „Hab ich was falsch gemacht? Ist das meine Schuld?“ oder etwas expliziter: „Warum kann ich keinen spontanen Orgasmus mehr kriegen? Warum kann ich mich nicht mehr fallen lassen? Warum fühle ich mich plötzlich so klein?“

      Viele von den Submissiven, die ich im Laufe meiner Zeit kennenlernte (mich eingeschlossen) unterschätzten die Auswirkungen einer DS-Verbindung. Viele brauchten Monate oder Jahre, um sich davon zu erholen und wieder Vertrauen schenken zu können. Manche benötigten sogar professionelle medizinische Hilfe, um ihre seelischen Verletzungen zu gut verheilten Narben zu transferieren. Und auch diese bleiben und mahnen, dass, wer mit dem Feuer spielt, auch darin umkommen kann.

      Auf gar keinen Fall möchte ich Euch madig machen, was Euch Freude bereitet. Lebt, liebt, spielt, fallt hin und steht wieder auf.


      Aber, wenn ihr das nächste Mal erschrocken die Augen aufreißt, weil Euch eine Praktik aus dem SM-Bereich ganz und gar unvorstellbar vorkommt, dann denkt bitte daran, dass die Gefahr, die Psyche zu schädigen im DS-Bereich deutlich höher ist und längerer Heilung bedarf als eine Schnitt-/Brand- oder Schlagwunde.

      Ich habe fertig und möchte, um Spekulationen vorzubeugen, kurz noch anmerken, dass bei @Naughty Knight und mir alles gut ist.
      Dieser Text brennt mir schon länger auf der Zunge und wollte jetzt dringend mal an die frische Luft ;) .
      Tja, @Gegengift , was soll da noch ergänzt werden?

      Recht hast Du mit Deiner, wie mir scheint, Kernaussage, dass nicht physische, sondern psychische Schäden das zumeist größere und gleichzeitig zumeist unterschätzte/verdrängte Risiko sind.

      Schön, dass das mal wieder hochgehoben wird auf diesem Forum, dass sich auch ganz besonders als Anlaufstelle für BDSM-Neulinge versteht.

      Danke!
      We like to think we're the Roadrunner, but we're the Coyote.
      Liebes @Gegengift!

      Die Wahrheit hat absolut nix mit madig machen zu tun, sondern kann nur helfen besser auf sich selbst zu achten und für alle Fälle einen Plan B bereit zu haben. Und einen Plan C am besten auch noch.

      Sehr schöner Beitrag!
      Vielen Dank dafür. :thumbup:

      Orion
      Liebes @Gegengift,

      Danke - du sprichst mir aus der Seele .
      Genau dies Gedanken tanzen auch bei vielen hier transferierten Themen durch meinen Kopf
      Häufig empfinde ich die Euphorie der einzelnen nach - frage mich aber auch ob ihnen klar ist das es wie in allen intensiven Beziehungen nicht nur zu körperlichen Verletzungen kommen kann . Ob der eine oder andere ohne Liebesgefühlsich auch zurück nimmt . Aktive und passive Parts gleichermaßen . Ob man in der Lage ist zu verstehen warum man sich so von Hormonen triggern und auch leiten lässt .
      Die Beweggründe sind mir meist klar und auch nachvollziehbar , doch manchmal möchte ich auch warnend antworten - ! lasse es dann aber, da ja jeder" sein " BDSM lebt und es vielleicht auch genauso will .
      Auch kann ich mich dir nur anschließen und jedem ans Herz legen sich zu reflektieren und ggf auch Menschen an ihre Seite zu haben , die sie auffangen und aufrichten können wenn die Seele schreit , nach einem Drop , nach einer missglückten Spielbeziehung , nach vielen Unverbindlichkeiten die uns tief fallen lassen .
      Auch oder gerade im BDSM kann ich nur jedem die gute alte " Achtsamkeit "ans Herz legen .
      Achtet auf euch , eure Gefühle mit , nach und in der Session . Lasst euch langsam ein - kontrolliert euch im Hinblick auf Gefühle und Abhängigkeiten . Sorgt für euer Leben , gerade auch das außerhalb des BDSM .
      Seit so wie ihr immer seid - wertschätzend mit euch und eurem Gegenüber . Und fragt euch immer ist es das alles Wert ? - Er- Sie - das Spiel und die Euphorie die uns alle so aus der Reihe tanzen lässt .
      Seid euch aller Gefahren und Risiken bewusst nicht nur in der physis sondern besonders in der Psyche
      Ich hoffe ich war nicht off topic und zu sehr im Klugscheissermodus .
      Wir leben alle unter dem selben Himmel , aber nicht mit dem gleichen Horizont
      Ich geb Dir in fast allen Punkten Recht.
      Nur sehe ich die Gefahr nicht nur auf der submissiven Seite.
      Auch die Herren investieren, geben und lassen sich tief auf eine solche Beziehung ein.
      Nicht jede Beziehung wird durch den Herrn gelöst...und ich glaube nicht das sich jeder
      Herr umdreht und gleich die nächste angelt, auch auf der dominaten Seite entstehen
      Wunden, die mit unter lange heilen müssen.

