Teil 1
Ich sitze in der S-Bahn und lese nun zum wiederholten mal den gleichen Satz, nicht fähig, die einzelnen Wörter zu einem Sinn zusammenzufügen. Ich bin aufgeregt, in Gedanken schon beim bevorstehenden Treffen. Der Versuch, mich mit der Lektüre meines Buches abzulenken scheitert offensichtlich kläglich.
Ich fahre endlich zu ihm, werde ihn sehen, hören, riechen, berühren, schmecken und auch fühlen können. Die Vorfreude ist riesig. Aber ebenso groß sind die Zweifel. Bin ich denn komplett verrückt? Ich fahre zu jemandem nach Hause, beim allerersten Treffen! Ich weiss nicht, wie er aussieht und das beruht auf Gegenseitigkeit. Bilder haben wir keine getauscht, nur Worte. Viele davon....sehr viele. Aber ob das ausreicht?
Es ist fast 4 Wochen her, als seine Anfrage auf der Datingwebseite bei mir eintrudelte. Zuerst wollte ich gar nicht antworten. Schon wieder so einer mit dem 'Mutter des Minotaurus-Spruch'. Er ist nicht der erste, dabei habe ich den Nicknamen Pasiphae von den Jupitermonden abgekupfert. Griechische Mythologie, Minotaurus und Helios hatte ich ganz sicher nicht im Sinn. Aber das wissen die anderen ja nicht. Warum ich ihm dennoch antwortete, obwohl ich angeödet war, ich weiß es bis heute nicht und an 'Schicksal' glaube ich auch nicht wirklich. Aber ich habe es getan...vermutlich reine Neugierde. Mit welchen weiteren Plattitüden er es seinen Vorgängern wohl gleichtun wird? Ich sollte mich gewaltig irren. Der Aufhänger mag gleich gewesen sein, aber was dann folgte war mit nichts und niemandem vergleichbar! Er ist charmant, geistreich, weiß mit Worten wohltuend gut umzugehen, versteht sich auf feinsinnige Doppeldeutigkeiten, ohne platt zu wirken. Nutzt schon fast elegant anmutende Anzüglichkeiten, ganz ohne plump zu sein und besitzt eine erstaunliche Fantasie. Genau mein Stil! Ein Traum, wie ich ihn mir besser nicht ausmalen könnte.
Gedankenverloren blättere ich um, schaue aus dem Fenster der Bahn in die Dunkelheit Berlins, registriere die Geräusche und das rege Treiben um mich herum nur wie aus weiter Ferne. In wenigen Minuten bin ich am Ostkreuz, da muss ich raus. Solange hänge ich weiter meinen Gedanken nach.
Erstaunlich, wie er punktgenau meine geheimen Gelüste und Neigungen immer zu erraten schien. Es ist schliesslich eine allgemeines Datingportal und meine wenigen Profilangaben deuten sicher nicht auf meine devote Neigung und als masochistisch hätte ich mich vor ihm ja selbst nicht einmal bezeichnet. Und doch hat er in der gemeinsam gesponnenen Geschichte punktgenau immer wieder diese Trigger gesetzt, die mir zuweilen bei der bloßen Vorstellung schon den Atem raubten. Ich fühlte mich bei ihm nie, als würde er, wie die meisten anderen, einfach nur rein pragmatisch eine Checkliste abarbeiten....wie siehst du aus, was sind deine Vorlieben und was deine Tabus, bist du besuchbar, wann hast du Zeit? Der übliche langweilige Mist eben. Doch solche Dinge hat er nie direkt gefragt. Wir haben uns gegenseitig Geschichten erzählt, schnell geprägt von erotischen Fantasien und jeweils die Reaktion des anderen darauf gelesen. Das Szenario in der Bar, die Aufforderung den Slip auf der Toilette auszuziehen und dann der Herrengriff in der schummrigen Ecke. Ebenso aufregend wie der Gedanke, mitten in einem leeren verfallenen Raum, nackt, mit gespreitzten Beinen, die Hände nach oben fixiert und die Augen verbunden. So ausgeliefert zu sein und nicht wissen, was um einen herum passiert...
