Der rote Faden

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      Der rote Faden

      Erschöpft betrat Marie die Wohnung ihres Freundes. Bei schönem Wetter, war die Arbeit im Café besonders stressig. Seit sie einen Schlüssel zu seiner Wohnung besaß, kam sie beinah täglich nach der Arbeit vorbei. Obwohl sie oftmals lange Zeit auf ihn warten musste, fühlte sich Marie wohl in den vier Wänden ihres Freundes. Simon bewieß einen guten Geschmack, was die Einrichtung betraf. Modern, aber dennoch einladend. Sowohl im Flur, als auch im Wohnzimmer, zogen diverse Stilleben gewiss einige Blicke auf sich. Nachdem Marie ihre Tasche abgestellt und sich die Schuhe von den müden Füßen gekickt hatte, begab sie sich schnurstracks ins Bad. Sie glaubte, sich nach einer ausgiebigen heißen Dusche besser zu fühlen, wurde jedoch von ihrem Körper eines besseren belehrt. Gähnend schleppte sie sich ins Schlafzimmer, um sich kurz etwas auszuruhen. Doch schon beim öffnen der Tür, war ihre Müdigkeit mit einem Mal verflogen. "Was zur Hölle ist das denn?", erschrocken blieb sie vor dem Bett stehen. Über dem Bett hing ein großes, gerahmtes Bild, welches eine nackte Frau zeigte, die auf dem Boden kniete. Auf dem zweiten Blick, fiel Marie auf, dass die Arme der rothaarigen auf dem Rücken gefesselt waren. Passend zur Haarfarbe, wurde dafür ein ebenfalls rotes Seil benutzt. Von dem Motiv des Bildes angewidert, verlies Marie das Schlafzimmer. Hier würde sie auf keinen Fall auch nur ein Auge zu bekommen. Nicht so lang dieses frauenverachtene Bild dort hing. Sie war gerade dabei, sich ihre Sachen zu schnappen, als sie hörte, wie ein Schlüssel im Schloß gedreht wurde. "Hallo Sonnenschein", begrüßte Simon seine Freundin. "Das kannst du dir sparen", gab sie zickig zurück. Mit zwei langen Schritten war Simon bei ihr und berührte sanft ihren Arm. "Hey, was ist denn los mit dir, Süße?" "Das fragst du noch? Das kann doch wahrlich nicht dein ernst sein, diese Abscheulichkeit übers Bett zu hängen." Aufgebracht schob sie Simon von sich weg. Obwohl sie es krampfhaft zu vermeiden versuchte, stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie hasste Auseinandersetzungen mit ihm. "Marie, ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst? Es ist doch nur ein Bild", versuchte Simon zu schlichten. "Nur ein Bild?", der Spott, der in Ihrer Stimme lag, war nicht zu überhören. "Das ist pervers." Erste Tränen liefen über ihre Wangen und ehe sie sich versah, befand sie sich in einer festen Umarmung ihres Freundes. Liebevoll streichelte er ihr Haar und versuchte sie dadurch etwas zu beruhigen. "Du hälst es für pervers, weil es dir fremd ist. Dabei ist es nichts weiter, als eine erotische Fotografie. Wenn sie dir allerdings soviel Abscheu bereitet, werde ich das Bild wieder entfernen." Seine verständnisvollen Worte ließen den Damm erst recht brechen und immer mehr Tränen fanden den Weg aus Marie's grünen Augen. Bevor sie seinen Flur restlos unter Wasser setzen konnte, hob Simon sie kurzerhand hoch und trug sie ins Bett. Längst hatte sie ihre Abwehr aufgegeben und genoss stattdessen, die Zärtlichkeiten, die Simon ihr schenkte. Schon nach kurzer Zeit, schlief sie in seinen Armen ein.
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      Als Marie erwachte, war Simon bereits aufgestanden. Gähnend streckte sie sich. Beim öffnen ihrer Augen, kam ihr das Bild wieder in den Sinn. Noch ehe sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte, stand Simon in der Tür. "Guten Morgen meine Schöne", sagte er mit einem Lächeln. "Würdest du mir einen kleinen Gefallen tun?" "Kommt darauf an, um was genau es sich handelt?", hakte Marie nach. "Du sollst lediglich aufstehen und zu mir kommen." "Das ist einafch", dachte sich Marie, stand auf und begab sich zu Simon. "Schließ deine Augen, Süße", flüsterte er in ihr Ohr. Marie kam seiner Aufforderung ohne Umschweife nach. Sanft berührte er ihre Arme und bewegte sie mit leichten Druck dazu, sich umzudrehen. Er legte einen Arm um ihren Oberkörper und drückte sie mit dem Rücken fest an sich. Mit der anderen Hand streichelte er ihren Kopf. Marie war so ausgerichtet, dass sie direkt auf das Bild blicken musste, sobald sie ihre Augen aufschlug. "Was hast du vor?", fragte sie mit zittriger Stimme. "Vertrau mir einfach, du wirst es gleich sehen", versuchte Simon sie zu beruhigen. "Wenn ich es dir sage, öffnest du deine Augen und hälst den Kopf gerade." "Simon, was hat das alles zu bedeuten?", wollte sie wissen. "Süße, dir wird nichts passieren. Ich bin doch bei dir. Jetzt öffne deine Augen und sag mir, was du siehst?" Als Marie ihre Augen aufschlug, wollte sie am Liebsten erbost aus der Haut fahren. Jedoch hielten sie Simons liebevolle Streicheleinheiten zurück. Konzentriert betrachtete sie das Bild, bevor sie eine Antwort gab. "Ich sehe eine gefesselte Frau, die auf dem Boden kniet." "Das ist doch schon mal ein Anfang. Was fällt dir noch auf?" Unruhig trat sie von einem Bein auf das andere. Ihr war anzusehen, wieviel Unbehagen ihr diese Situation bereitete. "Sie ist nackt und sowohl Haare, als auch das Seil haben die gleiche Farbe. Was abgesehen vom Motiv, gut gewählt ist." Die spitze Bemerkung konnte sich Marie nicht verkneifen und entlockte Simon damit ein leises Lachen. "Immer einen frechen Spruch auf den Lippen", sagte er amüsiert. "Was glaubst du geht in ihr vor? Wie fühlt sie sich?" Marie atmete tief durch. "Ich denke, sie ist ängstlich, fühlt sich erniedrigt. Wer weiß, wer sie dort gefesselt hat und vor wem sie sich nackt präsentieren muss?" Simon schien mit ihrer Antwort zufrieden, denn er entließ sie aus seiner Umklammerung. Marie wandte sich ihm zu und sah ihn fragend an. "Was bezweckst du eigentlich damit?", wollte sie wissen. "Ich versuche herauszufinden, was genau dich an dem Bild stört. Aber lassen wir das Thema jetzt. Frühstück?" Marie schlang ihre Arme um seinen Hals und gab ihm einen langen Kuss. "Frühstück klingt super", bestätigte sie ihn.
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      Am Abend wollte Simon Marie zum Essen ausführen. Schon lange war der gemeinsame Abend geplant. Sie hatte sich eigens dafür ein neues Kleid gekauft, welches als eins der wenigen Stücke, Einzug in Simons Kleiderschrank erhalten hatte. Nach dem Duschen, war sie gleich nackt ins Schlafzimmer gegangen, um sich dort in Schale zu werfen. "Coco, du bist echt ein Genie", sagte sie zu sich, als sie das "kleine Schwarze" aus dem Schrank holte. Entzückt betrachtete sie es und strich voller Vorfreude über den edlen Stoff. Sorgfältig legte sie das Kleid auf dem Bett ab. Heimlich hatte sie sich zum Kleid passende, aber sündhaft teure Schuhe gekauft, womit sie Simon überraschen wollte. Da sie den Karton unter dem Bett versteckt hatte, kniete sie sich auf dem Boden, um ihn darunter hervorzuholen. Wie vom Blitz getroffen hielt sie in der Bewegung inne. Die rothaarige kam ihr wieder in den Sinn, weshalb sie einen erneuten Blick auf das Bild warf. Eingehend betrachtete sie es, doch dieses Mal aus einer anderen Perspektive. Hatte sie vorher noch angenommen, die Frau würde sich erniedrigt fühlen, so ging Marie plötzlich ein Licht auf. Zwar hielt die Frau den Kopf demütig gesenkt, aber ihre Körpersprache drückte etwas ganz anderes aus. Stolz. Marie fragte sich, warum ihr dies nicht gleich aufgefallen war. "Simon muss mich für den letzten Idioten halten", murmelte sie. "Das tut er ganz gewiss nicht." Entsetzt stellte sie fest, dass Simon das ganze Geschehen von der Tür aus beobachtete. Eine beschämende Röte überzog ihren Körper. Am Liebsten hätte sie sich die Bettdecke über den Kopf gezogen. "Na, Süße, hast du vom Baum der Erkenntnis genascht?", fragte Simon, als er ihr aufhalf. Marie schämte sich in Grund und Boden. "Wie lange hast du mich schon beobachtet?", wollte sie wissen. "Lang genug, um zu erahnen, was in deinem hübschen Köpfchen vorgeht." Marie fühlte sich, wie ein Kind, dass man heimlich beim Naschen ertappt hatte. Lachend zog er sie in seine Arme. "Teilst du deine Gedanken mit mir?" Nervös biss sich Marie auf ihre Lippe. "Ich weiß nicht so recht." "Geb dir einen Ruck, Süße." Nach einem tiefen Atemzug, fasste sie sich ein Herz. "Ich glaube, sie ist stolz dort knien zu dürfen. Es scheint, als sei es ein Geschenk an eine ganz besondere Person." Simon gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. "Weißt du was, Süße? Als ich zur Tür herein kam und dich dort neben den Bett knien sah, war ich ebenfalls sehr stolz auf dich." "Simon, aber es ist ganz..." "Psst, das weiß ich doch. Mir ging es auch eher um deine veränderte Ansicht. Gestern hast du noch anders geredet. Was meinst du, Marie, soll ich das Bild wieder entfernen?"
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      Ein Jahr später....

      Marie und Simon teilten längst mehr als nur das Bett. Sie teilten eine Wohnung, eine Liebe, eine Leidenschaft. Über den Bett hing immernoch ein Bild. Auf den ersten Blick schien alles wie immer. Doch wenn man genau hinsah, fiel auf, das die Frau plötzlich schwarze Haare hatte. Auch das rot des Seiles, war einem Schwarzton gewichen. Die Frau auf dem Bild war Marie.

      Ende
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