Eine Frage des Respekts

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      Eine Frage des Respekts

      Vor ein paar Tagen gab es hier die recht hitzige Diskussion zum Thema schwedisches Sexualstrafrecht an die sich der eine oder die andere bestimmt erinnern kann. Heftige Diskussionen haben bei mir meist längere Nachwehen, ich mache mir oft wochenlang Gedanken zu bestimmten Aussagen die gefallen sind und versuche sie, für mich zu beantworten.
      Kurz zur Erklärung für jene die die Diskussion nicht mitverfolgt haben: Mitte Dezember gab die schwedische Regierung ein paar minimale Änderungen in ihren Gesetzen bekannt. Nach diesen Änderungen soll in Zukunft jeder sexuelle Akt als Misbrauch gelten können, wenn im Vorfeld nicht alle beteiligten Parteien aktiv zugestimmt haben. Im Gegensatz zum "Nein heißt Nein Gesetz" bei dem der Unwille erkennbar sein muss (also gegen den erkennbaren Willen) darf man in Schweden also nicht mehr davon ausgehen dass der Partner eh will, sondern sollte eben im Zweifelsfall nachfragen ob die spezielle Handlung denn auch wirklich gewünscht ist.
      Soweit so simpel.Zumindest in der Theorie, denn praktisch wird sich auch nach diesem Gesetz wohl eher wenig ändern, auch wenn zumindest in den Gerichten in Zukunft die Schuld nicht mehr beim Opfer liegt. Auch wenn ich das Gesetz als Gesetz an sich für wenig effektiv halte, begrüße ich dennoch, denn es ist, wie der Titel des Beitrags schon sagt, einfach eine Frage des Respekts.
      Weil Respekt immer wieder mal gerne mit Höflichkeit verwechselt wird, liefere ich hier sicherheitshalber meine persönliche Definition gleich mit.
      Während Höflichkeit an die gepflogenheiten in einer Gesellschaft gebunden ist, würde ich Respekt eher als eine innere Haltung beschreiben, die einem höflichen Verhalten zugrunde liegen kann, aber nicht zwingend muss. Nehme ich z. B. In einer Kirche den Hut ab, so ist das Höflich. Warum ich das mache, kann mehrere Gründe haben, vielleicht ist mir einfach warm, vielleicht ist es Zufall, vielleicht – und hier würde meinem Verhalten ein Respektvoller Umgang mit dem Thema zugrunde liegen – habe ich mich im Vorfeld informiert was sich gehört oder aus der Beobachtung gesehen was die anderen machen und nehme deshalb ebenfalls den Hut ab. Würde ich dasselbe Verhalten in einer anderen Kultur an den Tag legen, könnte es immer noch respektvoll sein, aber definitiv nicht Höflich, denn auch hier kann meine Unhöflichkeit mehrere Gründe haben, vielleicht schwitze ich unter dem Hut so sehr dass ich den unangenehmen Geruch niemandem zumuten will, vielleicht bin ich einfach falsch informiert oder vielleicht – die respektlose Variante – ist mir das angemessene Verhalten in einem anderen Kulturkreis einfach egal und ich mache das was ich sonst auch immer mache. Respekt ist die innere Haltung, die micht die Frage stellen lässt obe es nunangebracht ist den Hut aufzubehalten oder abzunehmen. Respekt lässt mich Grenzen wahren und macht mich sensibel, zu erkennen wo Grenzen liegen.
      Um zum Thema zurückzukehren: Respekt ist die Grundhaltung, die ein Rapegame von einer Vergewaltigung unterscheidet.
      Nun, in der bereits erweähnten Diskussion fiel irgendwo der Satz, es gäbe doch Frauen die auf Männer stehen die sich einfach so nehmen was sie haben wollen. Neigungsspezifisch wäre das für mich definitiv ein Punkt um die Hand zu heben, aber trotz alldem sind mir genau diese Typen zuwider. Ich fragte mich warum und die einzige Antwort die mir passend erschien war Respekt.
      Ich weiß nicht, ob die folgende Situation, für andere völlig neu ist, ich jedenfalls stecke öfter in solchen, oder ähnlichen, als mir lieb ist: Ein Freund von mir, war zu Besuch, lustiger Abend, Ferngesehen und auf irgendeinem Wege landete man zu später Stunde gemeinsam im Bett (was zu dem Zeitpunkt übrigens voll in Ordnung war). Ähnliche Situation Abends darauf, nur dass ich in der Zwischenzeit eben nicht mehr ganz gewillt war und lieber – mit meiner inzwischen heimgekehrten - Mitbewohnerin am Sofa sitzen und quatschen wollte, was ich in etwa so auch verlauten ließ. Er ließ sich davon nicht beirren und trug mich in mein Zimmer, wo ich dann wohl verständlicherweise nicht mehr sonderlich gut auf ihn zu sprechen war. Die Situation hat unserer Zwischenmenschlichen Beziehung einen ziemlich nachhaltigen Schaden zugefügt. Mittlerweile rede ich wieder ab und an mit ihm, aber halt auch nur, wenn gesellschaftliche Anlässe es eben verlangen. Leider hat er sehr lange nicht begriffen dass diese einmalige Sache eben eine einmalige Sache war und ich eigentlich nie wirklich gedachte sie zu wiederholen.
      Die beschriebene Aktion an sich ist eigentlich etwas das ich zu einem passenden Zeitpunkt durchaus toll gefunden hätte. An sich habe ich nichts dagegen einfach ins Schlafzimmer geschleift zu werden, eher im Gegenteil, dennoch war es in diesem Moment eine klare Grenzüberschreitung. Was mich störte war das nicht einsehen meiner Grenzsetzung. Wenn ich sage ich will jetzt nicht dann will ich nicht. Und Punkt. Jede andere Aktion als das einfach zu akzeptieren werte ich als Respektlos.
      Ich habe eine Grenze gesetzt, klar gemacht, dass ich jetzt in diesem Moment auf dem Sofa sitzen möchte und diese wurde in der beschriebenen Situation einfach übergangen. Wenn dann zusätzlich auf Aussagen meinerseits im Sinne von, das finde ich jetzt nicht gut mit "ach komm schon ich mach ja nur Spaß" reagiert wird ist bei mir endgültig der Ofen aus.
      Mein "Fehler" bei der Sache ist, dass ich, wie vermutlich die meisten jungen Frauen, meine Grenzen nicht aggressiv verteidige, sondern schlicht davon ausgehe, dass ein nein auch bei mir als ein solches gewertet wird. Eigentlich sollte das auch möglich sein. Wenn ich jemandem einen Tee anbiete und derjenige lehnt ab, mache ich mir selbst eine Kanne und frage dann vielleicht nochmal ob derjenige wirklich nichts will. Wenn dann nochmal ein Nein kommt ist die Sache damit gegessen. Jemandem einen Service aufzudrängen ist ebenso Respektlos, wie denselben Service nicht anzubieten. Wenn das im Alltag so einfach geht, warum ist es dann so schwer, denselben Umgang mit einem Nein auch im sexuellen Kontext an den Tag zu legen?
      Ist es eigentlich nicht. Vorausgesetzt, man respektiert die Entscheidungen seines Gegenübers.
      Dieses Verhalten, entscheidet darüber, ob ich es sexy finde über die Schulter geworfen und ins Bett getragen werden oder nicht. Im einen Fall resultiert das Verhalten aus einem nicht respektieren meiner Grenzen. Im anderen Fall ist es im Vorfeld abgesprochen und ich kann hier nicht nur Nein sagen, es wird im Ernstfall auch als solches respektiert.
      Im Großen und Ganzen kann ich durchaus behaupten, Männer toll zu finden, die sich nehmen was sie haben wollen. Aber eben mit Einschränkungen. Ich mag es im Spiel, real finde ich es alles andere als Attraktiv, denn wenn die Wertschätzung fehlt und ich nicht das Gefühl haben kann mitsamt meiner Grenzen ernstgenommen zu werden, ist mit dem Vertrauen auch die Lust dahin.
      Wer mit mir friedlich diskutieren will, kann sich ab sofort die Gebrauchsanweisung in meinem Profil durchlesen.
      Liebe TommieTiger,

