Unerfüllte Sehnsucht

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      Unerfüllte Sehnsucht

      Leise stöhnend lasse ich mich auf das Sofa fallen. Die Kinder sind im Bett und die Küche ist jetzt auch weitesgehend wieder sauber.Wie jeden Abend bin ich von einem normalen Tag müde und fertig, obwohl ich mich immer frage, warum. Körperlich schwere Arbeit habe ich auch an diesem Tag nicht verrichtet, aber die Summe aus Selbstständigkeit, wenn auch nur am Schreibtisch, Schulkindern, Haushalt und den üblichen Kleinigkeiten des Alltags, lässt mich abends um 21 Uhr nur noch aufs Sofa fallen.

      Ich nehmen mir meinen Laptop auf den Schoß und schiele unauffällig zu meinem Mann nach links. Kein Reaktion, er starrt weiter auf den Fernseher wo irgendeine Netflix-Serie läuft. Ich schaue schon lange nicht mehr mit, den Anfang jeder Folge verpasse ich eh immer.

      Mir gehen, wie an so vielen Tagen, Gedanken durch den Kopf. Sieht so jetzt der Rest meines Lebens aus? Mit einem Mann, der jeden Abend auf dem Sofa sitzt, irgendeine Serie schaut und mich, auf Deutsch gesagt, mit dem Arsch nicht mehr anschaut? Kein Kuss morgens oder abends, kein Kuscheln im Arm, kein liebes Wort, von irgendwelchen anderen Zärtlichkeiten oder Sex ganz zu schweigen.

      Dann aber wieder die Gedanken, dass ich mich nicht beschweren kann. Ich habe ein gutes Leben. Ich habe tolle Kinder, die ich über alles liebe, Eltern, mit denen ich mich gut verstehe, wohne seit einigen Jahren in einer modernen Doppelhaushälfte mit netten Nachbarn am Rand einer Großstadt und habe mir meinen Traum von einer weißen Hochglanzküche mit Kochinsel erfüllen können. Im Job bin ich seit mehreren Jahren erfolgreich als Selbstständige tätig, auch wenn ich wegen der Kinder nur halbtags arbeite. Sowohl aus alten als auch aus neuen Zeiten habe ich viele Freunde, und, das Wichtigste zum Schluss, alle in meiner Familie sind gesund!

      Den Mann neben mir will ich hier kaum erwähnen. Ja, ich habe auch einen Mann. Aber ist er noch „mein“ Mann?

      Alles kam langsam, nach und nach hat sich diese Lethargie in unser Eheleben eingeschlichen. Wir sind seit 15 Jahren zusammen, zehn davon verheiratet und haben zwei wundervolle Kinder zusammen. Die Kinder, meine Wunschkinder – der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Eines neuen Familienlebens.

      Wir sind nicht die einzigen, das weiß ich. Vielen Ehen geht es so. Manche bekommen aber die Kurve oder haben es geschafft, sich auch über Durststrecken hinweg die Zweisamkeit von zwei Erwachsenen zu erhalten. Wir leider nicht.

      Ich habe mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, wie, wann und wo es wohl begonnen hat. Die Geburten der Kinder. Sie haben ihn verändert. Sie waren meine Wunschkinder. Im nachhinein habe ich jedoch das Gefühl, dass es sein Wunsch nicht unbedingt war. Oder aber, dass er keine Vorstellung davon hatte, wie Kinder sein Leben verändern werden. Zwar hatte ich auch keine Vorstellung davon, wie wohl keiner, der es nicht schon erlebt hat. Er ist kein schlechter Mensch und auch kein schlechter Vater. Nur eben auch kein guter.

      Ihm war alles zu viel, als die beiden noch Babys und Kleinkinder waren. Ich verurteile es nicht, kann es auch verstehen. Mir war und ist auch das ein oder andere Mal alles zu viel. Das Positive überwiegt jedoch für mich.

      Das letzte Mal Sex hatten wir vor sechs Jahren, da waren die Kinder zwei und drei. Sex kann ich es aber eigentlich kaum nennen, eher Rein-Raus während er sich auf dem Handy einen Porno angesehen hat. Und das auch nur auf mein Drängen hin, dass wir ja mal wieder „könnten“. Die Male in den Jahren davor kann ich an einer Hand abzählen. Und anders waren sie auch nicht.

