Ein mahnendes Erlebnis

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      Ein mahnendes Erlebnis

      Es ist mittlerweile schon über ein Jahr her und ich habe dieses Ereignis immer mal wieder aufgearbeitet. Letztlich war mir der Abend eine große Warnung und hat mich viel erkennen lassen, so dass ich meine Erfahrungen gerne teilen möchte. Vielleicht stellt es auch eine Art Verarbeitung dar, meine Erlebnisse mitzuteilen und auch darüber in den Austausch zu gehen. Vielleicht mahnt es auch den ein oder anderen zu einem vorsichtigen Umgang...

      Es war eine große Geburtstagsparty an einem hitzigen Sommerabend. Meine Party. Ich trug ein neues, langes Kleid, das meine Waden sanft umspielte. Ich war heiß. Ich war fruchtbar und ich hatte Sehnsucht. Sehnsucht nach einer BDSM Session. Ganz viele Fantasien. Alle ungestillt.
      Die Beziehung zu meinem Top lief mies. Immer wieder viele Konflikte. Auf Paarebene. Im BDSM. Die Wochen zuvor waren geprägt von nagenden und zehrenden Streitigkeiten. Nichts passte mehr. Hin und wieder gelangen uns nahe Momente voll von Hoffnung, dass es besser werden würde. Voll von Zuversicht. Letztlich nur heiße Luft und verlorene Hoffnung.
      Zudem lebten wir in einer sehr schwierigen gesellschaftlichen Struktur, wo niemand von unserer Paar- oder BDSM Verbindung wusste. Es ist und war nicht vorgesehen diese Verbindung offen zu machen. Das haben wir beide so entschieden.

      Der Abend eskalierte als er mehr und mehr eine Freundin von mir angrub. Er flirtete auf unerträgliche Art mit ihr und kitzelte mit seiner Dominanz an ihrer Devotion, die ihm bekannt war. Er spielte groß auf und ließ das raushängen, was ich die letzten Monate vermisst hatte. Seine Aufmerksamkeit. Seine Dominanz. Seine Geilheit.
      Mir schenkte er kaum Beachtung und mied meine Nähe.
      Ich stellte ihn ob seines Verhaltens dreimal zur Rede. Und er wimmelte mich ab. Beschimpfte mich eine ungeheure Szene zu machen. Es sei alles völlig harmlos. Ich bilde mir etwas ein.
      Er hat es abgetan und weiter gemacht. Und weiterhin Alkohol konsumiert. In rauen Mengen. Ich habe weitaus weniger getrunken, aber sicherlich war ich nicht mehr fahrtauglich.

      Ich mag hier kurz mein Unvermögen erwähnen, dass ich ihm keinen Einhalt geboten habe, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Das ist eine Geschichte, die keinen BDSM Titel braucht und diese ist bestimmt bitter, aber nicht mein großes Thema in diesem Beitrag.

      Beim dritten Mal stelle ich ihn im Nebenraum der Küche in einem unbeobachteten Moment zur Rede. Er grinst mich an und beschwichtigt mich.
      Dann kommt die Szene, die mich sehr beschäftigt.

      Er: „Jetzt glaub mir doch, dass ich nur Dich will!“
      Ich: „Das sieht aber nicht so aus! Dann benimm Dich auch so und steig ihr nicht ständig nach!“
      Er: „Soll ich Dir den Hintern verhauen, dass Du wieder Vernunft annimmst? Damit Du es verstehst? Ich will nichts von ihr.“
      Ich grinse ihn nur an...“Och...“
      Er kommt auf mich zu, rafft mein Kleid nach oben und schlägt zu.
      Plötzlich kommt genau diese Freundin rein und sieht so halb, was wir tun.
      Wir stellen sofort alles ein und gehen peinlich berührt auseinander. Alle sind zu betrunken, um überhaupt etwas Ernsthaftes hervorzubringen.
      Es vergehen keine 5 Minuten und ich sehe, wie er mit dieser Freundin da steht und seine Hände unter ihr Shirt schiebt und sie fest an sich drückt und sich an ihr reibt.
      So viel dazu...er will nichts von ihr. ;(

      Mir wird nur schlecht...

      Ich fühle mich benutzt, betrogen und zutiefst gedemütigt.
      Unsere Beziehung ist in dieser Nacht vollkommen eskaliert.

      Im Nachgang wird aber mir aber Folgendes klar:

      Während ich mich zunächst noch in der Opferrolle sehe und ihn verantwortlich dafür mache, mich als Sub in einer solchen Situation zu adressieren, während ich mich da noch missbraucht und wahrlich gedemütigt fühle, kann ich das heute anders sehen.

