Augenhöhe und Machtgefälle (Ausgelagert aus Besitz im BDSM Kontext)

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      @Viva Wir leben fast TPE. Es gibt 3 Bereiche, die ich ausgenommen habe. Das sind z.b. DCP´s Finanzen und ihre sozialen Kontakte. Ich bestimme nicht über ihr Geld -obwohl sie es gern hätte- und ich reglementiere nicht, mit wem sie was schreibt oder sich trifft. Ich greife da nur ein, sollte es Problem geben.
      In allen anderen Fragen aber gilt nur mein Wille und meine Meinung. Das ist unser permanentes Machtgefälle. Das leben wir 24/7. Wir haben keine Sessions, da unsere Beziehung keinerlei SM-Anteile hat.

      Ich verzichte aber zum einen natürlich nicht auf die Klugheit und Lebenserfahrung meiner Sub. Wir diskutieren viel Sachen aus. Ich entscheide zwar, aber oft genug in die von DCP vorgeschlagene Richtung, weil sie einfach die besseren Argumente oder Ideen hat. Sollte ich trotz bessere Argument ihrerseits anders entscheiden trägt sie diese Entscheidung ohne Widerspruch und aus vollem Herzen mit. Auch dafür liebe ich sie.

      Es ist mir enorm wichtig, das DCP sich immer und zu jedem Thema ohne Angst an mich wenden kann. Sie kann bitten, fragen, vorschlagen, mich auch verbessern oder kritisieren. Das empfinden wir beide als Begegnung auf Augenhöhe. Ich verlange aber eine höflich und respektvolle Form der Ansprache. Also nicht "Eh Alter, der Mülleimer ist ja immer noch nicht raus gebracht" sondern "Herr, du wolltest den Mülleimer noch vor die Tür bringen. Könntest du entscheiden das gleich zu machen?" Das empfinde ich als "mit gesenktem Blick".
      Ich hoffe, ich konnte dir das etwas verständlich machen. Letztendlich sind es ja auch nur Begriffe, die nicht in Stein gemeißelt sind sondern jeder für sich interpretiert.
      danke für die Erläuterung @SkinoDom, das was Du beschreibst ist (wenn man die beiden Extrabereiche mal rausnimmt) für mich ein permanentes sanftes Machtgefälle ohne Augenhöhe, das für Aussenstehende nicht sehr auffällig ist also für die "Vanillawelt" wenig irritierend. (So lebe ich meines auch). Augenhöhe würde für mich bedeuten, dass Du z.B. entscheidest nach Diskussion der Fakten es passiert soundso und sie macht es aber trotzdem anders, weil sie für sich entscheidet, dass es besser ist. Das scheint ja bei euch nicht zu passieren.

      SkinoDom schrieb:

      Letztendlich sind es ja auch nur Begriffe, die nicht in Stein gemeißelt sind sondern jeder für sich interpretiert.
      da bleibe ich bei meiner Meinung, dass es einige, sehr wenige Begrifflichkeiten gibt im BDSM,die doch relativ scharf umrissen sind und dass ein Aufweichen dieser den Austausch untereinander einfach erschwert.
      Meiner Meinung nach kann ein Machtgefälle auch auf Augenhöhe vorhanden sein.
      Tatsächlich leben, kann man für den einen Moment aber nur eins von beidem.
      Etwa in Richtung von @SkinoDom s Schilderung, empfinde ich es auch.
      Dom verhält sich für Außenstehende, aber doch auch für sub ersichtlich nicht wie eine, die Situation dominierende Person.

      Dom weiß zwar, er könnte das Machtgefälle nutzen, wenn er möchte, tut es aber bewusst nicht, sondern begegnet mir auf Augenhöhe.
      In dem Moment ist das Machtgefälle ja nicht völlig weg, sondern wird eben einfach nicht gelebt.


      Ein Machtgefälle das zb ausschließlich im Schlafzimmer/sexuellem Kontext besteht, kann Dom nicht einfach so an und ausknipsen, sondern "muss" quasi darauf warten, dass seine Partnerin durch die Tür geht, die er ihr öffnet.
      Da besteht für mich doch ein großer Unterschied...
      Vielleicht ist das eine mögliche Formulierung, die hier einige versuchen in Worte zu fassen. Im Grunde meinen wir denke ich alle das Gleiche. Liest sich aus meiner Sicht jedenfalls so :pardon:

      Viva schrieb:

      Das ist zum beispiel für mich eine Darstellung, die ich nachvollziehen kann, ich sehe das genannte Herab und aufschauen als Machtgefälle, es ist weicher.
      Das widerum kann ich nicht verstehen. Weil @Dominantseptakkord Beschreibung exakt das gleiche Paradoxon wiedergibt wie meines. Man kann nämlich nicht auf Augenhöhe auf jemanden herunterschauen bzw. hinauf. Nicht in der Logik, nur im Herzen...


      Rehlein schrieb:

      Vergleichbar, mit einem Lehrer und Schülern,
      Ja, das gefällt mir ebenfalls aber wir vergessen das Ursprungsthema. Ein Lehrer besitzt nie einen Schüler. Aber ein Lehrer kann einen Schüler so tief prägen/formen, dass er den Schüler ein Leben lang begleitet. Und das geht in eine ähnliche Richtung. Danke @Rehlein.

      Es ging um Besitz in BDSM Kontext, ich hatte beschrieben, dass ich fliessend in den Besitz von Dom übergehe. Dieser Prozess findet in meinem Herzen statt und nicht in meinem Kopf. Vielleicht fehlt mir die Erfahrung es besser auszudrücken. Ist der Prozess abgeschlossen, dann bin ich seins im Herzen völlig unabhängig davon, wie ich mich benehme und ebenfalls völlig unabhängig von der Beziehungsart (also auch ohne Liebe).
      Mein Herz trägt dann das Halsband und auch nach einer Trennung bleibt etwas von mir in seinem Besitz. Es ist unwiderruflich sein Eigentum, kann aber nicht missbraucht werden, wird von mir nicht vermisst, weil es weggeschenkt wurde. Oder anders ausgedrückt, es wurde mir einvernehmlich weggenommen durch die hervorragende Führung und das damit verbundene Vertrauen.

      Er hat es sich verdient ist der falsche Ausdruck, auch erarbeitet trifft es nicht wirklich. Er hat es so lange an sich gebunden, bis es sich mit ihm verbunden hat. Dieses Band zwischen ihm und mir bleibt bestehen und erlaubt keine Augenhöhe mehr im Herzen. Während der Kopf und der Geist ihn auf Augenhöhe anblicken. Ich kann es einfach nicht besser beschreiben. :pardon:
      Zwischen dem, was ich denke, dem, was ich sagen will, dem, was ich zu sagen glaube und dem, was ich wirklich sage und

      dem,

      was Du hören willst, dem, was du wirklich hörst, dem was du zu verstehen glaubst, dem, was Du verstehen willst und dem, was Du wirklich verstehst, gibt es 9 Möglichkeiten, sich nicht zu verstehen.

      Passagno
      Die Diskussion mit Augenhöhe innerhalb eines Machtgefälles ist ja nicht neu und kommt ja immerwieder auf. Wenn man es genauer hinterfragt stellt man fest, dass viele davon ausgehen, dass 24/7 oder Tpe heißt, Sub wird Mundtot gemacht und hat zu allem "Ja und Amen" zu sagen. Deshalb bestehen viele darauf Augenhöhe innerhalb ihrer Beziehung zu haben.
      Selbst bei intensiven Machtgefällen, ist es in der Realität allerdings so, dass der dominante Part daran interessiert ist, welche Meinung der devote Part hat.

      Wir haben auch trotz Machtgefälle einen freundschaftlichen Ton miteinander und es wird nicht ständig "bedomt".
      Das Gespräch oder die Diskussion findet auch auf einer gleichwertigen Ebene statt.
      Allerdings doch anders, als mit jemanden mit dem ich auf absoluter Augenhöhe bin.
      Denn innerhalb der Beziehung, kann jede Diskussion unterbrochen werden, kann ein Schlusspunkt gesetzt werden.
      Wo das Machtgefälle dann sofort greift.
      Das gleiche ist im Alltag, wo wir auch miteinander flaxen, rumalbern ect.
      Es kann einseitig sofort unterbunden werden.

      topaz schrieb:

      Schade, da hätte ich doch gerne mehr zu erfahren.

      Bei mir ist es kein "Wollen". Es entsteht und zwar (so habe ich es erlebt) ungewollt von beiden Seiten 8| .
      In dieser Form kann es gar nicht gewollt werden bei mir, weil es eben nicht über das Gehirn geht. Der Kopf entscheidet über das Eingehen der Beziehung (egal wie gelagert), es ist bewusst einvernehmlich. Aber während der Beziehung - wenn es denn funktioniert - entwickelt sich gefühlsmässig eine Eigendynamik, die bei mir eben in letzter Konsequenz zu Besitz führt. Ohne Konditionierung, das möchte ich betonen!
      Zwischen dem, was ich denke, dem, was ich sagen will, dem, was ich zu sagen glaube und dem, was ich wirklich sage und

      dem,

      was Du hören willst, dem, was du wirklich hörst, dem was du zu verstehen glaubst, dem, was Du verstehen willst und dem, was Du wirklich verstehst, gibt es 9 Möglichkeiten, sich nicht zu verstehen.

      Passagno

      Viva schrieb:

      Du schreibst "das Machtgefälle besteht auf Augenhöhe weiter" das ist ja eigtl ein Widerspruch in sich, wie sie sprachen stumm miteinander. Was meinst Du in diesem Satz mit Augenhöhe?
      Wenn ich das kurz einwerfen darf: Man kann tatsächlich stumm miteinander sprechen. Es gibt ja auch den Ausspruch: "Man kann nicht nicht miteinander kommunizieren." Wenn ich stumm mit dir spreche, verwende ich vielleicht Körpersprache und Mimik.

      Wenn man hier schon mit Definitionen ganz neue Zusammenhänge herstellen kann, geht das auch beim Thema "Machtgefälle und Augenhöhe".

      Für mich bedeutet das einfach, dass beide Parteien wissen, dass sie trotz des Machtgefälles gleich viel wert sind, gleich wichtig sind, beide jederzeit gehen können, und das eine absolut freiwillige Sache von beiden Seiten ist. Also ist "Augenhöhe" im Kontext "Machtgefälle" für mich ein Synonym zu "SSC".

      Augenhöhe bedeutet für mich nicht, dass beide sich gleich verhalten (dürfen). Das wäre dann wohl Gleichberechtigung.

      Gleichberechtigung und Augenhöhe können zusammen auftreten. In der Emanzipation war und ist das ja ein wichtiger Punkt, dass Frauen respektlos - also nicht auf Augenhöhe - behandelt worden sind, und sie eben auch nicht gleichberechtigt waren in ihren Pflichten und Rechten. Das ändert sich ja immer mehr und hängt unmittelbar zusammen. Wenn ich eine Frau im Job sexuell belästige, geht nicht nur die Augenhöhe verloren, sondern ich beraube sie auch der Möglichkeit, zu arbeiten und damit ihrer Gleichberechtigung.

      Das sind aber gesellschaftliche Zusammenhänge, die auf BDSM-Beziehungen nicht unbedingt passen.

      In einer BDSM-Beziehung kann ich meine Gleichberechtigung freiwillig aufgeben (das gilt natürlich auch für ihn). Damit geht aber die Augenhöhe, also der Respekt und eben die Freiheit, nicht verloren.
      Schwächen zu zeigen macht einen stark.
      ich wusste dass dieser Einwand kommt @boireannach mit dem stumm sprechen ;)

      aber zu deinem Text, im BDSM Kontext ist Augenhöhe eine Gleichberechtigung, die auch das Recht auch eigene Entscheidungen beinhaltet und das geht über das reine Respektieren des Gegenübers hinaus.

      Wir können jetzt natürlich jegliche Begriffsdefinitionen auflösen aber dann wird die Kommunikation extrem schwer.
      @topaz Wenn ich an meine Anfänge im Bdsm zurückdenke, da war es mir ganz wichtig etwas Vertrautes in der neuen Beziehung zu haben. Es war so vieles Neu und ich wusste gar nicht in genau in welche Richtung ich wollte. Da war für mich wichtig "Augenhöhe" zu haben. Einen anderen Begriff dafür hatte ich nicht. Das gab vor meiner ersten Beziehung unendliche Diskussionen. Ich war nämlich der Meinung, dass aus Sub sonst irgendetwas Willenloses wird.
      Das Ergebnis war hinterher eine Beziehung, in der ich davon ausging im Alltag Augenhöhe zu haben und er hatte sein permanentes Machtgefälle. :D
      Das es auch Diskussionen geben kann, die auf einer Eben statt finden, in der das Machtgefälle nur Hintergrund liegt, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen.
      Und mir so viel es mir deutlich leichter mich darauf einzulassen. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich es annehmen konnte, ein dauerhaftes Machtgefälle leben zu wollen.
      Wobei es für mich mittlerweile selbstverständlich ist, dass ich in einer solchen Beziehung keine Angst haben muss irgendetwas anzusprechen und dass es meinem Gegenüber wichtig ist meine Meinung zu hören.Nur eben alles in einem geordneten festgelegtem Rahmen.
      Danke, @dornenspiel! :blumen: Ich glaube, so langsam komme ich dahinter.

      Saubi 63 schrieb:

      Bei mir ist es kein "Wollen".
      Das glaube ich dir gerne. Ich persönlich denke, es ist eine Entwicklung, die sich im Laufe der Zeit ergeben kann.

      Saubi 63 schrieb:

      Aber während der Beziehung - wenn es denn funktioniert - entwickelt sich gefühlsmässig eine Eigendynamik
      Aber genau diese Gefühle werden doch dann über Begriffe wie "Augenhöhe" oder "Machtgefälle" verbalisiert, oder!?

      boireannach schrieb:

      Für mich bedeutet das einfach, dass beide Parteien wissen, dass sie trotz des Machtgefälles gleich viel wert sind, gleich wichtig sind, beide jederzeit gehen können, und das eine absolut freiwillige Sache von beiden Seiten ist. Also ist "Augenhöhe" im Kontext "Machtgefälle" für mich ein Synonym zu "SSC".
      Das stand für mich auch nie zur Diskussion. Ich denke, das haben hier einige in ihren Beiträgen auch deutlich zum Ausdruck gebracht.

      Ich möchte kurz meine Erfahrungen und Gefühle schildern.
      Am Anfang hatten wir ein reines S/M-Verhältnis. Kein Machtgefälle, nichts...
      Ich habe aber relativ schnell gemerkt, dass ich nicht mehr das Gefühl hatte, mich während der Sessions auf Augenhöhe mit meinem Sadisten zu befinden.
      Daher resultiert auch meine Auffassung, das es wenige Menschen gibt, die zu 100% Masochisten sind.
      Wir haben nach vielen Gesprächen dann bewußt das Element "Machtgefälle" dazu genommen. Immer reduziert auf unsere Sessions.

      Da wir freundschaftlich sehr verbunden sind und auch viel Zeit neben den Sessions miteinander verbringen, wagten wir uns weiter vor und haben das Machtgefälle für verabredete Zeiten auch außerhalb der Sessions aufrecht erhalten.
      Ein Experiment sozusagen!

      Und ganz langsam verschoben sich Grenzen...
      Ohne das wir es wollten bzw. geplant haben, war das Machtgefälle immer häufiger präsent. Und da gibt es keine Augenhöhe mehr.
      Ein Wort von meinem Sadisten reicht...
      Und das beschreibt @dornenspiel sehr schön.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.

      Viva schrieb:

      ich wusste dass dieser Einwand kommt @boireannach mit dem stumm sprechen ;)

      aber zu deinem Text, im BDSM Kontext ist Augenhöhe eine Gleichberechtigung, die auch das Recht auch eigene Entscheidungen beinhaltet und das geht über das reine Respektieren des Gegenübers hinaus.

      Wir können jetzt natürlich jegliche Begriffsdefinitionen auflösen aber dann wird die Kommunikation extrem schwer.
      Sorry, falls ich das überlesen habe: Inwiefern ist das denn festgelegt, dass Augenhöhe im BDSM-Kontext = Gleichberechtigung? Ich will auch keine Begriffsdefinitionen auflösen. Mir war das aber nicht bewusst, dass das irgendwo festgelegt ist.


      topaz schrieb:

      Das stand für mich auch nie zur Diskussion. Ich denke, das haben hier einige in ihren Beiträgen auch deutlich zum Ausdruck gebracht.
      Ich weiß. Ich wollte nur sagen, dass ich das auch so sehe.
      Schwächen zu zeigen macht einen stark.
      Und: Wenn Augenhöhe = Gleichberechtigung im BDSM-Kontext, wie drücke ich denn dann diesen Unterschied zwischen Augenhöhe und Gleichberechtigung aus, der real ja doch existiert?

      Ich denke nämlich schon, dass - im allgemeinen Sprachgebrauch - Gleichberechtigung und Machtgefälle nicht funktionieren, Augenhöhe und Machtgefälle aber schon.
      Spoiler anzeigen
      Wenn ich jetzt in einem Unternehmen als Hausmeister arbeite, bin ich in den Entscheidungen mit dem Unternehmenschef nicht gleichberechtigt. Er kann mich aber trotzdem auf Augenhöhe behandeln, wenn er eben respektvoll ist und mich in meinem Arbeitsbereich unterstützt und nicht herabwürdigt, sich vielleicht sogar mit mir anfreundet.


      Wenn das jetzt zu sehr off topic wird: Gibt es hier vielleicht einen Faden, in dem einen mal erklärt wird, warum allgemeine Begriffe im BDSM von machen anders verwendet werden und wer das definiert und wo man das nachlesen kann? Ich ziehe für mich keine Grenze zwischen Alltags- und BDSM-Begriffen und tue mich damit in Diskussionen dann anscheinend schwer, wenn ich diesen unsichtbaren Konsens nicht teile.
      Schwächen zu zeigen macht einen stark.