Polyamorie und BDSM

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      Polyamorie und BDSM

      *Einleitung*

      Ich werde in diesem Beitrag versuchen die Besonderheiten und Konflikte herauszuarbeiten, welche sich aus der Kombination Polyamorie und BDSM ergeben. Ich werde dazu versuchen, sowohl theoretische als auch praktische Überlegungen miteinzubeziehen und hoffe damit möglichst viele Menschen ansprechen zu können. Die persönliche Perspektive bleibt aber immer bestehen. Dennoch habe ich den Anspruch hier den grösstmöglichen Grad an Objektivität zu erreichen, welcher bei einem solchen Unterfangen möglich ist und beziehe mich auch deshalb auf Literatur und sehr viele persönliche Gespräche mit Poly-Wesen und BDSM-Wesen. Am Schluss befindet sich ein Abschnitt indem ich auf diese Quellen verweise und eine Reihe von Menschenwesen nenne, welche direkt an dem Beitrag mitgearbeitet haben, als auch solche deren Beitrag sich nur indirekt ausgewirkt hat.

      Bei den Verweisen zur Literatur, werde ich soweit als möglich versuchen, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen. Es ist aber nicht notwendig alle Verweise nachvollziehen zu können, um den Text zu verstehen. Das nachlesen bei Wikipedia ist zudem oft genügend um die grundsätzlichen Ideen dieser Autor*innen zu erfassen

      Weiter habe ich diverser Beiträge verlinkt, welche bestimmte Themen hier im Forum weiter besprechen und füge gerne weitere hinzu, wenn ihr mich darauf aufmerksam macht.

      Eine letzte Anmerkung sei mir gestattet und das ist das ich dies nicht als abgeschlossenen Text betrachte, sondern auch als eine momentane Beschreibung meiner Kenntnisse zu dieser Thematik.

      Der Beitrag ist nun wie folgt aufgebaut
      1. Persönlicher Kontext
      2. Theoretische Grundlagen der Polyamorie
      3. Theoretische Grundlagen des BDSM
      4. Besonderheiten und Konflikte
      5. Teillösung des Konflikts
      6. Polyamorie und BDSM - eine wunderbare Kombination?
      7. Danksagung
      8. Literaturangaben
      *Persönlicher Kontext*


      Da gerade bei einem solchen Text der persönliche Hintergrund des Verfassenden entscheidend ist, möchte ich euch etwas zu meinem Hintergrund erzählen. Damit hole ich sogleiche auch meine Vorstellung hier nach.

      Meine erste Beziehung hatte ich noch als sehr junger Mensch. Heute bin ich der Ansicht, dass wir zu jung waren um die Dimensionen wirklich einzuschätzen. Wir verstanden die Bedürfnisse des anderen noch viel zu wenig, um zu erkennen welche Unterschiede wirklich relevant sind und welche nicht. Ich erlebte verschiedene Frustrationen. Einigen von euch dürfte manches davon nur zu gut bekannt sein. Das Menschenwesen, mit dem ich damals in einer Beziehung lebte, war vanilla durch und durch und fühlt auch nicht polyamor. Beides war nicht der Trennungsgrund aber leistete sehr wohl den Beitrag zur Krise vor etwa fünf Jahren, die schliesslich auch zur Trennung führte. Heute besteht zwischen uns noch immer eine enge Freundschaft und wir haben täglich Kontakt. Ich setzte mich während einer sehr langen Trennungsphase intensiv damit auseinander, dass ich es einfach immer weniger verstand wie Menschen Begriffe wie “Freundschaft” verwendeten und dabei jede romantische Begegnung von vornherein ausgeschlossen wurde. Ich verstand nicht, weshalb die Liebe zu einem Menschen bedeuten sollte, die Liebe zu einem anderen auszuschliessen. Ich lernte in dieser Zeit viel über mich selbst und wie man mit der Komplexität umgehen konnte, welche all diese Gefühle und Verbindungen mit sich brachte. Ich lernte durch die Geschichten von anderen und durch meine eigene Geschichte. Ich lerne auch durch die Verletzungen, welche ich anderen zugefügt wurden.Teils aus Fehlern die einfach dazugehören, wenn man andere Menschenwesen an sich heranlässt, teils aus Fehlern, die spezifisch in einem Poly-Kontext entstehen. Dadurch, dass die monogame Beziehung aufgebrochen war, war aber eben nicht nur Raum, um meine Gefühle für andere Menschen zu erkunden, sondern auch um dieser Faszination, die BDSM auf mich hatte, nachzugehen. Dass ich mit vielen Praktiken des BDSM sehr viel anfangen konnte, war mir schon als Kind klar gewesen. Ich weiss nicht, ob ich jemals reine Vanilla-Fantasien hatte und auch die frühesten sexuellen Fantasien, an die ich mich erinnern konnte, sind irgendwie mit den Begriffen des BDSM zu beschreiben. Ich machte auch hier meine ersten konkreten Erfahrungen und auch Fehler. Je mehr Zeit ich nun hatte mich mit meinen Empfindungen und denen anderen zu beschäftigen, umso klarer wurde mir wie diese beiden Seiten meiner queer-Natur zusammenspielen. Aber es ist noch ein weiter Weg für mich diese Kombination wirklich anzunehmen.

      Irgendwann lernte ich dann @Regenbogen kennen und damit wurde vieles anders. Aus einer Freundschaft wurde mehr und irgendwann wurde unser polyamore Beziehung auch durch BDSM-Elemente ergänzt, die sich innerhalb von wenigen Wochen rasant weiterentwickelte. Begriffe wie “mein” und “du gehörst mir” bekamen eine andere Bedeutung und fühlten sich gut an. @Regenbogen gab mir in vielen Bereichen eine lang vermisste Stabilität zurück und den Raum, vieles zu reflektieren. Die Ruhe von Regenbogen und eine süsse sadistische Ader führte dann auch dazu, dass ich mich stärker auf den Teil besann der gehorchen will, der beschützt werden will und und Schmerzen geniessen kann. Mir scheint dieser Teil von mir besser in diese Beziehung zu passen, als mein eigenes Biest, dass gerne beisst und dann wieder schützend die Arme um jemanden schliesst. Ich empfinde diese Bestandteile meines Wesens im Moment nur sexuell aber nicht als ein Grundbedürfnis, dass ich in einer anderen Beziehung verwirklichen möchte.