      Ein BDSM Spiel braucht zu jedem Zeitpunkt eine Verantwortlichkeit durch alle Beteiligten für das gemeinsame Tun (nein, jeder kann betreiben, was er will, aber so möchte ich BDSM betreiben. Mit Verantwortung).
      Was bedeutet SSC in diesem Moment für mich? Habe ich da gut gehandelt?
      Safe: Nein, der Raum war frei zugänglich. Wir hätten enttarnt werden können und wurden es auch. Das war sozial für uns beide nicht gut und keine schöne Situation.
      Sane: Nein, ich war emotional vollkommen bedürftig. Fühlte mich vollkommen hilflos und gierte nach seiner Bestätigung. Als er sich zuwendet, nehme ich natürlich an. Das fühlte sich im ersten Moment gut an, aber die Rechnung habe ich bezahlt. Durch meine große Sehnsucht nach BDSM habe ich mich von einem Mann so schlecht behandeln lassen. Ich habe ihm erlaubt mich als Sub zu behandeln, wobei er mich schon den ganzen Abend auf meiner Party nicht gut behandelt hat. Letztlich stellt es eine tiefe Demütigung da, dass er mich dann auch noch entblößt und schlägt. Und diese Demütigung liegt nicht auf sexueller Ebene, sondern auf einer menschlichen.
      Dazu waren raue Mengen Alkohol bei ihm im Spiel. Er war gar nicht in der Lage das Spanking wohldosiert auszuführen. Ok, die Verletzungsgefahr ist dabei nun erstmal nicht ganz so groß, aber sicherlich auch darüber hinaus keine gute Option betrunken in dieses Spiel zu gehen. Und zu einem liebevollen Umgang mit mir war er ganz und gar nicht in der Lage.
      Consensual: Naja, das mag es vielleicht noch gewesen sein.

      Ich habe mich beklagt, dass er mich da als Sub adressiert hat, um mich klein zu machen. Um von seinem Angraben abzulenken und mich zu beschwichtigen. Ja, das mag auch alles sein.
      Aber letztlich bin ich ganz alleine verantwortlich, wem ich mich hingebe und wem nicht. Letztlich verantworte ich, mit wem ich mich einlasse und unter welchen Bedingungen. Und dieser Mann war an diesem Abend keine gute Wahl. Ich schäme mich dafür.
      Meine Gefühle haben mich dazu verleitet mich darauf einzulassen – es ist nicht viel an „Schaden“ entstanden. Zumindest rein körperlich. Aber es hat in der Seele verdammt weh getan und ich habe meine Lehren daraus gezogen.

      Ich glaube es ist ganz schwierig sich aus einer solchen Notsituation zu befreien und stets die Verantwortung für sich zu übernehmen. Ich lerne noch immer.

      Ich hoffe, dass ihr weniger schmerzhaft BDSM betreiben könnt. Und kann Euch nur ermutigen: Egal wo man steht, wie auch immer man geneigt ist, schützt Euch vor solchen Fallen. Es tut danach einfach nur weh.
      Ich schließe mich der Wertschätzung von @Ivv an und kann aus meiner Sicht als erfahrener Dom nur sagen, dass sich dieser Top unmöglich und verantwortungslos benommen hat! Zum einen auf der rein menschlichen Beziehungsebene ein absolutes NoGo, zum anderen durch klare Verletzung der SSC - Regeln!
      "Die üste hat die freie Wahl,
      wählt sie ein W, dann bleibt sie kahl,
      wählt sie ein K, dann wird sie nass,
      die freie Wahl macht keinen Spaß!" (Robert Gernhardt)
      ...wählt sie ein Br, macht sie MIR Spaß!!! (Carmantus) ;)

      Carmantus schrieb:

      Ich schließe mich der Wertschätzung von @Ivv an und kann aus meiner Sicht als erfahrener Dom nur sagen, dass sich dieser Top unmöglich und verantwortungslos benommen hat! Zum einen auf der rein menschlichen Beziehungsebene ein absolutes NoGo, zum anderen durch klare Verletzung der SSC - Regeln!
      Den "erfahrenen Dom" musst du bei mir streichen, aber den Rest unterschreibe ich SOFORT!

      Aber ich denke, du hast deine Lehren gezogen und den "Herrn" aus deinem Leben verbannt.
      Die Frauen kosten uns achtzig Prozent unserer Kraft, aber ohne Sie hätten wir gar keine.


      Dieter Noll, "Kippenberg"
      Liebe @Igraine

      es tut mir wahnsinnig Leid für dich und ich finde es sehr gut, dass du jetzt so offen darüber schreiben kannst.

      Allerdings entnehme ich auch deinen Zeilen, dass es dich ein Stück weit Reflektierter und Selbstbewusster gemacht hat. Nimm für dich das positive
      daraus mit.

      Ich denke und hoffe für dich, dass jeder seinen eigenen Weg geht.

      LG
      Schau mich doch in diesem Ton an........ :love:
      Vielen Dank für Euren Zuspruch und Eure positiven Worte. Das macht mir Mut, weil es mir doch nicht so leicht fiel meine Scham zu überwinden und darüber zu schreiben.

