Selbstzweifel

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      Selbstzweifel

      Diesen Text habe ich eben wieder entdeckt.
      Es ist schon einige Jahre her, dass ich ihn geschrieben und als Blog auf der Hauptseite veröffentlicht habe...
      Ich konnte aber jede einzelne Zeile nich genau so fühlen wie damals...


      Viele Jahre konnte ich die devote Seite an mir selber überhaupt nicht akzeptieren – das war einfach nicht das Bild, dass meine überemanzipierte Mutter mir von Frauen, wie sie sein sollen, vermittelt hat.

      Ich hatte stark zu sein, mir nichts gefallen zu lassen und ich hatte früh gelernt, dass Abhängigkeit von anderen Menschen eine Schwäche ist...

      Und auch wenn ich sehr viel an mir gearbeitet und in den letzten Jahren viel begriffen habe, so spuken diese Gedanken doch manchmal noch in meinem Kopf herum und machen mir das Leben schwer.

      So habe ich mich jahrelang immer wieder mit Träumen und Wünschen herum geschlagen, die ich mir selber nicht gestattete; für die ich mich verachtet habe – und mich fragte, was denn mit mir nicht stimmt – warum konnte ich nicht einfach Erfüllung in normalem Sex finden...
      Ich schämte mich und sprach mit niemandem
      darüber, aus Angst als „nicht ganz richtig im Kopf“ abgestempelt zu werden; versuchte das Ganze als Spinnerei abzutun und verdrängte es.

      Vor ein paar Jahren hat ein sehr intensives Wochenende (von dem ich mit Sicherheit noch berichten werde) mir im nachhinein noch sehr zugesetzt – heute würde ich sagen, im positiven Sinne.
      Das alles beschäftigte mich so sehr, dass ich zwei Tage später meiner besten Freundin alles erzählte - nachdem sie etwas komisch schaute, als ich mich so umständlich auf den Stuhl in ihrer Küche setzte.
      Im Grunde hatte ich von ihr keine andere Reaktion erwartet...trotzdem war ich sehr erleichtert, als ich merkte, dass keine dummen Sprüche kamen oder etwa ein angewiderter Blick.
      Mich überkam eine große Erleichterung, als ich merkte, dass ich auch nach meinem Geständnis immer noch ihre Freundin bin, sie mich genauso lieb hat...auch darüber haben wir an diesem Abend viel gesprochen - wie auch über meine Gedanken, die so durcheinander waren.

      ich bin nicht normal...
      wenn ich mich doch nach Liebe und Zärtlichkeit sehnte, warum machte mich diese Art von Sex dann so an...?
      welches Kindheitserlebnis hat dazu geführt, dass ich so bin...?
      liegt es an der vielen Verantwortung, die ich schon sehr früh tragen musste, dass ich es so genieße, genau diese abzugeben – da hab ich doch mal was gelesen...?
      wenn ich den „Richtigen“ finde, wird das schon wieder aufhören...
      ich bin pervers...
      das ist nur eine Phase...
      halte ich meine Partner für schwach und möchte, dass sie mir so ihre Stärke zeigen...?
      wie weit wird das noch gehen...?
      kann ich jetzt nur noch so Sex haben...?
      was ist, wenn es keine Phase ist – wie sag ich es dem nächsten Mann...?
      damit werde ich nie eine glückliche Beziehung führen können – wie soll ich jemandenfinden, den ich liebe und der diese Vorliebe mit mir teilt...?

      Für einige dieser Fragen habe ich bis heute noch keine wirklich zufriedenstellende Antwort für mich gefunden – aber ich habe mich damit entspannt
      und bin fest davon überzeugt, dass ich mir die ein oder andere Frage im Laufe der Zeit beantworten werde.

      Komischerweise hatte und habe ich gar kein Problem damit, außergewöhnliche sexuelle Vorlieben bei anderen zu akzeptieren und mir keine Gedanken darüber zu machen – aber zu diesem Zeitpunkt fiel mir das bei mir selber doch ziemlich schwer – um nicht zu sagen, dass ich es trotz der positiven Erfahrung eigentlich immer noch so gar nicht akzeptieren konnte.
      In den letzten Monaten ist mir etwas sehr wichtiges klar geworden - ich bin gar nicht alleine auf dieser Welt mit meiner Neigung - viele devot veranlagte Frauen scheinen sich die gleichen Gedanken zu machen und Fragen zu stellen wie ich; zumindest zu Beginn.