      Meine Versuche, mit ihm über seine und meine Bedürfnisse zu reden sind ebenso, wie ihn durch ein wenig Abwechslung in Stimmung zu bringen, gescheitert.

      Liebt er mich noch? Die Frage kann ich nicht beantworten, nur er, jedoch glaube ich, dass es keine Liebe mehr zu mir ist, sondern die Gewohnheit eines bekannten, dank älteren Kindern, mittlerweile bequemen Lebens, was ihn zufrieden sein lässt.

      Liebe ich ihn noch? Eine Frage, die ich mir schon länger stelle. Für mich kann ich sie beantworten. Nein, ich liebe ihn nicht mehr.

      Ich bin gerade mal 40! Das kann es doch nicht gewesen sein?! Oder sieht ein „normales“ Leben, wie es bestimmt viele führen, so aus? Heiraten, Kinder, Haus, einmal im Jahr ein Urlaub irgendwo in Europa, vielleicht noch mal ein Wochenende oder zwei mit dem Auto nach Holland? Der Mann arbeitet ganztags, die Frau halbtags und kümmerst sich am Nachmittag um die Kinder. Am Wochenende geht es mit den Kindern mal ins Kino, zum Fußballspiel des Älteren, oder man trifft sich mit Freunden und deren Kindern. Ja, wahrscheinlich sieht ein „normales“ Leben so aus. Und es ist auch gut so. Auch für mich, meistens jedenfalls.

      Wenn da nicht diese unerfüllte Sehnsucht wäre. Eine Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Zuneigung und Liebe. Und nach zwei anderen Dingen ...

      ... nach Dominanz. Nach Der Gedanke reizt mich sehr. In der Unterwerfung vermute ich meine Sehnsucht befriedigt zu bekommen, die Ehefrau und Hausfrau, die alles für die Familie organisiert,alle Termine koordiniert, das Essen plant, die Urlaube plant, die Finanzen und Steuern macht, hinter mir zu lassen und mich in eine stille und willige Dienerin zu verwandeln. Aufgaben nur noch auf Anweisung auszuführen und sich genau nur darauf konzentrieren zu müssen. Mir würde es nicht nur erlaubt, sondern von mir würde erwartet werden, hilflos zu sein. Ein schöner Gedanke, der mir einen Schauer über den Rücken jagt.

      ... nach Schmerzen. So komisch es sich für mich zwar eigentlich anhört, aber ich glaube, dass es mir gefallen könnte. Woher diese Vermutung kommt, ist zwar fast zu peinlich, um es zu erwähnen, aber es war das Buch „Shades of Grey“, was für mich in gewisser Weise eine Offenbarung war.

      ***

      Meine Nachbarin hatte mir vor vielen Jahren ständig von dem Buch erzählt und sagte in jedem zweiten Satz, dass sie das Buch erst mal weglegen musste, weil es ihr zu sexy sei. Nach einiger Zeit hab ich dann nur gedacht, gib her das Ding, das lese ich jetzt auch mal. Und, anders als sie, dachte ich nur „Wow, das hört sich nach einer sehr interessanten Art an, Sex zu haben“. Ich fand es zu keiner Zeit zu sexy oder zu schräg. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass Schläge mit dem Rohrstock auch wirklich weh tun und dass das Buch kein BDSM-Sachbuch oder kein BDSM-Aufklärungsbuch ist, sondern schlichtweg „Unterhaltung“. Dennoch, der Gedanke an diese Spielart jagt mir einen weiteren Schauer über den Rücken und macht mich sehr, sehr neugierig darauf, wie es wohl ist, in beidseitigem Einvernehmen geschlagen zu werden.

      ***

      Ich entscheide für mich, dass ich ab sofort das Recht habe, mir mein Leben auch im sexuellen Bereich wieder lebenswert zu machen.Mein Mann scheint keinen Bedarf zu haben. Ich habe ihn, weiterhin. Eine Entscheidung, die ich bewusst treffe, nach reiflichen Überlegungen. Nicht spontan in diesem Moment, sondern nach vielen Jahren, in denen ich mir darüber den Kopf zerbrochen habe.

      Dennoch habe ich auch Zweifel und Gewissensbisse. Betrüge ich meinen Mann schon, wenn ich mich einfach mal unverbindlich auf einer Datingplattform anmelde, jedoch mit dem Hintergedanken mit einem davon vielleicht Sex zu haben? Gilt der Gedanke schon als Betrug?