      Mir geht es weniger darum den Mann zur Anklage zur bringen als darum, was man selbst dazu beigetragen hat. Das Verhalten von ihm war unterste Schublade und ich bin sehr enttäuscht.

      Aber ich bin froh, dass ich gelernt habe, mich nicht hilflos auszuliefern, sondern mit Verantwortung über mich selbst zu herrschen. Und das war eine bittere Erfahrung. Es ermuntert mich, wachsamer zu sein, wenn es um BDSM geht und Beziehung vorsichtig zu gestalten. BDSM Elemente nicht leichtfertig einzusetzen. Und auch auf die eigene emotionale Stabilität zu achten.

      Corvina schrieb:

      Allerdings entnehme ich auch deinen Zeilen, dass es dich ein Stück weit Reflektierter und Selbstbewusster gemacht hat. Nimm für dich das positive
      daraus mit.
      @Corvina: Da hast Du Recht und ich glaube es musste eben so viel Zeit vergehen, um das Positive sehen zu können und dann das Thema mit ins Forum nehmen zu können.

      Ich kann nicht an den Fehlern der anderen arbeiten. Nur an meinen eigenen.

      Und letztlich möchte ich gerne zum kritischen Nachdenken nochmals anregen. Vielleicht gerät man als Anfängerin auch noch schneller in einen solchen Strudel von Gefühlen.
      Und vielleicht auch gerade dann, wenn man mit seiner Neigung hadert und irgendwie glaubt, dass Dom sich alles rausnehmen kann.

      Ich hoffe, dass allen anderen schmerzhafte Erfahrungen erspart bleiben, aber das ist wohl Wunschdenken.
      Liebe @Igraine,
      vielen Dank für deinen Bericht.
      Es tut mir sehr leid, dass du diese unschöne Erfahrung machen musstest! Es berührt mich, was du schreibst.
      Ich glaube, dich in deinen Gefühlen verstehen zu können.

      Ich möchte dir noch sagen, dass ich zwar verstehe, dass du dich schämst/ geschämt hast, ich persönlich aber finde, dass du dich nicht zu schämen brauchst. Ich finde deine Bedürftigkeit und Sehnsucht zutiefst menschlich und kann daher verstehen, dass du in besagter Situation deine Sub- Seite zugelassen hast- auch wenn dir das leider überhaupt nicht gut getan hat. Immerhin hat dich einiges mit diesem Mann verbunden, gemeinsame Erinnerungen usw.. Vielleicht fühlte sich auch "deine innere Sub" immer noch an diesen Mann gebunden, wollte gesehen werden...

      Wie dem auch sei, ich finde es toll, wie du dich im Nachhinein mit der Situation auseinander gesetzt hast!
      Und ich wünsche dir sehr, dass du zwar einerseits die Verantwortung für dich selbst und die vergangene Situation übernehmen kannst- wie du es ja bereits tust, dich aber auch mit deiner bedürftigen, sehnsüchtigen Seite annehmen und wertschätzen kannst.

      Ich wünsche dir sehr, dass du deine Scham immer mehr loslassen kannst- vielleicht hilft dir dabei auch, hier im Forum darüber geschrieben zu haben...
      "Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten. "
      Robert Browning

      Igraine schrieb:

      Vielen Dank für Euren Zuspruch und Eure positiven Worte. Das macht mir Mut, weil es mir doch nicht so leicht fiel meine Scham zu überwinden und darüber zu schreiben.
      Ich denke auch, dass du dich nicht schämen musst. Manchmal hilft es ja einfach, darüber zu schreiben, gerade, wenn man nicht darüber reden kann.

      Igraine schrieb:

      Mir geht es weniger darum den Mann zur Anklage zur bringen als darum, was man selbst dazu beigetragen hat. Das Verhalten von ihm war unterste Schublade und ich bin sehr enttäuscht.
      Das sein Benehmen unterste Schublade war, steht außer Frage.
      Und natürlich hast auch du dazu beigetragen, dass es dazu kommen konnte.
      Die Kombination von Sehnsucht, Eifersucht, Alkohol und Demütigung ist keine schöne.

      Wir alle lernen noch immer dazu, egal ob Anfänger oder nicht.
      Und wichtig ist doch tatsächlich, dass du aus einer negativen Situation auch etwas Positives mitnehmen konntest.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.
      Liebe @Igraine, vielen Dank für diesen Post. Ich habe ihn mehrmals gelesen und dachte bei mir: hoppala, so fix gerät man in eine Situation, in der man nach Brotkrumen greift... Auch wenn diese vergiftet oder zumindest schlecht bekömmlich sind.
      Du hast es beeindruckend selbstreflektierend beschrieben.

      Noch einmal Danke :blumen: Es ist für mich auch eine Warnung, dass man nicht den Respekt vor sich selbst verlieren sollte.