Ich? Kompliziert!

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      Ich? Kompliziert!

      Im Laufe der Jahre haben wir oft über BDSM gesprochen. Über Unterwerfung, über Demut und über Bestrafung. Ich habe schon in einem anderen Beitrag geschrieben das ich erst lernen musste das er nun einmal einfach anders denkt als ich.

      Wir sitzen in der Diele am hohen Tisch und trinken Kaffee. Im Hintergrund läuft leise Musik. Wie so oft spielt er nebenbei etwas am Kindle. Wir genießen beide diese Augenblicke und nehmen uns dafür auch oft Zeit. Wie immer schau ich in der Gegend rum. In der Wohnung, aus dem Fenster und ich beobachte ihn. Ich rühre mit dem Löffel im Kaffee herum. Obwohl ich meinen Kaffee schwarz und ohne Zucker trinke. Eine kleine Macke von mir die er zwar nicht mag, an die er sich aber gewöhnt hat.

      Mein Blick schweift durch die Diele. Anscheinend sehe ich meine Umwelt tatsächlich mit ganz anderen Augen als er. Seine Aufmerksamkeit für BDSM zu erhaschen ist nicht einfach, und ich glaube zu wissen warum.

      Ich sehe das Treppengeländer. Eisenstangen, stark genug um mich problemlos zu halten wenn er mich daran festbinden würde. Mein Blick schweift über den Tisch, der genau die richtige Höhe hätte um mich darauf zu fixieren.

      Er nimmt seine Tasse und schlürft einen Schluck von seinem Kaffee mit Milch. Naja, es ist eher Milchkaffee. Ich mag dieses Schlürfen.
      Mein Blick geht an ihm vorbei zur Garderobe wo die Schals hängen und einige meiner Gürtel. Was man damit alles machen könnte. Darunter steht die große Kiste in der wir Wolldecken, einige Jacken und ein paar Schuhe aufbewahren. Groß genug um mich hinein zu stecken und sie zu verschließen.

      Ich beobachte ihn. Ob er das merkt? Nein, wahrscheinlich nicht. Er ist so sehr auf den kleinen Bildschirm fixiert. Ich sehe seine kräftigen Arme. Mühelos könnte er mich damit auf die Knie zwingen. Mich so zurechtbiegen wie er mich haben möchte. Wenn er denn möchte.

      Ich nehme meinen Kaffeebecher an die Lippen und hauche sanft hinein. Ich mag es wenn der Dampf aufsteigt und über mein Gesicht streift. Und ich trinke einen Schluck. Heiß und bitter. Eigentlich wäre das die perfekte Beschreibung für eine BDSM-Beziehung.

      Er macht eine Pause, legt den Kindle zur Seite und sieht mich an.
      „Was denn?“
      Er fragt das immer wenn er merkt das ich ihn ansehe. Ich lächle und zucke mit einer Schulter. Es bedeutet so viel wie „Nichts.“ Oder „Egal.“
      Er trinkt weiter von seinem Kaffee.
      Ob er weiß woran ich denke? Eigentlich müsste er das, oder? Er kennt mich doch.

      Dezent mache ich ihn darauf aufmerksam. Ich bilde mir ein das er es an meinem Blick erkennt. Daran das ich jetzt seine Hände berühre. Und an meinem etwas frechen Lächeln. Mit allen Künsten der Mimik und Gestik die er in den vielen Jahren von mir gelernt hat. Eigentlich bin ich in diesem Moment ein offenes Buch für ihn. Doch nichts geschieht.

      „Du bist kompliziert.“
      Wer? Ich? Ich soll kompliziert sein? Nun es ist ja nicht so als würde ich ihm nicht fast ins Gesicht schreien was ich gerade gern hätte. Außerdem hatten wir doch gerade erst gestern und heute am Morgen darüber gesprochen. Ich halte mich in der Hinsicht gerade schon ziemlich einfach und leicht zu durchschauen.

      Ich blicke schüchtern zur Seite und streichle seine Hand etwas. Der „Mach mit mir was du willst“-Blick hat nicht funktioniert. Also fahre ich jetzt die schweren Geschütze auf. Den Bambi-Blick. Einer seiner Spitznamen für mich. „Ich mag deine Augen. Sie erinnern mich an Schokolade.“ Hat er schon oft gesagt. Er mag meine Augen. Ich sehe ihn an. Er versteht das ich etwas möchte, aber nicht was es ist. Dabei kann es doch nicht so schwer sein? Es ist doch immer das gleiche.

      Nun blickt er auf meine Hände und streichelt sie ebenfalls. „Er hat es wohl wieder einmal nicht verstanden.“ Denke ich.

      Und mir geht durch den Kopf ob ich mir überhaupt selbst sicher bin was ich möchte. Ich möchte nicht zu ihm gehören, ich möchte ihm gehören. Ich möchte sein Besitz sein. Sein Eigentum. Wenigstens ab und zu möchte ich die Marionette sein dessen Fäden er zieht. Ich möchte, wenigstens manchmal, das er dieses Privileg ausnutzt. Das er genau weiß das eine leichte Handbewegung von ihm ausreicht um mir einen Befehl zu geben. Denn ich knie vor ihm, sehe ihn an und warte nur auf irgendein Kommando. Ich möchte jedes seiner Worte aufnehmen. Jeden Befehl so gut ich kann befolgen, und für jede Verfehlung hart bestraft werden. Ich möchte ihm einfach nur dienen, auf jede erdenkliche Weise. Und alles tun was er von mir verlangt. Ich möchte von ihm geformt und konditioniert werden. Benutzt werden von ihm. Wann er möchte und wie er es für richtig hält. Ich möchte…

      Das schlürfen seines letzten Schlucks Kaffee aus dem Becher reißt mich unsanft aus meinem Kopfkino. Meine Augen fokussieren ihn wieder und das Bild wird scharf. Er blickt mich mit seinen strahlenden Augen an und grinst breit. So als warte er auf ein Lob für das austrinken. Er schiebt den Becher schon fast schüchtern zu mir rüber.
      „Bekomme ich noch einen Kaffee?“ fragt er.

      Ich nicke, nehme seinen Becher und gehe zur Kaffeemaschine. Ein Wunsch ist zwar kein Befehl, aber es ist ein Anfang.
      Schließlich möchte ich ihm auf jede erdenkliche Weise dienen…
      Ich hab auch nur vier Hufe...

      Hand aufs Herz kannst mir vertrauen, werd mir sonst einen Muffin ins Auge hauen.

      An apple a day keeps the pony to stay!
      Oh, dieses Gefühl kenne ich auch nur zu gut.
      Dieses Gefühl, dass er nicht einmal ansatzweise erkennt, wie sehr ich mich ihm unterwerfen möchte in gewissen Augenblicken.
      Aber vielleicht weiß er es auch und schützt mich, indem er es nicht ausnutzt... ich bin mir da nicht sicher...

      Klasse geschrieben, @JoyOfSunfire! :huggy:
      Danke!
      "Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen" Sigmund Freud
      Dieses
      „müsste mich lesen können“
      und
      „die Umwelt mit anderen Augen sehen“

      Das kenne ich nur zu gut.

      Ich hab in etwas vereinfachter Form mal mit meiner Oma gesprochen (also allgemein ohne Outing). Sie sagte dass es viele Dinge gibt die man im Laufe der Jahre lernt dass man sich aber hundert Jahre kennen muss um jeden einzelnen deut richtig zu verstehen. Das es aber nach 45 Ehe Jahren nur sehr sehr wenige Punkte sind.

      Das hat mich irgendwie ein bisschen aufgemuntert. Man wächst aneinander und miteinander. <3
      Ich möchte mich gerade mal eben ganz ganz lieb für die Kommentare bedanken. :blumen:
      Ich finde es immer wieder interessant wie viele schon ähnliches oder vergleichbares erlebt und gefühlt haben,
      wo man oft ja denkt das man mit diesen Dingen allein dasteht.

      Wenn ich gerade so drüber nachdenke... Irgendwie sind es oft Unterschiede die Menschen mehr verbinden als Gemeinsamkeiten :gruebel:
      (erschreckend was mir Sonntags um 7 durch den Kopf geht...... oh ein Keks...)

      :huggy:
      Ich hab auch nur vier Hufe...

      Hand aufs Herz kannst mir vertrauen, werd mir sonst einen Muffin ins Auge hauen.

      An apple a day keeps the pony to stay!
      Liebe @JoyOfSunfire,
      Deine Zeilen haben mich eben zutiefst berührt, denn ähnliche Gedanken gehen mir in Bezug auf meinen Mann oft durch den Kopf.
      Er ist selbst kein BDSMler und toleriert meine Spielbeziehung...aber er kennt mich fast in- und auswendig...und das wiederum führt bei mir immer wieder zum Gedanken „siehst Du denn nicht, was Du alles von mir haben könntest?“
      Dieser Blog-Eintrag bringt mich seit gestern zum Grübeln.

      Den ich kenne das beschriebene Kopfkino. Aber ich brauche dazu die passende Geisteshaltung. Dann kann ich nicht mal die Augen schließen ohne das nicht an Demütigung, Fixierungen, Schlaginstrumente und was dazu benutzt werden kann und so weiter denke.

      Es gibt aber auch Zeiten, da bin ich gedanklich so weit weg von BDSM das man mich als Vanilla bezeichnen könnte. Da dann eine Partnerin sitzen zu haben, die auf heiße Backen hofft ist schon mal ganz mieses Timing. :|
      Und da hilft auch kein Augenklimpern oder zu versuchen auf telepathischen Weg mir mitzuteilen, das Sie gerade von dem Dom in mir zur Sub gemacht werden will.
      Den ich frage mich dann eher ob ich noch Nutella oder Milchschaum im Gesicht habe.

      Ob es nun besser ist, wenn Sub mir einfach direkt sagen würde "Hey, siehst du den Kochlöffel. Lass uns jetzt mal nicht damit kochen." Das kann ich nur raten, den passiert ist es noch nie.

      Weil das so war, bestärkt es meine Überzeugung das ich für meine nächste Beziehung jemanden finden muss. Die das entweder schon kann um von ihr zu lernen und das bei ihr zu bestärken. Oder wir beide uns das gegenseitig beibringen.

      Danke dafür Joy. :blumen:
      In unserer hektischen Welt muss man gelegentlich innehalten,
      um sich in aller Ruhe etwas Unanständiges auszudenken.
      :coffee:
      B. Traven
      Danke für diese Reflektion -
      es treibt auch mich auch immer wieder um , so viel zu wollen , und nicht ausreichend zu bekommen was ich will , sich dann zurückzuziehen auf das was angeboten wird und dankbar dafür zu sein .
      Kompliziert sind wir alle , weil wir uns verstecken , glauben das unsere Offensichtlichkeit gesehen werden muss , obwohl wir unsere Masken so gern aufbehalten und tragen wollen .
      Man muss auch gelesen werden wollen , damit der andere uns lesen kann . :rot:
      Wir leben alle unter dem selben Himmel , aber nicht mit dem gleichen Horizont
      Auch ich finde solche Situationen immer wieder spannend.Kann sie mich lesen? Gehe ich zu weit?Fordere ich zuviel? Oder wird mein Handeln missinterpretiert?
      Manchmal glaube ich dass ich mir zu viele Fragen stelle und es doch einfach besser ist,alles einfach geschehen zu lassen,ohne Druck,ohne fordern.
      Das ist natürlich nicht immer leicht.
      Ich diene meiner Herrin so gerne, dass es mich manchmal einfach nur glücklich macht,bei ihr jeden Wunsch zu lesen und zu erfüllen.
      Ist das BDSM? Auf jeden Fall ist es für mich ein Teil davon und gehört im Alltag unsere Beziehung mit dazu.
      Wofür bin ich denn sonst ihr stolzer Sklave??? :fegen:
      Dein Beitrag hat mich auf jeden Fall angestoßen.Danke dafür :rot:
      @SMaus1001

      Ich denke das jeder auf seine eigene Art kompliziert ist. Nicht nur im Sinne von BDSM, sondern mit all seinen Macken, Ecken und Kanten. Und ich weiß das mein Mann es nicht gerade leicht hat mit mir :)

      Ich denke aber auch das eine "perfekte" Beziehung ziemlich langweilig währe. Ohne einen kleinen Streit hier und da gäbe es keine Möglichkeit sich zu versöhnen. Mein Temperament würde in der Ecke sitzen und heulen. Es währe immer alles genau richtig, ordentlich, ruhig und langweilig...

      Wahrscheinlich ist die große Herausforderung zwischen mir und ihm das wir an sehr großen Punkten ständig aneinander reiben. Und irgendwie quetschen wir doch jedes mal den eckigen Bauklotz durch das sternförmige Loch und freuen uns hinterher das es geklappt hat :)
      Ich hab auch nur vier Hufe...

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