      danke für den Post, ich finde ihn Klasse. Stellenweise war ich mir nicht ganz sicher, wie was gemeint ist (z.B. das mit der Kirche leuchtet mir nicht ein) aber für mich kommt es v.a. auf folgenden Satz an:

      TommieTiger schrieb:

      Mein "Fehler" bei der Sache ist, dass ich, wie vermutlich die meisten jungen Frauen, meine Grenzen nicht aggressiv verteidige, sondern schlicht davon ausgehe, dass ein nein auch bei mir als ein solches gewertet wird.
      Ich glaube durchaus nicht, dass das ein Fehler ist. Unsere Kultur ist schlicht noch nicht respektvoll genug, ein nein tatsächlich immer als nein zu werten. Um gehört zu werden, muss das "nein" nicht aggressiv verteidigend rübergebracht werden. Im Gegenteil. Eine Willensäußerung zählt zu 100%, egal wie laut oder leise sie vorgebracht wird. Je aggressiver ich mein nein vorbringen muss damit es gehört wird, umso respektloser ist offenbar die Kultur in der ich mich befinde. Das blöde ist: Wenn ich mein "nein" jedesmal übertrieben betone, wird als Realität akzeptiert, dass ein leises "nein" nichts zählt. Das ist ein Teufelskreis. Das aggressive "nein" zu benutzen ist daher keine Lösung. Es ist daher kein Fehler, dass Du nicht gleich aggressiv nein sagst und es erst "normal" probierst, sondern eine Tugend.

      Der Fehler liegt nicht an Dir, sondern an der Respektosigkeit des Interaktionspartners. Der ist aber auch nur eine Ausgeburt der Gesellschaft, der sich kulturkonform zu verhalten versucht. Es liegt also vielmehr an der Verankerung der Respektlosigkeit in unserer Kultur. Die muss sich ändern. Nicht die Lautstärke Deines "nein".

      Der Mangel an Respekt gegenüber Willensäußerungen des Interaktionspartners ist in vielen Kulturen fest verankert (in Deutschland sehe ich uns zumindets auf einem ganz guten Weg der Verbesserungen). Es gibt eine Menge Länder und Kulturen (auch innerhalb der EU), da wird der Willensäußerung eines Individuums ein geringerer Wert zugeschrieben. Es kommt darauf an, die positive Entwicklung in Deutschland zu verstärken! Das heißt aus meiner Sicht vor allem, auch den respektlosen Individuen Respekt zu zollen, weil anders lernen sies nicht.
      @TommieTiger Mir gings ähnlich, die Diskussion hallt nach, vor allem weil ich auch in meinem realen Umfeld in der Zwischenzeit dazu Kommentare mitgenommen haben, die mich zusätzlich irritierten. Und obwohl ich dank der vielen Threadbeiträge gut gewappnet war, hat es mich manchmal doch ziemlich erstaunt, wie viele Menschen, die ich nicht so eingeschätzt hätte, irritiert bis ablehnend reagierten auf diese Gesetzesänderung.
      Mich hat esdarüberhinaus auch etwas geschüttelt, wie schnell gerade in Deutschland metoo abgetan wurde, als pauschal Männer vorverurteilend und in die Übergriffsecke drängend. Dabei geht es ja eigentlich um einen Perspektivenwechsel, einfach darum, die Verantwortung für einen Übergriff auch bei dem Übergreifer zu verorten, nicht der oder dem Angegriffenen.


      Mir fiel analog zu @'gentleFrederick', dem ich zustimme, der Beitrag von @Rehlein ein, den ich gerne zitieren würde, wenn ich darf, denn ich ich finde, da ist was dran:

      Rehlein schrieb:

      Ich habe hier zwar schon meinen Senf hinterlassen, bin aber zufällig auf ein Video gestoßen, was in meinen Augen so gut hier zum Thema passt.

      Es heisst: "Predatory Romance in Harrison Ford Movies" vom Kanal "Pop Culture Detective" und ist auf der großen Videoplattform zu finden.
      Darin wird v.a. am Beispiel von Filmen mit Harrison Ford in der Hauptrolle erörtert, welcher Grad an Einvernehmlichkeit in bekannten und beliebten Filmen als ausreichend vermittelt wird. Das Video dauert knapp 17 min und ist auf englisch.