      Und noch etwas war mir bisher nicht wirklich bewusst – auch die dominanten Männer, also die mit Intellekt und Gefühl, schlagen sich wohl zu Beginn mit einigen Selbstzweifeln, Gedanken und Fragen herum – ganz ähnlich den unseren.

      Wie gesagt - dieser Text hat schon einige Jahre auf dem Buckel.
      Für mich waren diese Gedanken aber so immens wichtig auf meinem Weg, dass ich sie gerne teilen möchte...
      Denn heute bin ich an einem Punkt, an dem ich vieles - vor allem mich - annehmen konnte, ohne mir jede einzelne Frage beantworten zu müssen...
      Dafür bin ich sehr dankbar.
      Einen schönen guten Morgen @Mondenkind75

      auch ich hab keine Antwort parat, aber es ist schön, dass es nicht nur mir mit diesen Gefühlen ähnlich geht. Natürlich hat jeder einen anderen Kink von dem er gefixt ist oder angesprochen wird. Aber auch ich hatte jahrelang das Gefühl "nicht normal" zu sein. Ich habe einige spezielle Kinks und fühlte mich eigentlich schlecht dies als Frau zu wollen. Mit meinen Freundinnen kann ich darüber nicht reden, die denken ich bin irre. Aber ich fühle mich mit meiner jetzigen Sexualität sehr wohl, kann endlich einiges ausleben.
      Trotzdem möchte ich offen sein für vieles, ich möchte gerne weiter meine devote Art ans Tageslicht befördern. Auch wenn das erste Erlebnis so einschneidend war und ich mich tatsächlich erst einmal frage, ob es das richtige für mich ist.

      Ich fühle mich aber trotzdem nach wie vor in meinen Gefühlen bestärkt. Warum sollte man nicht normal sein, nur weil man nicht den 0815 Sex an den für sich erfüllenden ansieht.

      Aber ja eines macht mir Angst, dass ein Partner eventuell Probleme hat mit mir klar zu kommen, gerade wenn man einen Menschen trifft, der nicht diese Dinge ausleben kann oder will.

      Schön diesen Text zu lesen, ich fühle mich nicht mehr so ganz alleine ...

      :blumen:
      Hallo @Mondenkind75, danke, dass du uns an deinen Gedanken teilhaben lässt! :blumen:
      Du bist ganz sicher nicht allein damit.
      Und auch all die Fragen, die du dir gestellt hast, kommen mir bekannt vor.

      Mondenkind75 schrieb:

      Ich hatte stark zu sein, mir nichts gefallen zu lassen und ich hatte früh gelernt, dass Abhängigkeit von anderen Menschen eine Schwäche ist...
      Ja, das kenne ich auch.
      Und für mich war es auch lange so, dass ich dachte, wenn ich mich öffne, mache ich mich verletzbar und davor hatte ich Angst.

      Mondenkind75 schrieb:

      Denn heute bin ich an einem Punkt, an dem ich vieles - vor allem mich - annehmen konnte, ohne mir jede einzelne Frage beantworten zu müssen...
      Dafür bin ich sehr dankbar.
      Und das ist doch eine schöne Quintessenz!
      Sich selbst annehmen zu können, ist ein großes Geschenk.
      Und es muss nicht auf jede Frage im Leben eine Antwort geben.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.
      Hallo @Mondenkind75
      vielen Dank für diesen Text.

      Ich als dominanter Mann, dem ich einen gewissen Intellekt und Gefühle zusprechen würde hatte am Anfang auch Selbstzweifel.
      Einmal in meinem Leben habe ich "normalen Sex" kennengelernt und es war die körperlich schmerzhafteste Erfahrung und psychisch eine sehr prägende.

      Danach habe ich BDSM kennengelernt und am Anfang dachte ich auch;
      Kann ich das? Einem Menschen den ich achte Schmerzen zufügen um einen Lustgewinn zu erzielen?
      Passt das zu meiner aufmerksamen Art und zu der Wichtigkeit, wie es meinem Gegenüber geht?
      Macht es mich zu einem anderen Menschen, wenn ich mich dem hingebe?
      Finde ich eine Partnerin, wenn es ins längerfristige geht?

