Sieger Geschichtenwettbewerb 2018

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      Sieger Geschichtenwettbewerb 2018

      Liebe Forumsmitglieder,

      anlässlich der 5.000 Downloads des ersten Geschichtenbands den wir, auch aus den letzten Wettbewerben heraus, veröffentlichen konnten, haben wir erneut einen Wettbewerb gestartet.

      Thematisch haben wir diesmal alles offen gelassen und als Vorgabe lediglich die Verwendung von fünf Schlüsselbegriffen gefordert.
      Haken, Schloss, Orchidee, 5.000 und Teelöffel mussten von den Teilnehmern verwendet werden. Natürlich haben wir auch viele andere Kriterien in unsere Wertung mit einbezogen und uns am Ende die Entscheidung nicht leicht gemacht. Dennoch hat ein Beitrag ganz klar hervorgestochen, den wir euch nun nicht länger vorenthalten möchten.

      Sieger ist @threestripes mit seiner Geschichte „Operation Moonchild“.

      Herzlichen Glückwunsch dir lieber Threestripes und vielen Dank auch an alle anderen Teilnehmer für eure Mühe und euer Herzblut.
      Wir hoffen auch ihr, teilt eure tollen Geschichten mit uns.

      Und wer nach dem Lesen der Siegergeschichte immer noch nicht genug hat, dem sei nochmal unsere Geschichten Schatzkiste ans Herz gelegt, die mittlerweile sogar bereits über 6.200 Downloads vorzuweisen hat.



      Und nun viel Spaß mit der Gewinnergeschichte "Operation Moonchild"



      Operation Moonchild

      Der Korridor scheint kein Ende zu nehmen, auf der linken Seite zerbrochene Fenster, Scherben auf dem Boden. Auf noch erstaunlich intaktem Marmorfußboden Laub, Erde und anderer undefinierbarer Schmutz. Wahrscheinlich hereingetragen vom Sturm und allem möglichen Getier, vermutlich auch Menschen. Manch Fensterrahmen ohne Glas steht offen, Vogelgezwitscher-Echos erfüllen die Räumlichkeiten des verfallenen Sanatoriums, die warme Herbstsonne wirft bizarre, lebendige Schatten von sich im Wind wiegenden uralten Bäumen an die Wände. Auf der rechten Seite des Flures in regelmäßigen Abständen Türen, erstaunlicherweise alle geschlossen, die früher mal zu Büros, Verwaltungsräumen und Krankenzimmern voll geschäftiger Betriebsamkeit gehörten. Seltsame Atmosphäre, irgendwie morbid, mir fällt dazu ohne es zu wollen das dazu passende, ziemlich beklemmende Lied Radio Orchid von Fury in the Slaughterhouse ein. Aber von Orchideen weit und breit keine Spur, nur Vergänglichkeit, Verfall, irgendwie auch ein Panoptikum längst vergangener medizinischer Praktiken, über die wir heute wohl nur noch den Kopf schütteln würden. Ein verkratztes Emailleschild am Anfang des Flures weißt mir den Weg zum OP,und genau da muss ich hin. Meine Kameratasche hängt bereits schwer an meiner Schulter. Da ich nicht genau wusste, was mich erwartet, habe ich zwei Kameragehäuse und ein großes Arsenal an Objekten mitgenommen.

      Ich hatte seit Jahren keine Aufträge mehr angenommen, ich war das Fotografieren für Geld einfach leid, aber irgendwie musste diese seltsame Person – also der Auftraggeber - an meine E-Mail-Adresse gekommen sein. Meine eigentlich unverschämt hohe Gage von 1500 Euro wurde bereits weit im Vorfeld überwiesen, also muss ich heute liefern, es gibt keine Ausreden mehr.
      Eines ist zumindest klar: Das in den 20er-Jahren erbaute Tuberkulose-Zentrum in Wittichenau bei Hoyerswerda ist bei Fetisch-, Gothic-, und BDSM-Fans sehr populär als Kulisse für Foto-Sessions aller Art. Die Ruinen sind frei zugänglich, der OP mitsamt verrostetem OP-Tisch, zerfallener OP-Lampe und gekachelten hellblauen Wänden bietet sich für solch bizarre Motive förmlich an. Obwohl ich noch vor ein paar Jahren etliche Shootings für Cybergoths, Steampunks, Hentai-Fans und LackLederLatexSpandex-Fetischisten abgehalten habe und damit nebenher gutes Geld verdient habe, sind mir diese Szenen bis heute fremd geblieben. Letztlich war ich immer ein Außenstehender, ein Geduldeter, ein stiller Beobachter. Aber auch einer, der an den teils sexuellen Phantasien meiner „Kunden“ teilhaben durfte, weil ich wohl ein gutes Kamera-Auge dafür hatte, mich nie in den Mittelpunkt drängte und mir die Menschen wohl irgendwie vertraut haben. Seltsamerweise musste ich beim Sanatorium Wittichenau statt an Bondage und SM immer an Ottfried Preußlers Krabat denken, und immer wenn ich hier Fotos schoss, machte sich in mir das gleiche klamme und bedrückende Gefühl breit, das ich schon beim Lesen der Geschichte so empfunden habe. Seltsam, wie wir Menschen ticken, welche Szenen bei uns welche Assoziationen wecken, wie wir fühlen...

      Auf so eine BDSM- oder Fetisch-Session muss ich mich also heute gefasst machen, dessen bin ich mir sicher, als ich den noch immer recht vertrauten Korridor Richtung OP entlang schlendere. Noch ist es still in den Räumlichkeiten, mein Kunde ist also noch nicht da. Ich stoße die Türe zum OP auf, … und pralle gegen eine dreiteilige imaginäre Mauer aus Verblüffung, Fassungslosigkeit und Schock. An einem Campingarrangement aus Tisch und Stühlen sitzt eine Frau und schenkt sich gerade Tee aus einer altertümlichen Kanne in die dazu passende Tasse. Es gibt sogar Torte mit Cocktailkirschen oben drauf, die aber noch nicht angeschnitten ist, mit einer gezierten Handbewegung rührt die Frau in der Tasse herum und streift den Teelöffel dann elegant am Tassenrand ab, bevor sie ihn mit abgespreizten kleinen Finger sachte auf der Untertasse ablegt. Was das ganze so absurd macht: Das Bild will einfach nicht passen. Die Frau, wahrscheinlich Mitte bis Ende 30, trägt Doc Martens-Stiefel, dazu eine Hose aus schwarz-glänzendem PVC mit allerlei angenähten Schnallen, Bändern und Reißverschlüssen, dazu ein hautenges Latex-Oberteil. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt, die Lippen haben einen fast schwarzen Rotton. Neongelbe, -pinke und -grüne Dreadlocks, höchstwahrscheinlich nicht echt, wuchern in alle Richtungen, ihre Augen versteckt sie hinter einer verspiegelten Fliegerbrille, die jetzt – warum zum Teufel auch immer - wieder modern sind. Dann dreht sie langsam den Kopf in meine Richtung und spricht spöttisch:
      „Sehr verwunderlich, dass du immer noch stehst angesichts deiner Körperhaltung...“
      Sie kichert laut, während ich an mir herunterblicke. In meiner Bewegung erstarrt, stehe ich mit nach innen verdrehten Füßen, X-Beine dazu, mein Oberkörper nach rechts verdrillt, mit hängender linker Schulter aufgrund des Gewichts meiner Fototasche - mein Anblick muss mächtig martialisch wirken. Sie erhebt sich langsam und steigt über einen Mann, der mit dem Rücken zu mir eingerollt auf dem Boden liegt. Bekleidet ist er ganz in Latex, mehr kann ich bis dato nicht erkennen. Beiläufig tätschelt sie am Vorübergehen seinen Kopf, gibt mir dann mit einer wedelnden Armbewegung, so als würde sie Fliegen verscheuchen, zu verstehen, dass ich reinkommen solle. Mit verschränkten Armen erwartet sie mich in der Mitte des Raumes, unschlüssig stelle ich meine Kameratasche ab und geselle mich zu ihr. Meine Aufforderung zum Hände schütteln ignoriert sie geflissentlich.
      „Du bist Martin?“ eröffnete sie fast arrogant.
      „Nein, ich bin der Hausmeister, ich möchte sie jetzt bitten, den OP zu verlassen, wir haben in fünf Minuten einen akuten Pneumothorax.“ Ich grinse dabei, sie reagiert nicht.
      „Du bist ein Spaßvogel, richtig?“
      „Ja,“ entgegne ich etwas zerknittert, beruhige mich aber, dass 1500 Euro eben auch 1500 Euro sind.
      Sie geht zurück zum Tisch und fragt süßlich:
      „Kaffee und Torte gefällig?“