      Für die, die es nicht anschauen wollen:
      In den ausgewählten Szenen werden wiederholt ablehnende Gesten und Äußerungen einer Frau durch den Helden ignoriert. Er bedrängt sie rücksichtslos und küsst sie schließlich, was dann durch die positive Reaktion der Frau, die Musik und/oder anderen Elementen als romantisch dargestellt wird.

      Ich glaube genau das ist der Grund warum es so ein Gesetz braucht. Es ist gesellschaftlich immer noch akzeptiert, die Zustimmung einfach anzunehmen oder davon auszugehen, dass das ein Teil irgendeines "Jagdspiels" sei, wenn die Frau ablehnt (das Gesetz gilt selbstverständlich auch für andere Geschlechtskombinationen, in den Medien ist die "Verführung" der Frau allerdings deutlich häufiger). Der Wandel zu einer tatsächlichen Einvernehmlichkeit muss endlich stattfinden. Dabei hilft es sicherlich, wenn der Gesetzgeber klar Stellung bezieht.

      PS: Ich bin nicht ganz zufrieden mit meinem Kommentar, aber ich weiß gerade nicht, wie ich ihn so formulieren könnte, dass er meine Meinung besser rüber bringt. Ich möchte keine Vorbildfigur, die um Ziel gelangt indem sie den Willen anderer schnurstracks und unter Gewaltanwendung übergeht. Weder für mich, noch für eventuelle Kinder, noch für mein Umfeld. Ohne werben zu wollen, schafft das Video das vermitteln der Botschaft einfach besser.....

      Ich denke, ein Teil des übergriffigen Verhaltens einiger Männer geht tatsächlich auch auf ein verdrehtes Männerbild zurück und darauf, was als männlich empfunden oder definiert wird. In meiner Jugend habe ich zusammen mit einer Freundin eine ziemlich große Liebesromansammlung angelegt, die Sorte, die man unter der Couch versteckt und im Schlafzimmer liest - Johann Lindsey und Co. - und irgendwann fiel uns beiden auf, dass in fast jedem Buch an irgendeiner Stelle eine Frau in irgendeiner Form sexuell überwältigt wurde. Das sind jetzt nicht unbedingt Bücher, die Männer lesen würden, die Zielgruppe sind Frauen.
      Tatsächlich habe ich in meinem Bekanntenkreis auch einige Freundinnen, die männliches Verhalten durchaus mit etwas dominanterem Auftreten und eben manchmal nicht allzuviel fragen und vorsichtig sein verbinden. Natürlich immer unter der Voraussetzung, sie stimmt irgendwann irgendwie zu. Und tatsächlich waren da auch Situationen, wo sie erst jein meinten und zum ja überwältigt wurden - keine Vergewaltigung, es war einvernehmlich und sie fanden es im Nachhinein auch gut so wie es war.
      Da tue ich mir selbst schwer und kann irritierte Männer verstehen. Denn welches Verhalten soll Mann denn an den Tag legen, um Frau zu gefallen oder abzubekommen? Zu nett sein ist auch nicht unbedingt mainstreamkonform mit dem gesellschaftlich etablierten Männerbild. Daher halte ich die Frage nach einer Art von unbewusster Konditionierung, die übergriffiges Flirtverhalten als männlich und sexy konnotiert, nicht für komplett abwegig.

      Es erstaunt mich aber auch, wieviele Menschen das Thema am liebsten beiseiteschieben würden, als wäre es nicht wichtig genug oder übertrieben, darüber zu diskutieren. Das erscheint mir als respektloses Festhalten am Status Quo, vor allem, wenn ich bedenke, dass ich einfach keine Frau kenne, die nicht irgendwann im Laufe ihres Lebens bedrängt bis hin zu missbraucht wurde.

      Wohlgemerkt, ich setze selber bei mir den Beginn des Neinsagens viel früher an, als beim tatsächlichen Nein - das ist meist die große letzte Schranke. Davor stehen bei mir viele non-verbale und kleinere, defensivere Schritte, mit denen ich deutliche Ablehnung signalisiere. Umgekehrt gilt das auch fürs Jasagen.

      (Hoffe, meine Antwort war jetzt nicht zu lange, habe erst hinterher gesehen, dass es ja ein Blogeintrag ist)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von sherazade () aus folgendem Grund: Falschen Gentle zitiert