Wie erkennt man die Welt?

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      Wie erkennt man die Welt?

      Eigentlich schon seit langer Zeit fällt mir auf, dass viele wirklich gute Diskussionsbeiträge durch Nachsätze, die Vanilla- oder Stinobeziehungen abwerten und bisweilen nur eine BDSM-Beziehung als die über alles Erhabene darstellen, unnötig abgeschwächt werden.
      Allein die Bezeichnung Vanilla- oder Stinobeziehungen suggeriert für mich schon eine Demütigung dessen, was anders ist.
      Wir fordern Akzeptanz und gleichsam gelangt die Geringschätzung des Anderes immer wieder in subtiler Art und Weise an die Oberfläche. Warum? Weil man Gleiches mit Gleichem vergelten muss?
      Ich bin nur in der Lage eine Beziehung nach meiner Überzeugung führen zu können. Leider lässt sich das nicht ändern. Ebenso wenig bin ich in der Lage Anderes nachzuvollziehen, da es mir fremd ist respektive ich es einfach nicht kann. Weshalb sollte ich aber nun dieses, mein eigenes Defizit mit Unverständnis dem Fremden gegenüber an den Tag legen?
      Hab ich die Welt nicht erkannt? Kann mir das mal jemand erklären?
      Also ich glaube nicht, dass da jedesmal eine Geringschätzung oder Abwertung "der Anderen" absichtlich so formuliert wird.
      Die Wortwahl geschieht mE einfach um eine persönlichen Vergleich oder Unterschied darzustellen.

      Außerdem ist nicht jeder und nicht jede (nur um mit meiner Formulierung ja niemanden auszuschließen! =) in der Lage oder hat die Zeit Formulierungen mit schriftstellerischer Sicherheit niederzuschreiben und noch drei mal zu durchdenken.

      Einfach mal nicht alles so eng sehen. Man muss sich nicht immer auf den Schlips getreten fühlen.
      Existence could not resist the temptation of creating me
      Ich kann gut nachvollziehen, was Du meinst, tatsächlich spürt man hier im Forum oft eine Begeisterung für den eigenen Lebenstil, der dann gerne mit Sätzen endet wie: „Die anderen wissen gar nicht, was sie da verpassen!“ Nein! Sie „verpassen“ selbstverständlich nichts, jedenfalls nicht, wenn nicht doch eine entsprechende BDSM-Neigung in ihnen schlummert.
      Zunächst aber kurz zu den Bezeichnungen:
      „Stino“ kann durchaus abwertend gemeint, empfunden werden. Als „langweilig“. Und ist damit als Begridd, insbesondere wenn man Akzeptanz nach außen schaffen will, problematisch.
      Der Begriff „Vanilla“ ist dagegen bewusst gewählt worden, um eine wertfrei Bezeichung zu schaffen für „alles, was nicht BDSM“ ist. Als Erklärung Word angenommen, dass Vanille einfach die beliebteste Eissorten ist, es jedoch eine ganze Menge anderer Sorten gibt, die auch ihre Liebhaber finden.
      Und auch da dürften Klassiker wie „Schoko“ und „Erdbeer“ beliebter sein als z.B. „Mozzarella-Basilikum“ :) .
      In diesem Sinne denke ich nicht, dass der Begriff „Vanilla“ abwertend gebraucht wird, anderseits besteht bei solchen bewusst kreierten Begriffen durchaus die Gefahr, in eine Euphemismus-Tretmühle zu geraten.
      Man darf auch nicht vergessen, dass das Vanilla-Spektrum sehr groß ist. Auch da gibt es nicht den Standard-Sex oder das Standard-Beziehungsmodell.
      Auch hier gibt es zweifelsohne Paar-Konstellationen, in denen zweifelsohne einer der Partner „das Sagen“ hat. Oder Praktiken, die sich von außen betrachtet kaum von einer SM-Session unterscheiden würden.
      Der Unterschied dürfte also eher darin liegen, dass wir uns hier unserer Neigung und Bedürfnisse bewusst geworden sind, es verbalisieren können und dadurch auf Bezeiihungsebene bewusst aushandeln können.
      Klar ist, bei aller nachvollziehbarer Begeisterung, auch dafür, sich vielleicht endlich zu finden und ausleben zu können: man kann sich nicht „einfach so“ entscheiden, wie man sein möchte, man ist so wie man ist. Und das ist auch gut so.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Gordon ()

      Sicher ein häufig diskutiertes Thema!
      Allgemeingültig sind wir da wieder bei Toleranz und Akzeptanz.
      Und das betrifft nicht nur das Thema BDSM.

      Jede Lebensweise, jede Form der Beziehung kann nur dann wirklich nachvollzogen werden, wenn man es selbst lebt. Meine Meinung dazu.

      Ich erwarte nicht von jedem Menschen Akzeptanz für mein Leben. Würde ich das tun, würde ich mich angreifbar machen und viele Aussagen, Sprüche und Meinungen persönlich nehmen. Das will ich nicht, weil es mich nur kostbare Zeit und negative Gefühle kostet.

      Ich bin da ganz bei @Existentmale.

      Wenn ich schreibe (und auch wenn ich rede), geschieht das in der Regel spontan. Und ja, manchmal fühlt sich jemand auf den Schlips getreten. Das geschieht nicht vorsätzlich, denn ich will niemanden bewusst verletzen.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.
      Toleranz wird gerne eingefordert, aber nicht zwingend auch gerne so gelebt, muss in der Natur der Menschen liegen.
      Ich bin bei Stino manchmal auch unsicher, ob der Begriff nun abwertend gemeint ist,werte es im aber "im Zweifel für den "Angeklagten".
      Vanilla ist einfach eine andere Umschreuibung für "klassisch", gibt es häufig bei Computerspielen.
      Die Vanilleversion ist die ursprüngliche ohne Addons.
      Und hier finde ich wirklich extrem selten Postings bei denen ich überlege ob er abwertend gemeint sein könnte.

      Allerdings gibt es immer wieder mal Diskussionen im Forum, in denen ein etwas "falsch" geschriebenes Posting zu deftigen Reaktionen führt.
      Da wird auch gern mal fehlende Toleranz beklagt statt nachzufragen ob die Aussage nicht vielleicht einfach nur unglücklich formuliert war.

      Ein bisschen mehr Gelassenheit würde die meisten Themen recht schnell entspannen.
      Ich lese auch regelmäßig Beiträge, in denen andere Spielarten und Vanillas abgewertet werden. In der Regel gehe ich davon aus, dass es einfach ungeschickt formuliert ist oder nicht drüber nachgedacht wurde. Kein böser Wille also. Uns allen passiert es mal, dass man etwas ungünstig formuliert. Soweit kein Drama.

      Ich verstehe aber @BigDaddy s Skepsis.
      Insgesamt liest man Formulierungen im Sinne von "das ist viel intensiver, als man es in einer Vanillabeziehung erleben kann" aber schon sehr regelmäßig. Und gerade weil sich die meisten ja zumindest wünschen würden, dass ihre Sexualität im Falle eines ungewollten Outing nicht negativ gewertet wird und zu entsprechenden Konsequenzen führt, finde ich diese wertende Abgrenzung schwierig. Sollten wir nicht eher als sexuell offene Menschen als Vorbild vorangehen und diese Wertung weglassen oder auf uns als Individuum beziehen und formulieren?

      Und dann kann man noch über die Bezeichnungen reden. Ich gebrauche in meinem Sprachgebrauch regelmäßig eine Unterscheidung, weil diese Information gerade in RL-Gesprächen oft für die Erzählung wichtig ist. Hier im Forum liest man fast nur Stino und Vanilla als Bezeichnung.
      Stino (steht ja für stink normal) finde ich schon ohne Kontext stark abwertend und habe schon häufiger überlegt, ob es nicht besser wäre, sich als Forum von der Verwendung eines in sich abwertenden Wortes zu distanzieren. Sozusagen als Zeichen gegen Diskriminierung und Abwertung von Gesellschaftsgruppen (vielleicht bin ich da ja voll neben der Spur, aber neugierig bin ich auf ein generelles Meinungsbild dazu schon).
      Die Bezeichnung Vanilla erlebe ich als relativ neutral. In meinem Freundeskreis verwenden viele die Unterscheidung in kinky und non-/nicht-kinky. Mir persönlich ist die letztere Ausdrucksweise am liebsten, weil sich die Unterscheidung auf einen Adjektiv begrenzt und quasi niemanden "abstempelt" als das ist so ein Typ von Mensch sondern nur eine Eigenschaft beschreibt.

      Gordon schrieb:

      Ich kann gut nachvollziehen, was Du meinst, tatsächlich spürt man hier im Forum oft eine Begeisterung für den eigenen Lebenstil, ...
      Das ist auch gut und richtig, und genau deshalb sollte man es anderen auch zugestehen.

      Rehlein schrieb:


      Insgesamt liest man Formulierungen im Sinne von "das ist viel intensiver, als man es in einer Vanillabeziehung erleben kann" aber schon sehr regelmäßig. Und gerade weil sich die meisten ja zumindest wünschen würden, dass ihre Sexualität im Falle eines ungewollten Outing nicht negativ gewertet wird und zu entsprechenden Konsequenzen führt, finde ich diese wertende Abgrenzung schwierig. Sollten wir nicht eher als sexuell offene Menschen als Vorbild vorangehen und diese Wertung weglassen oder auf uns als Individuum beziehen und formulieren?
      Ein Like dafür erscheint mir zu wenig. :sekt:
      Stino mag für manchen negativ konotiert sein, aber m.E. kommt es auf den Kontext der Nutzung des Begriffs an.
      Ich mag die oft kleinliche Auslegung von Begriffen nicht, besonders wenn aus dem Zusammenhang klar wird, was zum Ausdruck gebracht werden soll. Da sind mir "böse" Worte lieber, als langatmige Beschreibungen.
      We like to think we're the Roadrunner, but we're the Coyote.
      Wie will man sich denn abgrenzen ohne eindeutig konotierte Begrifflichkeiten wie Stino/Vanilla ?
      Das ist ja gar nicht despektierlich gemeint sondern lediglich als Notation um seinen Lebensstil davon abzugrenzen .
      Nach meiner ganz persönliche These warum BDSM ler immer“ die Tiefe „ beschwören als so ultimativen Kick im Vergleich zu den anders sexuell orientierten liegt mE darin begründet , das viele BDSM ler jahrelang immer das Gefühl hatten - es fehlt was , in mir , in meinem Erleben . Sie waren nie vollständig ausgefüllt in ihrem Erleben von Sexualität , sind dann so geflasht wenn sich alles eröffnet , endlich gefunden zu haben was so lange abwesend war , das sie in eine vermeintliche Tiefe absteigen die sie vorher nie gefunden haben , weil ein Puzzleteil fehlte . Jetzt so komplettiert sind sie endlich in einem Bereich der uns alles vermisste eröffnet und wir glauben das es allen sogenannten Stinos so geht wie uns - nur mit halber Kraft zu fahren , nicht Erfüllung zu finden .
      Da liegt die Krux - denn aus meinem erleben mit Vanillas haben diese gar nicht das Verlangen nach mehr - sie haben ihr „ mehr „ schon gefunden , weil ihnen nichts an Erleben fehlte . Sie befinden sich schon auf der richtigen Stufe von Tiefe und Intensität . Weil ihre Welt der Sexualitat schon komplett ist - kein Verlust gespürt wird . Und alles richtig ist , so wie es ist . Dafür mein größter Respekt . Mehr kann man nicht wollen - und es ist in der Wertigkeit genauso hoch wie das BDSM für den BDSM ler .
      Denn eigentlich macht doch unsere eigene Hybris den Unterschied - weil wir uns nicht einfühlen wollen/ können in diese Form der Sexualität und ihre Wertigkeit .

      My 2 Cents
      Wir leben alle unter dem selben Himmel , aber nicht mit dem gleichen Horizont
      Also ich benutze den Begriff "Vanilla" gern, er hört sich für mich weich an und ich verspüre sowas wie Zuneigung zu ihm, benutze ihn liebevoll :pillepalle:

      Den Begriff "Stino" mag ich nicht so gern, aber nicht, weil er für mich abwertend klingt, sonder nur hart in der Aussprache.
      Auch wenn es widersprüchlich klingt:
      Ihr Ego muss stark genug sein, um seine begrenzte, defensive Haltung und Kontrolle aufgeben zu können.
      Sie brauchen ein starkes Ego, um das Ego transzendieren zu können.

      - John Bradshaw, Das Kind in uns -

      BigDaddy schrieb:

      Weshalb sollte ich aber nun dieses, mein eigenes Defizit mit Unverständnis dem Fremden gegenüber an den Tag legen?
      Hmm, 'eigenes Defizit mit Unverständnis dem Fremden gegenüber'...als Legitimation für das Empfinden und die Beschreibung der eigenen Gefühlswelt?
      Also mir fehlt die Fähigkeit Andersdenkende zu verstehen und deshalb fühle und beschreibe ich mich als etwas Besseres - habe ich die Überlegung richtig verstanden?
      Ich weiß nicht so recht, aber bei diesen Überlegungen fühle ich Skepsis.
      Nur weil ich meine eigene Beziehung als intensiv wahrnehme, heißt es doch nicht, dass ich (als Folge eigener Defizite) andere Beziehungsentwürfe herabwürdige. Ich verstehe andere Lebensmodelle und Denkweisen in der Regel recht gut; für mich können rein objektiv betrachtet verschiedene Dinge nebeneinander stehen und existieren.
      Unter Umständen haben wir hier ein Sender-Empfänger-Problem bezüglich der Botschaft.
      Ich persönlich finde ja, dass man nicht jeden Schuh anziehen muss, der einem hingestellt wird.

      Begriffe wie 'Stino' oder 'Vanilla' finde ich überhaupt nicht schlimm. Jede Szene hat stereotype Bezeichnungen für Mainstreamdenkende, das ist doch gang und gebe.
      Und ich möchte nicht wissen, wie manche Stinos oder Vanillas über uns denken. Bezeichnungen wie 'Perverse', 'eklig' oder 'Abnormale' werden wohl üblich sein, vermute ich.

      Ich finde @Chloes Ausführungen sehr schön und nachvollziehbar.
      Das Besondere/die Tiefe wird wahrgenommen, weil es zuvor gefehlt hat - für mich absolut plausibel und nachvollziehbar.

      Dazu fällt mir noch eine weitere Möglichkeit ein, die oftmals genannte Tiefe/Intensivität von BDSM-Beziehungen herzuleiten.
      Nehmen wir eine 08/15-Beziehung: Liebe, Hochzeit, Hausbau, zwei Kinder etc., Arbeit, Hobbys, Ende (und Endzeitstimmung). Routine, eventuell sogar Langeweile sind vorherrschend.
      Für mich persönlich wäre das ein kleiner Tod; ich brauche Bewegung, Lebendigkeit, Verrücktheit und Entwicklung. Und ich brauche jemanden, der mitzieht und auch mitziehen kann - in allen Bereichen des Lebens.
      An dieser Stelle greift für mich eine funktionierende BDSM-Beziehung, die als Prozess gelebt wird.
      Es gibt kein Ende, weil es noch so viel im anderen und im UNS zu entdecken gibt - manchmal habe ich den Eindruck, mein eigene Lebenszeit wird nicht ausreichen, um ihn wirklich kennenzulernen bzw. alles mit ihm zu erleben, was noch erlebbar ist, wonach ich mich sehne. Dieses Spüren und Suchen im Anderen kann ich mir persönlich schwerlich in 'normalen' Beziehungen vorstellen - vielleicht reicht meine Vorstellungskraft auch einfach nicht aus. Mir fehlen auch Vergleichsmöglichkeiten, muss ich ehrlich anmerken.
      Genau dieser Prozess bzw. dieses Prozessdenken ermöglichen andauernde und immer wiederkehrende Tiefe für mich. Da spielt sich in einigen Bereichen des Lebens (Gefühlswelt, Sexualität) zwar etwas im Sinne von Loyalität ein, aber da schläft nichts ein und wird zur Gewohnheit. Es bleibt aufregend, spontan, exzessiv und berührt dadurch andere Lebensbereiche, die normalerweise nicht tangiert worden wären. Und das nach 22 Jahren ^^.

      Unterscheidet sich das jetzt wirklich von anderen Beziehungen?
      Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen, aber ich sehe, dass es in vielen Verbindungen anders als bei uns läuft.
      Das ist relativ leicht zu sehen und zu spüren.
      Und natürlich setzt man seine eigene subjektive Wahrnehmung, sein Gefühl mit diesen Beobachtungen in Relation, vergleicht und analysiert die Unterschiede.
      Ist das schlimm?
      Nein, finde ich nicht. Es ist eine Form der Verortung, der Positionierung und Selbstreflexion.
      Warum andere ein Problem damit haben könnten, erschließt sich mir gerade nicht wirklich.
      Wenn sie damit ein Problem haben, ist es in erster Linie ihr Problem - und nicht meins.