Legitimation der Macht

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      Legitimation der Macht

      Ich habe heute ein interessantes Interview mit einem Historiker gelesen. Darin fiel die Aussage:

      "Wer Macht erhält, muss die immer wieder legitimieren. Dafür gibt es erprobte Regeln, die für alle gelten. Staaten und Unternehmen, die sie anwenden, sind auf Dauer erfolgreicher als autoritäre Systeme".

      Diese Aussage hat mich ins Grübeln gebracht. Und zwar der Satz mit der Legitimation der Macht.
      Eine Beziehung, wie ich sie führe, ist nun mal alles andere als demokratisch. Sie ist durchweg autoritär.
      Ich finde sie vergleichbar mit einem Diktator. Einem Alleinherrscher. Und um hier noch genauer zu werden, mit einem Diktator nach römischem Vorbild. Ernannt von meiner sub.
      Ja, der Diktator im guten alten Rom wurde nur für eine bestimmte Zeit, maximal 6 Monate, ernannt. Aber seine Machtfülle war umfassend und total. Nun hat mich meine sub aber nicht für eine bestimmte Zeit, aber umfassend und total mit Machtfülle ausgestattet, was unsere Beziehung angeht.

      Meine Gedanken gingen weiter, und landeten bei ihrem Halsreif. Es gab einen neuen Halsreif. Und als ich ihr den alten abnahm, war sie in diesem Moment "nackt" und völlig selbständig in ihrer Entscheidung. Ich denke, wer es mal erlebt hat, weiß was ich meine in diesem Moment.
      Bevor ich ihr den neuen Halsreif anlegte, fragte ich sie, ob sie mich weiterhin als ihren Herrn haben wollte. Und ich erhielt die Legitimation meiner Macht.

      Meine Gedanken wanderten weiter zurück in die Vergangenheit und ich stellte fest, das ich immer Rituale hatte, in denen meine "Macht" aufs Neue "legitimiert" wurden. Eigentlich immer einmal im Jahr.

      Meine Frage jetzt in die Runde: Wie ist es bei Euch? Habt ihr solche Rituale auch? Sprich: Holt ihr euch auch in gewissen Abständen eine "Legitimation des Machtgefälles" ?
      Ich sehe das im Ausgangspunkt so wie @femmebrutale, komme aber im Ergebnis vermutlich zwischen Euch beiden raus:
      Meine Legitimation ist, Sub zu beweisen, dass ich ihrer würdig bin: ich muss ihr zeigen, dass es ihr unter meiner Führung besser geht als ohne (was auch immer "besser" im Einzelfall heißt, das sehr viel sein - wichtiges, aber auch vermeintlich triviales) und dass sie im meine Führung Vertrauen haben kann. Vertrauen ist selten etwas, was durch Einzelaktionen entsteht, es wächst aus einem Gesamtverhalten. Daher muss ich mich laufend neu legitimieren.
      Trotzdem kann ich ab und an fragen, ob sie meine Führung noch anerkennt. Das zwingt sie, darüber nachzudenken, ob ich mich hinreichend legitimiert habe und gibt mir eine wertvolle Rückmeldung.
      Rituale diesbezüglich haben wir aber (derzeit jedenfalls) nicht.
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      Ein sehr interessanter Thread, Danke dafür.
      Beim Nachdenken darüber und beim gemeinsamen Gespräch hier, haben wir festgestellt, dass wir diese Erneuerung der Legitimation auch haben. Allerdings von uns beiden. Gerade wenn Entscheidungen getroffen wurden, mit denen ich mich schwer tat oder wo ich eine andere Entdcheidung getroffen hätte, dann ist es nicht selten, dass ich diejenige bin, die dann ankommt und ihm bestätige das es, trotz eventuell vorheriger Bedenken meinerseits, Ok ist. Das ich moch wohl fühle und so auch seine Macht erneut legitimiere.
      Es ist ein geben und nehmen, aber den individuellen (ungeschriebenen). Gesetzmäßigkeiten einer jeden Beziehung folgend, kann es als Machterteilung, Machtnahme oder als gegenseitiges Versprechen ausfallen. Da spielt für mich auch das jeweilige Rollenverständnis der Partner eine Rolle.

