Autismus & BDSM

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      Autismus & BDSM

      Hallo :)!

      Ich bin Autist und BDSMler.
      Das ich BDSMler bin konnte ich immer sehr frei mit mir durchs Leben tragen. Das wurde akzeptiert und unter Gleichgesinnten war es vollkommen in Ordnung, darüber offen zu sprechen - auch und gerade hier.
      Beim Thema Autismus sieht das schon anders aus. Wenn ich sage, dass ich Autist bin, brechen 90% der Menschen instant den Kontakt ab.

      Da ich mittlerweile jedoch eine Biografie im Knaur Verlag veröffentlicht habe, die BDSM und Autismus bei mir thematisiert und es durch eine simple Google-Suche auch mit wenigen Informationen herauszufinden ist.. Und ich zudem keine Lust mehr habe mich in irgendeiner Weise zu verstecken, habe ich mich jetzt dazu entschiedenen über das Thema hier zu bloggen.
      Persönlich habe ich bereits einen Blog, der diese Themen auch behandelt, allerdings auch alles andere in meinem Leben. Deshalb möchte ich hier größtenteils über meine Erfahrungen mit BDSM als Autist berichten und vielleicht auch etwas aufklären, Fragen beantworten oder dergleichen.

      Im Vorfelde sei gesagt, auch Autisten sind individuelle Menschen. Was auf mich also zutrifft, mag für andere Autisten anders sein. Ich erzähle daher von meinen Erfahrungen, meiner Perspektive und meiner Welt.


      Autismus - Keine Gefühle, seltsames Verhalten, keine Empathie.. oder?


      Es gibt viele Mythen, die sich um Autismus ranken. Viele dubiose Darstellungen durch Film- und Fernsehen. Viel öffentliche Meinungen und Berichte, die erstaunlich selten von Autisten selbst kommen.
      Durch meine Biografie, meine berufliche Arbeit mit Autismus, mein eigenes Leben und meine Erfahrungen im BDSM Bereich, die immerhin 2008 in Hamburger BDSM Clubs begonnen haben, kann ich sagen, dass die Annahmen über Autismus mit der Realität oft wenig gemeinsam haben.
      Das will ich aber niemandem, der nicht direkt verantwortlich ist für die Misskommunikation in dem Bereich zur Last legen oder zum Vorwurf machen.
      Zumal Vorwürfe nur 2 Seiten erschaffen und zu keiner Lösung und oftmals nicht mal zu einem Fortschritt führen.

      Viel besser ist es meiner Meinung nach, wenn ich meine Perspektive auf die Welt oder eben auf BDSM darlege und erzähle, wie die Vorurteile in meiner Lebens-Realität aussehen, sich darstellen und auswirken.
      Dann kann jeder für sich entscheiden, ob diese andere Perspektive ihn weiter bringt, oder eben nicht.

      Um die Überschrift kurz mit in den Abschnitt einzubeziehen: Ich habe Gefühle, mein Verhalten ist nicht seltsam - wenn ich die Denkstruktur dahinter erkläre und empahisch bin ich absolut.




      Autismus

      Autismus-Spektrum-Störung ist der mittlerweile der Überbegriff für alle "Arten" von Autismus, die früher sehr klar getrennt wurden.
      Mit der Zeit setzte sich jedoch durch, dass wir auch individuelle Menschen sind und sich der Autismus bei jedem Menschen anders gestaltet und zeigt, so das eine harte-kategorische Abgrenzung nicht möglich ist und vorallem nicht der Realität entspricht. Also geht man nun von einem Spektrum aus in denen es viele verschiedene Ausprägungen gibt.

      Ich bin spätdiagnostiziert. Das bedeutet ich wurde erst 2016 mit Autismus diagnostiziert und bis dahin wurde munter durch Ärzte und Therapeuten über 16 Jahre an mir rum diagnostiziert und mit Medikamenten rumprobiert, bis ich die Schnauze voll hatte, alles abgebrochen habe und mich mit Persönlichkeitsentwicklung weiterentwickelt habe. Die Diagnose kam dann durch einen Zufall und war mir im Endeffekt dann auch zu dem Zeitpunkt nicht mehr so wichtig, hat aber auf der anderen Seite viel erklärt und es mir erlaubt mich damit auseinander zu setzen.

      Durch ein körperliches Emotions-Training konnte ich zusätzlich die Bereiche, die mir schwer fielen hinter mir lassen. Zusammen mit den Stärken, die ich durch den Autismus habe, konnte ich sogar eine Feinheit im Bereich der Emotionen, Emphatie, Gefühle und des "Lebens ohne Masken" erarbeiten, die sich im Leben, aber vor allem auch im BDSM deutlich positiv bemerkbar macht.