      Nachdem ich erneut zu meinem Mann geschielt habe, klappe ich meinen Laptop auf und suche nach der Datingplattform, von der ich mal gehört habe. Total unauffällig versuche ich ein allgemeines Surfen im Internet vorzutäuschen, aber ihn interessiert es eh nicht. Zur Sicherheit drehe ich den Laptop auf meinen Knien etwas von ihm weg, damit er nicht auf den Bildschirm schauen kann – wobei ein halbes Sofa zwischen uns liegt und er Details eh nicht erkennen können wird, vielleicht jedoch den Namen der Plattform, der oben in der Ecke prangt.

      Ein wenig klicke ich mich durch die Seiten und durch ein paar Profile der Mitglieder, die ich ohne eine Registrierung sehen kann. „Okay, dann will ich mal“, denke ich im Stillen bei mir und klicke auf den Button „Anmelden“.
      Wie es weitergeht, ist noch ein wenig ungewiss ;)
      Es wird auf jeden Fall weitergehen :)

      Eigentlich mal anders geplant, entwickelt es sich in meinem Kopf gerade zu einer längeren Geschichte. Um mich selber zu nötigen, zu schreiben, musste der Anfang nur schon mal online
      @Schnapsi...manchmal oder gar öfter kann man schon gar nicht ALLEINE solche eingefahrenen Probleme abstellen...verändern,positivieren

      ...da hilft leider auch kein Reden...da steht man auf verlorenen Posten und tatsächlich ich hätte es niemals von MIR gedacht ,dass ich diesen Kampf nach 'zig Jahren des ^Aufrüttelns^ verlieren würde..

      Doch alles hat seine ZEIT...und auch seinen Sinn...

      Es nennt sich ^LEBEN^...
      @schnapsi...man liebäugelt bestimmt nicht nach der ersten beziehungstechnischen Tiefe gleich mit einem Anderen...

      Ich habe nach 10 Jahren Kampf und keinerlei Veränderung gesagt (meine Neigung war nicht das Thema)

      ^Ich gehe...ich sehe meine Zukunf mit Kind hier nicht-auch ist der Status es nicht wert zu bleiben.Die LIEBE ist auf Raten gestorben.
      Ich allein konnte dagegen nicht an!^

      Erst dann hab ich einen Blick gewagt und es hat gut ein Jahr gedauert bis ich auf anderen Wegen gewandelt bin....

      Bis ich dann mein finanzielles und soziales Setzung gefunden hatte ,dauerte es nochmals 3 Jahre...

      Mittlerweile bin ich immer noch nicht geschieden-
      man(n) streitet um meine Rentenanwardschaften,aber ich bin wieder ganz und gar mit Haut und Haar im LEBEN angekommen.

      Und davon profitiert auch mein Kind,dass jetzt auch spürt,wie sich GLÜCK anfühlt.
      Ich will mich mal einmischen @Schnapsi und @Noctua... wir sind hier im Geschichten-Bereich und nicht in einem Blog oder Erfahrungsbericht. Da sind eure Einwände, wie man diese fiktive Beziehung wieder auffrischen oder Bereinigen kann, ziemlich fehl am Platz. :sofa:

      @silk_n_desire bin schon gespannt, wie es weiter geht. :blumen:
      „Puh, ein Profilname, gar keine einfache Sache“, denke ich bei mir und schaue mich im Wohnzimmer um, in der Hoffnung vielleicht eine Inspiration oder Eingebung zu bekommen. Hilfreich ist es nicht. Mein realer Name fällt weg, das ist mir klar. Zumal er wohl bestimmt auch schon weg sein wird. Ich tippe ihn trotzdem zögerlich ein – und bin erleichtert als ein roter Hinweis kommt, dass er bereits vergeben ist. Mein Name mit einer Zahl dahinter wird mir vorgeschlagen. Nein, das wäre es auch nicht. Person Nummer 6 mit diesem Namen möchte ich nicht sein. Ein Fantasiename? Aber welcher?! Sexy Irgendwas? Nein, fällt auch weg, da es mir zu plump ist. Frau aus X? Überhaupt in Deutsch? Oder irgendwas in Englisch? Man, ist das schwierig.

      Meine Kreativität will mir spontan keine Erleuchtung schenken und so richtig konzentrieren, kann ich mich auch gerade nicht.

      Unauffällig schiele ich zum wiederholten Mal zur Seite. Keine Regung von dem Mann neben mir auf dem Sofa. Immerhin.

      Dennoch, mir fällt nichts ein und ich klappe nach weiteren langen Minuten den Laptop zu.

      ***

      Ich stehe mit dem Blick zur Wand. Der Raum ist abgedunkelt und im Hintergrund läuft leise Musik. „Auf die Knie!“, höre ich eine leise, sehr bestimmte Stimme.

      Einen Augenbinde wird mir von hinten angelegt. Um mich herum ist es nun stockdunkel. Ich höre Schritte im Raum. Und warte. Aber es passiert nichts. Gefühlt sitze ich eine Ewigkeit in der Ecke auf meinen Knien. Jede Sekunde wird meine Anspannung und Erregung größer. Mein Puls beschleunigt sich.

      Eine erste Berührung lässt mich zusammenzucken. Mein eines Handgelenk wird gegriffen. Handfesseln schließen sich mit dem Schnalzen des durchgezogenen Lederstücks durch die Schnallen. „Steh auf!“, fordert die Stimme.

      Ich stehe auf und eine Hand greift mir von hinten in den Nacken. Nur durch diesen Kontakt werden durch den Raum dirigiert. Ohne ein weiteres Wort werde ich auf ein Bett gedrückt und auf den Rücken gedreht. Meine Arme werden über den Kopf geführt und ich höre, wie zwei Karabiner nach einander zuschnappen. Ich will meine Arme wieder runter nehmen, bin aber fixiert. Hände greifen unter meinen Po und ziehen meinen Körper nach unten bis Spannung auf der Verbindung zwischen meinen Armen und dem Widerstand ist. Mein Körper zittert und ich fange an, schwer zu atmen.

      Ich warte auf ein nächstes Wort und lausche in die Dunkelheit. Ich kann ein Atmen hören, rieche einen Körper und merke die Bewegung des Bettes durch ein Gewicht. „Mach deine Beine breit für mich.“ Ein Schwall an Lust geht durch meinen Körper. Mein Bein wird gegriffen und das Schnalzen der Lederstücke durch den Zug durch Schnallen ist erneut zu hören. Danach zwei zuschnappende Karabiner. Ich will meine Beine etwas bewegen um herauszufinden, wie weit ich noch komme – nicht weit. Unfähig mich zu bewegen, noch meine Beine wieder zu schließen, liege ich auf dem Bett und versuche, aufgrund der leisen Geräusche zu erahnen, was als nächstes kommt.

      Plötzlich merke ich einen Schlag auf meinen Oberarm. Ich stöhne laut auf.

      „Anna. Anna! ANNA!“ Ich schrecke hoch. „Hör auf so zu stöhnen, ich kann nicht schlafen!“ Total verwirrt schaue ich mich um.

      Mein Mann hat das Licht angemacht und schaut mich genervt an. „Entschuldige,“ murmele ich und drehe mich auf die andere Seite.
      Als um halb acht der Mann und die Kinder aus dem Haus sind, renne ich fast zu meinem Computer oben ins Arbeitszimmer. Vorher duschen? Überbewertet, wenn man von zuhause arbeiten kann, entscheide ich. Mein Profil erscheint mir auf einmal als das Wichtigste der Welt.

      Mein Computer meldet sich mit einem leisen „Bling“, als ich auf den Knopf drücke. Das dauert aber heute lange, bis er endlich einsatzfähig ist, denke ich und tippe nervös mit den Fingern auf die Glasplatte des Schreibtischs vor mir. Schnell fliegen meine Finger über die Tasten, als ich die URL der Website aufrufe. Die Startseite erscheint und ich atme erstmal tief aus und lasse mich zurück in meinen Stuhl fallen.

      „Los geht’s, dann wollen wir mal,“ denke ich bei mir und klicke abermals auf den Button „Anmelden“. Bevor ich mich wieder dem Profilnamen zuwende, nehme ich mich ersten die paar wenigen allgemeinen Fragen vor, die einfach zu beantworten sind: Ich bin eine Frau. Ich suche einen Mann. Mein Geburtsdatum kenne ich und meine E-Mail-Adresse stellt mich auch vor kein allzu großes Problem. Durch meine Onlinekäufe bei den üblichen bekannten Shopping-Websites habe ich einen allgemeinen, recht anonymen Mailaccount bei einem großen Anbieter. Dieser muss auch hierfür herhalten.

      Bei „Wohnort“ muss ich dagegen schon überlegen. „Soll ich wirklich meinen richtigen Ort angeben?“, geht mir durch den Kopf. Da ich in einer kleinen Vorstadt wohne und man mich bei einer Google-Suche zusammen mit meinem Vornamen auch finden würde, ein Nachteil der Selbstständigkeit, ist es mir zu riskant. Ich entscheide mich daher bei Wohnort die nächstgrößere Stadt anzugeben, München. Da es zu dieser lediglich 10 km Entfernung zur Stadtgrenze sind, finde ich, ist es noch im Bereich der ehrlichen Toleranz.

      Und schon bin ich wieder bei „Profilname“ gelandet, oder wie es hier heißt „Nickname“. Ein Spitzname also. Während andere Kinder in ihrer Schulzeit bestimmt die meisten Spitznamen gehasst haben, da diese in den seltesten Fällen schmeichelhaft waren, bin ich davon verschont geblieben. Mein Name ist zweisilbig und bietet sich weder für Verkürzungen noch für Verlängerungen an.

      Einfach so gebe ich ihn mal ein, ohne groß darüber nachzudenken. Natürlich ist er schon vergeben. Mir werden Varianten vorgeschlagen, die entweder eine Zahl oder mein Geburtsjahr am Ende angefügt haben. Ich verziehe etwas das Gesicht. Will ich wirklich die 3. XYZ sein? Nein. Will ich wirklich meinen echten Namen angeben? Auch nein. Obwohl dieser wahrscheinlich eher unauffällig wäre, denn wer meldet sich schon mit seinem richtigen Namen an?! Oder doch? Ich erinnere mich an die vielen Olli7, Kalle1979 und ähnlich, die ich gestern Abend gesehen habe.

      Irgendein anderer Name? Der Name einer Freundin? Ein Fantasiename? Irgendwas Englisches? Irgendwas Beschreibendes? Eine Eigenschaft von mir? Ich überlege weiter und wackele mit meinen Fingern über der Tastatur. Mir selber einen neuen Namen zu geben – schwierig! Ich bin gerade dankbar, dass meine Eltern das damals übernommen haben.

      Während ich mich, wie schon gestern Abend, im Raum so umschaue, tut mir mein modernes Büro auch keinen Gefallen. „Das kann doch nicht so schwer sein…“, murmele ich leise vor mich hin. Oder doch? „Wenn man sich als liebeshungriger Single auf einer Singlebörse im Internet anmeldet, ist der Nickname ja eigentlich weit mehr als nur ein Name. Er ist gewissermaßen eine virtuelle Identität, mit der ich mich der Außenwelt bei der Partnersuche präsentiere,“ geht es mir durch den Kopf.

      Ich muss über meine eigenen Gedanken den Kopf schütteln und grinsen. Da ist wohl gerade mein sprachliches Geschick mit mir durchgegangen. Apropos sprachliches Geschick, als Journalistin sollte es mir eigentlich leichter fallen, ein paar Buchstaben in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, die dann ein wohlklingendes Wort als Ergebnis liefern. Leider ist dem in diesem Moment nicht so.

      Ich schaue auf die Uhr an meinem Rechner. „Was? Schon 30 Minuten sinniere ich hier über die paar Fragen?“ Ich bin entsetzt und sollte mal zügig hier fertig werden, da ich dringend arbeiten muss. Redaktionsschluss ist heute Mittag und der Artikel, an dem ich gerade schreibe, liegt gerade mal halbfertig vor.

      „Also, los, denk nach! Und das schnell,“ schimpfe ich mit mir selber und schaue verzweifelt an die Zimmerdecke. Da kommt mir der Einfall, wenngleich mir unklar ist, woher die Verbindung kommt. „Frag das Internet!“

      Warum ist mir das nicht sofort eingefallen? Wie bei einem neuen Artikel fange ich mit einer Recherche an und frage einfach mal die große Suchmaschine, was ihr so zu Nicknames einfällt.

      Ich scheine nicht die Einzige zu sein, die dieses Problem hat, denn die Trefferliste ist beachtlich. Neben ein paar Listen für Kindernamen und einigen für Onlinegames, bleibt mein Auge an einer Überschrift hängen: „Welche Nicknamen sind für dich wie gemacht?“ Wunderbar, ich bin gespannt!