      Das sind meine Gedanken zu diesem Thema, ich mag das nicht so einseitig sehen.
      Liebe @againstallodds, natürlich gibt es das, etwas anderes würde ich auch nicht behaupten, aber ich wage zu sagen, dass diese Variante seltener ist, denn Orgasmuskontrolle etc etc werden durch den oder die Dominante ausgeübt, sie beeinflussen ihr Gegenüber maßgeblich und eher weniger sich selbst.... darum ging es mir unter anderem...(Bitte fangt jetzt keine Diskussion darüber an, wer wen beeinflusst usw. usw., Danke ;-))

      Dass alle Menschen jeglicher Couleur und Neigung Liebeskummer, Verzweiflung und Selbstzweifel verspüren können steht außer Frage
      allerliebste @Gegengift

      :blumen: :blumen: :blumen: :blumen: :blumen:

      Danke dir für deine tollen mahnenden Worte, du hast meiner Meinung einen der besten Beiträge der letzten Wochen geschrieben und es einfach auf den Punkt getroffen. Ich muss zugeben das ich mir bis vor einiger Zeit keine/kaum Gedanken über DS und Konditionierung gemacht habe da ich mich als reiner SMler sah bis ich eines schönen Abends is ein kleiner Hund mit der Nase drauf gestoßen wurde das ich ja doch einen DS Anteil in mir trage und lebe. Ab da kam dann in mir die Erkenntnis das mein Spiel mit dem Körper meiner gegenüber nicht ungefährlich ist aber es unter normalen Umständen wieder verheilt und selbst Narben verblassen aber das Spiel mit der Seele ist ein weitaus gefährlicheres und man muss mehr Verantwortung für den Gegenpart aufbringen als es beim reinen SM Spiel ist.

      Aber diese Verantwortung darf der passive Part nicht einfach so an den aktiven Part abgeben so gerne er es auch möchte!
      Jeder muss auch soviel Verstand und Selbstverantwortung haben sich nicht ganz "abzugeben"

      Lieben Gruß
      rG
      :empathy: für alle die sich von mir auf den schlips getreten fühlen :kopfnuss:


      :engel:
      Ein Like und großes DANKE SCHÖN für das teilen Deiner Gedanken @Gegengift
      ja und auch ich habe mir schon darüber Gedanken gemacht... Zwei Beziehung mit Prägung BDSM (auch wenn es da keinen Namen trug) gescheitert, immer die selben Gedanken und Bedenken und Zweifel...

      Aber Versuch macht bekanntlich klug und alle guten Dinge sind drei und das entnehme ich auch deinen Post "aufstehen mit der Hoffnung das laufen nicht verlernt zu haben", aber mit Vorsicht und Bedacht und stetiger Achtsamkeit sich selbst gegenüber.
      Danke @Gegengift! :blumen:
      Es sind genau diese Befürchtungen, die man - bei aller Euphorie - nicht von sich schieben sollte und denen man sich stellen muss.
      Ich habe mich schon wie ein totales Weichei gefühlt, weil mir genau diese Gedanken immer und immer wieder durch den Kopf gingen.
      Super Thread @Gegengift hast bereits mein Like und noch eine :blumen: dazu. Ich werde dir jetzt nicht nur auf die Schulter klopfen, sondern dich noch bitten oder soll es jemand anderen, der die nötige Erfahrung hat, noch genauer die Gefahren aufzuzählen. Was und wie passiert es? Geht es nur um die Liebe? Geht es um Abhängigkeiten, die dadurch entstanden sind, weil man die Kontrolle abgegeben hat? Hat man sich ein nicht wirklich existierenden Super Dom/Super Mensch/ einen Gott in dem eigenen Kopf erbaut?
      Eins werde ich noch dazu fügen.... Es kann auch so sein, dass man NIE wieder sein bedingungsloser Vertrauen jemanden mehr schenken wird.
      Herzlichen Dank @Gegengift :blumen: aus vollem Herzen
      Dein Post war heute Abend Gegentand unserer Gespräche. Wie du schreibst: Ein bißchen hiervon, ein bißchen davon...
      genau das macht ja den Reiz einer ziemlich am Anfang stehenden D/S Beziehung.
      Man liest sich in diesem Forum durch, überlegt was machbar ist und möchte am liebsten 120 Sachen auf einmal ausprobieren :D (120 ist eine willkürlich gewählte Zahl). :) DAS IST KEIN VORWURF!!! Das ist einfach die Euphorie von Anfänger, wie mein Liebster und ich es sind. Also bei uns war das so. :)
      Dein Post hat uns gut getan und hat uns dazu gebracht, unsere D/S-Beziehung zu reflektieren.
      Liebes @Gegengift,

      ein wunderbarer Beitrag, Danke :blumen: ich mag deine Schreibe und du hast es toll auf den Punkt gebracht.