      Damals sagte ein Freund von mir "Wenn es beiden gefällt und Lust bereitet ist so ziemlich alles in Ordnung".
      Ich habe es probiert und für mich eine sehr tiefe Erfüllung darin gefunden.
      Vielleicht hat geholfen, dass ich schon immer als nicht ganz normal galt.

      Heute muss ich sagen, es ist für mich Normalität geworden, es ist das, was mich kickt, wenn ich mich selbst ehrlich ausleben will, mal ab davon, was andere denken.
      Und ich habe viele Menschen mit den selben Fragen getroffen, die du dir auch stellst. Mit jedem war es anders, aber mit allen war es auf eine tiefe Art schön, da für ein paar Stunden ein Rahmen vorhanden war, wo man sich selbst mit allen Bedürfnissen ausleben konnte.

      Vieles im Leben ist eine Entscheidung, die sich auswirkt, mitunter auf das ganze Leben.
      Mir einzugestehen, wer ich bin und auch was meine Vorlieben sind und offen damit zu sein wer ich bin (gut diese Öffentlichkeit muss nicht für jeden gut sein), war die ehrlichste und beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe.
      Sie geht nicht nur in den BDSM Bereich sonders aufs ganze Leben, ich lebe mich aus, wie ich bin, nicht wie die Erziehung mich formte oder die Gesellschaft es verlangt.
      Klar stoße ich damit auch gegen Mauern, aber für mich selber ist es das befreienste gewesen es so zu entscheiden und umzusetzen.

      Manche Antworten die der Kopf vorher verzweifelt sucht, braucht der Körper in der Realität nicht mehr, um zu spüren, dass es der richtige Weg ist.

      Ich wünsche dir weiterhin das Beste.

      Mondenkind75 schrieb:

      ich bin nicht normal...
      wenn ich mich doch nach Liebe und Zärtlichkeit sehnte, warum machte mich diese Art von Sex dann so an...?
      welches Kindheitserlebnis hat dazu geführt, dass ich so bin...?
      liegt es an der vielen Verantwortung, die ich schon sehr früh tragen musste, dass ich es so genieße, genau diese abzugeben – da hab ich doch mal was gelesen...?
      wenn ich den „Richtigen“ finde, wird das schon wieder aufhören...
      ich bin pervers...
      das ist nur eine Phase...
      halte ich meine Partner für schwach und möchte, dass sie mir so ihre Stärke zeigen...?
      wie weit wird das noch gehen...?
      kann ich jetzt nur noch so Sex haben...?
      was ist, wenn es keine Phase ist – wie sag ich es dem nächsten Mann...?
      damit werde ich nie eine glückliche Beziehung führen können – wie soll ich jemandenfinden, den ich liebe und der diese Vorliebe mit mir teil
      Hallo @Mondenkind75,

      du schreibst, der Text sei zehn Jahre alt.

      Dem möchte ich widersprechen.

      Mag sein dass du den Text vor zehn Jahren geschrieben hast,

      aber er ist auf jedem Fall topaktuell.

      Danke das wir an deinen Gedanken teilhaben durften. :blumen:
      Die Frauen kosten uns achtzig Prozent unserer Kraft, aber ohne Sie hätten wir gar keine.


      Dieter Noll, "Kippenberg"
      WOOOOW...
      Vielen Dank für euer Feedback - ich bin gerade sehr berührt...
      :love:
      Gestern Abend habe ich diesen Text einem guten Freund vorgelesen und hatte danach das ganz dringende Bedürfnis, ihn mit euch zu teilen.

      Während ich diese Worte vorlas, konnte ich mich an jedes Gefühl...an jede Frage...an die Unsicherheit und Zweifel erinnern, als ob es gestern gewesen wäre.

      Ich freue mich sehr, wenn meine Worte vielleicht so etwas wie eine kleine Heilung schaffen, weil wir uns dann alle nicht mehr so :pillepalle: fühlen - egal ob wir uns an diese Phase nur noch erinnern oder uns gerade mitten in ihr befinden.