Little-Gedanken

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      Little-Gedanken

      Charley00 schrieb:

      Ende letzten Jahres ist meine Beziehung auf reichlich unangenehme Art und Weise in die Brüche gegangen woraufhin ich sehr mit mir und meiner „Little-Neigung“ gehardert habe.

      Warum ich mit meiner Neigung harderte?
      Eine Begründung für das Beziehungsende war: Ich fühle für Dich wie für eine kleine Schwester...

      Dieser Absatz aus einem Beitrag von @Charley00 drängt sich immer wieder in meine Gedanken, weil er mich ganz intensiv an meine erste Beziehung erinnert und ich gewisse Parallelen erkenne. Davon möchte ich heute gerne erzählen. (Ohne Bezug auf das, was Charley erlebt hat, denn darüber weiß ich nichts. Ich schreibe nur meine eigenen Erfahrungen und Gedankengänge nieder.)

      Vorweg: Ich sehe mich nicht als Little, auch wenn durchaus gewisse Tendenzen vorhanden sind (waren) bzw. manche Verhaltensweisen denen eines Littles ähnel(te)n. Die 'Motivation' / der Ursprung dieser Verhaltensweisen ist meiner Meinung nach allerdings ein anderer. *


      Wenige Wochen nach meinem 18. Geburtstag lernte ich meinen ersten Freund kennen. (Ich nenne ihn im Folgenden der Einfachheit halber X.) Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und es hat nicht lange gedauert, bis wir uns emotional ziemlich nah waren. Ich habe mich über mich selbst gewundert, denn vertrauen zählt nicht unbedingt zu meinen Stärken. Bei ihm konnte ich es und das hat sich bis heute nicht als Fehler herausgestellt.

      Durch dieses gegenseitige Vertrauen war es mir möglich, mich ihm so zu zeigen, wie ich bin: Mit meiner Fröhlichkeit, meinen Interessen und liebenswerten Eigenarten, aber auch mit meinen Ängsten und Nöten, traurigen Gedanken und Sehnsüchten. Er hat viel über meine Vergangenheit erfahren; Dinge, über die ich nie zuvor mit jemandem gesprochen hatte. Er hat mich nicht dafür verurteilt, schlecht über mich gedacht oder sich gar abgewendet. Nein, im Gegenteil: Er hat sich interessiert, hat Fragen gestellt, Anteil genommen und mitgefühlt. Vieles, was ich in meiner Kindheit und Jugend erlebt habe, lag außerhalb seiner Vorstellungskraft und es tat ihm einfach nur leid, dass ausgerechnet mir, seinem 'kleinen ...', solche Dinge widerfahren sind. Es war kein Mitleid im eigentlichen Sinne, eher ein Bedauern, gepaart mit trauriger Fassungslosigkeit.

      Dadurch, dass ich mich ihm so weit öffnete, tauchten nicht nur Erinnerungen, sondern auch vermehrt Gefühle aus dieser Zeit wieder auf - und dann wurde ich manchmal ganz, ganz 'klein'. Zurückversetzt in alte Zeiten? Nicht ganz. Vielmehr war es so, dass ich mich in diesen Momenten so gefühlt habe, wie ich mich damals - in den entsprechenden Situationen in meiner Kindheit - hätte fühlen 'müssen', aber nicht durfte/konnte/sollte. In meiner Kindheit war zu wenig Raum zum Kindsein. X. hat mir diesen Raum gegeben und mich in diesen Situationen einfach 'so' sein lassen. Es hat seinen Beschützerinstinkt geweckt und ihm sogar gut getan. Wenn ich es brauchte, hat er mir Trost gespendet; wenn ich kindlich und trotzig war, hat er es so hingenommen und fand es teilweise sogar witzig; wenn ich mich beim Einkaufen in ein Kuscheltier verliebt habe, hat er es mir geschenkt... Er hatte Freude daran, meine kindliche Seite zu 'bedienen' und empfand sie als rundum liebenswert; meine leuchtenden Augen haben ihn glücklich gemacht und wann immer er etwas für mich tun konnte, hat er sich gebraucht gefühlt (und ja, er wurde auch gebraucht, selbstverständlich!). Die meiste Zeit habe ich mich geborgen und gut behütet gefühlt.