      Das heißt ich habe 0 Probleme damit Autist zu sein und finde es sogar ziemlich gut, das, was mich trifft oder oft dann traurig macht, ist die Reaktion darauf, die auf Vorurteilen beruht, die meiner Realität nicht ensprechen.


      BDSM relevante Aspekte

      Bei meinem BDSM gibt es ein paar durch den Autismus bedingte oder verstärkte Aspekte, die mir sehr zugute kommen - und damit auch meinen (Spiel)Partnerinnen.

      Ich..

      • gebe mich nicht als jemand aus der ich nicht bin - ich kann es einfach nicht, selbst wenn ich wollte. Das heißt: ich bin beruflich, privat, im BDSM immer der selbe Mensch. In den unterschiedlichen Bereichen kommen höchstens unterschiedliche Teile meiner Persönlichkeit anders gewichtet zum tragen.
      • bin ein sehr aufmerksamer Mensch - ich habe seit jeher viel wahrgenommen, früher, als der Zugang zum Körper noch nicht so ausgeprägt trainiert war, habe ich alles über den Verstand und das Beobachten verarbeitet. Mimik, Gestik, all das, was mir selbst damals noch schwer fiel hat mich bei anderen Menschen umso mehr fasziniert. Mittlerweile ist der Zugang zum Körper da und ich nehme noch mehr wahr.
      • denke in erster Linie logisch und nicht geprägt durch Erziehung, Glaube oder Gesellschaft - Wenns beiden Lust bereitet, go for it.
      • habe ein extrem gutes Gedächtnis - oh, da gibs so viele Einsatzmöglichkeiten :evil:
      • setze mich mit Themen umfassend und in allen Aspekten auseinander - BDSM am Anfang: Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit, dann kam Lust & Leidenschaft
      • öffne mich Menschen immer wieder, ohne alte Erfahrungen auf neue Menschen zu projezieren
      • bin ein Mensch, bei dem es anderen Menschen sehr leicht fällt ihre natürliche Person zu zeigen und sich fallen zu lassen - keine Ahnung warum genau, vielleicht, weil ich es selbst immer mache und es deshalb in meiner Gegenwart keinen Grund gibt es nicht zu tun
      • habe eine sehr bildliche Fantasie - Zusammen mit fast 12 Jahren Erfahrungen und dem Gedächtnis, kann ich Situationen sehr bildhaft beschreiben und kombinieren, was durch mein Talent Dinge zu beschreiben nicht nur bei mir zu quälendem Kopfkino führt
      • Seit dem Training der Emotions-Methode und der Arbeit damit, habe ich keine Probleme mehr mit nonverbaler oder paraverbaler Kommunikation - im Gegenteil, durch die hohe Aufmerksamkeit und Wahrnehmung ist es sogar so, dass es immer ein Safeword gibt, ich aber noch nie eins gehört habe, weil ich spüre und wahrnehme, was in dem Körper vor mir vor sich geht



      Wie kam ich zum BDSM?


      Zum BDSM kam ich ursprünglich durch eine Freundin. Das war komplett ungeplant und ggf. auch etwas lustig. Ich war mit einer anderen Freundin auf einer "normalen" Party auf der Reeperbahn in Hamburg. Es war laut, die Musik war eine Bestrafung, das verhalten mild ausgedrückt frauenverachtend und asozial - und ich mit meiner gesteigerten Wahrnehmung stand drin und wollte eigentlich nur weg.
      Dort stellte mir die eine Freundin dann die andere vor.
      Diese sah mich, komplett in Schwarz gekleidet und dachte sich: Hey cool, jemand aus der Gothic Szene. (Dazu sei angemerkt, ich trage Schwarz sehr gerne, weil es für meine Wahrnehmung die ruhigste Farbe ist, die mir zudem sehr gefällt).

      Von der Gothic Szene hatte ich vorher nie was gehört, ging dann aber mit auf eine derartige Party, weil ich dachte, vielleicht passt das ja zu mir und ich weiß es nur noch nicht. - Tatsächlich, es war ruhiger und auf eine schöne Art freundlicher, was mir gut gefiel.


      Und nach der Gothik Party kam dann die BDSM Party, weil sie dachte, da bin ich sicher auch mit vertraut.