      Der Latexmann hat sich noch immer nicht bewegt. Ich reiße mich aus meiner Lethargie und nehme am Campingtisch platz. Als ich den Stuhl geräuschvoll über dem verdreckten Boden zurechtrücke, hebt der Mann dann doch seinen Kopf. Sein Gesicht ist verborgen hinter einer Hundemaske aus Leder, nur seine Augen sind erkennbar. Er blickt zu seinem Frauchen, diese winkt ab mit den Worten: „Alles gut, Kleiner,“ worauf sich der „Hund“ wieder einkringelt.
      Ich versuche, irgendeine Struktur in dieses bizarre Schauspiel zu bringen.
      „Ja, ich bin Martin, der sauteure Knipser. Und du?“
      Ich spreche leise und blicke in ihre Richtung, ich will vermeiden, dass sich der Mann am Boden angesprochen fühlen könnte. Sie schenkt mir ungefragt Tee ein, legt Zucker in nur ihr bekannter Mischung auf und nickt gönnerhaft. Ich lege nach:
      „Du behältst wohl alles gern unter Kontrolle?“
      Sie nimmt ihre Sonnenbrille ab und legt sie auf den Tisch. Es wirkt eher, als würde sie einen Colt ziehen.
      „Ich behalte nicht unter, ich habe unter Kontrolle, das ist der entscheidende Unterschied. Ich bin Saskia, aber nicht sehr glücklich mit dem Namen. Für dich bin ich Moonchild.“
      Ich grinse schelmisch.
      „Doch nicht alles unter Kontrolle, das mit dem Namen ist dann wohl eher schief gegangen, was?“
      Ihre Miene bleibt unbewegt. Ich beschließe, das Gespräch sachlich zu halten, aber zunächst mal in geordnete Bahnen zu lenken.
      „Ich weiß nicht genau, wo ich dich einordnen soll... Du bist ein bisschen Cybergoth oder Punk, vielleicht auf eine Waverin, auf jeden Fall in der Dark Scene unterwegs, und vermutlich ne Dom. Ich tu mich grade wahnsinnig schwer, das hier einzuordnen. Ich muss auch aufpassen, nicht albern zu werden, am liebsten würde ich jetzt fragen,“ ich deute mit dem Kopf in Richtung des Hundemannes, „ob er auch reden kann oder nur bellen...“ Ich zucke etwas ratlos mit den Schultern.

      Im selben Moment klingelt ein Mobiltelefon. Der Hund blickt auf, Saskia nickt ihm kaum merklich zu, Hund steht auf und geht zu einer Sporttasche, aus der er das Handy zieht. Mit einer fließenden Bewegung zieht er sich die Hundemaske vom Kopf. Ich muss aufpassen, nicht gleich laut loszulachen.
      „Burkhardt?“
      Dann eine längere Sprachpause.
      „Frühestens um 15 Uhr, ich habe jetzt eine Objektbesichtigung. Danach würde ich sie zurückrufen, um die fehlenden Punkte bezüglich ihres Kaufvertrages durchzugehen, bis Ende der Woche sollten wir das mit ihrem Reihenhaus in trockenen Tüchern haben... Ja, gerne, bis dann.“
      Anschließend setzt er sich die Hundemaske wieder auf und legt sich an seinem Platz vor dem Tisch ab.

