Exklusives oder Inklusives Ausverhandeln

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      Exklusives oder Inklusives Ausverhandeln

      Hello :)

      Gerade in der amerikanischen Szene sind Negotiations (Verhandlungen) immer wieder Thema in Podcasts und anderen Social Media Formen. Hierbei gibt es vor allem zwei Methoden, die ich sehr interessant finde. Exklusives und Inklusives Ausverhandeln. Kurz zur Erklärung:

      Exklusives Ausverhandeln ist wohl die bekannteste Form. Hierbei wird besprochen was alles nicht im Spiel gemacht werden soll.

      Beim Inklusives Ausverhandeln wird im Gegensatz dazu alles besprochen, was gemacht werden darf, bzw. auch schon vorbesprochen, was in der Session passieren wird - je nach dem.

      Mit meinem festen Partner verhandle ich exklusiv. Jedoch wird vorher immer kurz besprochen, wenn bevor etwas Neues ausprobiert wird. Ich bin mittlerweile aus einigen Gründen mit Spielpartnern zum Inklusiven Ausverhandeln übergegangen:
      1. Ich kenne nicht alle Spielarten, die da draußen kursieren, bzw. schließ ich in meinem Kopf Dinge aus, die ich in dem Moment evtl. vergesse zu kommunizieren - auch mit niedergeschriebender Liste.
      2. Manche Dinge habe ich noch nicht ausprobiert. Mir war vor dem letzten Zwischenfall mit einer jetzt ehemaligen Spielpartnerin zum Beispiel nicht bewusst, dass man mich mit stinknormalen Fingernägeln so zerkratzen kann, dass ich Narben davon trage. Ich hätte also nie daran gedacht sie darauf hinzuweisen. Hätten wir im Vornherein ausdrücklich besprochen, dass Kratzen eine Option für unser Spiel ist, hätte ich sie darum gebeten, erst mal vorsichtig zu sein, weil ich im Allgemeinen empfindliche Haut habe.
      3. Ich will nicht mit allen Leuten alles machen. Bei mehreren Spielpartnern ist es einfach den Überblick darüber zu verlieren, was welcher Partner nicht möchte. Wenn vor dem Spiel aber nochmal kurz umrissen wird, was mein Gegenüber sich wünscht und was für ihn/für sie okay ist, ist meiner Meinung nach der Sicherheitfaktor höher.
      4. Bei neuen Partnern muss nicht auf einen Schlag die ganze Kontrolle und Verantwortung abgegeben werden, wenn ich noch nicht sicher bin, ob ich demjenigen vertrauen kann. (z.B.: Wir vereinbaren auf einer Party, nach dem wir uns 30 Minuten gut unterhalten haben, mein Umfeld, dem er oder sie bekannt ist, nicht negativ reagiert, eine SM-lastige Session mit Schlägen auf den Allerwertesten. Als Instrumente kommen Paddles, Gerten und seine/ihre Hand in Frage. Ich kann sicher sein, dass wir beide genau wissen, was wir bekommen und kann auch testen, ob mein Gegenüber sich an Vereinbarungen hält.)


      So und jetzt seid ihr dran! Wie seht ihr das? Gibt's vielleicht klare Vorteile des Exklusiven Verhandelns, die ich nicht bedenke? Machen unterschiedliche Konstellationen für euch einen Unterschied? Ich bin gespannt!

      - Regenmädchen
      Also ich hab noch nie so richtig exklusiv oder inklusiv verhandelt. Ehrlich gesagt finde ich die Bezeichnung verhandeln/negotiation auch... viel zu sachlich? Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die Konstellation da einen grooooooßen Unterschied macht. Eine Verhandlung von Praktiken fände ich für mich in meiner Konstellation nämlich absolut unangemessen. Zudem fallen hier die Punkte 3 und 4 komplett weg.

      Wenn ich sowas doch irgendwann mal in Betracht zöge, dann wäre ich für exklusives Verhandeln (wobei ich mich an dieser Stelle frage, ob das nur eine fancy american Bezeichnung für "Tabus absprechen" ist :gruebel: Gibt es da einen Unterschied?) mein Weg. Denn wenn ich alles bespreche, was er machen darf, warum dann überhaupt noch ein Machtgefälle? Ging es nicht auch um Kontrolle abgeben (ich seh das da kein bisschen, bei Vanillasex gibt man mMn mehr Kontrolle ab, weil man sich da (meist) gar nicht abspricht)?

      Exklusives Verhandeln hingegen lässt Spielraum, tatsächlich zu spielen und nicht den Tagesplan abzuarbeiten, die Möglichkeit der Überraschung, prickelnde Erotik mit Augenbinde und der gespannten unausgesprochenen Frage "Was kommt jetzt?", bietet dem Gegenüber mehr Macht. Mir würde total die Lust vergehen, wenn ich alle Praktiken für eine Session oder auch nur alle insgesamt möglichen Praktiken kannte. Da geht doch die Spontanität verloren. Wahrscheinlich käme es bei mir gar nicht mehr zu einer Session, wenn ich vorher festlegen müsste, was heute gemacht werden darf, weil ich erstmal laaaange überlegen würde und danach keine Lust mehr hätte. Kopfmensch sich so nicht fallen lassen kann! :fie:
      Gerade in der Phase des immer weiter ins Machtgefälle Reinrutschens muss ich, wenn ich ganz ehrlich bin, sagen, dass ich persönlich inklusives Verhandeln furchtbar fände. Vor allem weil ich auch sehe wie gut es auch ohne Sicherheit und Sicherheit und Sicherheit harmonieren kann. Und da sind wir wieder bei den unterschiedlichen Konstellationen (und Vorlieben).
      There will be a time when we must choose between what is easy and what is right.
      Was für ein spannendes Thema, vielen Dank!

      Rain schrieb:

      Gibt's vielleicht klare Vorteile des Exklusiven Verhandelns, die ich nicht bedenke?
      Ich glaube, @LittleSubs Einwände gehen in die richtige Richtung, aber für mein Verständnis dann doch am Ziel vorbei.

      @LittleSub hat keine Lust, einen Tagesplan zu erstellen und dann abzuarbeiten. So hatte ich das aber gar nicht verstanden, dass man dann präzise ausarbeitet, was genau passieren wird. Es ist vielmehr so, dass man eine Whitelist erstellt, was passieren darf. Was davon aber tatsächlich passiert, kann Top ja immer noch frei selbst entscheiden. Auch da ist also noch ein wenig Raum für Überraschungen, nur eben nicht mehr so viel. So jedenfalls hab ich es verstanden.

      Somit sind auch beide Arten des Verhandelns, inklusive wie exklusive, eine Form von "Tabus absprechen". In beiden Fällen geht es ja nur darum, was darf alles passieren und was nicht. Der Unterschied ist nur in der Herangehensweise. Beim exklusiven Ausverhandeln ist alles Tabu, was namentlich genannt wird. Beim inklusiven Ausverhandeln ist alles Tabu, was nicht namentlich genannt wird. Ein Drehbuch entsteht dabei aber auch nicht.

      Trotzdem ist es natürlich so, dass Doms Möglichkeiten für Überraschungen beim inklusiven Verhandeln stark eingeschränkt sind. Man kann natürlich gezielt 10 Spielarten "freischalten", ohne zu wissen, welche und wie viele Dom wann nutzen wird. Aber dass etwas kommt, womit man wirklich nicht gerechnet hätte, ist kaum möglich - man hat ja alles vorher gedanklich mal durchgespielt. Das wäre dann auch mein Einwand gegen inklusives Ausverhandeln. Oder vielmehr: Nicht mein Einwand, aber dennoch ein Nachteil, den ich dabei sehe. Wenn Dom Sub überraschen möchte, ist das schwierig.

      Daher finde ich es sinnvoll wie Du es hältst, Regenmädchen: Wo echtes Vertrauen und Verbindlichkeit sind, lässt Du zu, überrascht zu werden. Wo das Verhältnis noch nicht so intensiv ist, vermeidest Du das Risiko, indem alles tabu ist, was nicht explizit erlaubt wurde.
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      So, lange hat's gedauert. Verzeiht - das Wochenende war...ereignisreich :engel:


      LittleSub schrieb:

      wobei ich mich an dieser Stelle frage, ob das nur eine fancy american Bezeichnung für "Tabus absprechen" ist Gibt es da einen Unterschied?
      Nein es gbit keinen Unterschied. Ich habs tatsächlich einfach nur frei übersetzt.

      LittleSub schrieb:

      bei Vanillasex gibt man mMn mehr Kontrolle ab, weil man sich da (meist) gar nicht abspricht
      Grundsätzlich von der Idee her nicht schlecht, aber beim Vanillasex sind die Praktiken ja auch viel mehr eingegrenzt. Es gibt keine so große Bandbreite wie beim BDSM in meinen Augen, weshalb es da unter Umständen ausreicht, dem Partner mitzuteilen, dass man z.B. nicht auf anal steht.

      Dominantseptakkord schrieb:

      @LittleSub hat keine Lust, einen Tagesplan zu erstellen und dann abzuarbeiten. So hatte ich das aber gar nicht verstanden, dass man dann präzise ausarbeitet, was genau passieren wird. Es ist vielmehr so, dass man eine Whitelist erstellt, was passieren darf. Was davon aber tatsächlich passiert, kann Top ja immer noch frei selbst entscheiden. Auch da ist also noch ein wenig Raum für Überraschungen, nur eben nicht mehr so viel. So jedenfalls hab ich es verstanden.
      Grundsätzlich richtig. Und jetzt kommt das große Aber. Bei einer ersten Session mit jemand völlig fremden, der mich auch noch nie Spielen sehen hat, gibt's bei mir persönlich sehr wohl einen "Ablaufplan" - das hat dann allerdings auch die Gefahr, dass es bei dem einen Spiel kein Machtgefälle hat. Im Normalfall schaffen es Tops aber meiner Erfahrung nach tatsächlich so ihren eigenen Touch reinzubringen, dass nie ganz klar ist, was passieren wird. Für ein aller erstes Spiel reicht mir das völlig. Aber klar: daher ist inklusives Verhandeln in seiner reinsten unabgewandelsten, ungemischtesten Form natürlich eher unüberraschend. Gleichzeitig treten Formen von schwarz und weiß in meiner Welt zum Glück selten auf.


      Vielleicht noch kurz dazu wie ich es als Top handhabe:
      Nachdem ich auch als Riggerin zu gange bin, stellt sich mir dahin gehend natürlich auch die Frage, wie ich das mit neuen Bunnys am geschicktesten anstelle. Ich hab kein Interesse an einem Machtgefälle (ich bin ja auch Sub und keine Switcherin). Das wissen alle, die mit mir fesseln. Umso schöner, dass sich trotzdem immer wieder Leute in meine Seile trauen. Da find ich inklusives Verhandeln durchaus sehr praktisch. Ich frag normal nach, was sich mein Gegenüber wünscht, zeige meine ersten Grundideen auf Fotos, oder erkläre sie und kläre gleichzeitig aber auch ab, ob es körperliche Einschränkungen gibt, oder Körperstellen, die für mich als Riggerin tabu sind. Ist es dann reines inklusives Verhandeln? Nein. Wie gesagt: in meiner Welt gibt es für gewöhnlich kein schwarz und weiß. Und trotzdem empfinde ich es mehr als inklusives als als ekklusives Verhandeln. Wenn nämlich z.B. jemand anderer mein Bunny anfasst (und wir reden da von einem harmlosen Streicheln an der Schulter), während ich mit ihr/ihm fessle, find ich das gar nicht okay. Auch dann nicht wenn das mein Top ist, dem ich grundsätzlich vertrauen kann. Es war einfach nicht abgesprochen. Ich hab dem/der Gefesselten keine Erlaubnis bekommen, dass Körperkontakt mit jemand anderem okay ist. Vor allem dann, wenn mein Gegenüber "hilflos" ist - sei es durch die Seile oder einfach kopfmäßig, weil es noch irgendwo zwischen rosa Wolken schwebt.
      Vielleicht seht ihr das anders. Wenn ja, würd mich das sehr interessieren :)

      - Regenmädchen
      Sodala - hier bin ich mit einem kleinen Update meinerseits. Viel kann sich tun in einem Monat und Ansichten können sich ändern - dazu stehe ich und will meine Gedanken ein wenig mit euch teilen. Vielleicht ganz kurz zu meiner aktuellen/neuen Situation: Ich hab nachwievor meinen wundervollen, wundertollen festen Partner - meinen Sadisten, meinen Top - mein Dom ist er aber nur zu geringsten Teilen. Seit gut einem Monat gibt es da nun aber auch fix einen zweiten Mann in meinem Leben, mit dem ich stark und hauptsächlich auf der DS-Schiene spiele. Liebe ist da im Gegensatz zu meinem Lebenspartner aber nicht vorhanden. Die ganze Konstellation ist in ihrer Ganzheit noch ein wenig verstrickter und komplizierter (das würde hier den Rahmen sprengen), aber es passt für uns, die darin involviert sind, ganz hervorragend.

      LittleSub schrieb:

      Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die Konstellation da einen grooooooßen Unterschied macht.
      Diesen Punkt kann ich mittlerweile absolut nachvollziehen. In meiner DS-Spielbeziehung hab ich rein exklusiv ausverhandelt. Das sehr, sehr, sehr überlegt und auch mit "jetzt noch nicht"-Punkten, aber da inklusiv zu verhandeln, hätte sich falsch angefühlt. Ich hatte/habe das Bedrüfnis ihm so viel Spielraum wie möglich zu geben - innerhalb meiner abgesteckten Grenzen. Auch für mich eine neue Erfahrung, vor allem, weil das absolut nicht heißt, dass er mehr darf als mein fester Partner, mit dem das ja mehr so ein Misch-Masch aus beidem ist - ganz im Gegenteil.

      Mit spontanen Spielerein auf Stammtischen und Parties halt ich es aber nach wie vor so, dass ich ausschließlich inklusiv Verhandle. Was genau ist also die neue Erkenntnis? Für mich ist das wahnsinnig personenabhängig. Es gibt gute Bekannte/Freunde von mir, die mit mir in bekanntem Umfeld (unter Anwesenheit meines Lebenpartners, weil ich genau weiß, dass auch er ein Auge auf mich hat) spielen dürfen, ohne dass wir das vorher groß abreden. Wenn da jemand mit Wäscheklammern auf mich zukommt, kann ich mir denken, was er/sie vorhat. Solange da von mir kein Nein kommt (das auch dann kommt, wenn mir z.B. einfach grade nicht danach ist, und dann auch akzeptiert wird) und ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräft bin, ist das absolut in Ordnung und hat im Normalfall einen ziemlich großen Spaßfaktor. Vielleicht hab ich damit eine neue Art meines Verhandelns gefunden...den Implizierte Konsens...

      - Regenmädchen