      Meine erste Gothic Party war in etwa so:
      Die Tür geht auf, mein Blick fällt auf die Bar, wo gerade eine Frau einen handmade Höhepunkt erlebt. Was mich, den Pastoren-Enkel und das Lehrerkind blinzeln ließ.
      Weiter ging es zu Freunden der Freundin die mich alle sehr herzlich begrüßten und sofort freundlich aufnahmen, als gehörte ich schon immer dazu.
      Der erste, den sie mir vorstellte, gab mir die Hand, verbeugte sich, während die andere Hand sich noch zwischen den Schenkeln einer Dame befand. Ich wusste damals nicht ganz wie ich das einordnen sollte, fand die Begrüßung allerdings ehrlich und freundlich und ich war ja eh neu und hatte von nichts eine Ahnung.
      So ging der Abend weiter, mit vielen Erlebnissen, von Damen die sich selbstverständlich nackt neben mich setzen und eine Konversation begannen bis hin zu vielem was ich sah und was mir über die Neugier heraus gefiel.

      Ich habe vorher tatsächlich erst eine Erfahrung im sexuellen Bereich gemacht, die mich dazu bewegte, nie wieder eine machen zu wollen. Stichworte: Viel zu enge Kondome + sehr langer GV + erstes Mal + die Annahme, dass das Sex ist.

      Dieser Abend im Club hat ein paar Tage gebraucht bis ich ihn verdaut hatte.
      Aber ebenso hat er mein Interesse geweckt und ich habe Lust gespürt und vieles, was ich dachte nicht mehr spüren zu wollen nach meiner tollen Vanilla Erfahrung.
      An diesem Abend bin ich Menschen begegnet, die sich fallenlassen !wollen! Sie wollten die Version von sich kennenlernen und ausleben, die ohne all die Alltags Masken und die Verantwortung und den gesellschaftlichen Druck da wäre und noch vieles mehr. Quasi das, was ich mittlerweile jeden Tag erlebe und was ich gar nicht anders kann - Zumal ich immer schon auf die eine oder andere Art außerhalb der "Mehrheits-Gesellschaft" stand.(Keine Pauschalisierung, ich spreche nur von denen, die ich kennengelernt habe und die sich diesbezüglich mit mir ausgetauscht haben)
      Und ich habe zum ersten Mal Lust und Leidenschaft bei mir selbst gespürt, als ich in diesem Umfeld war.

      Also habe ich mich informiert, informiert und informiert und mich dann ausprobiert - mit einer ehemaligen Klassenkameradin, was recht cool war bis es dass irgendwann nicht mehr war, aus Gründen.



      Was bedeutet BDSM für mich?


      Eine Menge. Mittlerweile gehört es so fest zu meiner Sexualität, wie die Dominanz zu meinem Wesen.
      Damals bedeutete es für mich "sein" zu können, ohne verstoßen zu werden - ich wusste ja noch nicht, dass ich Autist bin.

      Klassische Situation: ich sitze beim Friseur und merke es geht der Friseurin nicht gut. Wenn ich frage, wird sie wahrscheinlich wie die meisten Menschen die Höflichkeit der Ehrlichkeit vorziehen und sagen, es sei alles in Ordnung. Ja ich weiß, man erzählt auch nicht jedem Menschen wie es einem geht - auch wenn ich denke, dass wir uns auf der Ebene viel gutes tun könnten. Früher wusste ich das noch nicht.
      Früher habe ich gespürt wie es jemandem geht, es angesprochen und als Rückmeldung bekommen, dass alles super sei. Daraus zog ich den Schluss, dass etwas mit meiner Wahrnehmung nicht stimmt.

      So ging das andauernd, ich hatte immer das Gefühl falsch zu sein. Das wurde mir von allen Seiten reflektiert.

      Außer an diesem Abend und allem was daraus folgte, da hatte ich das Gefühl richtig zu sein und richtig sein zu dürfen.
      Mit zunehmenden Erfahrungen wurde ich immer selbstsicherer.
      Plötzlich war meine Offenheit, meine Art "ohne Masken" durch die Welt zu gehen und meine positive direkte und ehrliche Kommunikation viel weniger ein Makel, sondern ein Zugewinn, etwas, dass gewollt war.
      Meine Ruhe und Souveränität gaben Sicherheit und die technische Sicherheit dessen was ich tat, wurde mit Vertrauen und Hingabe belohnt.
      Natürlich nicht ausschließlich, aber überwiegend und das war mehr, als ich jemals erlebt hatte und für mich bis dahin undenkbar.
      Hinzu kam die Sexualität, die in der Szene in einer viel größeren Tiefe ausgelebt werden konnte. Mit den Menschen ging es vordergründig nicht um Triebbefriedigung, sondern um das gemeinsame Erleben und Entdecken der eigenen und der Lust & Leidenschaft des Partners.

      Ich hatte massiv weniger das Gefühl nicht hineinzupassen, sondern war mit Allem was mich ausmachte, dort genau richtig und konnte meine Partnerinnen dabei unterstützen, diesem Zustand näher zu kommen, sich fallenzulassen und sich anders kennenzulernen.
      Natürlich, wenn es ums Fallenlassen und um BDSM im Allgemeinen geht, gibt es verschiedene Wege die dorthin führen und die so individuell sind, wie die Menschen, die sie gehen – wie überall sonst im Leben auch.


      Hinzu kam die Sexualität

      In den ersten Jahren hatte ich kaum Sex im Sinne von GV. Von meiner Erfahrung so gezeichnet, zog ich Lust und Befriedigung daraus, dass meine Partnerinnen durch mich und dadurch mit mir Lust, Leidenschaft und Befriedigung - oft auf eine neue Art erlebten.
      Ich fand Gefallen daran, die weibliche Sexualität zu entdecken. Die Verbindung von Kopf und Körper. Die Orgasmusfähigkeit, alleine die diversen unterschiedlichen Arten von Befriedigung und Orgasmen, zusammen mit den vielen Wegen diese zu erreichen waren ein unglaublich schönes (natürlich auch sehr geiles) Gebiet, welches ich gerne erkundet habe und es bis heute tue. Von Mensch zu Mensch unterschiedlich gibt es immer neue Erfahrungen und es wird niemals langweilig.
      Meine Aufmerksamkeit, mein Beobachten und meine Wahrnehmung halfen mir dabei dies stetig zu verfeinern. Vorurteilsfrei heranzugehen half mir ebenso beim Erkunden dieser neuen Welt.

      Und was ein Mensch von sich zeigt, wenn er einen Orgasmus bekommen und diesen im richtigen Rahmen durch wenig bis nichts gehindert erleben kann, ist für mich einer der schönsten Momente, die ich gemeinsam mit ihm erleben darf.


      Mit Mitte 20 wurde dann ein gravierender Testosteron Mangel bei mir festgestellt, bei dessen Feststellung mir der Arzt auch sagte, warum mein erstes Mal so beschissen war und das zu enge Kondome und ein 3 stündiger Schmerz, gepaart mit zu wenig Testosteron für viele Männer ne blöde Erfahrung wäre.
      Ich bekam ab dann Testosteron und auch passende Kondome.

      Danach erlebte ich zum ersten Mal, was ein Sexualtrieb ist. Und Sex war auf einmal richtig toll. Gut, Testosteron und Tabletten sind jetzt nicht dolle aber, die Krankenkasse übernimmt zumindest das Testosteron und die blauen Pillen brauch ich dadurch eigentlich auch nicht mehr so wirklich.

      Alles, was ich die 8 Jahre zuvor erlebt habe ohne GV zu haben blieb trotz des Triebes erhalten, wurde quasi um eine sehr schöne Ebene ergänzt.


      In der Zeit danach lernte ich selbst auch jemanden kennen, der jungfräulich war. Und ich habe mir geschworen, dass diese Person sich immer gut an ihr erstes Mal erinnern wird, alleine wegen meiner eigenen Erfahrungen und dies habe ich denke ich auf jeden Fall erreicht.

      Dann kam meine Emotions-Entwicklung dazu und alles wurde nochmal eine Ebene tiefer.


      BDSM von der anderen Seite

      Ich bin mit BDSM in meine Sexualität gestartet und es war für mich bald so normal, wie es für andere Menschen normal ist, Vanilla Sex zu haben.
      Die Gedanken, die einen am Anfang beschäftigen kenne ich natürlich auch von mir selbst.
      Und mittlerweile auch die Unsicherheiten, dass was etwas vollkommen neues zu Erleben auslösen kann - auch an unbewussten Abwehr-Reaktionen.

      Für mich bin ich froh, dass sich meine Sexualität so entwickelt hat und es ist schön, diese Tiefe mit anderen zu Erleben, an andere weiter zu geben oder auch mit verschiedenen Menschen völlig anders und neu zu entdecken.
      Teilweise weiß ich nicht mal, ob ich BDSMler bin. Es ist einfach meine Sexualität. Zu führen, also die Dominanz ein Wesenszug, der sich damit sehr natürlich entwickelt hat. Ich habe etwas, das in mir war, sich einfach frei entwickeln lassen. Es gehört untrennbar zu meiner Person und zu meinem Leben. Mh. Ist im Prinzip aber auch nicht wichtig, wie ich es tituliere.



      Fazit

      Ja, ich bin Autist und ich lebe BDSM.
      Ich für mich habe das Gefühl, dass die Wesenszüge die durch den Autismus kommen oder verstärkt werden mich im BDSM eher unterstützen, voran bringen und deutliche Pro´s sind. Auch für meine (Spiel)Partnerinnen.
      Auch wenn ich manchmal anders denke und meine Gespräche oftmals wenig Smalltalk und Oberflächliches enthalten, finde ich daran nichts, was verwerflich wäre. Ich habe genug Menschen auf der Basis kennengelernt und wenn sich dann nachdem etwas schön begonnen hat, Dinge ändern, nur weil ich sage, dass ich Autist bin, habe ich das Gefühl, das hat jetzt nicht wirklich etwas mit mir zu tun.

      Allerdings muss ich sagen, dass es vermehrt Menschen gibt, denen es scheiß egal ist, ob ich Autist bin oder nicht und das ist für mich eine positive Entwicklung.
      Zumal, mit einer Biografie in einem großen Verlag, meiner Arbeit beruflich damit etc. etc. kanns ichs eh nicht lange verstecken.

      Aber ich kann darüber (ggf. auch etwas aufklärend) schreiben und vielleicht ist die Information ja interessant.

      Falls ihr Fragen habt auf Autismus und BDSM bezogen, immer heraus damit. Ich schreibe gerne noch weitere Beiträge.

      Herzliche Grüße!
      Vielen Dank für diesen Einblick! :)

      Die ein oder andere Sache die du was Gefühle angeht beschreibst kann ich sehr gut nachvollziehen (auch wenn die Gründe dafür bei mir nicht von Autismus herrühren).

      Dank Onkel Google habe ich dein Buch gefunden und falls der Geldbeutel mal wieder stimmt werde ich es mir wohl zulegen. :)
      "It often seems to me that the night is much more alive and richly coloured than the day."
      - Vincent van Gogh
      Vielen Dank für deinen Beitrag und den Einblick in dein Leben, @SirElijah!

      Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich las, dass viele Menschen den Kontakt abbrechen, wenn sie erfahren, dass du Autist bist.
      Es ist ja ein sehr komplexes Thema und hat offensichtlich noch ein hohes Aufklärungspotential.

      Das du das nicht nur hier, sondern auch öffentlich kommunizierst, finde ich toll.

      Auch mein Wissen ist eher begrenzt, ich kenne "nur" 2 Menschen mit Asperger-Syndrom.

      Ich würde mich über weitere Beiträge von dir sehr freuen.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.
      Danke, @SirElijah für diesen Einblick und deine ehrlichen Worte. Tiefe Wahrnehmung kann für die Umwelt sehr verstörend sein, das habe ich auch bereits häufiger erleben müssen. Ich finde es bewundernswert, wie offen und vor allem konstruktiv du mit den Herausforderungen deines Autismus umgehst. Danke, dass du uns teilhaben lässt.
      "Ama et fac quod vis!" Augustinus

      Wenn jemand zu dir sagt, das geht nicht,
      dann sind das seine Grenzen - nicht deine.
      Vielen Dank für den Einblick, den Du uns gewährst.

      Wie schön zu lesen, dass da jemand ist, der seine aufgrund des Autismusspektrums besonderen Fähigkeiten so positiv für sich angenommen hat, ein glückliches und vor allem emotional erfülltes Leben führt.

      Deine Zeilen lese ich als Bestätigung für meine Hoffnung, dass ein Mitglied meiner Familie ganz reelle Chancen hat, auch sein Leben irgendwann so zu gestalten.

      Ebenfalls spät diagnostiziert war es trotz jahrelangen Ärztemarathons komplett durch das System gefallen.

      Die Ablehnung von Anderssein, massives Mobbing aufgrund der mangelnden Bereitschaft, jemand einfach zu sehen und anzunehmen ist mir von daher wohlbekannt.

      Dabei bietet diese andere Form der Reizverarbeitung, so wie Du es auch beschrieben hast, viele kostbare Geschenke.

      Interessant finde ich die Beschreibung Deiner Emotionalität.

      Auch ich empfinde dieses Mitglied der Familie als sehr einfühlsam, empathisch, hilfsbereit, sozial, gerecht, rein, unverfälscht... nur dass es ihr zur jetzigen Zeit der Entwicklung noch sehr schwer fällt, diese durchweg wunderbaren Eigenschaften mit ihrer Person zu verknüpfen...

      Aufgrund der vielen negativen Erfahrungen ist der Selbstwert in vielen Bereichen mit dem Gefühl von "Nicht-Richtigsein" verknüpft, deshalb werden diese positiven Charaktereigenschaften auf, "ich habe gelernt, wie ich mich zu verhalten habe", reduziert.

      Das Familienmitglied arbeitet an seiner Selbstwahrnehmung, ich bin zuversichtlich.

      Dein Bericht bestärkt mich.

      Danke :blumen:
      Danke für die vielen Rückmeldungen.
      Wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich darauf noch mehr ein.
      Für diejenigen, die das interessiert: Der Buchtitel lautet: Ein Tor zu eurer Welt - Wie ich als Autist meine Gefühle lieben lernte

      topaz schrieb:

      Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich las, dass viele Menschen den Kontakt abbrechen, wenn sie erfahren, dass du Autist bist.
      Es ist ja ein sehr komplexes Thema und hat offensichtlich noch ein hohes Aufklärungspotential.

      Das du das nicht nur hier, sondern auch öffentlich kommunizierst, finde ich toll.
      Ja, mich macht das auch immer etwas betroffen und ich kann jeden Autisten verstehen, der sich nicht outen will. Ich habe das Glück, dass ich ein Privat- und Arbeitsumfeld habe, welches mich als normalen Menschen sieht und die dem Autismus nur positives abgewinnen können.

      Phedre schrieb:

      Tiefe Wahrnehmung kann für die Umwelt sehr verstörend sein, das habe ich auch bereits häufiger erleben müssen.
      Absolut. Alleine ehrliche Aufmerksamkeit ist für die meisten schon sehr verstörend.

      Sternenglanz schrieb:

      Auch ich empfinde dieses Mitglied der Familie als sehr einfühlsam, empathisch, hilfsbereit, sozial, gerecht, rein, unverfälscht... nur dass es ihr zur jetzigen Zeit der Entwicklung noch sehr schwer fällt, diese durchweg wunderbaren Eigenschaften mit ihrer Person zu verknüpfen...
      Verständlich. Man bekommt viel negatives Feedback und ich für mich habe es auch wegen eines Umfeldes geschafft, welches mir diese Stärken immer wieder reflektiert hat.
      Und ich habe ein Umfeld gefunden oder auch aufgebaut, wo ich das einsetzen kann. Und auf der Arbeit unterstützen wir auch täglich Autisten.
      Das für sich richtige Umfeld zu finden, ist sehr wertvoll.

      Sternenglanz schrieb:

      Aufgrund der vielen negativen Erfahrungen ist der Selbstwert in vielen Bereichen mit dem Gefühl von "Nicht-Richtigsein" verknüpft, deshalb werden diese positiven Charaktereigenschaften auf, "ich habe gelernt, wie ich mich zu verhalten habe", reduziert.
      Total. Man muss sich teilweise anpassen oder so tun als ob, diese ständige Negative Sichtweise anderer Personen macht ja auch etwas mit einem.
      Wenn man dann irgendwann trennen kann, was ist Verhalten was zu dem natürlichen Charakter gehört und was wurde gelernt und antrainiert um irgendwie mit der Welt zurecht zu kommen, bringt einen das sehr weit.
      Ich verstelle mich mittlerweile gar nicht mehr und muss das auch nicht, weil es im festen Umfeld - privat und beruflich - vollkommen akzeptiert und geschätzt wird. Und alles darüber hinaus läuft so, dass, wenn DAS ein wirkliches Problem ist, dann passt der Mensch nicht zu mir und hat in meinem Umfeld/Leben auch nichts verloren.

      Und ich denke es ist absolut möglich diesen Weg zu gehen und auch positiv etwas zu verbessern.
      In meinen Augen bin ich ja niemand besonderes. Ich habe, bzw. hatte mitunter die schlechtesten Vorraussetzungen, ein Grund mehr, warum es andere auch schaffen können.

      Viel Glück für dein Familien-Mitglied. Wenn du da was brauchst, frag gern.

      SirElijah schrieb:

      Total. Man muss sich anpassen oder so tun als ob, diese ständige Negative Sichtweise anderer Personen macht ja auch etwas mit einem.
      Wenn man dann irgendwann trennen kann, was ist Verhalten was zu dem natürlichen Charakter gehört und was wurde gelernt und antrainiert um irgendwie mit der Welt zurecht zu kommen, bringt einen das sehr weit.
      Ich kenne das durch meine eigene Diagnose.
      Ich empfinde es nach wie vor als eine Gratwanderung.

      Und ja, letztendlich geht es darum, in dieser Welt zurecht zu kommen und eben auch akzeptiert zu werden.
      Liebe dich selbst, nimm dich selbst am wichtigsten.

      SirElijah schrieb:

      Absolut. Alleine ehrliche Aufmerksamkeit ist für die meisten schon sehr verstörend.
      Ja, weil sie diese nicht als solche erkennen. Die ehrliche Frage nach dem Wohlbefinden allein löst schon Abwehr aus. Genauso verstörend finde ich es, wenn meine ehrliche Antwort auf die Frage Kopfschütteln auslöst. :pardon:

      Fragt mich bitte nicht, wenn ihr nicht wirklich an einer Antwort interessiert seid....

      Eine Bekannte da Mal: "Mit dir gehen die Gespräche immer gleich so tief. Das ist anstrengend!"
      Ich war verletzt und ehrlich betroffen und habe lange Zeit gebraucht, um zu erkennen, dass es einfach ihre Grenzen waren.
      "Ama et fac quod vis!" Augustinus

      Wenn jemand zu dir sagt, das geht nicht,
      dann sind das seine Grenzen - nicht deine.

      Sternenglanz schrieb:

      Grenzen...eine spannende Thematik...

      Wie gut bist Du in der Lage, die Grenzen Deines Gegenübers zu spüren und zu wahren? Wie ist Dein Umgang damit, @SirElijah?
      hat er doch sehr schön im ET beschrieben:

      Seit dem Training der Emotions-Methode und der Arbeit damit, habe ich keine Probleme mehr mit nonverbaler oder paraverbaler Kommunikation - im Gegenteil, durch die hohe Aufmerksamkeit und Wahrnehmung ist es sogar so, dass es immer ein Safeword gibt, ich aber noch nie eins gehört habe, weil ich spüre und wahrnehme, was in dem Körper vor mir vor sich geht
      @SirElijah

      Ein sehr interessanter Beitrag, danke für diese Offenheit und deiner Darstellung zum Bezug zu Bdsm.
      Du hast ja schon einiges durchgemacht um dein Bdsm, deine Sexualität in Einklang zu bekommen, daher freue ich mich darüber, so viel positives zu lesen nach langer Odyssee.
      Chapeau, dass du das so konsequent durchgezogen hast..

      Was ein Autist betrifft, so kann ich aus Erfahrung sagen, das diese Menschen sehr einfühlsam sind und sich auch Personen gegenüber auf eine besondere Weise öffnen, wenn man es zulässt.
      In meiner Arbeit in Werkstätten für seelisch kranke Menschen hatte ich auch Kontakt mit Autisten und war immer wieder überrascht, wie sensibel und emphatisch sie sind, wie akribisch sie analysieren, ihr Leben meistern und auch wie sie mich aufgenommen haben und wie wir miteinander umgegangen sind.
      Ich kann nur sagen, es war eine Bereicherung in meinem Leben.

      Es gibt natürlich verschiedene Arten und Schwere des Autismus und jeder hat seine eigene Art Bindungen aufzubauen. Wie du schon sagst, es gibt die Vorurteile durch Unwissenheit, was ich sehr schade finde.

      Man muss sich damit befassen und sich darauf einlassen und weshalb sollte Bdsm nicht funktionieren, wenn du in der Lage bist, dein Gegenüber zu spüren und in beidseitigem Einvernehmen dein Bdsm lebst.

      Ich wünsche dir noch viele schöne neue Erkenntnisse/Erfahrungen für die Zukunft.






      @Evey,

      Ich habe den Text tatsächlich genau gelesen, trotzdem habe ich praxisbezogen Fragen...

      In meinem Umfeld erlebe ich zwei Dinge gleichzeitig...

      Auf der einen Seite die große Empathiefähigkeit, auf der anderen Seite aber auch, dass Menschen die unschuldige sehr offene, direkte Kommunikation als grenzüberschreitend empfinden können.

      @SirElijah hat herausgestellt, wie wichtig es sei, sich das richtige Umfeld zu suchen, in dem beide Eigenschaften geschätzt werden.

      Und auch, dass es für ihn möglich geworden ist, sich bei den Menschen, die nicht passend sind, abzugrenzen...also auch seine Grenzen zu wahren, um sich selbst auch weiter treu bleiben zu können.

      In meinem Umfeld funktioniert dieser Filter noch nicht so, von daher meine Frage, wie er den Umgang damit gefunden hat und wie es ihm gelingt...empfinde ich es aus meiner Aussensicht doch auch ein Stück weit als einen Spagat...

      Sternenglanz schrieb:

      Auf der einen Seite die große Empathiefähigkeit, auf der anderen Seite aber auch, dass Menschen die unschuldige sehr offene, direkte Kommunikation als grenzüberschreitend empfinden können.

      @SirElijah hat herausgestellt, wie wichtig es sei, sich das richtige Umfeld zu suchen, in dem beide Eigenschaften geschätzt werden.

      Und auch, dass es für ihn möglich geworden ist, sich bei den Menschen, die nicht passend sind, abzugrenzen...also auch seine Grenzen zu wahren, um sich selbst auch weiter treu bleiben zu können.

      In meinem Umfeld funktioniert dieser Filter noch nicht so, von daher meine Frage, wie er den Umgang damit gefunden hat und wie es ihm gelingt...empfinde ich es aus meiner Aussensicht doch auch ein Stück weit als einen Spagat...
      Moin,

      Das sind verschiedene Punkte die da zusammen wirken.
      Zum einen, das man durch die Bestätigung von Außen lernt, das man nicht "falsch" ist. Klar, viele Menschen finden offene und direkte Kommunikation grenzüberschreitend, das hat dann aber mehr mit dem jeweiligen Menschen als mit dem der Direkt kommuniziert zu tun. Nur weil man offen und direkt ist, heißt das ja nicht, dass man verletzend ist. Manche Menschen kommen ebenso wenig damit klar wenn man ihnen sagt was für ein toller Mensch sie sind, als wenn man ihnen sagt das Ihre Kürbissuppe nicht gut schmeckt.

      Ich für mich würde die Emphathiefähigkeit auch nicht der Art zu kommunizieren Gegenüberstellen. Für mich ist es genauso normal direkt und offen zu sein, wie es für manch andere ist, dies eben nicht zu sein.
      Wenn man jetzt mich als Autisten vor sich hat und meine ehrliche Meinung nicht hören will - wie eine Frau meines Vaters, die mich mal fragte wie ihre Kürbissuppe schmeckt - dann sollte man nicht mit ihm reden.

      Eine Frage zum träumen wäre: Wo kommt man eher zum Ziel, wenn beide Menschen direkt und offen sind oder beide es nicht sind. Und wenn einer es ist und der andere nicht, könnte der, welcher es nicht ist, die Direktheit und Offenheit des Anderen positiv für sich oder die Kommunikation nutzen - wie es mein berufliches Umfeld tut. Privat sind manche genauso offen, nur eben keine Autisten.
      Wenn man, wie ich, Menschen um sich hat, die nicht mit zurückstoßen reagieren, sondern die reflektieren und schauen wo kann diese Klare Sicht auf sie selbst förderlich sein, dann wird mit der Empathiefähigkeit zusammen daraus eine sehr große Stärke, die für sehr viel Zusammenhalt und Nähe sorgen kann.

      Und die Menschen, die nicht passen: Das merkt man ja sehr schnell, gerade wenn man sich selbst mehr vertraut und eben weiß, das man nicht per se "falsch" ist. Wenn es dann zu einer Misskommunikation kommt ist die Frage, woran liegt es. Wenn es den Anderen triggert, dass ich offen und direkt (aber nicht verletzend) bin, kann er schauen ob er einen Weg findet damit umzugehen. Weil ich bin so, es gehört zu mir. Wenn er den nicht findet, ergibt ein Kontakt manchmal einfach keinen Sinn, es sei denn man steht auf Reibung. Und wenn ich tatsächlich jemanden unbeabsichtigt richtig verletzt haben sollte, kann man auch darüber reden, ohne dem anderen eine Art der Kommunikation aufzwingen zu wollen weil sie zu der eignenen oder zu einer Vorstellung von Normalität passt.

      Andersherum triggern mich viele Menschen auch andauernd, jeden Tag, mit irgendwelchem Verhalten oder irgendwelcher Kommunikation, die nichts mit Logik zu tun hat. Aber ich weiß, dass es zu ihnen gehört und dass ich, wenn ich mit ihnen kommunizieren will, einen Weg für mich finden muss, damit umzugehen. Und da auch mittlerweile viel Verständnis für aufbringen kann.
      Oder eben die Kommunikation bleiben lassen muss. Aber ich gehe ja auch nicht zu den Menschen und sag sinngemäß "Hey, kannst mal deine natürliche Art deiner Kommunikation ändern, weil ich damit gerade nicht klar komme?"

      Was früher anders war als heute ist, dass ich mir nicht mehr automatisch die Schuld gebe, die mir andere Menschen oftmals vermitteln wollen. Sondern durch meine interne Klärung sehen kann, was liegt wirklich bei mir und was beim Anderen. Früher war ich den ganzen Tag damit beschäftigt, zu "versuchen" mich anzupassen.
      Heute bin ich immer so wie ich bin. Wer damit umgehen kann (und das sind im Umfeld und auch beruflich eine Menge Menschen) hat kein Problem, eher einen Vorteil, denn er weiß genau woran er ist. (Es gibt Menschen, die wissen, dass sie bei mir genau wissen woran sie sind, dass ich nichts sage um etwas zu erreichen, sondern weil ich es so meine, weil das für mich normal ist.) Und wer nicht damit umgehen kann, kann es eben nicht. Er wird mich aber dann nicht ändern, ebenso wenig wie ich ihn.
      Um da hin zu bekommen war es aber ein weiter Weg, der alleine ganz schwer ist. Der aber damit anfängt sich zu Fragen, ob es wirklich alles an einem selber liegt oder ob es für manche Menschen nur bequemer ist einem das einreden zu wollen, statt auf sich selbst zu sehen.

      Grüße :)