Psoriasis (Schuppenflechte) im BDSM-Kontext

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      Psoriasis (Schuppenflechte) im BDSM-Kontext

      Wieder hab ich im Vorfeld viel darüber nachgedacht ob ich etwas zu dem Thema schreibe. Letztlich bin ich aber zu dem Schluss gekommen, das Gesundheit eine Sache ist die man immer gut thematisieren kann, auch wenn vielleicht nur wenige in dem Fall davon profitieren können. Daher denke ich; Für jeden der einen Nutzen daraus ziehen kann hat sich das ganze gelohnt. Ich bitte jedoch darum das Thema doch ein klein wenig sensibel zu behandeln. Warum, wird denke ich beim Lesen klar. Ich behandle das Thema in Abschnitten und verfrachte den Abschnitt „Symptome“ in einen Spoiler da ich mir gut vorstellen kann das einige das nicht unbedingt lesen oder sehen möchten. In dem Fall einfach nicht ausklappen.


      Warum ich so genau darauf eingehe wie man sie erkennt, obwohl Betroffene das ja eigentlich wissen müssten, ist einfach. Viele Menschen haben erste Symptome, aber erkennen sie nicht und wissen nicht wie sie damit umgehen sollen. Dadurch könnten sich der Verlauf und die Symptome drastisch verschlechtern.

      Die Themen sind:
      • Was ist Psoriasis?
      • Symptome. Woran erkennt man Psoriasis? (Spoiler)
      • Worauf muss man im Kontext BDSM achten?
      • Der psychische Aspekt
      • Was kann Abhilfe verschaffen?
      • In eigener Sache



      Was ist Psoriasis?
      Bei Psoriasis handelt es sich um eine nicht ansteckende Autoimmunkrankheit (Grob gesagt Krankheiten bei denen das eigene Immunsystem sozusagen gegen den Körper vorgeht) welche vor allem am Hautbild erkannt werden kann, die aber auch innere Organe, Gelenke und Weichteile betreffen kann. Dabei schwächt sie zum Teil erheblich das Immunsystem und kann unter anderen zu weiteren Krankheiten wie Schlaganfällen oder Diabetes führen. Psoriasis ist eine stark erblich bedingte Krankheit die nicht zwangsläufig ausbrechen muss und sehr intensiv von Triggern (Auslöser die zum einem Krankheitsschub führen) beeinflusst wird. Dabei können diese Trigger sowohl physisch als auch psychisch sein, und sind bei jedem Betroffenen verschieden, so wie auch der Krankheitsverlauf bei jedem anders ist. Es gibt verschiedene Typen der Psoriasis die gern bestimmten Lebensjahren zugeordnet werden, jedoch auch übergreifend sein können. Ein grundlegendes Problem, welches der Psoriasis auch den umgangssprachlichen Namen „Schuppenflechte“ gegeben hat, ist eine stark beschleunigte Hautzellenerneuerung. Während die Haut bei gesunden Menschen eine Erneuerung von 25 bis 27 Tagen hat, verläuft dieser Heilungsprozess bei Psoriatikern in 3 bis 7 Tagen. Mehr dazu unter „Symptome“.

      Symptome. Woran erkennt man Psoriasis (inkl. Bild)
      Spoiler anzeigen
      Psoriasis manifestiert sich zunächst als rote, rundliche Hautstellen (Plaques) welche leicht erhöht sind und sich im Verlauf zu größeren Herden verbinden. Häufig treten diese an der empfindlichen Kopfhaut als erstes auf und bleiben daher vorerst unbemerkt bzw. ignoriert. Sehr oft tritt ein extrem heftiger Juckreiz an den betroffenen Stellen auf, welcher sich durch heftiges Kratzen eher verschlimmert als verbessert, und erst nachlässt wenn die Haut bereits blutet. Generell treten diese Plaques an Hautpartien auf, welche einer hohen Belastung, sowohl mechanisch als auch durch Stoffe, ausgesetzt sind. Zu diesen Partien zählen vor allem Kopfhaut, Schienbeine, Knie, Ellenbogen und der untere Rückenbereich in Höhe des Steißbeins. Außerdem sind kleinere Herde hinter, und in den Ohren möglich, sowie im Genitalbereich und am After. Letzteres und die Kopfhaut gelten als schwer zu behandelnde Areale, da sind zum einen behaart sind, zum anderen aber auch nicht zur Heilung geschont werden können.