      Diese Seite von mir kam phasenweise recht häufig zum Vorschein, ein fortwährender Zustand war es allerdings nie. Und in diesen ganz 'normalen' Phasen, ja, da wäre ich gerne mehr als 'das kleine ...' für X. gewesen. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass er mich (auch) als Frau sieht und ernst nimmt - und so ist er auch nicht mit mir umgegangen. Meine kindlichen Bedürfnisse wurden in unserer Beziehung perfekt gestillt und dafür bin ich X. bis heute sehr dankbar, denn zum einen habe ich dadurch tatsächlich einiges erleben dürfen, was ich bis dahin nie bekommen hatte, und nachholen können, was mir früher eben nicht möglich war, und zum anderen hat es mir geholfen, mich in wichtigen Bereichen weiterzuentwickeln. Meine Bedürfnisse als Frau sind jedoch völlig untergegangen. Ich wurde selten wie eine Erwachsene von ihm behandelt und habe mich nicht (mehr) attraktiv und von ihm begehrt gefühlt. Und wie gerne hätte ich mich geliebt gefühlt! Mit Sicherheit hat er mich geliebt, aber was vom Gefühl her bei mir ankam, war immer 'nur' sowas wie: 'Ich hab dich lieb, mein armes, kleines, süßes ...'. Umgekehrt habe ich in ihm auch nicht mehr den begehrenswerten, attraktiven Mann gesehen, in den ich mich verliebt hatte. Ganz sicher mache ich ihm das nicht zum Vorwurf - es hat sich nun mal so entwickelt und dazu haben wir beide beigetragen. Aber es hat mir nicht mehr gereicht und nach 4 Jahren habe ich die Beziehung (auch aus anderen Gründen) beendet.

      Lange her, aber wir haben uns nie aus den Augen verloren. Menschlich hat es zwischen uns beiden immer gepasst, aber für eine Liebesbeziehung hat es leider nicht 'gereicht'. Heute sind wir die besten Freunde! Es gibt keinen zweiten Menschen, der mir so vertraut ist, der so viel über mich und mein Leben weiß, mich so gut kennt und einschätzen kann. Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Wir teilen eine ganz besondere Freundschaft und es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht wenigstens kurz per E-Mail oder Telefon voneinander hören, und kaum eine Woche, in der wir uns nicht sehen.

      X. ist mir näher als mein eigener Bruder... Und er sagte mal in einem Gespräch mit einem Freund über mich, ich sei wie eine Schwester für ihn. Es ist schön, dass es jetzt so ist. Damals hingegen war es ein Mitgrund für das Scheitern unserer Beziehung. Ich bin mir sicher, dass meine kindliche Seite von damals (heute ist sie bei Weitem nicht mehr so ausgeprägt und so richtig kommt sie auch nur in Gegenwart von X. zum Vorschein) dafür verantwortlich ist, dass sich dieses 'Geschwister-Gefühl' zwischen uns entwickelt hat.

      Auch wenn diese Beziehung keine Cg/l(g)-Beziehung war und mit BDSM nichts zu tun hatte, sehe bzw. vermute ich gewisse Parallelen. Denn ich glaube, auch wenn man seine Beziehung ganz 'offiziell' als Cg/l(g)-Konstellation definiert und das kindliche Verhalten auf der einen und das beschützende und umsorgende Verhalten auf der anderen Seite von beiden gewünscht und gewollt ist, kann so etwas passieren, besonders wenn der Little-Anteil sehr ausgeprägt ist. Ich glaube, in einer solchen Beziehung muss man sehr achtsam sein und seinen Partner immer als Ganzes im Blick behalten. Andernfalls läuft man Gefahr, dass man ihn irgendwann mehr oder weniger (unbewusst/ungewollt) auf diese eine Seite seiner Persönlichkeit reduziert. Das kann sich im Laufe der Zeit leider so einschleichen und dass das in den meisten Fällen früher oder später zu Unzufriedenheit führt, ist absehbar. Ein Little ist schließlich immer noch eine erwachsene Frau (ich weiß, dass es auch männliche Littles gibt, aber da es umgekehrt wohl häufiger vorkommt und ich zudem aus meiner Sicht und von meinen Erfahrungen schreibe, bleibe ich in diesem Text bei Little = Frau, Caregiver = Mann). Und eine erwachsene Frau möchte in der Regel auch als solche wahrgenommen und behandelt werden und nicht immer nur das 'kleine, süße Mädchen' sein. Genauso wie wohl die meisten Caregiver mehr als die fürsorgende, beschützende 'Funktion' in der Beziehung innehaben möchten und nicht nur als Behüter oder 'Daddy' angesehen werden möchten. Bestimmt gibt es Beziehungen, in denen es sehr wohl genauso gewünscht ist und gut funktioniert, aber wenn dies nicht der Fall ist, sollte man sich vielleicht immer mal wieder vor Augen führen, dass das Little- (bzw. Caregiver-)Dasein nur eine Facette darstellt, die zwar von großer Bedeutung, aber dennoch nicht alles ist. Für die anderen Facetten sollte ebenfalls Raum bleiben, denn auch sie gehen mit bestimmten (anderen) Bedürfnissen einher, die auf Dauer nicht vernachlässigt werden sollten.

      In meiner Beziehung mit X. ist das leider passiert: Ich wurde immer mehr auf die 'Rolle' des 'kleinen ...' reduziert, welche zwar einen wichtigen Teil von mir ausgemacht hat, aber eben nicht alles war. Der Großteil meiner sonstigen Bedürfnisse blieb außen vor und daran konnten auch Gespräche nichts mehr ändern. Umgekehrt konnte ich auch nur noch einen Teil seiner Bedürfnisse befriedigen, weil er für mich in erster Linie zum Beschützer und 'Helfer' geworden war, den ich 'nur' noch platonisch lieben und nicht mehr als Mann begehren konnte. Unser Verhältnis zueinander war zwar schön, wurde meinen Ansprüchen an eine Liebesbeziehung jedoch nur noch im Ansatz gerecht. Und so wichen die amourösen Gefühle einer Freundschaft - oder auch einer Art von Liebe zwischen 'Bruder und Schwester'...




      * Warum ich mich nicht als Little sehe bzw. wo für mich der Unterschied liegt: Die kindliche Seite, die ich in meiner ersten Beziehung ausgelebt habe, war ein Nachholen dessen, was mir in der Kindheit nicht möglich war. Die kindlichen Verhaltensweisen eines Littles sind nach meinem Verständnis eher selten ein Nachholen; vielmehr haben sie sich diese Dinge von 'früher' bewahrt und sie fortlaufend bis ins Erwachsenenalter immer beibehalten, sodass sie zu einem festen Teil ihrer Persönlichkeit geworden sind, welcher - abhängig vom Gegenüber sowie der eigenen Gemütslage - mal mehr, mal weniger zum Vorschein kommt.



      Gedanken der letzten Nacht...

      Vielen Dank fürs Lesen.
      Liebe ist nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts.
      Wunderbar geschrieben, liebe @Zofe, vielen Dank! :love: :blumen:

      Deine Erklärung der Motivation von Little und dir ist eine sehr schöne Erklärung der Unterschiede. Da wird deutlich, dass Littles nicht unbedingt etwas verloren haben in ihrer Kindheit.

