BDSM Mitteleuropa doch Vorreiter?

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      BDSM Mitteleuropa doch Vorreiter?

      In Deutschland wird oft neidisch auf die amerikanische Szene geschaut und auch immer wieder ausgeführt, dass dort sehr viel entstanden ist. Klar in den Anfängen mit den BDSM Mailinglisten war Englisch die Hauptkommunikationssprache, aber war das nicht in einigen anderen Bereichen ähnlich eben weil es im Netz lange Zeit die Universalsprache war, gerade bei kleinen Szenen? Von der Sprache in Mailinglisten auf die Herkunft zu schließen halte ich für falsch.

      Spannend finde ich in dem Kontext die Google Trends, die zumindest bis 2004 zurückreichen. Die Top6 sind dabei mitteleuropäisch (auch in anderen Zeiträumen ein sehr ähnliches Bild):

      1. Tschechien (100)
      2. Österreich (76)
      3. Deutschland (72)
      4. Schweiz (70)
      5. Polen (70)
      6. Belgien (69)
      7. Sri Lanka (65)
      8. Niederlande (64)
      9. Ungarn (56)
      10. Lettland (56)
      11. Slowakei (55)
      12. Dänemark (51)
      13. Slowenien (48)
      14. Norwegen (43)
      15. Schweden (42)
      16. Vereinigtes Königreich (40)
      17. Kroatien (39)
      18. Frankreich (37)
      19. Kanada (37)
      20. Australien (37)

      USA weiter hinten mit (31) was bedeutet, dass ein Deutscher den Begriff 2,5 mal so oft googlet wie ein US-Amerikaner.

      Quelle: trends.google.de/trends/explore?date=all&q=bdsm

      Eine ähnliche Verteilung findet sich auch bei Begriffen die international im BDSM Bereich genutzt werden, zum Beispiel "Safeword".

      Wie es scheint sind Deutschland und seine Nachbar schon sehr BDSM affin/interessiert :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Gentledom schrieb:

      In Deutschland wird oft neidisch auf die amerikanische Szene geschaut und auch immer wieder ausgeführt, dass dort sehr viel entstanden ist. Klar in den Anfängen mit den BDSM Mailinglisten war Englisch die Hauptkommunikationssprache, aber war das nicht in einigen anderen Bereichen ähnlich eben weil es im Netz lange Zeit die Universalsprache war, gerade bei kleinen Szenen?
      Ähm, da greifst Du deutlich zu kurz. Die Geschichte des (organisierten) (BD)SMs beginnt irgendwo in den 40ern und 50ern, lange vor Mailinglisten. Das "wehmütige zurückblicken" geht oft auf die Old-Guard (bis AIDS) und die Old-School (prä-Internet Zeit) also die Situation, als man sich noch mit Menschen getroffen und ausgetauscht hat. Damals haben sich soziale Strukturen gebildet, die viele heute vermissen.

      Und wieweit die Statistiken aussagekräftig sind? Da bin ich mir nicht sicher, einfach weil es in den Staaten andere Begrifflichkeiten als bei uns gibt. BDSM ist doch heute bei den meisten Porno-Seiten eine der Hauptgruppen. Also fast synonym für "harten Sex". In den Staaten und selbst in GB kommt man noch heute in viele Clubs nur mit Empfehlung, das ist eine ganz andere Welt als die hedonistische internet-Porn BDSM Welt.

      Andersherum könnte man auch sagen: Wer es macht hat keinen Bedarf an theoretischen (Fehl-)Informationen, d.h. wer googelt macht es nicht :) --- Damit liegt Deutschland in der realen Umsetzung dann ziemlich weit hinten ;)

      P.S.: Wenn man die amerikanische Literatur verfolgt ist das Internet der zweite Niedergang der SM-Szene. Der erste war das landesweite Auftreten von öffentlichen Workshops zum Thema BDSM. Die Begründung ist, daß in den Workshops und im Internet der Fokus auf "Techniken" gelegt wird, während es beim SM eigentlich um "Menschen" und eine gewisse "Grundhaltung" (engl. spirit) geht.
      Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern Gewinn.
      - Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

      Moon-Beast schrieb:

      Wer es macht hat keinen Bedarf an theoretischen (Fehl-)Informationen, d.h. wer googelt macht es nicht --- Damit liegt Deutschland in der realen Umsetzung dann ziemlich weit hinten
      Ich glaube kaum, dass wer googelt es nicht macht. Sicher googlen Interessierte mehr als alte Hasen aber beide nutzen es. Wobei es natürlich nicht bedeutet, dass wer es googelt es auch nachher macht. Die Wahrscheinlichkeit ist aber höher, dass er/sie in nächster Zeit BDSM betreiben wird bei jemandem der BDSM bei Google in die Suche eingibt als bei jemanden der dies eben nicht macht :) und 13 Jahre sind schon ein Zeitraum der nicht zu unterschätzen ist, zumal die Datenlage alles andere als dünn in dem Kontext zu sein scheint.