      Bild A zeigt die erste ganzkörperliche Bildung von Plaques bei einem mittelmäßigen Schub.
      Bild B zeigt eine etwa 2 Jahre alte, leichte Verletzung, bei der die Psoriasis eine vollständige Abheilung verhindert hat.

      Psoriasis Vorschaubild.jpg

      Im weiteren Verlauf bilden sich auf den betroffenen Stellen Schuppen bzw. Schüppchen, nicht selten mit einer Größe bis zu 2 cm oder mehr (Woher auch die Bezeichnung Schuppenflechte kommt). An dieser Stelle ganz kurz die Anmerkung das diese Schuppen kaum etwas mit den Haarschuppen zu tun haben. Keinesfalls dürfen diese Schuppen einfach abgerissen werden. Unter den Schuppen befindet sich nur noch sehr wenig Haut. Bei entfernen kann es sehr oft zum sogenannten „blutigen Tau“ kommen, welcher durch flächige punktuelle Blutungen entsteht und neben starken Schmerzen auch nicht sehr gut heilt.

      Weitere zum Teil schwere Begleiterscheinungen sind mittelstarke bis sehr starke Schmerzen in den Gelenken welche die Beweglichkeit und Elastizität des Körpers stark einschränken können. Diese wird als „Psoriasis Arthritis“ bezeichnet und tritt meist genau wie die normale Psoriasis in Schüben auf.

      Wie bereits erwähnt sind Trigger meist verantwortlich für das Auslösen eines Schubs. Die Schübe treten aber auch ohne weiteres Einwirken in steigender und wieder absinkender Intensität auf.

      Als Beispiel; Ein vollständiger Zyklus von mehreren Schüben die von einem schwachen, bis zu einem starken und zurück zu einem schwachen Schub gehen dauert bei mir etwa 8 bis 10 Monate.



      Worauf muss man im Kontext BDSM achten?
      Der wahrscheinlich für euch hier interessanteste, leider auch oft allgemeinere Abschnitt. Denn jeder Psoriatiker erfährt einen anderen Verlauf der Krankheit mit anderen Triggern und anderen Schüben, sowie unterschiedlichen, empfindlichen Stellen. Daher versuche ich diesen Abschnitt möglichst umfassend zu gestalten.

      Grundsätzlich kann man sagen dass die Haut immer dann anfängt zu reagieren, wenn sie sich durch irgendetwas gestört fühlt. Dazu zählen nicht nur Belastungen durch Reibung und Kontakt, sondern natürlich auch Temperaturunterschiede oder Stoffe und Substanzen die mit der Haut in Kontakt kommen. Für uns BDSMler bedeutet das, wir müssen vor allem auf Reibung und Druck von Seilen achten, Hiebe und Spuren durch Schlagwerkzeuge, Wachs und Eis, aber natürlich auch bestimmte Pflegemittel, Gleitmittel oder vielleicht auch Ingwer. Besonders bei Striemen hab ich bisher heftige Reaktionen beobachten können bei denen sich die Haut entlang der Strieme stark beansprucht gefühlt hat. Das hierbei die hohen Temperaturen von Wachs einen Schaden verursachen könnten sollte klar sein. In beiden Fällen sollte man sich vorsichtig herantasten und nicht übertreiben. Langsam verstehen an welchen Stellen die Haut reagiert, und wo sie dahingehend unempfindlich ist. Erfahrungsgemäß kann ich sagen das der Rücken relativ robust ist, der Po zum Beispiel schon sehr empfindlich. Oft sind Hautstellen, welche vom Alltag schon stark belastet sind, empfindlicher. Beispielsweise die Schultern welche oft Reibung durch Kleidung oder Rucksack ausgesetzt sind. Zu den Stoffen und Substanzen die hier problematisch werden können fallen mir besonders Pflegemittel von Latex oder Toys ein, Gleitgele, Ingwer, Brennnesseln und Öle. Woran viele wahrscheinlich nicht denken ist die Reaktion der Haut auf den eigenen Schweiß bzw. das darin enthaltene Salz. Gründliches waschen und Pflegen der Haut ist daher im Anschluss Pflicht. Hierbei sollte man aber berücksichtigen dass häufiges duschen und baden die natürliche Schutzbarriere der Haut belastet und die Haut selbst dadurch trocken wird. Daher ist Feuchtigkeit durch eine verträgliche Lotion wichtig. Auch hier geht probieren über studieren. Ein weiterer Aspekt kann unter anderem Eis sein. Wobei das Eis selber meist unproblematisch ist, die dadurch entstehende Gänsehaut jedoch sehr schmerzhaft sein kann. Und auch hierbei können dann Reaktionen entstehen. Wie zuvor erwähnt sind die Knie, genauer die kleine Senke unter dem Knie, recht empfindlich. Das man demnach nicht auf dem Steinboden oder rauem Teppich knien sollte ist also sinnvoll. Um jetzt nicht absolut jede Möglichkeit aufzuzählen möchte ich dazu sagen, testet alles vorsichtig aus. Immer wenn euer gesunder Menschenverstand sagt „Das könnte weh tun“ sollten die Alarmglocken anspringen und euch auf eine gewisse Vorsicht aufmerksam machen.