      Ich beschließe, die Absurdität der Situation einfach auszublenden und baue – ganz souveräner Profifotograf mein Equipment auf. Saskia beobachtet mich argwöhnisch und kommentiert spitz:
      „Du hast ja nicht mal ´ne Blitzanlage dabei...“
      Ein versteckter Vorwurf? Na das kann ja heiter werden. Ich spiele verständnisvoller Erklärbär.
      „Die ist auch gar nicht nötig. Ich kann mit meinen Kameras bis ISO 5000 hochgehen, das ergibt erstens eine interessante Körnung auf den Fotos und zweitens kann ich so besser mit dem natürlichen Licht des Raumes arbeiten, die Fotos wirken dann nicht so gekünstelt.“
      Ich befestige an eine der Kameras ein Weitwinkel-Objektiv, die Krawallmacherin ist aber noch nicht fertig.
      „Ich habe für erstklassige Fotos bezahlt, verstanden? Ohne Körnung, wenns geht.“
      „Ich glaube ja vielmehr, dass Herr Burkhardt bezahlt hat, wenn ich das meinen Kontoauszügen richtig entnommen habe...“
      Jetzt wird sie rot im Gesicht, das kann ich selbst durch die dicke, leicht verruchte Schminke erkennen. Sie schnappt empört nach Luft, antwortet dann aber ganz leise und mit tiefer Stimme:
      „Der Hund hat heute nichts zu melden.“
      Wen will sie eigentlich auf die Palme bringen, mich oder den Hund? Ich denke an den Ausspruch meines Vaters – Der Provokateur bleibt stets ungestraft – und nicke ihr aufmunternd zu.
      „Pass auf, Saskia, wir machen ein paar Probeaufnahmen und gucken sie uns auf der Kamera an, okay? Dann sehen wir ja, ob sie deinen hohen Erwartungen entsprechen.“
      Jetzt nickt sie, schreitet langsam auf mich zu, ihre Hose quietscht und knarzt seltsam beim Laufen. Ich muss an scheußliche Lack-Regenmäntel in rot und gelb denken, die ich als Kind tragen musste. Sie postiert sich direkt vor mir und streichelt mit ihrem Handrücken meine unrasierte Wange.
      „Wir wollen doch beide, dass die Fotos gut werden, nicht wahr Kleiner?“
      Ihre Stimme ist jetzt noch tiefer, ihre Berührung trifft mich wie ein elektrischer Schlag. Eine ihrer vermutlich aufgerichteten Brustwarzen drückt gegen meinen Oberarm, sie fordert eine zynische Nähe ein, die ich nicht leiden kann. Instinktiv weiche ich zwei Schritte zurück.
      „Lass uns doch einfach anfangen,“ verkünde ich, schnappe mir die erste Kamera und warte, bis sich die beiden in Position bringen. Moonchild-Saskia starrt mich mit durchdringendem Blick an, setzt sich zurück an den Kaffeetisch und wartet. Ich merke, dass ich helfen muss.
      „Wenn wir den Teetisch so drehen, dass im Hintergrund OP-Tisch und Lampe verschwommen zu sehen sind, wird das Bild vielleicht etwas absurder...“
      „Wieso absurd?“ blafft sie.
      „Na, der Kontrast oder Widerspruch von Kaffeekränzchen und verlassener OP-Atmosphäre wirkt doch bizarr. Deswegen habt ihr euch das Setting doch auch ausgesucht, oder?“
      „Ja stimmt, guter Einwand.“ Das war der Hund, der jetzt aufsteht und mit einem Nicken eine Seite des Tisches angreift, um ihn anzuheben. Gemeinsam bringen dir beiden unter meiner Regie den Tisch in die richtige Position, ich kann nicht anders als eine kleine Serie davon zu schießen, das Bild ist einfach zu albern.
      „Lass den Scheiß, wir brauchen kein Making-Of.“
      Ich komme mit ihrer Garstigkeit einfach nicht klar, zumal ich das Gefühl habe, dass diese Garstigkeit nicht echt ist.
      „Habt ihr schon mal eine Fotosession gemacht?“ versuche ich es nochmal, um zumindest etwas Spannung aus dem Raum zu nehmen.
      „Ich ja,“ antwortet der Rüde, „aber da ich durch die Maske eh kaum was sehe, kann ich dazu nicht viel sagen. Moonchild und ich kennen uns ganz gut von einem... einschlägigen Portal und haben uns hier zum spielen verabredet, ich glaube, sie hat noch nie Fotos von sich machen lassen. Ich heiße übrigens Peter.“
      „Wirst du wohl...?!“ Sie braucht den Satz nicht zu ende zu zischen, der Hund verkriecht sich wieder unter dem Tisch. Zumindest habe ich jetzt die ein paar hilfreiche Informationen, obwohl sich mir das „Spiel“ bei dem Spiel nicht ganz erschließt.
      Ich versuche, etwas zielgerichteter vorzugehen um diesen seltsamen toten Punkt, an dem wir alle grade sind zu umgehen. Ich versuche Anweisungen zu geben.
      „Peter, roll dich mal so vor deiner Herrin zusammen, dass du auf ihren Füßen liegst. Moonchild, vielleicht streichelst du ihn eher beiläufig von deinem Stuhl aus....“
      Was dann passiert, nehme ich nur noch in einer Art reaktiven Nebel wahr. Ich halte einfach nur drauf und schieße so viele Aufnahmen wie möglich.
      Zunächst streichelt sie Peter hinter den Hundeohren, der schmiegt sich innig an ihre Wade. Worauf Saskia den Stuhl zu ihrem Hund dreht und seinen Kopf mit beiden Händen liebkost. Überraschenderweise spiegelt sich auf ihrem Gesicht so etwas wie eine Andeutung von Lächeln. Wie jeder „normale Hund“ legt Peter seinen Kopf auf Saskias Schenkeln ab, seufzt tief, sie tätscheltihn liebevoll. Dann verschwindet sein Kopf zwischen ihren Schenkeln, immer fordernder drückt seine Schnauze gegen ihren Schritt. Saskia springt empört auf, packt Peter hart am Nacken, drückt seinen Kopf mit Gewalt auf den Boden, Peter verharrt reglos in dieser Stellung. Er winselt, es klingt täuschend echt. Übt er sowas wohl zuhause?
      Dann kommt eine Serie, die ich später unter dem Begriff „Kommandosache“ abgespeichert habe.
      Es sind fast schon Klischee-Fotos, die die beiden da inszenieren, aber sie wirken im Zusammenspiel unglaublich gut, und auf einmal habe ich die Petplay-Idee verstanden, auf jeden Fall die eigenartige Ästhetik dessen. Alles spielt sich vor einer der gekachelten Wände ab, was sehr befremdlich wirkt. Saskia steht breitbeinig vor Peter mit einer schwarzen Hundeleine aus Leder und gibt zackige Befehle. Nebenbei erklärt sie mir:
      „Man nennt das, was wir da machen Obedience-Training. Hier geht es um schnellen und unbedingten Gehorsam. Sitz!“
      Peter sitzt erwartungsvoll vor seiner Herrin auf dem Boden. Mir bleibt dabei nicht verborgen, dass er eine sichtliche Erektion hat.
      Etliche weitere Übungsrunden später, nach „bei Fuß-Gehen“, „wenden auf Kommando“ und etliches weitere ist Peter-Hund der Befehle wohl überdrüssig, er umklammert mit seinen Vorderläufen Saskias Bein und reibt seinen Unterleib an ihr. Sein Stöhnen ist vernehmlich, selbst durch seine Maske hindurch, und das erstaunlichste: Saskia lässt ihn gewähren. Aber nur für wenige Augenblicke. Dann knallt die Hundeleine an seine Schulter, doch der Hund lässt sich nicht beirren. Saskia versucht ihr Bein von dem Hund loszubekommen, beschimpft ihn wüst, schlägt ihn mit der flachen Handauf den Kopf und entreißt sich ihm schließlich, wobei sie mehrmals nach ihm tritt und auch trifft. Der Hund jault dabei auf, verkriecht sich anschließend schuldbewusst unter dem Tisch.
      Gemessenen Schrittes folgt Saskia ihm, baut sich bedrohlich vor ihm auf und flüstert:
      „Komm da raus, und zwar sofort.“
      Keine Reaktion.
      Sie, lauter: „Los jetzt, marsch...“
      Peter hebt den Kopf und sieht mich an. Ist das Furcht in seinen Augen? Ich habe fünf Nahaufnahmen seines Gesichtes in diesem Moment geschossen, und auch wenn ich mir die Fotos heute noch ansehe, läuft es mir bei seinem Blick eiskalt den Rücken runter.
      „Komm jetzt da raus,“ lockt Saskia den Hund fast schon liebevoll, er folgt und legt sich vor ihr in Platzstellung ab. Aber er weiß genau, was ihm blühen wird.

      Fast aus dem Nichts rauscht die Hundeleine auf ihn herunter, zweimal, und trifft seinen Rücken. Peter zuckt unter den Schlägen zusammen, gibt aber keinen Ton von sich, nach dem zweiten Schlag krümmt er sich in Embryonalstellung zusammen – vermutlich vor Schmerz oder aus Unterwürfigkeit.
      Aufreizend locker hält Saskia die Leine in der Hand und lässt das lose Ende langsam über Peters Oberschenkel gleiten, es sieht aus, als streichle sie ihn. Dann knallt der Hieb auf seinen Latex-bekleideten Schenkel, das Geräusch fährt mir durch Mark und Bein. Die Prozedur wiederholt sich mehrmals in quälender Langsamkeit. Ich schieße mit einem dicken Kloß im Hals weitere Fotos aus allen erdenklichen Perspektiven, während Saskia in selber Manier Peters Hintern malträtiert. Bei jedem wohl dosierten Hieb stöhnt der Hund kurz auf. Ich widerstehe dem Drang, eingreifen zu wollen. Nach dem letzten Schlag kniet sich Saskia zu Peter herunter, er hebt den Kopf, sie nimmt sein Hundegesicht behutsam in beide Hände. In dieser Position schauen sie sich lange gegenseitig tief in die Augen, auch davon habe ich mehrere sehr intime Nahaufnahmen. Mir stockt der Atem, ich habe Angst, mit dem Klicken meiner Kamera diese fast magische Atmosphäre von höchster Innigkeit zu zerstören.
      Mit einem: „So jetzt reichts glaube ich,“ steht Saskia auf, der Hund ebenfalls, zieht sich die Maske vom Gesicht herunter und...
      Grinst breit. Und breiter. Und immer noch breiter. Seine Augen sind von Tränen gefüllt, seine Stirn schweißüberströmt, und Saskia erklärt:
      „Wir haben alles sehr penibel aufgeschrieben, fast zwei Tage per Telefon und E-Mail an unserem Drehbuch gefeilt, bis alles gepasst hat. Peter? Alles gut?“
      Er nickt ernst, in seinen Augen ein Seelenfrieden, den ich so vorher noch nie bei einem Menschen gesehen habe. Auch davon gibt es ein Foto.
      Und dann geht alles blitzschnell, in kürzester Zeit trocknet sich Peter ab, zieht sich um, im dann eleganten dunkelgrauen Business-Anzug küsst er Saskia links und rechts auf die Wange und raunt:
      „War echt geil.“ Ohne einen weiteren Kommentar verlässt er den Raum.

      „Ach stimmt, er hat ja noch einen Termin,“ kommentiere ich eher für mich selbst, Saskia steht ganz nahe neben mir und legt sich ein schwarzes Halsband aus festem Satin um. Sie hält mir ein schwarzes Nylonseil mit einem silberfarbenen Haken hin, deutet auf den Ring am Halsband, und schnappt auffordernd mit ihrem Daumen am Riegelschloss des Hakens.

      Wie in Trance greife ich nach dem Ende des Seils.