Fantasie

      Elaine bügelte das achte Hemd ihres Mannes. Obwohl sie es nicht mochte, erledigte sie es ohne Murren, schließlich gehörte es zu ihren Aufgaben. Die Rollen in ihrer Ehe waren klar aufgeteilt. Sie war für den Haushalt und die drei Kinder zuständig, ihr Mann machte Karriere. Dann war doch alles bestens, oder? Wenn nur nicht diese innere Unzufriedenheit gewesen wäre, die sich nach zwölf Jahren Ehe eingeschlichen hatte. Sie liebte ihren Mann, keine Frage, aber der routinierte Alltag langweilte sie und ihr Sexleben war mittlerweile zur Pflichtübung geworden.

      Was waren sie früher spontan gewesen, für jeden Blödsinn zu haben. Jetzt musste alles im Voraus geplant werden, weil seine begrenzte Freizeit und die Kinder nichts anderes zuließen.

      Sie hatte ein schlechtes Gewissen, fühlte sich undankbar, denn sie waren finanziell abgesichert, sie musste sich diesbezüglich keine Gedanken machen. Ein paar Mal hatte sie das Thema angeschnitten, gemeint, dass sie auch mit weniger zufrieden wäre, wenn er dafür mehr bei ihr und den Kindern bliebe. Das Donnerwetter mit Argumenten wie – einer müsse den Kredit für das große Haus abzahlen, alleine die Versicherungen für die beiden Luxusschlitten und die Privatschulen für die Kinder – ließen sie verstummen und noch schlechter fühlen, als zuvor.

      Auch ihre Freundinnen hielten sie für undankbar, hatten ihr neidvolle Vorträge gehalten, dass sie froh wären, wenn ihre Männer ihnen ein solches Leben bieten könnten und dafür gerne in Kauf nehmen würden, sie weniger oft zu sehen. Ganz zu schweigen von den teuren Urlauben, die sie mit ihrer Familie genießen konnte.

      Sie verschwieg, dass ihr Mann im Urlaub nicht anwesend war, sondern ständig mit der Firma telefonierte. Sie verschwieg auch, dass sie viel lieber mit ihrer Familie wandern ginge und in einer Berghütte übernachten würde. Sie verschwieg vieles in letzter Zeit, lebte ihre Fantasien in ihrem Tagebuch aus.

      Als das achte Hemd fertig gebügelt war, rief ihr Mann an. Sie seufzte, hatte sie doch die Kinder bei der Schwiegermutter abgegeben, in der Hoffnung, mit ihm ein ungestörtes Wochenende zu verbringen. Vermutlich sagte er wegen der Firma wieder kurzfristig ab.

      »Richard, was gibt’s?«

      »Ich habe dein Tagebuch gelesen«, sagte er ohne Einleitung und verpasste ihr damit den Schock ihres Lebens.

      »Was fällt dir ein? Das geht dich überhaupt ...«

      »Du bist unglücklich.«

      Sie wollte es verneinen, doch sie schwieg.

      »Du fehlst mir auch … Ich werde in der Firma kürzertreten.«

      Sie schwieg noch immer, konnte nicht glauben, dass es ihr Mann ernst meinte.

      »Dein letzter Eintrag im Tagebuch ...«

      »Es ist nur eine Fantasie, Richard«, sagte sie leise, fuhr sich dabei über die brennend heißen Wangen.

      »Es ist auch meine Fantasie.«

      Sie war sprachlos. Könnte es möglich sein? Ihr Herz raste.

      »Hörst du mir zu, Elaine?«

      »Ja.«

      »Du legst dich nackt aufs Bett. Im Nachttischkästchen findest du einen Seidenschal, damit verbindest du dir die Augen. Die Arme hältst du über deinem Kopf und die Beine sind weit gespreizt. Du sprichst nicht, kein Wort. Stell dir vor, ich bin ein Fremder, der in dein Haus eindringt und sich nimmt, was er will, ohne zu fragen. Hast du mich verstanden?«

      »Ja«, hauchte sie atemlos.

      ***

      Elaine lag nackt auf dem Bett. Noch nie hatte sie sich lebendiger gefühlt. Adrenalin und Erregung durchströmten sie. Sie wusste, dass ihre geöffnete Blume mit Feuchtigkeit benetzt war. Sie wusste auch, dass der Fremde, der sich fast lautlos näherte, es ebenfalls sah. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in rascher Abfolge. Die Matratze gab nach. Sie fühlte seinen Atem auf ihrer Haut. Als sich seine kraftvolle Hand auf ihren Hals presste, sodass ihr der Atem stockte, wusste sie, dass alles gut werden würde.