      Dennoch möchte ich abschließend einen wahnsinnig wichtigen Punkt dabei erwähnen, und zwar die Hygiene. Bei verschiedenen Formen von Psoriasis ist die Haut, auch wenn sie noch gut aussieht, schwer geschädigt und bildet einen sehr guten Angriffspunkt für bakterielle Infektionen. Erwähnenswert sind hier vor allem Streptokokken und Staphylokokken. Hier ist eine Infektion besonders problematisch weil sie auch entgegen der schnellen Heilung bei Psoriasis wirkt und die Medikamente der Infektion denen der Psoriasis vorgezogen werden müssen. Außerdem muss ein Kratzen an den Stellen unbedingt vermieden werden damit sich Bakterien nicht weiter ausbreiten können.
      Ich hab auch nur vier Hufe...

      Hand aufs Herz kannst mir vertrauen, werd mir sonst einen Muffin ins Auge hauen.

      An apple a day keeps the pony to stay!
      Der psychische Aspekt
      Die Psyche gilt unter anderem als einer der wichtigsten Trigger bei Psoriasis und wird auch oft als erster Auslöser genannt. Wie bei anderen Krankheiten auch spielt das eigene Befinden und Denken eine sehr große und wichtige Rolle. Ist unser Kopf voll mit negativen Gedanken und Emotionen können wir uns nicht gut fühlen. Sehr emotionale Menschen scheinen hier etwas stärker betroffen zu sein. Psoriasis wird sehr häufig von Depressionen begleitet, wohingegen Depressionen wiederum Schübe auslösen können und ein Teufelskreis beginnt. Ich empfehle Daher der emotionalen Verfassung von Sub, aber auch Dom eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Wie leicht man sich durch Situationen oder das Handeln dritter herunterziehen lassen kann wissen die meisten. In wie weit dies den Verlauf einer Krankheit beeinflusst ist denke ich auch nachvollziehbar. Dazu möchte im Anschluss noch etwas im Abschnitt „In eigener Sache“ sagen.

      Was kann Abhilfe verschaffen?
      Dieser Abschnitt ist besonders für diejenigen Interessant die an sich selbst erste Anzeichen diagnostiziert haben, oder aber von Arzt eine Diagnose erhielten. Sicherlich auch für Menschen dessen Partner Psoriasis oder mögliche Symptome hat.