      Nach einigen absurden Fragen, von denen keine der vier Auswahlmöglichkeiten wirklich zu mir passt, bin ich etwas überrascht, damit scheinbar auch einen Persönlichkeitstest gemacht zu haben: „Du hast eine starke Persönlichkeit und findest Lösungen für jedes Problem. In dir lodert ein Feuer, das dich leidenschaftlich macht, aber auch emotional, denn vieles lässt dich nicht kalt. Du bist im reinen mit dir selbst und dadurch so stark.

      Namen für dich:
      NotHelpless (nicht hilflos)
      StrongPassion (starke Leidenschaft)
      PowerfulDesire (mächtiges Verlangen)“

      Ich muss herzlich über diese Vorschläge lachen. Das kann es für mich nicht wirklich sein. Dennoch bringt es mich wieder auf die Idee der Eigenschaften.

      Beides sollte positiv sein, finde ich, denn warum sollte ich mich, wenn ich es mir schon aussuchen kann, schlecht machen? Liebevoll, intelligent, zuvorkommend … niedlich, süß, schön … Traum, Liebe, Engel, Wolken, Himmel, Unendlichkeit … viele positive Wörter gehen mir durch den Kopf.

      „LiebevollerEngel“? Nein! Ich pruste laut los! Das ist es definitiv nicht. „Ein bisschen sexy sollte es ja auch sein, schließlich suche ich hier ein Abenteuer,“ geht es mir durch den Kopf.

      Ich sacke auf meinem Stuhl zusammen. Wirklich? Geht es mir um ein Abenteuer, eine Affäre? Zum ersten Mal muss ich mir bewusst eingestehen, dass es wirklich das ist, was ich suche, was ich hoffe, zu finden. Und im nach hinein hatte ich den Gedanken auch nicht zum ersten Mal, wenn ich ehrlich zu mir selber bin. Und damit auch den Gedanken daran, meinen Mann zu betrügen.

      Fremdgehen. Das böse Wort. Ja, nein, vielleicht. Ich weiß es nicht. Mit der Hand fahre ich mir durch die Haare und starre auf meine Tastatur vor mir.

      Ich setze mich wieder gerade hin. Ob ich wirklich fremdgehe, steht noch in den Sternen. Der Gedanke lässt mich nicht los, ob der Gedanke daran schon als Fremdgehen zählt.

      „Quatsch! Nein, das zählt noch nicht!“, mache ich mir selber meine negativen Gedanken zunichte. „Weiter, los, Nickname finden! An dem Punkt, dass ich meinen Mann betrüge, zumindest körperlich, bin ich schließlich noch lange nicht!“, sage ich unsicher vor mich hin.

      Dann kommt mir ein Gedanke. Eine „SexyBitch“ bin ich zwar nicht, sexuell jedoch durchaus erfahrener, dank dem ein oder anderen aufgeschlossenen Mann aus vorehelichen Beziehungen und meiner Neugier, Neues und Unbekanntes immer auszuprobieren, um mir selber ein Urteil bilden zu können.

      Dass man mir die „SexyBitch“ allerdings optisch nicht ansieht, habe ich nicht nur einmal gehört, was mir ein Blick in den Spiegel auch bestätigt. Über mein Aussehen kann ich mich nicht beklagen, den derzeit aktuellen Look mit einer super Figur, langen Haaren und einem großen Mund, biete ich jedoch auch nicht auf. „Lieb“ und „niedlich“ sind da eher die Begriffe, die den meisten Männern wohl zu mir einfallen.

      „Cute but psycho“, fällt mir dazu ein. Aber psycho? „Nein, so schlimm ist es nun auch wieder nicht,“ grinse ich, mag jedoch das Wort „niedlich“ und spiele ein wenig mit dem Begriff sowie ein paar gegensätzlichen Wörtern weiter herum. Bei „vermeintlich“ bleibe ich hängen. Obwohl es für mich das ausdrückt, was mir gefällt und was ich versuche zu beschreiben, funktioniert es im Deutschen nicht … „VermeintlichNiedlich“? Nicht sehr sexy.

      „Hmmm, also doch Englisch?“ überlege ich, „DeceptivlyCute“? Etwas sperrig durch das erste Wort, das nicht sehr geläufig ist. Irgendwie anders. Mir gefällt es …

      Ich gebe es in das letzte freie Eingabefeld auf der Website ein und tippe auf den Button „anmelden“.