Buchempfehlung "Der Defekt" von Leonie Stahlmann

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      Buchempfehlung "Der Defekt" von Leonie Stahlmann

      Beim Stöbern bin ich auf dieses in diesem Jahr veröffentlichte Buch gestossen.
      Gelesen habe ich es nicht, hört sich aber sehr interessant an. Klappentext und eine kleine vielversprechende Rezension zu dem Buch habe ich mir auf der Seite des Kulturmagzins "Der Perlentaucher" angeschaut.
      Es lohnt auch, einen Blick in die wie ich finde recht interessante Biographie der Autorin zu werfen (habe ich bei Wiki gefunden).
      Klappentext und auch die Biografie der Autorin sowie Interviews mit ihr fand ich sehr interessant und vielversprechend. Insofern war ich sehr neugierig auf den Roman.

      Die Sprache ist bildreich, zum Teil für meinen Geschmack überladen, dennoch anziehend.

      Was mich persönlich stört sind Aspekte der Handlungsweise des Protagonisten, die mich betroffen machen und auch etwas ratlos zurücklassen.

      Da ist gleich zu Beginn eine Szene, in der er seinen kranken Hund erschießt, mit der Begründung, er brauche keinen schwachen Hund. Und die erlösende Spritze des Tierarztes braucht er auch nicht.
      Mir fehlt hier die Achtung auch vor dem Schwachen, seine Wertschätzung und sein Schutz- für mich gerade auch für einen dominanten Menschen unerlässlich.

      Er lässt seine Gespielin nackt im Feld knien, lässt zu, dass sie entdeckt wird, ohne sie zu schützen, ihr beizustehen, sie zu warnen.

      Es kommt im Verlauf der Geschichte zu einer heftigen Würgeszene, mutmaßlich aus Eifersucht, Rache, als Strafe für unerlaubtes Fremdknutschen, als Zeichen seines Besitzanspruchs...? Ganz eindeutig geklärt wird das Motiv nicht, aber der Verdacht bleibt im Raum.

      Er geht nicht zur Beerdigung eines Schulkameraden, da dieser sich mutmaßlich selbst umgebracht hat und er für Selbstmörder keinen Respekt übrig habe.

      Das sind Aspekte, die auf mich einen verstörenden Eindruck hinterlassen und BDSM aus meiner Sicht leider wieder einmal in eine düstere Ecke schieben.
      Gerade diesen Punkt verstehe ich nicht : warum wählt die Autorin, selbst bekennende BDSMlerin, für ihren Protagonisten einen so düsteren und streitbaren Charakter?
      Mir kommt hier der Aspekt der Fürsorge, der Achtung und Wertschätzung, der Integrität deutlich zu kurz, wodurch BDSM- so wie es im Roman dargestellt wird- für mich deutlich an Schönheit verliert, ja, sogar zu etwas Unheilvollem wird.

      Mag sein, dass ich hier die moralische Keule schwinge, aber einem Charakter wie dem des Protagonisten würde ich mich nicht als Sub anvertrauen wollen.
      Selbstverständlich obliegt es der literarischen Freiheit der Autorin, ihre Charaktere nach ihren Vorstellungen auszugestalten.
      Und ein Gegenentwurf zu einem Hochglanzmillionär als Dom ist sicher wünschenswert.
      Schade finde ich dennoch, dass auch hier wieder das Düstere, das Seltsame, Sonderbare, die Abnormalität betont werden. Aus meiner Sicht rückt der Roman BDSM nicht weiter in die Mitte, sondern schiebt es im Gegenteil eher weiter an den Rande der Gesellschaft.
      "Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten. "
      Robert Browning