Er hat mir auch Bilder geschickt. Nein, keine von sich oder irgendwelcher billiger Pornokram. Ästethisch anspruchsvolle Bilder. Beispielsweise diese Großaufnahme eines Gesichtes: Eine Frau in Halsband und mit Ball im Mund. Das MakeUp verschmiert, eine einzelne Träne sucht sich den Weg über ihre Wange. Dieser nach oben gerichtete Blick...vermutlich auf den Herrn.....der einfach alles ausdrückt. Er wollte immer wissen, was mir besonders ins Auge sticht und was ich dabei empfinde. Und ich habe es ihm jedes mal geschildert, detailreich, offen und ehrlich. Auf eine Weise, die mich selbst überraschte. Mich einem Fremden so zu öffnen? Das kannte ich von mir bis dato nicht. Aber es fühlte sich richtig an. Und jetzt sitze ich in dieser Bahn und werde ihn treffen.
Das Ostkreuz, ich muss raus, erhebe mich. Und dann stehe ich auch schon auf dem von vielen eilig umherwuselnden Mneschen bevölkerten Bahnsteig. Ich schaue mich um und suche noch den richtigen Ausgang. Ein junger Mann, vermutlich Mitte 20, spricht mich plötzlich an. Er hält mir lächelnd ein aus buntem Papier gebasteltes Lesezeichen vor die Nase. Er will es mir schenken, damit ich beim nächsten Mal nicht wieder ein Eselsohr in die Seite falten muss. Verdattert nehme ich es an...ich hatte es gar nicht bemerkt, so aufgeregt war ich wohl. Ich bedanke mich lächelnd und schaue dem jungen Mann hinterher. So viel Aufmerksamkeit begegnet einem nicht oft in den Öffentlichen. Dann stehe ich vor dem Bahnhof. Es regnet nun und ich werde zu Fuß etwa 10 Minuten bis zu seiner Wohnung brauchen...hat mir Google Maps verraten. Ich entschließe mich, ein Taxi zu nehmen. Hauptsächlich, weil ich meinen Schirm vergessen habe und nicht völlig durchweicht bei ihm ankommen will. Im Taxi antworte ich dem Fahrer fast schon automatisch auf seine Fragen. Wohin? Die Adresse kenne ich auswendig. Meine Nervosität nimmt mit jedem gefahrenen Meter zu. Was mache ich da blos? Die gleichen Zweifel kommen wieder auf, doch bevor ich mich darin verlieren kann, sind wir schon da. Ich bezahle den Fahrer, steige aus.
Ich sitze in der S-Bahn und lese nun zum wiederholten mal den gleichen Satz, nicht fähig, die einzelnen Wörter zu einem Sinn zusammenzufügen. Ich bin aufgeregt, in Gedanken schon beim bevorstehenden Treffen. Der Versuch, mich mit der Lektüre meines Buches abzulenken scheitert offensichtlich kläglich.
Ich fahre endlich zu ihm, werde ihn sehen, hören, riechen, berühren, schmecken und auch fühlen können. Die Vorfreude ist riesig. Aber ebenso groß sind die Zweifel. Bin ich denn komplett verrückt? Ich fahre zu jemandem nach Hause, beim allerersten Treffen! Ich weiss nicht, wie er aussieht und das beruht auf Gegenseitigkeit. Bilder haben wir keine getauscht, nur Worte. Viele davon....sehr viele. Aber ob das ausreicht?
Es ist fast 4 Wochen her, als seine Anfrage auf der Datingwebseite bei mir eintrudelte. Zuerst wollte ich gar nicht antworten. Schon wieder so einer mit dem 'Mutter des Minotaurus-Spruch'. Er ist nicht der erste, dabei habe ich den Nicknamen Pasiphae von den Jupitermonden abgekupfert. Griechische Mythologie, Minotaurus und Helios hatte ich ganz sicher nicht im Sinn. Aber das wissen die anderen ja nicht. Warum ich ihm dennoch antwortete, obwohl ich angeödet war, ich weiß es bis heute nicht und an 'Schicksal' glaube ich auch nicht wirklich. Aber ich habe es getan...vermutlich reine Neugierde. Mit welchen weiteren Plattitüden er es seinen Vorgängern wohl gleichtun wird? Ich sollte mich gewaltig irren. Der Aufhänger mag gleich gewesen sein, aber was dann folgte war mit nichts und niemandem vergleichbar! Er ist charmant, geistreich, weiß mit Worten wohltuend gut umzugehen, versteht sich auf feinsinnige Doppeldeutigkeiten, ohne platt zu wirken. Nutzt schon fast elegant anmutende Anzüglichkeiten, ganz ohne plump zu sein und besitzt eine erstaunliche Fantasie. Genau mein Stil! Ein Traum, wie ich ihn mir besser nicht ausmalen könnte.
Gedankenverloren blättere ich um, schaue aus dem Fenster der Bahn in die Dunkelheit Berlins, registriere die Geräusche und das rege Treiben um mich herum nur wie aus weiter Ferne. In wenigen Minuten bin ich am Ostkreuz, da muss ich raus. Solange hänge ich weiter meinen Gedanken nach.
Erstaunlich, wie er punktgenau meine geheimen Gelüste und Neigungen immer zu erraten schien. Es ist schliesslich eine allgemeines Datingportal und meine wenigen Profilangaben deuten sicher nicht auf meine devote Neigung und als masochistisch hätte ich mich vor ihm ja selbst nicht einmal bezeichnet. Und doch hat er in der gemeinsam gesponnenen Geschichte punktgenau immer wieder diese Trigger gesetzt, die mir zuweilen bei der bloßen Vorstellung schon den Atem raubten. Ich fühlte mich bei ihm nie, als würde er, wie die meisten anderen, einfach nur rein pragmatisch eine Checkliste abarbeiten....wie siehst du aus, was sind deine Vorlieben und was deine Tabus, bist du besuchbar, wann hast du Zeit? Der übliche langweilige Mist eben. Doch solche Dinge hat er nie direkt gefragt. Wir haben uns gegenseitig Geschichten erzählt, schnell geprägt von erotischen Fantasien und jeweils die Reaktion des anderen darauf gelesen. Das Szenario in der Bar, die Aufforderung den Slip auf der Toilette auszuziehen und dann der Herrengriff in der schummrigen Ecke. Ebenso aufregend wie der Gedanke, mitten in einem leeren verfallenen Raum, nackt, mit gespreitzten Beinen, die Hände nach oben fixiert und die Augen verbunden. So ausgeliefert zu sein und nicht wissen, was um einen herum passiert...
Er hat mir auch Bilder geschickt. Nein, keine von sich oder irgendwelcher billiger Pornokram. Ästethisch anspruchsvolle Bilder. Beispielsweise diese Großaufnahme eines Gesichtes: Eine Frau in Halsband und mit Ball im Mund. Das MakeUp verschmiert, eine einzelne Träne sucht sich den Weg über ihre Wange. Dieser nach oben gerichtete Blick...vermutlich auf den Herrn.....der einfach alles ausdrückt. Er wollte immer wissen, was mir besonders ins Auge sticht und was ich dabei empfinde. Und ich habe es ihm jedes mal geschildert, detailreich, offen und ehrlich. Auf eine Weise, die mich selbst überraschte. Mich einem Fremden so zu öffnen? Das kannte ich von mir bis dato nicht. Aber es fühlte sich richtig an. Und jetzt sitze ich in dieser Bahn und werde ihn treffen.
Das Ostkreuz, ich muss raus, erhebe mich. Und dann stehe ich auch schon auf dem von vielen eilig umherwuselnden Mneschen bevölkerten Bahnsteig. Ich schaue mich um und suche noch den richtigen Ausgang. Ein junger Mann, vermutlich Mitte 20, spricht mich plötzlich an. Er hält mir lächelnd ein aus buntem Papier gebasteltes Lesezeichen vor die Nase. Er will es mir schenken, damit ich beim nächsten Mal nicht wieder ein Eselsohr in die Seite falten muss. Verdattert nehme ich es an...ich hatte es gar nicht bemerkt, so aufgeregt war ich wohl. Ich bedanke mich lächelnd und schaue dem jungen Mann hinterher. So viel Aufmerksamkeit begegnet einem nicht oft in den Öffentlichen. Dann stehe ich vor dem Bahnhof. Es regnet nun und ich werde zu Fuß etwa 10 Minuten bis zu seiner Wohnung brauchen...hat mir Google Maps verraten. Ich entschließe mich, ein Taxi zu nehmen. Hauptsächlich, weil ich meinen Schirm vergessen habe und nicht völlig durchweicht bei ihm ankommen will. Im Taxi antworte ich dem Fahrer fast schon automatisch auf seine Fragen. Wohin? Die Adresse kenne ich auswendig. Meine Nervosität nimmt mit jedem gefahrenen Meter zu. Was mache ich da blos? Die gleichen Zweifel kommen wieder auf, doch bevor ich mich darin verlieren kann, sind wir schon da. Ich bezahle den Fahrer, steige aus.
Stark ist nicht, wer andere zu Boden zwingt! Stark ist, wer sich beugt um sich zu schenken...
-Unbekannter Verfasser-
-Unbekannter Verfasser-