      Moon-Beast schrieb:

      Wenn man die amerikanische Literatur verfolgt ist das Internet der zweite Niedergang der SM-Szene. Der erste war das landesweite Auftreten von öffentlichen Workshops zum Thema BDSM. Die Begründung ist, daß in den Workshops und im Internet der Fokus auf "Techniken" gelegt wird, während es beim SM eigentlich um "Menschen" und eine gewisse "Grundhaltung" (engl. spirit) geht.
      Wert auf Sicherheit zu legen halte ich nie für falsch. Was bringt die beste Grundhaltung, wenn nachher wer einen schwere Verletzung davon trägt. Zumal ich einem durchschnittlich gebildeten Menschen zutraue sich um beides kümmern zu können, Technik und geistige Grundhaltung. Auch würde es mich wundern, wenn aus einer Szene, die so viel wert auf den Spirit legt, plötzlich nur noch Workshopanbieter (später dann auch Webmaster) kommen die darauf dann so gar keinen Wert mehr legen. BDSM ist eben nicht statisch und es entwickelt sich, das eigene wie auch der Mainstream beim BDSM. Während die einen szeneweit akzeptierte Safewords als Beschneidung ihrer Freiheit sehen, begrüßen es die anderen als Konstrukt, dass der Sicherheit beider dient. Außerhalb von Sicherheitskonstrukten ist mir übrigens keine Reglementierung aufgefallen, eher sind welche weggefallen. Ich finde es eher befremdlich, dass nach manchen OLD School Strömungen (gerade Gaybereich) man als Sub starten musste um im Alter Dom werden zu können. BDSM ist freier geworden und damit verbunden ist es auch weiter gefasst. Klar wünscht sich der ein und andere eine klarere Linie und eben nicht so viele Optionen zwischen denen mal wählen muss. Aber jene verkennen eben, dass man wählen kann und nicht muss und zudem jeder für sich festlegt was sein BDSM ist, ganz ohne Gruppenzwang die Basis die zu finden ist beschränkt sich nur auf jene mit denen man es betreiben will.

      Auch menschliches und Grundhaltungen kann man in Workshops und auf Webseiten darstellen. Ich stand der OLD BDSM Bewegung schon immer recht kritisch gegenüber, das sei an der Stelle besser mal erwähnt. Früher war alles besser ist eine Sicht die man nicht nur in der BDSM Szene antrifft (vgl. spiegel.de/wissenschaft/mensch/nostalgie-warum-frueher-alles-besser-war-a-1120337.html) sondern überall. Jene drei BDSMler, mit jeweils über 45 Jahren BDSM Erfahrung die ich getroffen habe, sprachen recht offen über die Schattenseiten von BDSM vor 40 und 50 Jahren, gerade wenn man konkrete Fragen stellt. Was früher besser war, war laut den Dreien der Zusammenhalt. Das wiederum wundert mich nicht, da es eben kleine Gruppen waren und man abseits der Gesellschaft stand, was beides zusammenschweißt.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Also die verwandten Suchbegriffe, die bei Google Trends angezeigt werden, deuten daraufhin, dass die Europäer wohl öfter nach Porn im Internet suchen. In der Erklärung für "Related Queries" liest sich, dass die Leute die nach BDSM suchten später auch nach BDSM + X suchten (weil im ersten Anlauf "BDSM" alleine noch nicht die gewünschten Ergebnisse brachte?)

      Ich lese also daraus, dass Europäer mehr BDSM-bezogenen Internetporn konsumieren. Das kann bedeuten, dass man sich hier mehr für BDSM interessiert, muss es aber nicht.
      @Gentledom Ist diese Auswertung verlässlich? Mich irritiert Sri Lanka auf Platz 7 sehr. Ich war einige Male dort und habe das Land als stockkonservativ erlebt. Kann mir eher weniger vorstellen, dass BDSM dort in der buddhistischen Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat. Könnte es nicht eher sein, dass bdsm dort als Abkürzung für etwas anderes steht und deswegen so oft gesucht wird? Das wäre dann theoretisch auch bei anderen auf der Liste genannten Ländern möglich...
      A gentleman is a man who knows when not to be gentle.
      War auch mein Gedanke :) Wobei es mir nicht so wichtig war, nun mehr Zeit in die Frage zu investieren, Google wirft recht vie Escort zu dem Land und BDSM aus (Sextourismus evtl in dem Bereich) und auch die regionale Verteilung ist sehr unterschiedlich (Detailansicht).
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff