Gedanken zur Nacht #20 - Die Sache mit der Scham

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      Gedanken zur Nacht #20 - Die Sache mit der Scham

      Die Sache mit der Scham.

      Du bist auf einer Party und der Busen rutscht Dir aus dem Dekolletee. Ist es Dir peinlich, wird es auch allen anderen peinlich sein und Du wirst im Erdboden versinken. Lachst Du darüber und sagst "Hübsch, oder?" werden sie mit Dir lachen.

      Scham ruft mitschämen hervor und genau das verstärkt das schlechte Gefühl. Nicht rot zu werden kann man üben, indem man sich bewusst zum Affen macht und darüber schmunzelt. Je öfter man das tut, umso leichter wird es, und umso weniger wird man rot anlaufen.

      Funktioniert das auch im BDSM Kontext? Führt unsere eigene Scham dazu, dass sich andere mitschämen und ein schlechtes Gefühl haben? Wenn die anderen unsere eigene Unsicherheit teilen und diese spiegeln? Was, wenn wir einfach völlig entspannt damit umgingen, dass wir gerne verhauen werden oder gerne jemanden verhauen? Wenn es für uns völlig normal wäre, ein einvernehmliches Machtgefälle zu leben? Uns nicht dafür schämen. Wäre es für unsere Umwelt einfacher?

      Tatsächlich denke ich, es wäre so. Wir treffen uns hier auf engem Raum mit Gleichgesinnten, finden darin Halt und halten uns dennoch, oder gerade deshalb, für etwas besonderes oder zumindest für abseits der Norm. Und genau damit grenzen wir uns ab, machen uns "unnormal", und schaffen Raum für die anderen sich unwohl damit zu fühlen. Sich mit uns zu schämen, für das was wir empfinden. Wir erschaffen eine Parallelwelt, die unsere Werte teilt, weil wir zu müde sind uns in der wirklichen Welt zu behaupten. Weil es uns manchmal immer noch peinlich ist. Aber ist es nicht gerade unsere Unsicherheit, die bei den anderen in der Welt dort draußen das Spiegelbild unserer Unsicherheit erzeugt?

      War nicht genau dieses "Ich empfinde so und ich finde nichts falsches daran", der erste Schritt zur Akzeptanz der Schwulen und Lesben Anfang der 90er Jahre? Das Herauslösen aus der Peinlichkeit? Das Schaffen einer Normalität, eines sich selbst akzeptierens? Was dazu führte, dass es auch für die, die anders empfinden, weniger peinlich wurde? Es kein Thema mehr war, über das man nicht redete, weil man rot anlief?

      Ich hab vorhin eine Pizza Cipolla mit einem Haufen Zwiebeln gegessen. Und jetzt furtze ich. Große Güte ist das peinlich. Oder nicht? Ich kann darüber lachen. Sorry, ich hab eine große Cipolla gegessen. Müsst ihr jetzt durch. Vielleicht hätte ich über was anderes geschrieben, hätte ich eine Quattro Staggioni bestellt.

      Euch einen pubsfreien Morgen. :)

      Turnschuh.
      Das trifft es ziemlich gut. Warum sollte ich etwas Unnormales daran sehen, wie ich mein Paarungsverhalten auslebe? Naja, wenn es denn immer gleich um Paarung ginge.

      An manchen Tagen allerdings, zweifele ich daran, ob es nicht vielleicht weniger die Unsicherheit ist und mehr eine Art Elite-Gehabe. Ein Gedanke: "ich bin besonders, weil ich es tue"? Natürlich mit dickem Fragezeichen, denn ich mag es niemandem unterstellen. Nur kam mir diese Idee in dem Zeitraum, wo der erste 50SOG Teil in den Kinos lief. Zu dieser Zeit mussten mir unendlich viele BDSMler erklären, wie langweilig, schlecht, oder lächerlich sie den Film fanden. Hab ich bei Pacific Rim nicht erlebt. Und der war deutlich schlechter, obwohl riesige Roboter drin vorkamen.

      Ich denke, ein bewusstes Abgrenzen macht in keinem Fall Sinn. Zumindest habe ich nie bei mir einen Heel daraus gemacht. Und bislang wollte mich (deswegen) noch niemand auf den Scheiterhaufen stellen.

      Was deine Pizza-Furzerei angeht: Da hab ich kein Verständnis für. Das ist abartig und krank. Lass das! :icon_lol:


      Charmante Gelassenheit

      Der unheimliche Unheilige
      Hmm, ich kann nicht sagen, dass ich mich schäme für meine Neigung. Auch meine Partnerin tut das nicht. Das wir unsere Form der Beziehung nicht an die große Glocke hängen liegt aber in erster Linie daran, dass wir es nicht nötig haben.
      Der Vergleich mit Schwulen und Lesben hinkt an dieser Stelle ganz arg. Homosexuelle Paare konnten, vor dieser sexuellen Revolution, kein unbeschwertes öffentliches Leben führen. Händchen halten in der Öffentlichkeit, Küssen, etc. Dieses Problem hätten wir BDSMler doch nur wenn wir zu unserer Neigung auch noch Homosexuell gewesen wären. Da i.R. die meisten unserer neigungspezifischen Partneraktivitäten gar nicht öffentlich praktiziert werden. Sollte ich meine Partnerin öffentlich Maßregeln, würde ich schlimmstenfalls als Arschloch gesehen werden und meiner Partnerin wäre das Mitleid der zufälligen Zuhörer gewiss. Aber so etwas passiert nahezu nie. Der Reiz "unseres" BDSM bzw. unserer DD Beziehung liegt gerade darin, meiner Partnerin in der Öffentlichkeit einen roten Kopf zu verpassen ohne das es die umliegenden mitbekommen. Der Kick ist das Kopfkino "wenn die anderen Wüssten"....
      Ich denke, dass ein gesellschaftlich anerkanntes Outing uns um sehr viele schöne Momente bringt. Welchen Reiz hätte noch ein Outdoorspanking, wenn sub nicht mehr befürchten müsste gesehen zu werden. Es wäre so, als würden wir einen 13jährigen auf der Straße rauchen sehen. Vor 30/40 Jahren hätte es vom Erwachsenen eine Standpauke gegeben, aber heute ist das absolut normal. Nicht schön, nicht wünschenswert, aber normales Alltagsbild.
      Ich möchte nicht die schames Röte und das ängstliche Umschauen in der Öffentlichkeit meiner sub gegen ein anerkanntes Outing eintauschen, das wir gar nicht nötig haben.

      Und um das auch noch mal auf zu greifen. .....Was raus muss, muss raus. Also locker durch die Hose atmen :D

      Grüße
      @Turnschuh

      Du sprichst Gedanken aus, die mir zurzeit in ähnlicher Form durch den Kopf gehen. Noch relativ neu bei BDSM und das in einem
      doch "gestandenen" Alter gehe ich bei der Kontaktaufnahme zu BDSMlern ähnlich vor, wie vorher bei Vanillas. Nämlich locker
      und entspannt bin ich neugierig auf den Menschen und stelle mir bei weitem nicht vor, dass ich vor dem ersten Treffen schon
      mein Innerstes nach aussen kehren soll und möglichst alle meine "Geheimnisse" einem virtuellen Menschen erzählen soll.

      Dann kommt es vielleicht zu einem ersten Treffen und - ganz anders als ich - will dann mein Gegenüber meist mich nicht einfach
      kennenlernen sondern gleich entscheiden, ob es mindestens zu einer Spielbeziehung wenn nicht gar zu einer definitiven ( ?( )
      Partnerschaft kommen soll.
      Ist nicht alles perfekt , d.h. man ist sich sympatisch und alles aber noch nicht PERFEKT aufeinander eingestimmt, dann gibt es
      kein 2. Treffen. So als ob es kein Morgen gäbe...

      Ich möchte einfach ganz normal Menschen kennenlernen, mit denen ich über BDSM reden kann. Auch ausserhalb eines Stammi's.
      Wollen BDSMler keine Freunde? Eine Beziehung findet man doch eben über ein Beziehungsnetz, das man sich aufbaut. Oder nicht?
      So wie ich mich hier im Forum mit euch normal austauschen kann, möchte ich etwas Ähnliches im realen Leben haben. Und damit
      scheine ich total unnatürlich (pervers ?) zu sein.

      Warum wollen BDSMler abgesehen von ihren Stammtischen keine weiteren Freunde haben, die dieselben Vorlieben pflegen.
      Wollen sie sich nicht im Kaffee treffen und über die letzte Session reden? Fragen stellen oder Abstürze, Pleiten etc. diskutieren...
      Haben BDSMler einen Freundeskreis und geheime Sessions/Stammtische? Warum? Ist das die Scham?

      Ich rede hier nicht von Zwangsouting, ich habe auch früher mit meinen Freunden nicht über meine Vorlieben im Sex gesprochen.
      Wie @Konrad schätze ich Geheimnisvolles.

      Und @Unholys Gedanke ist mir auch schon gekommen. Sind wir gerne "speziell"?

      Das sind wir doch sowieso, jeder Mensch ist das. Es stimmt mich traurig, dass es so schwierig ist, sich einen BDSM-Bekanntenkreis
      aufzubauen und das, obwohl ich mich sehr bemühe. Vielleicht liegt es an mir und meiner unnatürlichen BDSM Art :dash:

      Ich habe mich nach meinem "Erwachen" sehr für meine Neigung geschämt und ich hätte mich gerne darüber mit jemandem persönlich
      ausgetauscht. Stattdessen habe ich mich hinter meinem Profil versteckt und euch hier im Forum "zugehört" und euch gefragt. Das hat
      mir sehr geholfen, aber jetzt hätte ich gerne zusätzlich mehr Menschen, denen ich real begegnen kann um mich auszutauschen.
      Solange man mich aber nicht einfach als einen Menschen sieht, sondern nur auf passende Neigung guckt, geht das einfach nicht.

      Schade ;(
      Zwischen dem, was ich denke, dem, was ich sagen will, dem, was ich zu sagen glaube und dem, was ich wirklich sage und

      dem,

      was Du hören willst, dem, was du wirklich hörst, dem was du zu verstehen glaubst, dem, was Du verstehen willst und dem, was Du wirklich verstehst, gibt es 9 Möglichkeiten, sich nicht zu verstehen.

      Passagno
      @Saubi 63 , doch, wollen sie. Sich auszutauschen über Gott und die Welt und eventuell auch BDSM ist durchaus möglich. Glücklicherweise darf ich Freunde und Bekannte zu dem Kreis der perversen zählen, mit denen ich mich ganz ungezwungen austauschen kann.
      Allerdings kam es erst nach und nach raus, wer was ist und mit was Erfahrung hat.
      Ich war sozusagen die Nachzüglerin.
      Allerdings stimmt es wohl, um zu so einem Austausch zu kommen, muss man schon ein wenig offener in Gesprächen sein, als es ggf üblich ist.
      Also möglich ist es :D
      Ich denke, also spinne ich.
      Mmh, die Sache mit der Scham :gruebel: :rot: seit kurzem ein Thema zwischen @Cobra13 und meiner Wenigkeit.
      Obwohl ich hin und wieder gerne den Satz nutze: "Mir ist nichts menschliches fremd" und das auch so meine,
      gibt es dennoch Begebenheiten, die mir die Schamesröte ins Gesicht treibt :rot: .
      Kleines Bsp.: Finde es äußerst reizvoll, wenn mein Herr mir in der Öffentlichkeit kleine "schmutzige Wörter" :rot: :D ins Ohr flüstert,
      dennoch werde ich immer noch knallrot und auch etwas verlegen, obwohl ich wie doll und doof :pillepalle: :D grinse.
      Scham... nach wie vor ein interessantes Thema.
      Danke für' s teilen @Turnschuh :blumen:
      Dein Beispiel kenn ich....
      Wir lieben es beide....
      Hatten letztens ein Restaurantbesuch mit einer Gruppe Freunde, die zwar unschlagbar nett sind, aber bei der Sexualaufklärung bei den Bienen stehen geblieben sind.
      Die Meine hatte ordentlich Spaß in ihrem von mir gewünschten Outfit und im beantworten der Fragen ob wir noch was vor haben..... :D
      Das Leben ist kein Ponyhof. Aber geritten wird trotzdem !

      Turnschuh schrieb:

      Wir erschaffen eine Parallelwelt, die unsere Werte teilt, weil wir zu müde sind uns in der wirklichen Welt zu behaupten. Weil es uns manchmal immer noch peinlich ist. Aber ist es nicht gerade unsere Unsicherheit, die bei den anderen in der Welt dort draußen das Spiegelbild unserer Unsicherheit erzeugt?
      Also ich fühle mich ehrlich gesagt gar nicht unsicher.
      Und ich hätte auch generell kein Problem damit, dies nach außen zu tragen bzw. dafür einzustehen, was uns auszeichnet (sexuelle Details schließe ich davon ganz bewusst aus).
      Aber zwei Sachen sprechen bei uns absolut dagegen:
      Zum Einen haben wir einen Ruf zu verlieren - das bleibt jetzt einfach mal so für sich stehen.
      Andererseits möchte ich, dass unsere (teilweise noch kleinen) Kinder nicht mit Vorurteilen konfrontiert werden, die ihnen entgegenschlagen würden - käme es zu einem offeneren Umgang mit unseren Neigungen. Ich wünsche mir, dass sie völlig unbelastet und vorurteilsfrei ihren Weg finden.
      Das hat bei uns nichts mit Scham zu tun; sondern vielmehr mit Rationalität und auch mit Rücksichtnahme.
      Der letzte Eintrag ist zwar schon ein paar Tage her, aber hier mein "Senf" dazu.
      Ich schließe mich der Meinung kara's an. Wenn man ein Unternehmen führt, also quasi in der Öffentlichkeit steht, kann ein dummdreister Satz wie: " der verprügelt Frauen", Existenzen vernichten!
      Und auch der Satz mit den Kindern ist wichtig. Diese sollen ihren eigenen Weg finden und dann gehen und wenn sie Fragen haben, werden sie sie stellen. Zumindest hoffe ich das.

      Schönen Abend noch
      Die Frauen kosten uns achtzig Prozent unserer Kraft, aber ohne Sie hätten wir gar keine.


      Dieter Noll, "Kippenberg"