Nekael (Fantasy)

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      Nekael (Fantasy)

      Und es geschah,
      als die Menschen begannen,
      sich auf der Fläche des
      Erdbodens zu mehren
      und ihnen Töchter geboren wurden,
      da sahen die Söhne Gottes,
      dass die Töchter der Menschen schön waren,
      und sie nahmen sich die zu Frauen,
      die sie irgend erwählten.
      (1. Buch Moses, Kap. 6, Vers 1-2)

      Musik: Tool – Forty Six And Two

      Ihre blauschwarzen Haare glänzten, als wären sie das Federkleid eines Raben. Ich hob eine seidige Strähne, rieb sie zwischen meinen Fingern. Menschenhaar. Verächtlich ließ ich es fallen. Ihr Brustkorb bewegte sich sanft unter der Bettdecke.

      Es wäre einfach. Schwach waren die Menschen. Unwürdig. Für seine Kinder hatte er das Paradies auf Erden erschaffen. Sie hatten es ihm gedankt, indem sie die sieben Todsünden immer und immer wieder gelebt hatten, bis der Schlund der Hölle geöffnet worden war. Kreaturen, von denen sie nichts ahnten und die ihre schlimmsten Alpträume übertreffen würden, waren hervorgekrochen.

      Eine Hand auf ihrem Herzen, ein kurzer Druck und die Qual wäre beendet. Die Schlafende rief mich in ihren verfluchten Träumen, verführte mich mit irdischer Schönheit. Zeit hatte keine Bedeutung, doch mit ihr war es eine Ewigkeit. Sie suchte mich heim, die Hure Babylons, schlich sich in meine Gedanken, lockte mich mit Wollust. Als Wächter diente ich seit Äonen, hatte jeder Versuchung Luzifers widerstanden, bis sie gekommen war. Er harrte aus, wollte mich in seiner Heerschar kommandieren. Ich hasste sie, ich begehrte sie.

      Ich streckte meine Hand aus, die Bettdecke sank zu Boden.

      Ihr Antlitz zwang mich in die Knie. Feiner Schweißfilm auf nackter Haut. Hügel und Täler so lieblich wie das Paradies selbst. Rosenknospen, die ihre Brüste krönten, ein Schoß aus zarten Blütenblättern, die geöffnet einen unwiderstehlichen Duft verströmten. Mein ganzes Sein wollte sie besitzen, sie mir Untertan machen, mich erlösen.

      »Tochter Evas«, flehte ich.

      Ein Gefallener würde ich sein, verdammt nicht aufzusteigen.

      Sie bewegte sich im Schlaf, warf den Kopf hin und her. »Nekael«, stöhnte sie.

      Als hätte sie mit ihrem Ruf Mächte beschworen, kündigte das Flirren in der Luft eine Ankunft an. Ich zog mein Schwert, stellte mich schützend vor sie, breitete meine Flügel aus. Nicht hörbar für Erdenkinder, war das knirschende Geräusch unerträglich. Es stank nach Schwefel. Die Luft dehnte sich und spuckte ein dunkles Wesen aus, das aus einer anderen Dimension stammte. Es kauerte auf dem Boden, nur verhüllt durch schwarze Schwingen, die sich langsam entfalteten, als es aufstand, bis es mich überragte. Pech tropfte auf den Boden.

      »Bruder«, krächzte es mit einer Stimme, die mir durch Mark und Bein ging.

      »Paimon, Höllenkönig. Du bist nicht mein Bruder!«

      Er grinste abfällig. »Bald sind wir alle Brüder Nekael, bald. Die Menschen wollen es!«, prophezeite er schrill, sodass ein Fensterglas zerbarst. »Erfülle dein Schicksal, der Allmächtige erwartet dich.«

      »Es gibt nur einen Allmächtigen, Frevler!«

      Höhnisches Gelächter. »Er hat sich von seinem Sohn abgewandt. Er wird ihn vom Thron stürzen, seinen rechtmäßigen Platz einnehmen. Es hat bereits begonnen. Schließe dich uns an!« Seine einschmeichelnde Stimme widerte mich an.

      »NIEMALS!«

      Ein Schwert materialisierte sich in seiner Klaue. »Dann werfe ich dich als Sklave zu seinen Füßen!«, kreischte er und stürzte sich mit erhobener Waffe auf mich.

      Funken stoben, als unsere Schwerter aufeinanderprallten. Schlag auf Schlag erwiderte ich, darauf bedacht, ihn von der Träumenden wegzulocken, die mit Unwissenheit gesegnet war. Ich konnte Paimon auf Erden nicht vernichten, dafür nahm er einen zu hohen Rang ein, das war nur auf verseuchtem Dämonengrund möglich, aber ich konnte ihn schwächen und zurückschicken.

      Er schrie, als ich seine pechschwarze Schwinge traf, verteidigte sich mit grässlichem Heulen, rammte mich zu Boden. Wir rollten uns. Er war über mir, zielte auf meinen Hals. Ich blockte sein Schwert. Seine Fratze war vor Anspannung verzogen, die spitzen Zähne gefletscht, sein Odem des Todes traf mich. Die Muskeln in meinen Oberarmen zitterten.

      »Ergib dich!«, keuchte er.

      »Fahr zur Hölle!«, antworte ich mit gepresster Stimme und warf ihn herum. Ich glaubte schon, die Oberhand gewonnen zu haben, da entkam er mir.

      Schneller als ich reagieren konnte, stand er plötzlich über ihr, raunte verbotene Verse, die er als Bote Luzifers erhalten hatte, während er seine Klaue in ihre Stirn drückte. Blut lief über ihre blasse, makellose Haut, zeugte vom Unheil, das kommen würde.

      »NEIN!«, fluchte ich und sprang auf, doch es war zu spät.

      Mit irrem, hallendem Lachen verschwand er durch ein Dimensionsloch und hinterließ nichts als Chaos, Schwefelgestank und eine Gezeichnete, die auserwählt worden war.

      Mit einem Schrei schnellte sie hoch, starrte mich aus schreckensweiten Augen an, sah mich, erkannte mich, war keine Unwissende mehr.

      ***
      »Du … das ist nicht die Wirklichkeit, es ist nur ein Traum«, flüsterte ich und schloss die Augen. Als ich sie öffnete, hatte sich das Bild nicht verändert. »Nekael?«

      Goldene Augen wanderten langsam über meinen Körper. Schützend umarmte ich meine angewinkelten Beine. Ich war nackt, wehrlos. Seine strahlende Erscheinung blendete mich in ihrer Perfektion. Mehr als es der glänzende Brustharnisch vermochte. Sein Schwert deutete auf den Boden, von der Spitze tropfte eine schwarze Flüssigkeit. Doch was meine Grundfeste erschütterte, waren die mächtigen weißen Flügel, die an seinem gestählten Körper anlagen.

      »Es gibt keine Engel, es gibt keine Engel ...«, wiederholte ich im Mantra, wiegte meinen Oberkörper vor und zurück.

      Er legte den Kopf in den Nacken, blickte gelangweilt zur Decke, als würde sich der Himmel selbst vor ihm auftun. »Gezeichnete, es gibt zwischen Himmel und Erde mehr, als du dir in deinem kleinen unbedeutenden Menschenleben vorstellen kannst.« Seine Stimme jagte mir Schauer über den Rücken.

      Mein Atem ging stoßweise. Das alles war nicht möglich! Ich griff mir an den Hals, weil ich nicht genug Luft bekam. Ich sprang aus dem Bett, hob die Decke vom Boden auf und wickelte mich darin ein. Als ich mich aufrichtete, drehte sich alles. Ein roter Film war vor meinen Augen. Ich wischte darüber und starrte fassungslos auf meine Handfläche, die voller Blut war. Der Boden kam auf mich zu. Bevor ich aufschlagen konnte, wurde ich von ihm aufgefangen. Das alles spielte sich im Bruchteil einer Sekunde ab, ließ mir keine Zeit, zu verarbeiten, dass mich ein Wesen mit Flügeln an seine kalte Rüstung drückte.

      Er murmelte fremde Worte, bis ich eine allumfassende Wärme verspürte. Ich berührte fahrig meine Stirn, die sich trocken anfühlte. Kein Blut mehr. Seine goldenen Augen blickten in meine Seele, wanderten zu meiner anderen Hand, die die Decke festhielt.

      »Gezeichnete?«, brachte ich hervor.

      Er schwieg lange und dann: »Erinnere dich!« Hypnotisiert starrte ich in die Tiefen seiner Augen. Die Iris veränderte sich, wurde zu einem goldenen Strudel, zog mich in den Abgrund ...

      'Ein grauenhaftes Wesen mit spitzen Zähnen steht über mir, drückt seine spitze Kralle in meine Stirn. »Luzifers Gezeichnete«, faucht es. Sein fauliger Atem streift mich. Ein kurzer Schmerz und dann, plötzlich, tausende Eindrücke, die auf mich einschießen:

      Die unheimlichen Nebel machen mir Angst. Schatten, die hinter abgestorbenen Bäumen hervorkriechen. Waberndes Moor, aus dem markerschütternde Schreie zu hören sind. Ich laufe einen schmalen Weg entlang, weiche den vielen Händen aus, die versuchen, mich hinabzuziehen. Eine mächtige schwarze Festung. Mit lautem Knarren öffnet sich das Tor ohne mein Zutun, heißt mich in der großen Halle willkommen. Am Ende ein monströser Kamin aus dem Flammen züngeln, eingerahmt mit sich bewegenden, dämonischen Figuren. Ihre Fratzen lachen mich aus. Davor hockt ein nackter Mann, neben sich eine Schale. Er tunkt seinen Finger ein und malt rote Zeichen auf dem schwarzen, glänzenden Lavaboden. Plötzlich verharrt er, hebt den Kopf und starrt mich direkt an. Überirdische dunkle Schönheit. Wenn Nekael die Sonne ist, ist er der Mond. Er streckt seine blutige Hand aus, lächelt verführerisch. »Ich habe auf dich gewartet, Auserwählte." '

      »Erwache!«

      Nekaels Befehl erlöste mich, brachte mich in die Realität zurück, die selbst einem Traum entsprungen zu sein schien.

      »Wer … wer war der Mann?«, fragte ich schaudernd.

      »Du weißt die Antwort.«

      Ich schüttelte vehement den Kopf, wollte mich dem Unsäglichen nicht stellen.

      »Verleugnung schützt vor Wahrheit nicht.«

      »Die Wahrheit!«, rief ich wütend, drückte mich weg von diesem Wesen, nachdem ich mich gesehnt hatte und das mich in meinen Träumen verfolgt hatte. »Lass mich runter!«, keuchte ich, trommelte auf seinen Brustharnisch.

      Er seufzte genervt.

      Ein entferntes Geräusch, als würden Aasgeier um ihre Beute streiten, unterbrach mein sinnloses Gebaren. »Was ist das?«

      »Höllenvögel. Die Jagd hat begonnen.« Nekaels Blick ruhte schwer auf mir. »Du bist von einem ranghohen Schergen Luzifers gezeichnet worden. Sämtliche Kreaturen der Hölle werden Jagd auf dich machen, um dich ihrem Herrn und Meister als Opfer darzubringen.«

      Ich hatte keine Zeit, das Unglaubliche zu verarbeiten, denn in diesem Moment fing die Luft seltsam zu flirren an, gleichzeitig wurde das kreischende Geräusch unerträglich, sodass ich mir die Ohren zuhalten musste.

      »Sie kommen!«, rief er über den Lärm hinweg. »Festhalten!« Kaum hatte ich meinen Arm um seinen Nacken gelegt, bewegte er sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, rannte mit mir durch die geöffnete Terrassentüre und sprang auf die Balustrade. Ich klammerte mich an ihm fest, voller Panik, als sich der Abgrund unter uns auftat. Er drehte sich. Drei dämonische grauenhafte Gestalten verfolgen uns. Nicht Vögel, nicht Menschen, irgendwas dazwischen, nicht von dieser Welt. Ihre Klauen, die mit messerscharfen Krallen bestückt waren, deuteten auf mich.

      »Gib uns die Beute!«, krächzten sie im Chor.

      Nekael würdigte sie keiner Antwort. Nur angekündigt durch einen Luftzug, traf es mich völlig unvorbereitet, als er seine Flügel ausbreitete und mit mir in den Himmel abhob. Ich drückte mein Gesicht an seine Brust und schrie unterdrückt, konnte nicht fassen, dass ich tatsächlich mit einem Engel flog.

      Irgendwann, die vergangene Zeit hatte sich meiner Wahrnehmung entzogen, hob ich den Kopf und war überwältigt von der Unendlichkeit, die sich mir offenbarte. Der blaue Himmel, soweit das Auge reichte, in allen möglichen Schattierungen. Wir flogen durch eine Wolke. Ich spürte die Feuchtigkeit auf meinen nackten Armen, jedoch war mir nicht kalt. Ehrfürchtig sah ich dabei zu, wie sich Nekaels Flügel sanft hoben und senkten. Ich weinte still vor mich hin. Wenigstens hatten wir unsere Verfolger abgehängt. Was würde mir die Zukunft bringen? Ich hatte Angst, doch fühlte ich mich in seinen Armen seltsam geborgen. Das war alles falsch!

      »Wohin bringst du mich?«

      »Dich auf Erden zu begehren ist eines Engels Sünde.«

      »Dann begehre mich nicht. Ich will dich nicht!«

      Er lächelte nachsichtig. »Du sollst nicht lügen, Evas Tochter«, sagte er mit rauer Stimme.

      Wir durchbrachen eine Wolkenwand. Staunend sah ich den weißen Palast, auf den wir zuflogen. Sanft landete er, ließ mich dabei los und hielt die Decke fest. Geschwächt wie ich war, kniete ich nackt zu seinen Füßen. Mit bebenden Lippen sah ich zu ihm hoch. Mit verschränkten Oberarmen erwiderte er begehrlich meinen Blick.

      »Was geschieht jetzt mit mir?«, wagte ich schließlich zu fragen.

      »Dies ist mein Reich, das nicht auf Erden ist. Du wirst tun, was ich von dir verlange, aber es soll dein freier Wille sein«, sagte er verheißungsvoll.

      Wie von Zauberhand, fühlte ich plötzlich Seile, die sich um meinen Körper schlangen, mich bewegungslos machten und den Eindruck des freien Willens widerlegten, dennoch lautete meine wahrhaftige Antwort:

      "Ja."

      AleaH schrieb:

      Ach ja... seufz …
      @dreamscometrue, das ist doch sicher erst der Anfang deiner Geschichte!!!!
      Hab damit bei einem Fantasy-Wettbewerb mitgemacht. War der 2. Platz. Ist meine erste und einzige Fantasygeschichte und ganz ehrlich, Aleah, ist mir nicht leichtgefallen. Hab ewig dafür gebraucht. Ob ich da jemals weiterschreibe? Keine Ahnung. Wollte nur mal ausprobieren, ob ich es kann.