      Es freut mich, dass du so einen guten Freund hast - das sind die wichtigsten Menschen! :yes:
      Wir haben alle irgendeinen Knacks - der Unterschied ist: bei manchen ist er diagnostiziert... :monster:
      Danke auch von mir, liebe @Zofe, für diesen wunderschön reflektierten und einfühlsamen Text. :)

      Ich kann mich gut damit identifizieren, was du schreibst. Auch ich sehe mich nicht als Little im engeren Sinn, merke aber, dass ich Spiele dieser Art hin und wieder brauche, um ungestellte Bedürfnisse aus der Kindheit ein Stück nachzuholen.

      Auch ich hab mit meiner Domina schon Sessions gehabt, wo wir beispielsweise mit Lego oder Teddys gespielt haben, ohne dass das für mich einen primär sexuellen Charakter hatte. Man kann mich von daher wohl als Ageplayer bezeichnen, wobei ich überzeugt, dass die Grenzen fließend sind und es letztendlich keine scharfe Trennung zwischen Little und Ageplay gibt.

      Zofe schrieb:

      In meiner Beziehung mit X. ist das leider passiert: Ich wurde immer mehr auf die 'Rolle' des 'kleinen ...' reduziert, welche zwar einen wichtigen Teil von mir ausgemacht hat, aber eben nicht alles war. Der Großteil meiner sonstigen Bedürfnisse blieb außen vor und daran konnten auch Gespräche nichts mehr ändern. Umgekehrt konnte ich auch nur noch einen Teil seiner Bedürfnisse befriedigen, weil er für mich in erster Linie zum Beschützer und 'Helfer' geworden war, den ich 'nur' noch platonisch lieben und nicht mehr als Mann begehren konnte. Unser Verhältnis zueinander war zwar schön, wurde meinen Ansprüchen an eine Liebesbeziehung jedoch nur noch im Ansatz gerecht. Und so wichen die amourösen Gefühle einer Freundschaft - oder auch einer Art von Liebe zwischen 'Bruder und Schwester'...

      Das Problem hatte ich noch nicht, da meine kindliche Seite noch nie in einer Partnerschaft ausgelebt habe, sondern bei einer professionellen Domina. Die Gefahr sehe ich aber auch, dass die (regressiv ausgerichteten) kindlichen Bedürfnisse sich nicht so wirklich mit dem üblichen Konzept einer Erwachsenenpartnerschaft vertragen.

      Vielleicht lag das Problem darin, dass du damals noch unerfahren warst und selbst noch nicht richtig wusstest, wie du deine Bedürfnisse benennen und einordnen solltest. So reflektiert, wie du heute darüber schreibst, vermute ich, dass du nicht noch ein zweites Mal in eine solche Konstellation reinrutschen wirst, sondern deine kindliche Bedürfnissen von Anfang an ganz anders ansprechen würdest. Wie ich dich verstanden habe, stellt das in deiner heutigen Partnerschaft auch kein Problem dar, zumindest schreibst du nichts darüber.

      Zofe schrieb:

      (ich weiß, dass es auch männliche Littles gibt, aber da es umgekehrt wohl häufiger vorkommt und ich zudem aus meiner Sicht und von meinen Erfahrungen schreibe, bleibe ich in diesem Text bei Little = Frau, Caregiver = Mann).

      Ich glaube gar nicht, dass es weniger männliche Littles gibt. Es wird ihnen nur schwerer gemacht, dazu zu stehen. Kindliche Seiten (im Sinne von "süß und "niedlich") gesteht man in dieser Gesellschaft eben eher den Frauen zu als Männern. :(

      Männer sehen sich wahrscheinlich gezwungen, solche Seiten anders zu kanalisieren. Es gibt ja z. B. Männer, die leidenschaftlich gerne mit Modelleisenbahnen spielen, fußballverrückt sind oder ähnliches. Das sind ja auch kindliche Seiten im Form von Spiel- und Abenteuerlust, die da zum Vorschein kommen. Aber kindlich sein im Sinne von Hilfs- und Schutzbedürftigkeit, das gesteht man Männern kaum zu - entsprechend tun sie sich dann auch selber schwer, sich solche Seiten einzugestehen.