      TomD schrieb:

      ...noch genauer die Gefahren aufzuzählen. Was und wie passiert es? Geht es nur um die Liebe? Geht es um Abhängigkeiten, die dadurch entstanden sind, weil man die Kontrolle abgegeben hat? Hat man sich ein nicht wirklich existierenden Super Dom/Super Mensch/ einen Gott in dem eigenen Kopf erbaut?
      Ich muss gerade an einen Medikamentenbeipackzettel denken... :thumbup: Ja, das wäre durchaus interessant und eine gute Idee und du nennst schon viele wichtige Punkte. Aber puh, ich fürchte, das sind unendlich viele Gefahren, @TomD. In beinahe jedem zweiten, dritten Thread, den man hier mit Aufmerksamkeit liest, trifft man auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen, insbesondere im DS-Bereich.
      Es gibt ein Leben vor dem Tod
      Lieber @TomD,

      ich kann gut verstehen, dass bei einigen der Wunsch aufkommt genau die oben beschriebenen Erfahrungen etwas näher zu beleuchten und vielleicht auf kleine und große Stolperfallen (ich möchte jetzt nicht ständig von Gefahr reden) aufmerksam zu machen. Bei vielen Threads den DS-Bereich oder auch Persönliches betreffend kann man zwischen den Zeilen lesen, was unter welchen Umständen passieren kann.

      Aber ich gebe der lieben @Maria131 recht: es mag unzählige Situationen und Verhaltensweisen geben, die mit Vorsicht zu genießen sind. ALLE kann man ganz sicher nicht benennen. Vielleicht, wenn ich ein bisschen Zeit und Muße finde, werde ich mich mit dem ein oder anderen Thema hier mal auseinandersetzen und vielleicht gibt es den oder diejenige User/-in, der mir dabei ein wenig unter die Arme greifen mag.

      Problematisch ist allerdings die Tatsache, dass vor Monaten mal beschlossen wurde psychische Thematiken in diesem Forum eher zu vermeiden, weil es oft zu verletzenden und unsachlichen Diskussionen kam....
      Wobei es hier nicht um die Psyche einer Personengruppe geht oder darum eine tiefenpsychologische Analyse einer Einzelperson herzustellen. Es geht nicht mal um Kritik, vielmehr um Aufklärung. Andererseits könnte der Thread auch problematisch sein, je nachdem wer sich neues Wissen aneignet und wie damit umgegangen wird. Dann muss wahrscheinlich der Betreiber entscheiden ob das Thema weitergeführt werden darf, oder ?

      @Sasou entschuldige, das war fast zeitgleich

      Gegengift schrieb:

      ...Vielleicht, wenn ich ein bisschen Zeit und Muße finde, werde ich mich mit dem ein oder anderen Thema hier mal auseinandersetzen und vielleicht gibt es den oder diejenige User/-in, der mir dabei ein wenig unter die Arme greifen mag.
      Also, wenn das offiziell in Ordnung ist, würde ich mal ganz vorsichtig meine Hand heben und dich bei so einem Projekt unterstützen :whistling:
      Es gibt ein Leben vor dem Tod
      Ich finde den Text von Gegengift sehr gut und würde ihn, wenn sie es denn ebenfalls will, dauerhaft auch auf der Hauptseite einstellen. Wir wollten die psychologische Themen einschränken und haben solche zu psychischen Erkrankungen verboten, weil diese Diskussionen leider unsachlich wurden und auch Überhand nahmen wodurch sich ein großer Teil der Mitglieder gestört oder gar angegriffen fühlt. Psychische Erkrankungen, Krankheitsbilder, usw. hier mit den Mitgliedern zu diskutieren wird auch weiterhin ein Tabu sein. Wenn eine entsprechend qualifizierte Person (Psychologe/in, Psychiater/in) hingegen einen Text schreibt und Fragen beantworten will und die Verantwortung für den Thread übernimmt, dann sehe ich darin kein Problem. Dieses Projekt steht diesen Themenfeldern schon immer offen gegenüber, nur eben nicht mehr in Form einer Forendiskussion.

      Drei von vielen Beispielen: gentledom.de/schlagwoerter/behinderung/borderline/, gentledom.de/schlagwoerter/behinderung/borderline-ii/ und gentledom.de/schlagwoerter/beh…urch-erlebten-missbrauch/
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff