Das Seil - Mein erstes Mal

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      Das Seil - Mein erstes Mal

      Vergangene Woche war es soweit. Ich bekam die Gelegenheit bei einem befreundeten BDSM Paar unter Aufsicht meines Doms das Seil kennenzulernen.

      Mich hatte die Vorstellung etwas Haptischem so ausgeliefert zu sein bzw. beengt zu sein immer schon interessiert. Nicht per se auf erotischer oder gar sexueller Ebene sondern viel eher als reine Körpererfahrung. Meine Neugier, was es vor allem mental mit mir macht, war seit Monaten sehr groß.

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      Ich bin ein sehr kontroll- und strukturaffiner Mensch. Selbst beim Spielen dauert es eine Weile, bis ich fliege. Meistens erst dann, wenn mein Gehirn es nicht mehr schafft alle Reize zu ordnen, nach Ursache und Wirkung zu sortieren und in zur Reizüberflutung tendiert.

      Bei einer Session entscheide ich mich mental bewusst dafür mich verletzbar zu machen und lege diese Schranke auch bewusst im Kopf um, wenn mein Herr mir anzeigt, dass nun etwas dergleichen ansteht. Ich benötige einen klaren Anfangs- und Endpunkt. Mit reiner Willkür komme ich emotional nicht zurecht.

      Ich bin im Autismus Spektrum und daher sind klare Absprachen ein zentraler Teil unseres BDSM, auch wenn mein Herr innerhalb einer Session frei agieren kann; eben entsprechend der abgesprochenen Tabus und im Bereich meiner Grenzen.

      Wir leben zwar 24/7 D/s aber kein TPE. Wir haben eine D/s und eine normale Alltagsebene, auch wenn es partiell zu Überschneidungen kommt. Das Machtgefälle ist theoretisch jederzeit abrufbar und kann von mir jederzeit durch nennen des Safewords aufgehoben werden.

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      Nun verbrachten wir beim befreundeten Paar einen netten Abend, quatschten, kochten und nach einführenden Gesprächen zum Medium Seil und verschiedenen Fesselarten mit unterschiedlichen Wirkungsabsichten und einem Consent Gespräch ging es dann los.
      Beide haben teilweise jahrelange Erfahrung als Rigger; also fühlte ich mich gut beraten und aufgehoben.

      Leise Musik wurde aufgelegt, die Herren saßen im Hintergrund und verhielten sich absolut still. Ich trug eine Strumpfhose und einen Body ohne Arm, ich wollte das Seil am Körper spüren, aber noch nicht direkt auf der Haut haben. Zumindest nicht überall.
      Ich saß am Boden auf einer Matte. Wir hatten uns für das erste Mal darauf geeinigt, eine Boden basierte Fesselung und keine vollständige Suspension zu machen.

      Ich stellte mich nun also mental bewusst darauf ein mich angreifbar zu machen und jemanden in meinen personal space zu lassen und atmete ruhig und versuchte mich innerlich zu zentrieren, ähnlich wie ich es vom Meditieren kenne.

      Die Riggerin machte eine Takate Kote (Oberkörperfesselung mit auf dem Rücken verschränkten Armen). Nach und nach baute sie das Fesselset zu einer halb bzw. semi Suspension auf (Beine und Oberkörper). Mein Zeitgefühl verlor ich ziemlich schnell, indem ich mich darauf konzentrierte an welchen Körperstellen ich das Seil spürte.
      Gleich bei den ersten Fesselgriffen merkte ich, dass mein Körperschwerpunkt sich verlagerte und meinem Gleichgewichtssinn übel mitgespielt wurde.

      Dementsprechend fiel es mir schwer mein nach-„Innen“-Gehen fortzusetzen und aufrecht zu erhalten. Durch Reibung und Druck des Seils bzw. der Seile und die Verlagerung meines Körpers durch die Riggerin wurde ich immer wieder von „Außen“ aus dem „Innen“ herausgerissen.

      Sobald ich „Außen“ ankam versuchte ich zudem durch minimale Verlagerungen meines Körpers und Bewegungskontrolle an Fingern und Zehen wieder Kontrolle über die Situation zu erlangen. Den Beobachtern fiel dies – wie sie es mir hinterher schilderten – eindeutig auf.

      Nur brachte mir dieses Kontrollieren-Wollen keine Erleichterung des Drucks und der Reibung; im Gegenteil: die Schmerzen und die Unbequemlichkeit nahmen dadurch nur noch zu. Mehrfach versuchte mein Kopf das „Außen“ zu beeinflussen und mehrfach scheiterte er. Die Riggerin bemerkte dies und fragte mehrfach nach, ob alles in Ordnung sei und sie weitermachen solle; ich bejahte dies stets und sie setzte ihre Choreografie fort.

      Also entschied ich mich, nach einigen Minuten des inneren und äußeren Ringens um Kontrolle, wieder nach „Innen“ zu gehen und mich zur Hilfe auf die Musik zu konzentrieren, die im „Außen“ lief.

      Ich „kapitulierte“ sozusagen innerlich durch das Seil und in dem Moment begann mein Schwebezustand sich langsam aufzubauen und ich wurde innerlich ruhiger. Auch das Druckgefühl und die Schmerzen ließen nach.

      Ich ging also unterstützt durch den haptischen und körperlichen Eindruck des Seils genau den mentalen Weg, den ich in Sessions auch gehe, nur wurde ich vom Seil vielmehr dazu gezwungen und entschied daher nicht bewusst.

      Die Riggerin erzählte mir, dass sie sich beim Spanking ohne Fixierung stets wegdrehen würde, wobei ich mich bewusst dafür entscheide stehen zu bleiben und eine Fixierung mich Schmerzen dann eher intensiver empfinden lässt; d.h. nicht hinreichend dafür ist, dass ich Schmerzen empfange.

      Nun wurde mir durch das Seil diese bewusste Entscheidung abgetrotzt; ich hatte wirklich keine andere Wahl als loszulassen und zu empfangen. Jede bewusste Entscheidung meinerseits hätte den Druck und auch die Schmerzen gesteigert.

      Beim Lösen der Suspension an den Beinen wurde ich durch das erneute Verlagern meines Körperschwerpunktes auf einmal aus diesem mentalen Prozess herausgerissen und stöhnte auf. Vorher sei ich, so die Beobachter, vollkommen ruhig gewesen. Für mich fühlte es sich an, als hätte man einer frierenden die wärmende Decke entrissen.
      Dementsprechend langsam löste die Riggerin nach und nach Knoten um Knoten und Seil um Seil, streichelte mich immer wieder und spendete mir so Geborgenheit.

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      Entfesselt lag ich anschließend eine viertel Stunde am Boden mit dem Kopf in ihrem Schoß und starrte an die Decke und versuchte das zu sortieren, was mir gerade innerlich wiederfahren war.

      Als ich mich gesammelt hatte sprachen wir noch lange darüber; über meine Empfindungen, ihre äußeren Beobachtungen und tauschten Erfahrungen aus. Mir war vorher nicht haptisch bewusst, was für ein großer Kontrollmensch ich bin.

      Für diese Erkenntnis hat es nun doch noch das Seil gebraucht. Rational war mir zwar bewusst, dass Kontrolle nicht immer zu positiven Effekten führt, jedoch war diese Erkenntnis emotional noch nicht vollständig verinnerlicht.

      Dahingegen war das Fesseln eine lehrreiche körperliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte und eventuell wiederholen werde.
      “Everything has been figured out, except how to live.” (Jean-Paul Sartre)