Wann ist BDSM eigentlich sittenwidrig?

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      Wann ist BDSM eigentlich sittenwidrig?

      Die Frage der Sittenwidrigkeit ist wichtig, da nach deutschem Recht durchaus in zum Beispiel eine Körperverletzung eingewilligt werden kann. Wenn jemand der bei gesundem Verstand, mit der nötigen Einsichtsfähigkeit, usw ausgestattet ist (wer das nachlesen mag), dann kann alles mit dieser Person gemacht werden, was eben nicht sittenwidrig ist.

      Der BGH hat sich nicht nur einmal mit dieser Frage beschäftigt. Zuletzt war dies recht aktuell in 2018 der Fall:

      BGH schrieb:

      Für die Sittenwidrigkeit der Tat ist entscheidend, ob die Körperverletzung wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbestandlichen Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung des Umfangs der eingetretenen Körperverletzung und des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheint (Senat, Urt. v. 26.5.2004 – 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166 (169 ff.)). Diesen rechtlichen Maßstab hat das LG der Prüfung der Frage der Sittenwidrigkeit der Tat zu Grunde gelegt. Dass es die Tat unter Berücksichtigung der konkret eingetretenen Verletzungsfolgen nicht als sittenwidrig angesehen hat, ist von Rechtswegen unbedenklich. Entgegen der Auffassung der StA begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das LG zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit die Zwecksetzung des Handelns des Angekl., die Geschädigte gleichsam zu „zeichnen“, unberücksichtigt gelassen hat. Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren (BGH, Urt. v. 22.1.2014 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 (178)). Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann (BGH, Urt. v. 22.1.2014 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 (178 f.)). Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden. (Urteil BGH, 15.08.2018 - 2 StR 152/18)

      Auch wenn ich kein Strafrechtler bin hier meine persönliche Einschätzung welche aber sicher keine Rechtsberatung darstellen soll, sondern mein persönliches Rechtsempfinden widerspiegelt.

      Sittenwidrig laut Gerichten
      Unsafe Atemreduktion, die zu einem schweren Hirnschaden oder dem Tod führt ist sittenwidrig (für den Tod bereits entschieden für den Hirnschaden dürfte es aber auch gelten)
      Gewollter/Billigend in Kauf genommener Tod (bereits durch den BGH entschieden)
      Amputation (bereits durch den BGH entschieden)

      Sittenwidrig nach meinem Verständnis
      Absicht einen nicht "sauberen" Bruch/Trümmerbruch an Hand, Fuß oder im Gesicht zu verursachen (wegen der dauerhaften Gebrauchseinschränkung)
      Mehrfacher Verleih, bei welcher der Leihende (Dom) eine Leistung von der Dritten Person erhält welche nicht auch oder ausschließlich an Sub weitergereicht wird (in meinen Augen eben Zuhälterei, wenn es keine Lebensgemeinschaft ist müsste nach meinem Verständnis der Hauptteil der Leistung an Sub weitergeleitet werden)
      Gezieltes Brechen einer Person (dauerhafter psychischer Schaden)
      Dauerhafte Entstellung (z.B. Verbrennungen)
      Schläge der Art, dass es zu einem schweren/totalem Schaden an Organen kommt (wie war das nicht auf die Nieren schlagen...)

      Problematisch nach meinem Verständnis
      Sauberer Bruch von Knochen in einer Art und Weise, dass diese wieder ohne größere Folgeschäden zusammenwachsen können
      Einmaliger Verleih, bei welchem der Leihende (Dom) eine Leistung von der Dritten Person erhält welche nicht auch oder ausschließlich an Sub weitergereicht wird (in meinen Augen eben Zuhälterei, als verbreitete Fantasie evtl in einer langen Beziehung aber noch OK)
      Spiel mit berauschenden (vielleicht auch narkotisierenden) Mitteln, welche die Entscheidungsfähigkeit von Sub nicht nur unerheblich einschränken (wobei selbst wenn es nicht sittenwidrig ist könnte es hier das Problem geben, dass Sub dann eben nicht jederzeit die Einwilligung problemlos zurücknehmen kann), wobei es hier auf den Einzelfall ankommt (Rauchmittel, Spielart, Art und Dauer der Beziehung, Gefährdungspotential).
      Schläge der Art, dass es zu einem leichten Schaden an Organen kommt (wie war das nicht auf die Nieren schlagen...)

      Nicht sittenwidrig
      Normales Cutting (schon entschieden)
      Piercing, Nadelung, etc.
      Klinikspiele sofern keine größeren gesundheitlichen Risiken bestehen
      Ans Kreuz nageln, sofern dabei keine Sehnen und Knochen verletzt werden
      An Haken aufhängen
      Verleih ohne Geld (sofern Subs Rechte gewahrt bleiben)
      Unfälle trotz der erforderlichen Sorgfalt
      Harte SM Sessions ohne bleibende gesundheitliche Risiken
      usw...

      Anders gesagt 100% von dem was ich bisher in meinem Leben als BDSMler gemacht habe ist nicht sittenwidrig und ich denke so geht es hier fast allen in diesem Forum. Was eben auch bedeutet, dass der Staat nur sehr wenige von uns in ihrem BDSM einschränkt und um ehrlich zu sein, diese Einschränkungen finde ich persönlich durchaus sinnvoll.

      Na denn, evtl haben wir hier (angehende) Juristen die sich mit der Materie etwas besser auskennen und noch etwas dazu schreiben wollen :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff