Politisches Statements beim Sport

      ... und eigentlich sollte Sport unpolitisch sein, ja!

      Aber die politische Vereinnahmung von Sport hat auch eine lange Geschichte, je nach Epoche. Arbeitersportvereine, völkisch geprägte Sportbewegungen, Gleichschaltung der Sportvereine im dritten Reich.
      Auch Großveranstaltungen hatten oft einen politischen Beigeschmack siehe Berlin‘36, aber auch Moskau und LA in den Achtzigern, wobei sich jeder Ausrichter immer Mühe gibt nur im besten Licht zu erscheinen...
      München‘72 spielt da aber eine Sonderrolle finde ich, denn die Ausrichtung der Spiele war damals eher auf unpolitisch, freundlich, friedlich... man wollte sich entschieden von Berlin‘36 unterscheiden. Die politische Brisanz kam durch das Attentat zur Veranstaltung.
      das war schon sehr politisch; Du warst ja nicht dabei und kannst es nicht wirklich wissen.
      die ganze lage damals war schon sehr angespannt.
      natürlich sollten das freundliche spiele werden, wir waren alle so gespannt und auch "freudig erregt"
      Der Unterschied zu berlin war äusserst gravierend.

      wollen wir mal hoffen daß es in zukunft so etwas nicht mehr vorkommt und sich auch der sport wieder in vernünftige bahnen entwickelt

      "Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich! Merken Sie sich das!"
      Karl Valentin (1882-1948) bayrischer Kabarettist, Komiker und Filmproduzent
      Sport und Politik gehören nicht zusammen.

      Deshalb finde ich die neue Regelung des IOC völlig in Ordnung..

      Sport, Spiel, Spannung und Unterhaltung. Für alle Beteiligten.

      Dazu gehören auch keine rassistischen Äusserungen, Beleidigungen.

      Fair und herzlich. Ein Fest der Völkerverständigung. :pardon:
      Teufelchen im Blut, Engelchen im Herzen
      und ein bisschen Wahnsinn im Kopf 8)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Emilia () aus folgendem Grund: Korrektur

      Das Menschen ihre Meinung und Überzeugung kundtun ist für mich unbestrittenes Grundrecht. Das Menschen ihre Popularität oder die ihnen durch die Öffentlichkeit geschenkte Aufmerksamkeit nutzen wollen, um für eine gute Sache einzutreten ist für mich völlig verständlich und legitim.
      Ebenso verstehe ich aber auch, dass sich die Veranstalter von z.B. internationalen Sportveranstaltungen nicht als Bühne für die Inszenierung wohlmöglich widerstreitende oder kontroverse Meinungsäußerungen dienen wollen, zu denen sie sich dann wiederum selber würden positionieren müssen.
      Die Akteure haben andere Möglichkeiten sich und ihre Meinung in Szene zu setzen, ohne das die Veranstaltung zur politischen Kampfbahn wird.
      We like to think we're the Roadrunner, but we're the Coyote.
      Für mich gibt es keinen unpolitischen Sport. Deshalb finde ich die Regel des IOC auch aus mehreren Gründen schlecht.



      Einerseits halte ich es da mit dir, annimax:

      Annimax schrieb:

      Uih schwierig. Also ersteinmal finde ich, dass man eigentlich darüber streiten kann, andererseits sollte man dringend dabei bedenken, WARUM das IOC diesen Beschluss gefasst hat: Nämlich ausschliesslich, um sich nicht selber mit der Kritik auseinandersetzen zu müssen, hier und da mit Diktatoren und Despoten in einem Boot zu sitzen, weil die finanziellen Interessen die moralischen Massstäbe deutlich überwiegen :S Nicht akzeptabel :!:

      Exakt so ist es. Die Intention des IOC kann auch ich in meiner Betrachtung nicht einfach vom Tisch wischen. Schon 1996 schrieb der Investigativreporter Andrew Jennings: „Das Komitee hat eine Vorliebe dafür, Militärdiktatoren Honig ums Maul zu schmieren.“ Das trifft heute nicht weniger zu als damals und klar hätte es das IOC gerne, wenn „seine“ Spiele möglichst geräuschlos ablaufen. Der nette Herr Diktator bzw. lupenreine Demokrat mag doch nicht durch Kritik gestört werden. Da sage ich doch glatt mal Pustekuchen. Finde es nicht nur gut, wenn Journalisten hier als vierte Gewalt fungieren, sondern unterstütze ebenfalls, jeden Sportler der zu einem solchen Thema öffentlich Statements setzt.

      Darüber hinaus heißt es in Regel 3 der IOC-Charta: „Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.“

      Finde ich gut. Und wenn jetzt jemand genauso ein Statement setzt und auf ein wichtiges Thema aufmerksam macht im Sinne der Regel 3. Ach ja, dann greift Regel 50. Alles klar. Wohl eine spezielle IOC-Logik. Erinnert irgendwie an die peinliche Blamage des DFB, als er am Millerntor beim Training der deutschen Nationalmannschaft vor dem Länderspiel gegen Polen den Schriftzug auf der Gegengerade – „Kein Fußball den Faschisten“ – teilweise zudecken ließ. Was stand dann da? „Kein Fußball!“ Das war so schlecht, dass die Fanszene des FC St. Pauli dermaßen intensiv protestiert hat, dass der DFB zurückrudern musste und die Abdeckung entfernte.

      Insofern halte ich es dann wieder nicht mit dir, annimax bzw. nicht mit Ricky Gervais:

      Annimax schrieb:

      Auf der anderen Seite gilt aber für mich bei Sportlern auch oft, was der tolle Ricky Gervais <3 letztens der Hollywood-Gemeinde an den Kopf geworfen hat:


      "You're in no position to lecture the public about anything. You know nothing about the real world. Most of you spent less time in school than Greta Thunberg. So if you win, come up, accept your little award, thank your agent, and your God and fuck off, OK?" :pardon:

      Für mich besitzt der Sport eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Und Sportler per se so zu klassifizieren wie Gervais das macht ist eine viel zu eindimensionale Sichtweise. Greta Thunberg beweist ja übrigens, dass man nicht zwingend alle Schulstunden belegt haben muss, um sich in einem Thema extrem gut auszukennen. ;) Und Sportler haben auch schon unglaublich viel bewirkt. Die unbestrittene politische Bedeutung eines Boxers wie Muhammad Ali ist nur eines von wirklich immens vielen Beispielen. Oder als Einzelereignis das Black Power Salute bei den Olympischen Spielen 1968. Aber man muss gar nicht so weit zurück gehen. Wenn eine US-Fußballnationalspielerin wie Megan Rapinoe sich intensiv mit dem Rassismus in ihrem Land beschäftigt und öffentlichkeitswirksam Trump die Leviten liest - Chapeau!

      Klar kann immer über die Stoßrichtung eines Protestes diskutiert werden. Manches gefällt einem vielleicht auch nicht. Aber so gut wie alle Verbände haben ähnliche Regeln wie das IOC mit Regel Nummer drei. Wenn sich jemand tatsächlich dafür ausspricht, Menschen einer bestimmten Hautfarbe zu foltern, um mal ein Beispiel zu nennen – tja, dann greift der Passus eben und dann wird er eben bestraft. Wenn sich jemand jedoch grundsätzlich gegen zum Beispiel Rassismus oder Sexismus ausspricht – tja, dann ist es das eben einfach richtig.

      Ich verstehe durchaus die Sehnsucht nach einem Ort, in dem es mal nur um die Sache selbst geht. In dem man nicht mit unangenehmen Themen belästigt wird. Nur kann Sport für mich dieser Ort nicht sein. Dazu hat er für Menschen in aller Welt eine viel zu hohe Bedeutung und spiegelt durch seinen Charakter viel zu viele gesellschaftspolitische Fragen.

      Wäre das IOC nicht so, wie es nun mal ist, würde es eine solche Regel wie Regel Nummer 50 kaum erlassen. Sondern sich den Debatten stellen. Klar kann es dabei Grauzonen geben (wobei die wenigsten Statements ja total umstritten sind, sondern recht eindeutig). Aber das werden die hohen Herren – gibt es bei denen überhaupt eine Frau, die was zu sagen hat? – selbstverständlich nicht tun. Umso schöner, wenn Sportler einen Arsch in der Hohe haben und sich nicht den Mund verbieten lassen. Umso feiner, wenn sie das Aussprechen ihrer wahren Meinung hohlem PR-Gelaber vorziehen. Ich nehme in Kauf, dass da auch mal wer Scheiße erzählt. Ist besser als die künstliche Trennung von Sport und Politik.

      Und in diesem Sinne guck ich mir jetzt nochmal „Der Tag wird kommen“ von Marcus Wiebusch an. :)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Iantus ()

      Wenn ich Meinungen erlaube, muss ich jede Meinung erlauben, welche nicht gesetzwidrig ist... Damit könnte eine Sportveranstaltung eben nicht nur für sinnvolle Statements genutzt, sondern auch als Propagandamaschine missbraucht werden. Schnell kann es auch zu Boykotten und das würde dazu führen, dass Staaten ihre Sportler nicht mehr zu den Spielen schicken und nicht mehr von diesen berichten würden. Dann ist mir ein neutrales Sportevent lieber, bei dem sich auch verfeindete Nationen friedlich begegnen und sich rein sportlich messen, zumal dies immer einen eher positiven Effekt haben dürfte, da sich auch dort Bänder und Kommunikationskanäle eröffnen lassen.

      Olympia steht für ein friedliches Messen der Nationen, das ist eine Message die nicht verwässert werden sollte. Bei aller berechtigter Kritik an manch einem Klüngel im Hintergrund.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      @Gentledom Bin auch dafür, jede Meinung zu erlauben, die nicht gesetzeswidrig ist. Gibt es in dem Land sehr diskutable Gesetze, werden die dann eben diskutiert. Falls nicht, umso besser - dann sind die Meinungen ja verfassungskonform und es kann trotzdem diskutiert werden. Über die Meinungen. Über die Verfassung. Über beides. Nennt sich Demokratie. Sollte nicht beim Sport aufhören.

      Missbrauch ist immer möglich. Bei allem. Das stimmt. Aber den Menschen ist die Vernunft und ihre Empathie gegeben, um sich auch darüber eine Meinung zu bilden. Neutralität ist für mich die schlechtere Variante.

      Und dieses Bild von friedlichem Sport - sorry, das ist ja auch ein großes Stückweit Illusion. Nicht nur wegen "manch einem Klüngel" (für mich viel zu harmlos ausgedrückt). Wenn man sich den Wettkampfcharakater des Sports inklusive diverser Motivationsansprachen und Psychospielchen - gerade auch gegen den Gegner - so ansieht, dann weiß man, dass Sport viel, viel mehr spiegelt.

      Das Bild vom friedlichen Messen der Nationen, dass es in der Wettkampfrealität des Sports so natürlich selten gibt, kann meinetwegen trotzdem gerne bleiben. Es ist ja ein positives Bild. Aber warum das in Frage gestellt werden soll, wenn man die von mir zitierte Regel 3 der IOC-Charta befolgt, sehe ich nicht. Sich gegen Sexismus und Rassismus aussprechen zu dürfen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Um mal zwei Beispiele zu nennen. Für mich ist die Neutralität des IOC, welches längst mit der ursprünglichen Olympischen Botschaft bei diesem Milliardengeschäft nix mehr zu tun hat, halt einfach Feigheit. Und dient deren eigenen Interessen.

      Dadurch erschafft sie ein interessantes Paradox: Weil angeblich nicht zwischen guten und schlechten Meinungen in diesem Bereich unterschieden oder darüber diskutiert werden kann, verbietet sie gleich alle. Aber selbst ist sie natürlich ganz fein antirassistisch, antisexistisch usw. Das Schöne: Solche Regeln wie Regel 50 - das zeigt ein Blick in die Sportgeschichte - haben noch nie richtig funktioniert. Und werden sie auch nicht. Mich freut das. :)

      Gentledom schrieb:

      Schnell kann es auch zu Boykotten und das würde dazu führen, dass Staaten ihre Sportler nicht mehr zu den Spielen schicken und nicht mehr von diesen berichten würden. Dann ist mir ein neutrales Sportevent lieber, bei dem sich auch verfeindete Nationen friedlich begegnen und sich rein sportlich messen, zumal dies immer einen eher positiven Effekt haben dürfte, da sich auch dort Bänder und Kommunikationskanäle eröffnen lassen.
      Das ist natürlich wahr. Was macht man aber mit so Angelegenheiten wie Hong Kong/China, Uiguren/China, Katalonien/Spanien, Schottland/GB? Das sind ja streng genommen keine internationalen, sondern nationale Konflikte. Ich kann es verstehen, wenn Minderheiten und Benachteiligte bzw. Unterdrückte so versuchen, sich Gehör zu verschaffen.

      Ein anderer Punkt ist natürlich der, dass nicht nur einem selbst genehme Meinungen verstärkt werden dürften. Allerdings frage ich mich, ob es nicht auch schon ein Statement ist, wenn Menschenrechtsverletzungen nicht mehr thematisiert werden dürfen. Der viel zitierte Kniefall in den USA ist ja auch eher nationale als internationale Kritik.

      Umgekehrt lassen sich Leute, die es wirklich wollen, von so einer Regel auch nicht abhalten. Ich denke da an den ESC 2019 oder diverse sehr blutige Eishockey-Spiele zwischen den USA und der UdSSR oder die Vermeidung von Matches durch Iran gegen Israel etc. pp. Oder, ganz ab vom Sport, die Weigerung von Wentworth Miller, Putins Einladung nach Russland zu folgen, oder Natalie Portman, die nicht von Netanjahu geehrt werden wollte... Da vermischt sich Show-Geschäft mit Politik - ich denke, den Sport da auszuklammern wird nicht funktionieren.
      Schwächen zu zeigen macht einen stark.