      Ist der Körper belastet, dann entlaste ihn. Grob gesagt sollte man im ersten Schritt Abstand von den Dingen nehmen, die eine Reaktion auslösen oder ein Trigger sein könnten. Betroffene Hautpartien sollten sauber gehalten werden. Wenn die Haut trocken ist und dadurch Plaques und Schüppchen bildet muss sie befeuchtet werden. Einige Medikamente gegen Psoriasis erledigen das sozusagen gleich mit. Dennoch kann man der Haut bereits sehr gut helfen bevor sich die Stelle verschlimmert. Ich selbst hab mit der Bodylotion von Dove gute Erfahrungen gemacht. Hat man nun in einer Session eine Partie mit der Gerte erwischt oder das Seil aus Versehen drüber gerieben kommt es oft schlagartig zu dem bereits erwähnten, starken Juckreiz. Dagegen hilft sehr gut ein Kühlpad. Außerdem kann es selbstverständlich sein das man aus Versehen auch mal eine Schuppe abreißt. In diesem Fall ist die Session oft dann leider vorbei, aber die Gesundheit geht vor. Denn abgesehen davon das der Schmerz dabei sehr heftig sein kann, stoppt die entstehende Blutung nicht sehr gut. Tritt im Verlauf der Psoriasis auch die Arthritis auf, wird es schon etwas schwieriger. Auf die Beweglichkeit bzw. Unbeweglichkeit muss natürlich geachtet werden. Der Schmerz eines nach hinten gebogenen Arms beim Hogtie beispielsweise kann so ganz schnell unerträglich sein.

      Ich denke damit habe ich so die wichtigsten Bereiche angesprochen. Ich denke, und hoffe dass nicht viele Menschen den Beitrag zu Rate ziehen müssen. Sollte er dennoch jemandem helfen hat er bereits seinen Zweck erfüllt. Falls Fragen aufkommen kann ich natürlich nachvollziehen das einige sie nicht unbedingt öffentlich stellen möchte. Ebenso gibt es auch einige Dinge dabei die ich selbst nicht gern bespreche. Ich bin aber bemüht auch per PN eine Frage zu beantworten.

      In eigener Sache
      Ich schiebe diesen Blog schon eine ganze Weile vor mir her und habe ihn aus verschiedenen Gründen bisher nicht geschrieben. Zum einen die teilweise typische Angst vor Ablehnung oder Konfrontation mit unangenehmen Themen. Das der psychische Aspekt dabei eine wichtige Rolle spielt habe ich nicht ohne Grund angesprochen. Denn viele Situationen in meinem Alltag und im Leben, auch Dinge hier auf GD, haben Schübe bei mir getriggert und mich auch emotional sehr angegriffen. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht das ich bis vor ein paar Wochen fast ein halbes Jahr nicht hier war. Mit aus diesen Gründen habe ich bereits zu Beginn gebeten das Thema sensibel zu behandeln. Mich hat es schon Überwindung gekostet das Thema zu behandeln, und ich weiß wie schwer es dabei für andere sein kann eine Frage zu stellen.
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      Zwar nicht im BDSM-Kontext, jedoch im zwischenmenschlichen, hatte ich mal einen Freund, der Psoriasis hatte.

      Als ich es das erste Mal an seinen Armen sah, habe ich durchaus kurz gedacht „Was ist das denn?“, ihn dann direkt danach gefragt und er hat es mir erklärt. Zu keinem Zeitpunkt hat es mich abgetörnt oder ähnliches, ich war lediglich kurz überrascht. Das wäre ich wohl bei jeder Krankheit oder sichtbaren, körperlichen Veränderung, egal was es ist, z.B. auch bei auffälligen Narben, fehlenden Gliedmaßen, etc. Mich interessiert dann aufrichtig der Hintergrund und/oder die Geschichte dazu, da dies für mich zu der Person dazugehört und für mich kein „Problem“ darstellt.

      In der weiteren Beziehung war Psoriasis bei uns dann kein Thema mehr. Es war da, hat uns aber nicht irgendwie eingeschränkt und mich in keinster Weise als Partnerin gestört.

      Ich hoffe, dass dies etwas Mut macht!
      Ich bin auch damit vertraut, mehr im behandelten Bereich, und einige Erfolgstherapien gesehen, die Schlamm vom Toten Meer in Israel beinhalteten.
      Einige Betroffene sind dort auch behandelt worden.

      Damit will ich keine solche Therapie vorschlagen, oder anpreisen, lediglich meine persönliche Erfahrung dazu weitergeben.

      Ich lebte lange genug in der Nähe des Toten Meers, um einige Erfolgsgeschichten selbst zu sehen.

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