      Ein Ritual daraus zu machen ist für mich jedenfalls eine sehr reizvolle Vorstellung und wie so oft kommt es da doch auf die Intention beider an und wie sie das für sich als Paar romantisch behandelt wissen wollen.

      Unter dem Strich geht es um Konsens und der erfordert eben die wechselseitige Willenserklärung.
      We like to think we're the Roadrunner, but we're the Coyote.

      Mars schrieb:

      Unter dem Strich geht es um Konsens und der erfordert eben die wechselseitige Willenserklärung.
      Im Schwäbischen würde man, angelehnt an eine andere wohlbekannte süddeutsche Wortkargheit, vermutlich sagen können:

      "Kein Safeword ist Machtbestätigung genug."

      Und gute Gründe dafür wird sub ja in der Regel schon haben. Aber es geht natürlich auch romantischer.

      Pardus Niger schrieb:

      Meine Gedanken gingen weiter, und landeten bei ihrem Halsreif. Es gab einen neuen Halsreif. Und als ich ihr den alten abnahm, war sie in diesem Moment "nackt" und völlig selbständig in ihrer Entscheidung. Ich denke, wer es mal erlebt hat, weiß was ich meine in diesem Moment.
      Ich trage keinen Halsreif, ich trage Ketten. Am Hals, an den Handgelenken und an den Fußgelenken. Diese Ketten sehen auf den ersten Blick aus wie Schmuck. Allerdings ist es ein Schmuck aus Edelstahl, der entsprechend stabil ist und der für mich keine einfache Möglichkeit der Öffnung hat.


      Es gab, seit ich diese Ketten trage, zwei Situationen, wo ich sie abnehmen musste bzw. wo Er sie abgenommen hat. Die erste Situation war am Flughafen in Ägypten, weil ich mit den Ketten nicht durch die Sicherheitskontrolle kam. Die zweite Situation war bei einem Workshop, weil die Kette am Hals aufgrund des Workshop-Themas ab musste.


      Beide Situationen waren für mich ganz schlimm und mir kommen beim Schreiben dieser Zeilen schon wieder die Tränen, wenn ich daran denke.

      Nein. Es bedeutet für mich keine Freiheit, wenn ich meine Ketten los bin. Ganz im Gegenteil. Es bedeutet für mich, dass ich allein bin, dass ich schutzlos bin. Mein Halt ist weg. Ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben soll. Vielleicht versteht ihr mich?


      Eine Legitimation der Macht? :gruebel: Vielleicht ist es auch eine Legitimation, wenn die Freiheit gar nicht gewollt wird und nur zu Tränen und zum Unglücklich sein führt?
      It´s the blackness of the night
      teaches us how to see the light
      Ein schönes Thema. Wobei dies mich auch zum Nachdenken gebracht hat. Vor allem der Satz:
      Wer Macht erhält, muss die immer wieder legitimieren.

      Macht kann allerdings auf verschiedenste Arten entstehen.
      Das Macht also Legitimiert werden muss, sehe ich nicht so.
      Gerade Macht die Aufgrund von Abhängigkeit entstehen kann, mag nicht Legitim sein, dennoch ist sie Vorhanden.
      Auch hat uns die Geschichte gelehrt das Macht durch Geburtsrecht entstehen kann.
      Die schönste Form der Macht ist jedoch, wenn man dem Untertan seinen Kopf in den Schoss legen kann ohne Ihn zu verlieren.
      Ich hörte Sie sagen, die Macht ist mit dir !
      Ich bin gerade von @Rainha Blog-Beitrag Alles Augenhöhe oder was? kommend, hier gelandet.

      Zusammenfassend würde ich sagen das für mich, ein wiederkehrendes Ritual bei dem die Machtübergabe legitimiert wird, viel Sinn macht.