      Soviel mal zum persönlichen Hintergrund, jetzt wird es etwas theoretischer. So beruht das Nachfolgende eben nicht nur auf persönlicher Erfahrung und unzähligen Gesprächen, sondern auch auf meiner Arbeit in der Philosophie. Mein eigentliches Fachgebiet ist hier nicht relevant aber ich arbeite nicht in der Ethik, sondern komme aus der theoretischen Philosophie. Wenn ich mich aber zu ethischen Fragen äussere, befinde ich mich am ehesten in der Denktradition von Immanuel Kant. Das bedeutet, dass ich moralische Fragen nicht hinsichtlich ihrer Konsequenz beurteile, sondern hinsichtlich ihrer Intention. Anders als Kant gehe ich aber nicht von einer Moral aus, die wir Kraft unserer Vernunft erkennen können, sondern die eher eine Form der sozialen Konvention darstellt wie sie Gilbert Harmann beschreibt. Weiter halte ich das Principle of Justice von John Ralws als weitgehend anwendbar auf verschiedene Bereiche des Lebens und nicht nur auf der makroskopischen Ebene wie dies Rawls andenkt. Hierbei geht es darum, dass man Entscheidungen unter der Annahme trifft, dass man egal in welcher Position man danach ist, dies für eine gute Entscheidung halten würde und sie eben fair sein müssen. Weitere Details sind hier zunächst nicht wichtig, geben aber denjenigen unter euch, welche mir in diese Tiefe der Argumentation folgen wollen, einige Hinweise auf welchen Spuren ich mich bewege. Vgl. dazu auch die Literaturangaben.
      *Theoretische Grundlage der Polyamorie*

      Ich unterscheide Polyamorie in drei Dimensionen.
      • Ich empfinde polyamor
      • Ich handle nach einem bestimmten ethischen System
      • Ich lebe polyamor
      Wenn ich vom Fühlen spreche, dann meine ich, dass ich tiefe romantische Gefühle für mehr als ein Menschenwesen zum gleichen Zeitpunkt habe. Ich wurde oft gefragt, ob ich denke dass dies angeboren sei, oder ob alle Menschen so empfinden und es nur eine soziale Konvention darstellt, dass wir diese Gefühle auf einen Menschen beschränken. Mir sind keine wissenschaftlichen Studien zu dieser Frage bekannt, aber ich kann hier festhalten, dass ich und andere polyamor fühlende Menschen in der gleichen Art darüber sprechen wie andere über ihre Homosexualität, Bisexualität, Aromantik, Asexualität, Pansexualität und soweiter. Für mich ist Polyamorie ein Teil meiner emotionalen und sexuellen Identität und ein so fester Bestandteil meiner Persönlichkeit, dass ich nicht davon ausgehe, dass einzig eine soziale Konvention verhindert, dass wir alle polyamor sind, sondern dass dies auf weniger kontingenten Strukturen beruht.

      Wenn ich von einem ethischen System spreche, dann meine ich bestimmte moralische Überzeugungen nach denen ich versuche meine Beziehungen zu gestalten. Es gibt hier verschiedene Ansichten, was genau relevant ist und was nicht. Konsens besteht aber weitgehend über Folgendes bei den Menschen, die sich als polyamor bezeichnen:
      • Transparenz
      • Das Führen einer romantischen Beziehung ist das Ziel (relevante Differenz zu Polygamie/Offenen Beziehungen)
      • Einvernehmlichkeit aller Beteiligten
      Die oben genannten Werte ergänze ich nun mit einem spezifischen Verständnis von Menschen, das Menschen in ihrer absoluten Individualität wahrnimmt und daraus folgt, dass die Beziehungen zwischen diesen Menschenwesen hochgradig individuell ausgestaltet sind. Weiter aber auch, dass dadurch einzig eine Verantwortung für das eigene Selbst entsteht und eben für andere nur mit deren sehr expliziter Zustimmung. Dass wir andere in Besitz nehmen können oder von diesen in den Besitz genommen werden, ist in diesem Verständnis nicht möglich. In diesem Kontext spielen auch Überlegungen eine Rolle, in welchen Beziehungen als Machtinstrumente zu begreifen sind. Der Begriff Biomacht/Biopolitik von Foucault ist interessant, wenn man die Rolle des Staates hier begreifen möchte. Dabei geht es um Regulationsmassnahmen der Bevölkerung durch den Staat speziell im Bezug auf die Reproduktion. Auf der persönliche Ebene lässt sich dieser negativen Ausübung von Macht entgegenwirken, durch eine absolute Gleichberechtigung aller Beteiligten.

      Polyamorie als Praxis umfasst dann die konkrete Ausgestaltung der Beziehung. Es gibt hier verschiedene Modelle, die man auf der höchsten Ebene grob in hierarchische und nicht-hierarchische Form der Polyamorie unterteilen kann. Eine hierarchische Poly-Beziehung besteht aus einem klaren Kern aus wenigstens zwei Personen und den Flügelbeziehungen. Es ist explizit eine Ungleichbehandlung zwischen Kern und Flügel definiert. Nicht hierarchische Formen der Polyamorie lehnen genau diese Ungleichbehandlung ab. Jenseits dieser Ebene gibt es eine Vielzahl von praktischen Problemen, welche sich spezifisch in diesem Kontext äussern. Herausragend dürfte hier die Einteilung von Zeit auf verschiedene Menschen sein. Das Bedürfnis nach hochwertiger Zeit mit den verschiedenen Partner*innen unterscheidet sich nicht grundsätzlich zu anderen Beziehungsformen, aber die Zeit, die einem Menschenwesen zur Verfügung steht, bleibt eben doch die gleiche. Hier sind viele Vereinbarungen/Gespräche nötig, um einen guten Ausgleich zwischen allen Bedürfnissen zu finden. Wichtig ist hier zu akzeptieren dass Kompromisse zwar ein wichtiger Bestandteil jeder Beziehungsform sind, dass es aber auch Situationen gibt, in denen ein Kompromiss nicht möglich ist. Wenn zum Beispiel die Vereinbarungen vorsehen, dass bestehende Partner*innen zu neuen Beziehungen ihr einverständnis geben sollen, dann ist eine Antwort nur mit den Begriffen “Ja/Nein” möglich. Es gibt kein “vielleicht” und ich kann dieses Veto nur annehmen oder zurückweisen aber nicht nur zum Teil akzeptieren.

      Eine Art Tauschhandel führt schnell zu einer toxischen Dynamik bei der nicht mehr die Individuen in ihrer Gesamtheit im Mittelpunkt stehen, sondern es findet eine Reduktion auf eine Funktion statt. Dann gibt es noch viel banalere Probleme, wohin man zum Beispiel mit all den Zahnbürsten will, die sich in der eigenen Wohnung befinden. Persönlich denke ich, dass gerade die Furcht vor solchen praktischen Problemen manche daran hindert, sich ernsthaft mit diesem Beziehungsmodell auseinanderzusetzen, doch das meiste davon lässt sich mit etwas Pragmatismus und viel Einfühlungsvermögen ohne grosse Schwierigkeiten lösen.

      Der Ausdruck Beziehungsanarchie ist in diesem Kontext ebenfalls relevant. Beziehungsanarchie hat sehr viele Parallelen zu Polyamorie, unterscheidet sich aber davon, dass die Spontaneität des Moments betont wird und das verzichten auf klare Begriffe, welche die Beziehungen gegen aussen kennzeichnen. Einige Menschen, mit denen ich gesprochen habe sind der Ansicht, dass ich oftmals eher über Beziehungsanarchie spreche, als über Polyamorie. Ich bin für mich hier zu keinem endgültigten Ergebnis gekommen, welche Bezeichnungen ich genau als sinnvoll betrachte. Ich schätze die grosse Dynamik in der Beziehungsanarchie aber eben auch die Stabilität und Klarheit der Polyamorie.
      *Theoretische Grundlagen des BDSM*

      Analog wie beim Abschnitt oben lässt sich das Thema in drei Bereiche gliedern:
      • Ich empfinde wie ein/e BDSMl’er*in
      • Ich handle nach einem bestimmten ethischen System
      • Ich lebe BDSM
      Es offenbart sich aber bereits beim ersten Punkt, dass es hier noch viel schwieriger ist eine einheitliche Beschreibung zu geben, wie es ist BDSM zu fühlen, als dies schon bei dem Begriff der Polyamorie der Fall ist. Zu viele Facetten sind hier eingebunden in diesem Sammelbegriff. Jetzt lässt sich aber eine Einschränkung machen. Hinsichtlich der ethischen Betrachtungen sind primär die Aspekte des D/s für die Ausführungen in diesem Beitrag relevant. Die Problematik bleibt aber auch hier bestehen, da es auch beim D/s eine immense Vielfalt gibt, weshalb nur eine sehr vage Beschreibung möglich ist. Die zentrale Emotion des D/s scheint mir eine besondere Form der Verbundenheit zwischen zwei oder mehr Individuen zu sein, welche durch eine asymmetrische und wechselseitige Form der Fürsorge erzeugt wird, indem Macht genommen und gegeben wird. Doch auch die tiefe Verbundenheit welche durch ein Spanking oder der Arbeit mit Seilen entstehen kann darf hier nicht vergessen werden. Persönlich empfinde ich solch Praktiken als intimer als Vanillaformen der Zuneigung aber doch nicht in der gleichen Tiefe wie D/s.

      Für den zweiten Punkt, kann ich mich auf zwei Konzepte beziehen. Einerseits SSC oder RACK. Ich werde mich vielleicht einmal an einer anderen Stelle äussern, weshalb ich RACK für ein ungeeignetes System halte und hier nur SSC berücksichtige:
      • Safe
      • Sane
      • Consensual
      Der Aspekt des Safe ist hier nicht sonderlich interessant und ich sehe den auch nicht als den richtigen Kritikpunkt an SSC. Interessant ist die Betonung des Konsens welche durch den Ausdruck “Vernünftig” eingeschränkt wird. Eine bestimmte Konstellation kann also zwar dem Konsens entsprechen aber eben nicht “Vernünftig sein” Dadurch gibt es im BDSM ein Konzept, das es erlaubt bestimmte Beziehungskonstellationen oder Praktiken zwischen zwei Begriffen abzuwägen, die aber ihrerseits eine Reihe weiterer Definitionen benötigen, um wirklich die nötige Klarheit bieten zu können. Für Menschenwesen, welche sich mit den philosophischen Aspekten beschäftigen möchten, wäre ein relevantes Stichwort: “Reflective Equilibrium”. Bei dieser Technik, die auf Nelson Goodman zurückgeht und von John Rawls prominent besprochen wurde, werden Intuitionen mit Theorien abgeglichen. Am Schluss entsteht ein “Überlegenheitsgleichgewicht”. Dies ist aber eben nicht mit einem Kompromiss zu verwechseln, da mögliche Lösungen auch Extremlösungen sein können und nicht unbedingt Mittelwege. In der direkten Praxis müssen sich bei diesen Abwägungsprozessen die Betroffenen auch fragen, ob ein Individuum überhaupt zum Konsens fähig ist. Hier geht es dann nicht nur um eine allgemeine Konsensfähigkeit, sondern auch um eine spezifische. Eine Frage, die sich hier stellt ist, ob ein Bottom in einer spezifischen Situation noch in der Lage ist einzuschätzen, dass die/der Top keine weitere Grenzen überschreiten sollte. Der Ausdruck Vernünftig erlaubt zu reflektieren, ob das was wir uns wünschen tatsächlich wünschenswert ist und ermöglicht auch eine externe Perspektive auf die Situation. Mein Standpunkt ist hier, dass nur dann etwas vernünftig sein kann, wenn die Unumkehrbarkeit nicht eine notwendige Bedingung für die Umsetzung des Wunsches ist. Für’s Erste möchte ich es dabei belassen.

      Damit komme ich zum Schluss noch zur Frage, was es bedeutet BDSM zu leben? Ein erster entscheidender Punkt dürfte hier sein, wie sehr sich die Beteiligten an eine Form des 24/7 annähern. Ist das Machtgefälle etwas, das dauerhaft abgerufen werden kann, oder nur innerhalb eines sehr eng begrenzten Zeitraums? Wie weit dehnt es sich aus? Wird die Entscheidungsgewalt nur für erotische Bereiche von einem Bottom auf einen Top übertragen, oder beinhaltet diese auch ökonomische, alltägliche oder andere Aspekte? Hinzu kommen dann wiederum sehr profane Dinge, zum Beispiel wie die Kosten für Spielzeuge geteilt werden oder wie man die Nachbarn möglichst wenig stört. Ein weiteres Element scheint mir hier, wie bei verschiedenen Formen des Queers auch der Umgang mit Ausgrenzung zu sein. Wie viele dumme und gerade zu idiotische Witze gibt es über BDSMl’er*innen. Vorurteile, dass man gewisse Praktiken nur mag weil man ein traumatisches Ereignis in der Kindheit hatte und dergleichen. Was daraus folgt ist, dass sich wohl nur wenige Personen, welche BDSM praktizieren auch outen und es kaum eine relevante politische Bewegung gibt, welche sich gegen die Diskriminierung einsetzt. Auch hier möchte ich nicht abschweifen, aber was wohl ebenfalls eine Rolle spielt ist, dass man BDSM oftmals sehr diskret praktizieren kann und deshalb nur wenige Aktivitäten ausserhalb der Szene stattfinden. Anderen Formen des queer, wie eben Polyamorie sind hier viel sichtbarer und von rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen unmittelbarer betroffen.
      *Besonderheiten und Konflikte*

      Sowohl Polyamorie als auch BDSM (speziell die D/s Komponente) beziehen sich auf Aspekte unserer Freiheit in sehr verschiedene Formen. Bei der Polyamorie geben wir uns die Freiheit, in der grösstmöglichen Unabhängigkeit von anderen Menschenwesen unsere sexuellen/romantischen, aber zum Teil auch alltäglichen Entscheidungen treffen zu können. Im D/s gewinnen wir unsere Freiheit indem wir solche Entscheidungen wenigstens zum Teil abgeben oder die Freiheit erhalten, solche Entscheidungen über ein anderes Wesen in einem sehr grossen Ausmass zu bestimmen.

      Gehen wir nun von folgendem Szenario aus, um den grundsätzlichen Konflikt zwischen Polyamorie und D/s zu verdeutlichen. Ein Bottom fühlt sich zu einem anderen Top hingezogen und erzählt dies jenem Top, mit dem bereits eine Form der Beziehung besteht.
      .
      Als Top müsste ich massgeblich darüber mitbestimmen, was ein anderes Menschenwesen ausser mich betrifft, welches in das Leben meines Bottoms treten möchte. Ich bin in einem sehr hohen Grad verantwortlich für diese Person und eben auch besitzergreifend. Es gehört zu meiner Rolle, dass ich meine Bedürfnisse bis zu einem gewissen Grad durchsetze und gegebenenfalls auch gegen den Willen des Bottoms, sofern auch darüber Konsens besteht. Als Bottom will ich gewisse Entscheidungen nicht treffen müssen. Ich gewinne Sicherheit dadurch und vielleicht sogar Lust, wenn mein Top mir sagt mit wem ich meine Sexualität teilen muss.

      Das gleiche Szenario in einer Poly-Beziehung würde anders aussehen. Wir würden darüber sprechen und jedes Menschenwesen würde am Schluss seine eigene Entscheidung treffen, selbst wenn das im schlimmsten Fall die Konsequenz hätte, die Beziehung zu beenden. Ich würde einem Menschenwesen niemals verbieten ein anderes Menschenwesen zu sehen, selbst dann nicht, wenn ich ein extrem ungutes Bauchgefühl hätte. Ich würde zwar auf dieses Bauchgefühl hinweisen, mehr aber nicht. Wenn ich merke, ich komme mit der Situation nicht klar, dann suche ich zuerst eine mögliche Veränderung in mir selbst um die Situation zu bewältigen. Wenn mir das nicht gelingt und mein Gegenüber ebenfalls die Situation nicht anpassen kann oder will, dann wäre eben die Konsequenz eine Trennung.

      Wenn man das Ganze aber nun zusammenbringt, dann wird absolut unklar wie sich jemand verhalten sollte.

      Die Konflikte zeichnen sich aber nicht nur auf der emotionalen/konzeptuellen Ebene ab, sondern manifestiert sich auch in simplen Fragen des Alltags wie einige Beispiele zeigen:

      • Ausgedehnte Session: Wie ist man in dieser Zeit für andere Partner*innen erreichbar?
      • Wenn Keuschhaltung dazu gehört, wie weit darf das gehen?
      • Wie damit umgehen, dass man mit einem Menschenwesen stets auf Augenhöhe kommuniziert, aber mit dem anderen nicht? Speziell wenn dies einen Einfluss auf Entscheidungen hat welche alle Beteiligten betreffen?
      • Wenn nicht alle Beteiligten sowohl Polys als auch BDSMler*innen sind, wie soll man dann Vanilla-Sex handhaben, wenn einem gar nicht den Sinn danach steht in dem Moment?
      • Poly lebt auch davon, dass man an den Gefühlen der anderen teilhat, aber wenn nicht alle BDSMler*innen sind, könnte das schwierig sein.
      • Wie geht man damit um, wenn mehr als ein/e Partner*in ein/e Top ist? Müssen diese sich dann absprechen? So sind vielleicht auch bereits bespielte Körper für jemanden nicht attraktiv? Wie umgehen mit sich widersprechenden Regeln?
      • Gibt es Techniken, welche man mit einem bestimmten Menschenwesen exklusiv erleben möchte?
      • Wie umgehen, wenn bestimmte Kinks mit jemand besser funktionieren als mit anderen? Könnte dann eine Konkurrenz zwischen den Partner*innen entstehen?
      Ich denke dies genügt, um anhand einiger Beispiele aufzuzeigen, dass es hier Besonderheiten und Konflikte gibt, welche Poly/BDSM-spezifisch sind.

      *Teillösung des Konflikts*

      Auf der theoretischen Ebene lässt sich der Konflikt zum Teil lösen, sobald man eine gemässigte Position einnimmt und und sich auf die Stärken der beiden Konzepte besinnt. Sowohl bei Poly als auch BDSM nimmt Kommunikation einen hohen Stellenwert ein. Die Poly-Wesen als auch die BDSM-Wesen sind durch ihre Neigung zu einer extrem intensiven Kommunikation gezwungen und darin auch geübt. Diese Kommunikation gehört in der Form der Transparenz/Konsens bei Poly und des Konsens beim BDSM auf die konzeptuelle Ebene. Dadurch gibt es also bereits auf der Ebene der Konzepte eine Teillösung indem die verschiedenen Bereiche definiert und besprochen werden. Man kann vereinbaren, wo welche Regeln und Emotionen den Vorrang gegenüber anderen haben und wo nicht.

      Wenn ich die Probleme auf einer sehr persönlichen Ebene betrachte, bin ich mir aber nicht sicher, wie eine Lösung aussehen sollte, wie ich gerade direkt in der Beziehung mit Regenbogen erfahre.

      *Polyamorie und BDSM - eine wunderbar Kombination?*
      Es gibt aber in dieser Kombination nicht nur Konflikte sondern auch die Möglichkeit, dass sich beide Welten wunderbar ergänzen. Die praktischen Vorteile, dass man verschiedene Facetten des BDSM mit verschiedenen Menschenwesen ausleben kann, liegen auf der Hand. Wiederum fokussiert auf den D/s-Aspekt scheint es mir auf der emotionalen Ebene etwas zu geben, das ich bei der Polyamorie vermisst habe, bevor ich dies mit @Regenbogen erlebt habe.

      Bei der Form der Polyamorie, die wir leben, versuchen wir auf Besitzansprüche zu verzichten und andere Menschenwesen zu berücksichtigen. Doch wenn @Regenbogen und ich in der klaren und strengen Welt des D/s sind, dann gibt es nur noch uns. Dies gibt uns Sicherheit und Kraft für unseren Poly-Alltag mit all seinen Herausforderungen. Es gibt einen Rahmen, in dem es vollkommen in Ordnung ist, dass nur noch wir existieren und all unsere Emotionen nur noch aufeinander fokussiert sind. Etwas was wir sonst eben nicht machen, weil wir die anderen Menschenwesen stärker berücksichtigen und sie in unser Fühlen und Denken einschliessen. Im Moment sprechen ich und @Regenbogen auch viel darüber, wie es sein würde, solche D/s Momente mit anderen Menschenwesen zu haben und wie sich das auf uns auswirkt. Wir wissen es nicht, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass es dort einen ähnlichen Effekt hat und auch dort hilft, die Einzigartigkeit dieser Beziehung zu betonen.
      *Danksagung*
      Vielen Dank @Regenbogen für die vielen Gespräche die zu diesem Text geführt haben und die Ruhe welche du mir gibst. Weiter @Mademoiselle für deine ständige Aufmerksamkeit trotz unserer geographischen Entfernung und das Gegenlesen dieses Textes mit einer besonderen Berücksichtigung der D/s Aspekte. @Rain für deine terminologischen Präzisierungen und die Anregung die Intimität von Bondage und S/M stärker zu berücksichtigen. @Dominantseptakkord hatte am Schluss nochmals einen scharfen Blick auf die Endfassung des Artikels und hatte auch schon Vorfeld immer mal wieder interessante Anregungen. Vielen Dank dafür

      K. ist nicht hier im Forum, lebt aber ebenfalls Poly und BDSM und hat einige kritischen und sehr hilfreiche Kommentare zum Text gemacht. J., C. und A. haben mich mit vielen relevanten von Polyamorie, Beziehungsanarchie vertraut gemacht und ihre Ansichten haben sich in vielen Bereichen mit den meinen vermischt. Dank auch an R., S., L., D. sowie N. und C. welche mir wichtige Grundlagen der Philosophie und allg. des akademischen Handwerkes vermittelt haben.

      Nicht unmittelbar mit diesem Text in Berührung gekommen aber indirekt darauf eingewirkt haben weite @Viva mit ihren wohlüberlegten Kommentaren, welche mir oftmals halfen meine Top-Seite besser zu begreifen. @Frl. Irrlicht und @Rehlein, deren Ausführungen zu Poly sehr inspirierend waren. Sowie Freudenschwalbe welche nicht mehr länger hier ist, aber aus dem Perspektive eines Bottoms viel interessantes beitrug. @Gentledom ohne den es das Forum hier wohl nicht gäbe, und meine Reise dann wohl viel komplizierter wäre. Konsequenterweise müsste ich hier fast alle Benutzer*innen des Forums hervorheben, denn so viele Kommentare sind eine Bereicherung für mein Denken. Ich möchte mich dann aber zu Schluss doch auf eine etwas kleinere Gruppe beschränken damit ich nicht den Rest des Tages mit dem setzten von Tags beschäftigt bin Somit vielen Dank an @Talon, @Isegrim_w_devot, @Kleanthes, @Feuerpferd, @newbarbie, @Zofe, @Chat.Noir und @SkinoDom, die mich immer wieder mal zum nachdenken brachten.

      *Literaturangaben*
      • Polyamorie
      • BDSM
        • Turley, Emma L. / Butt, Trevor: BDSM – Bondage and Discipline; Dominance and Submission;Sadism and Masochism, in: The Palgrave Handbook of the Psychology of Sexuality and Gender, hrsg. v. Christina Richards and John Meg Barker, Hampshire 2015, 24–37
      • Offene Beziehung/BDSM
      • Ethik
        • Rawls, John: A theory of justice
        • Rousseau, Jean Jacques: Der Gesellschaftsvertrag
        • Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft
        • Harmann, Gilbert: The Nature of Morality
      • Erkenntnistheorie
        • Fricker, Miranda: Epistemic Injustice. Power and the Ethics of Knowing
        • Linda Trinkaus Zagzebski: Epistemic Authority
      • Sexualität im Allgemeinen
        • Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit
      • Beziehungen im Allgemeinen
        • Klaus-Dieter Eichlen (Hg): Philosophie der Freundschaft
      Vielen Dank für die dankende Erwähnung; spannendes Thema mit dem auch wir uns immer mal wieder befassen, weil wir einige polyamor lebende und fühlende Menschen im Bekanntenkreis haben.

      An einer Stelle komme ich jedoch nach wie vor ins Grübeln:

      "Wenn ich vom Fühlen spreche, dann meine ich, dass ich tiefe romantische Gefühle für mehr als ein Menschenwesen zum gleichen Zeitpunkt habe."

      Was sind romantische Gefühle? Wie grenze ich romantische Liebe von platonischer Liebe emotional ab?

      Ich spüre bei mir einen emotionalen Unterschied zwischen dem Lieb-Haben von engen Freunden und dem Lieben meines Partners, kann das Unterscheidungskriterium aber rational nicht greifen.

      Ich hatte auch schon mit platonischen Freunden Sexualität z.B. ohne dieses "Lieben"-Empfinden.
      Mit meinem Partner habe ich ein inneres Gefühl der Herzenswärme, die ich bei engen Freunden nicht habe, obwohl wir uns sehr vertraut sind und uns lieb haben. Ist es vielleicht dieses Gefühl, was du als "romantische Gefühle" beschreibst?

      Mich würde da dein/euer Empfinden interessieren!
      Vor allem, weil wir immer mal wieder mit Spiel- oder Sexpartner*innen zu tun haben, die polyamor denken, fühlen und leben und wir ihnen oftmals schwer vermitteln können, dass wir nicht so fühlen und ihnen so nur begrenzt das geben können, was sie sich vorstellen.

      Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es den Betreffenden schwer fällt den emotionalen Unterschied zwischen einer offenen, also (unserer) polygamen Beziehung und (ihrer) polyamoren Beziehung zu begreifen.
      Bisher haben die selbst polyamor lebenden und denkenden Sex- und Spielpartner*innen immer automatisch so gehandelt, als stünden sie in polyamorer Beziehung zu uns, wo wir uns dann oftmals radikal und für die Beteiligten leider auch schmerzhaft abgrenzen mussten, obwohl wir im Vorfeld unsere Grenzen abgesteckt und kommuniziert hatten.
      “Everything has been figured out, except how to live.” (Jean-Paul Sartre)

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Chat.Noir ()

      Hallo Chat.Noir, danke für Deine Überlegungen.

      Klärendes kann ich nicht beisteuern, eher Verwirrendes.
      Grundlegend wäre der Begriff der Liebe zu klären, der Bestandteil von poly-amor ist, also mehrfach-liebend, und die Polyamorie zu Promiskuität abzugrenzen. Ein Ansatz ist die von Farben genannte Hochwertigkeit der miteinander verbrachten Zeit, wobei offen bliebe, was den Wert ausmacht.

      Wie intensiv müssen meine Empfindungen gegenüber meinen Spielpartner/Spielgefährten sein, um die edle Bezeichung der Polyamorie zu verdienen? Wie sollten die Verhältnisse des männlichen Parts der Kernbeziehung zu männlichen Flügelbeziehungen sein? Fußballkumpels, oder potenzielle Drei-, Vierermitspieler?
      Wie häufig und wie dauerhaft sind die Verhältnisse sein? Muss ich wirklich für alle deren Zahnbürsten aufbewahren? Oder reicht es, wenn sie diese selbst mitbringen?

      Ich will die Diskussion nicht veräppeln, sondern die theoretische Ausarbeitung von Farben auf den Alltag herunterbrechen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Jane.Freigeist ()

      Ich schätze so viel Engagement und bin beeindruckt von den vielen Gedankengängen. Vielen dank @Farben und allen die ihren Teil zu diesen Texten beigetragen haben.

      Vieles im Leben, aber gerade "Poly" in all seinen Facetten, die "Liebe" & BDSM und so gut wie jedes andere Themenfeld bedarf, meiner Meinung nach, einer Entspannten und Gemäßigten Grundeinstellung.
      Mit fundamentalen wird man in der Zivilisation nichts Positives erreichen können.

      Ich freue mich auf die weiteren Texte und Gespräche :yes: sie werden für viele und insbesondere für mich aufschlussreich, danke.

      Mfg Talon
      :dance:

      Chat.Noir schrieb:

      Mich würde da dein/euer Empfinden interessieren!
      Vor allem, weil wir immer mal wieder mit Spiel- oder Sexpartner*innen zu tun haben, die polyamor denken, fühlen und leben und wir ihnen oftmals schwer vermitteln können, dass wir nicht so fühlen und ihnen so nur begrenzt das geben können, was sie sich vorstellen.
      Ich habe die Erfahrung auch schon gemacht das es Konflikte gibt zwischen Polygame und Poylamore. @Regenbogen ist im Moment mit jemanden im Kontakt der nicht-poly aber polygame ist. Denke @Regenbogen kann allenfalls besser dazu Auskunft geben. Ich für meinen Teil habe hier einfach immer sehr klar kommuniziert und auch gesagt das eine reine Sex-Geschichte für mich schwierig bis unmöglich ist. Ich persönlich empfinde Sex ohne eine romantische Komponenten (vgl. unten) ein wenig fade. Das muss für mich jetzt nicht eine extrem tiefe Verbindung sein aber halt doch manchmal mehr als Menschen möchten, welche klar eine Kernbeziehung haben. Ich denke was ihr tun könnt ist von Anfang die Spielregeln klar definieren und direkt ansprechen ob das für die Poly-Wesen wirklich geht. Ich kenne aber auch Menschen welche polyamore fühlen und sehr gut mit solchen emotionalen Grenzen klar kommen und es sich auch wünschen. Hilft das ein wenig weiter?

      Chat.Noir schrieb:

      Was sind romantische Gefühle? Wie grenze ich romantische Liebe von platonischer Liebe emotional ab?
      Wie ich oben schrieb bin ich oftmals sehr nahe an der Beziehungsanarchie und ziehe diese Grenze nicht so scharf wie andere Poly-Wesen.
      Für mich kennzeichnet die romantische Beziehung aber dann doch in einer anderen Qualität der Gefühle, die ich aber gegenüber deutlich mehr Menschen empfinde als ich es auslebe. Sie verändern sich dann auch sehr durch die Möglichkeiten wie sie sich entfalten können. @Regenbogenund ich verbringen im Moment sehr intensiv 1:1 Zeit und das verändert diese romantische Qualität natürlich. Etwas formaler würde ich das ganze so versuchen abzugrenzen mit der Frage welchen Raum eine Person in meinem Denken einnimmt. An manche Menschenwesen denke ich jeden Tag und wenn ich eine Nachricht von diesen bekomme dann kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und muss später @Regenbogen davon erzählen. Bei anderen Menschen freue ich mich wenn ich sie sehe habe aber nicht dieses dämliche Grinsen im Gesicht und auch nicht unbedingt das Bedürfnis @Regenbogen davon zu erzählen. Es sind auch die Menschen über die ich oft erzähle, wenn ich neue Menschen kennen lerne. @Regenbogen kann so recht zuverlässig feststellen ob ich mich verguckt habe oder nicht und ist manchmal da sogar schneller als ich und macht mich darauf aufmerksam das ich wohl an jemand neues etwas mehr Freude haben als an anderen. Aber wer könnte schon jemand aus Slytherin widerstehen :love: :whistling: entschuldigt den Insider.

      Jane.Freigeist schrieb:

      Ich will die Diskussion nicht veräppeln, sondern die theoretische Ausarbeitung von Farben auf den Alltag herunterbrechen.
      Für das sind theoretische Überlegungen da, dass sie dann auf einen Alltag übertragen werden können. Aber mann sollte doch die Ebenen unterscheiden gerade auch für den Alltag. Ein Ideal anzustreben kann sehr hilfreich sein und gibt Orientierung. Eine Theorie hilft auch klarer zu machen über was man überhaupt spricht und kann Probleme aufzeigen, welche sich schleichend im Alltag manifestieren und dann dort mühsamer sind zu diskutieren als in der theoretischen Ebene. Gerade die Differenz zwischen Offener Beziehung und Poly scheint mir hier sehr wichtig. Vgl. dazu nochmals die Frage von @Chat.Noir Auch der Unterschied zwischen hierarchischer und nicht-hierarchischer Polyamorie scheint mir dazu zu gehören. Aus dem Grund habe ich auch die drei Ebenen Unterschieden welche du dir auch als eine Pyramide vorstellen kannst bei dem die Gefühle die Basis spielen, die Theorie darauf aufbaut in dem sie die Gefühle verständlich macht und sich dann in der Praxis manifestiert. Entscheidend ist aber am Schluss das die Praxis funktioniert und eben Alltagstauglich ist. Würde mich freuen wenn du noch etwas mehr zu deinen Gedanken zum Alltag schreiben würdest :) Gerade wenn du die Kombination Poly/BDSM lebst würden mich das sehr interessieren.


      Jane.Freigeist schrieb:

      Wie intensiv müssen meine Empfindungen gegenüber meinen Spielpartner/Spielgefährten sein, um die edle Bezeichung der Polyamorie zu verdienen?
      Mich stört den Ausdruck hier. "edle Bezeichnung" ich sehe Poly nicht als eine "Auszeichnung" die hochwertiger ist als andere Formen der Beziehung. Es ist eine Form die sich abgrenzt von anderen Formen durch eine vom Fühlen und leben, welche nicht von allen Menschenwesen gewünscht oder nachempfunden werden kann und wird und zum Teil sogar aktiv abgelehnt wird. Mir ist es wichtig dies zu betonnen weil gerade auch von Poly-Wesen manchmal ein seltsames Elite-Denken kommt, dass man irgendwie besser sei durch diese Art des empfindens.
      Bei den Vorbereitungen für diesen Beitrag habe ich eine Graphik mit @MatKon besprochen, welche verschiedene Beziehungsformen darstellt. Die klassische monogame Beziehung wurde dabei abwertend dargestellt nicht offensichtlich aber beim genauen hinsehen doch recht eindeutig. @MatKon ist das aufgefallen, mir aber nicht weil ich auch einfach den Blick dafür nicht hatte. Die Graphik kommt von einer Poly-Website und zeigt genau das Problem auf welches ich mit dem Ausdruck "edle Bezeichnung" habe.

      @Viva @Talon danke für das Lob ich gebe es an die Leute weiter welche nicht im Forum sind ^^
      @Chat.Noir
      Für mich ist poly etwas eher neues. Vorher war mir immer klar, dass ich mono bin, konnte dies aber nicht so richtig begründen oder erklären. Als ich mich mit der Polyamorie zu befassen begonnen habe, merkte ich, dass die Polyamorie sehr mit meinen Werten übereinstimmt. Als ich dann einmal in diesem Denken war, fühlte es sich sehr schnell sehr natürlich an.

      Bezüglich der Gefühle kann ich sagen, dass sich auch meine Gefühle meinen"Kolleg*innen" gegenüber verändert haben. Bloss durch das Denken,dass ich für meine Mitmenschen offen bin und Gefühle und deren Abstufungen viel fliessender sehe. Ich denke dadurch, dass jeder Mensch anders ist und ich mit jedem Menschen andere Sachen teile, habe ich auch zu jedem Menschen andere Gefühle. Diese Gefühle haben klar unterschiedliche Tiefen. Diese unterschiedlichen Tiefen bewirken, denke ich, bei mir ein unterschiedliches Bedürfnis an Kontakt und Nähe. Wo die Grenze zu den romantischen Gefühlen ist,ja das ist schwierig zu sagen und sehr spannend darüber nachzudenken.

      Ich habe mir gerade überlegt, wie sich meine Gefühle zu einer/einem guten Kollegin/Kollegen von denen zu einem Menschen, mit welchem ich ein"romantischeres" (im Sinne von auch sexuell und mehr Date mässig) Verhältnis habe, unterscheiden. Ich kann sagen, dass sie sich unterscheiden, kann dies jedoch nicht genau an etwas bestimmtem fest machen. Ich denke sie kommen primär davon, dass ich ein anderes Bedürfnis/eine andere Erwartung habe wenn ich die beiden Menschen treffe. Wir teilen unterschiedliche Sachen und so auch unterschiedliche Gefühle.

      Das ist, was ich im Moment sagen kann. Vieles ist immer noch nicht ganz greifbar und noch schwieriger formulierbar aber sehr spannend, um darüber nachzudenken.
      Vielen Dank @Farben und @Regenbogen,

      für das geduldige Beantworten meiner Fragen. Eure Antworten helfen mir tatsächlich auch noch einmal in meine emotionale Welt hineinzusehen und dahingehend wirklich noch einmal zu ordnen.
      Schon alleine dieses Ordnungsbedürfnis anhand von Emotionen verschiedener Qualität zeigt mir, dass ich mich momentan emotional eher auf der polygamen als auf der polyamoren Beziehungsebene zu Hause fühle.

      "Etwas formaler würde ich das ganze so versuchen abzugrenzen mit der Frage welchen Raum eine Person in meinem Denken einnimmt. An manche Menschenwesen denke ich jeden Tag und wenn ich eine Nachricht von diesen bekomme dann kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und muss später @Regenbogen davon erzählen. Bei anderen Menschen freue ich mich wenn ich sie sehe habe aber nicht dieses dämliche Grinsen im Gesicht und auch nicht unbedingt das Bedürfnis @Regenbogen davon zu erzählen."

      Genau das Beispiel hat mir anschaulich sehr viel weitergeholfen. Denn diese emotionale Unterscheidung treffe ich auch und eben genau diese Äußerungsform kenne und erlebe ich auch bei mir/bei uns. Gegenseitig sind wir füreinander eben diese "am meisten Raum einnehmende" Person, der gegenseitige "Grinse-Auslöser".
      Für unsere (potenziellen) Spielpartner oder unsere (potenziellen Spielpartner) sind (wir) dies nicht bzw. streben es nicht an, dies zu sein.
      Wir freuen uns aufeinander, genießen das Spiel und die Zweisamkeit wie eine Art Hobby, aber ohne debiles Grinsen beim Denken an diese Person und ohne Herzenswärme. Respekt, Höflichkeit und Vertrauen sowie Diskretion natürlich immer mitgedacht.

      Ich kann es nun nach Außen und gegenüber potenziellen, polyamor denkenden Menschen als Spielpartner auch besser kommunizieren. Denn da ist es mir stets wichtig alle Karten auf den Tisch zu legen und nichts zu versprechen oder durch Unbewusstheit zu verheißen, was ich nicht halten kann.

      Bisher ist es bei uns Beiden noch nicht vorgekommen, dass wir zeitgleich zu mehreren dieses enge Kontaktbedürfnis und die "Grinsefreudigkeit" erlebt haben.
      Obwohl ich mich vollkommen platonisch verlieben kann und das in Menschen aller Geschlechter und Farben. Da fehlt dann aber gänzlich eine sexuelle Komponente. Also platonisch gesehen bin ich durchaus polyamor veranlagt.
      “Everything has been figured out, except how to live.” (Jean-Paul Sartre)
      Danke, @Farben, dass du das Thema hier so umfangreich beleuchtest! Danke auch für die Erwähnung und die praktischen Verlinkungen.


      Für mich passen BDSM und Polyamorie gut zusammen, in Theorie und Praxis. Ich brauche Fantasie und Kopfschmalz, um zu verstehen, warum die Kombination so problematisch sein soll. Wenn ich dich richtig verstehe, gehst du von diesen Annahmen aus:

      Polyamorie -> Größtmögliche Freiheit
      BDSM -> Freiheitsbeschneidung

      Je nach dem, wie man Freiheit definiert, würde ich das so nicht unterschreiben.

      Für das Wohlergehen meiner Partner fühle ich mich mitverantwortlich, und auch für das Befinden ihrer PartnerInnen. Ich versuche, mich immer so zu verhalten, wie es am besten dem Gemeinwohl unserer kleinen Herde dient. Deswegen orientiere ich mich an den Bedrüfnissen mehrerer Personen. Das schränkt meine Handlungsmöglichkeiten ein. Gleichzeitig erwarte und genieße ich eine ähnliche Haltung von allen Beteiligten. Ich glaube z.B. nicht, dass ich damit klarkäme, wenn mein Mann eine feste Freundin hätte, der mein Befinden egal wäre, und die sich nicht proaktiv dafür einsetzen würde, dass es mir stets gut geht.

      Polyamorie kann auch bedeuten, dass man sich freiwillig für andere einschränkt. Da trifft sie sich mit meinem BDSM.

      Zudem habe ich nicht das Gefühl, dass DS meine Freiheit grundsätzlich schmälert. Unser BDSM ist recht restriktiv, aber ich will es ja so.


      Viele Grüße
      Frl. Irrlicht
      Liebe @Frl. Irrlicht

      Ich teile viele deiner Punkte und bin mit dir doch nicht ganz einig. Im Moment sind ich und @Regenbogen auch auf der Suche nach anderen Wesen welche wir auch in die D/s Aspekte unserer Beziehung hineinlassen. Das öffnet nochmals viele Fragen welche Exklusivität dadurch nötig wird um bestimmte Elemente bei uns stabil zu behalten. Aber eben auch wie andere damit umgehen, dass @Regenbogen gewisse Sachen bestimmen kann, welche andere nicht bestimmen dürfen etc. Ich denke du bist hier schon viel besser angekommen als wir. Mal sehen was die Zukunft bringt. Danke für deine Gedanken :)