      Ich kenne es von mir das viele Dinge sich im Alltag "einschleifen". Und an diesem, m.M.n. besonders wichtigen Punkt, gelegentlich gedanklich einen Schritt zurück zu machen um ihn (den Schritt zur Machtübergabe) zu hinterfragen, halte ich für verantwortungsbewusst und sinnvoll.

      Es kann einer, für alle Beteiligten gesunden, Beziehung ja nicht schaden gelegentlich über den "Stand der Dinge" zu sprechen und sich ergebnisoffen zu fragen "Will ich das noch genauso?". Umso stärker ist doch das daraus entstehende Commitment (Bekenntnis/Verpflichtung) zu der wie auch immer gearteten Machtübergabe.
      ...there can be submission within dominance - and dominance within submission... O. Ogas & S. Gaddam
      Nach MEINEM Verständnis von D/s ist es so, dass der DOM die komplette Macht über Sub hat. Allerdings muss auch ER sich als "würdig" erweisen. Wenn ER möchte dass ich alleine des Titels wegen mich ihm unterordne, kann es nicht zwischen uns funktionieren. Ich muss spüren, dass ER dominant ist. Ich muss spüren, dass ER Macht über mich hat.
      Also ja, ich finde schon dass die Macht welche ER über mich hat, immer wieder legitimiert werden muss.

      Yarra schrieb:

      Nach MEINEM Verständnis von D/s ist es so, dass der DOM die komplette Macht über Sub hat.
      Das trifft meiner Meinung nach nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. D/s heißt ja erstmal nur Dominanz und Unterwerfung. Wie weit das letztlich geht, hängt davon ab, für welches Beziehungsmodell sich die Partner entschieden haben. Manche leben D/s nur im Schlafzimmer aus und es ist dann eher Teil des 'Spiels' bzw. der gemeinsamen Sexualität. Andere leben D/s in einer Spielbeziehung aus, sehen sich aber nur ein- oder zweimal im Monat und haben zwischen ihren Treffen kaum Kontakt. Andere Paare wiederum integrieren Dominanz und Unterwerfung eher nach Lust und Laune in ihren gemeinsamen Alltag oder beschränken es auf vereinzelte Bereiche ihres Lebens, während Sub in anderen Bereichen frei entscheiden und nach eigenem Ermessen handeln kann. Und dann gibt es natürlich auch Konstellationen, in denen das Machtgefälle allumfassend ist und Dom wirklich über jeden Bereich von Subs Leben bestimmt (oder bestimmen darf). Ganz sicher gibt es zwischen alldem auch noch allerlei Abstufungen. Es kann sich also sehr unterschiedlich gestalten, fällt aber dennoch alles unter den Begriff D/s.


      Yarra schrieb:

      Allerdings muss auch ER sich als "würdig" erweisen. Wenn ER möchte dass ich alleine des Titels wegen mich ihm unterordne, kann es nicht zwischen uns funktionieren. Ich muss spüren, dass ER dominant ist. Ich muss spüren, dass ER Macht über mich hat.
      Den schließe ich mich voll und ganz an! Genau so ist es bei mir / für mich auch.
      Liebe ist nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts.
      Meine Herrin und ich führen eine WE-Beziehung. Dennoch (oder vielleicht auch gerade deshalb) gibt es diverse Rituale, die ich auch unter der Woche zu befolgen habe und deren Durchführung große symbolische Wirkung haben, so dass ich nie Gefahr laufen würde, Ihren Status zu "vergessen" oder zu "vernachlässigen". Deshalb ist eine regelmäßige Legitimation bei uns eigentlich nicht nötig. Wir haben uns ganz am Anfang klar zu unserem gegenseitigen Rollenverständnis bekannt und festgelegt, dass diese permanent sind. Aufgrund unserer offenen Kommunikation ist jeder von uns gehalten, Faktoren, die das beeinflussen könnten, sofort zur Sprache zu bringen. So lange dies nicht geschieht, gibt es für sie keinen Anlass daran zu zweifeln, dass ich ihre Macht über mich auch nur im Geringsten in Frage stellen würde.