24.12. ❅ Der Weihnachtswunsch

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      24.12. ❅ Der Weihnachtswunsch

      Das Christkind möchte auf eigenen Wunsch anonym bleiben.
      Wenn euch die Geschichte gefallen hat, dann freut es sich umso mehr über eure Kommentare.
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      ❅ 24. Dezember ❅

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      Der Weihnachtswunsch

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      vom Christkind


      Langsam senkte sich die Nacht über die Straßen. Nach und nach sah es immer mehr Lichter hinter den Fenstern der Stadt aufleuchten, Neonbeleuchtung, die letzten heimlich gehamsterten Glühbirnen oder auch Kerzenlicht. Und immer mehr Lichterketten in den Fenstern oder auf den Bäumen im Garten. Es liebte diese Lichter, sie waren wie eine Verheißung in der Dunkelheit, eine Erinnerung an den Frieden und die Heimeligkeit, die in dieser Zeit in den warmen Wohnungen der Menschen vorherrschen sollte. Schritt für Schritt, von Haus zu Haus spazierte es durch die Straßen der Stadt und wärmte sich an jedem glücklichen Gedanken, den es spürte.

      Die Menschen hatten es eilig. Kaum einer blieb stehen oder wandte seine Aufmerksamkeit vom Weg ab, alle wollten nur schnell zurück in die warme Wohnung. Kein Wunder: Kalter, beißender Wind und Regen – ein typisch deutsches Weihnachtswetter. Natürlich wünschten sich die Menschen jedes Jahr weiße Weihnachten, aber was sollte es tun? Ein Weihnachtswunder hob es sich für die wirklich wichtigen Wünsche auf. Wünsche, die aus dem tiefsten Grunde des Herzens kamen. Wünsche, die die Seele zum Schwingen brachten. Wünsche, die oft im Unterbewussten blieben, weil man an der Sehnsucht zerbrechen würde, wenn man sie aussprach.

      Und so zog es immer weiter und schaute in jedes Fenster. Es sah leuchtende Kinderaugen und glücksstrahlende Gesichter. Es sah auch Streit und Einsamkeit und jedes Mal versuchte es, ein wenig von seinem Weihnachtsfrieden in die Herzen der Menschen zu senden. Manche nahmen es wahr und fühlten ein wenig Trost, doch in anderen schrie es zu laut, um das sanfte Streichen zu spüren. Haus um Haus besuchte es, Straße um Straße streifte es durch die Stadt, doch irgendwann konnte es sich nicht mehr selbst belügen. Dieses eine Haus … wie lange wollte es noch so tun, als wüsste es nicht, was passieren musste?

      Hatte es etwa Angst vor dem, was es vorfinden würde? Angst davor, was es ausgelöst hatte? Damals, am letzten Heiligabend?

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      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von AleaH ()

      Auch damals war es durch die Stadt gezogen, hatte die Herzenswünsche der Menschen erspürt und ihre Bitten gehört. Wie ein Chor von Stimmen hatte es getönt, ein Chor, den nur es allein hören konnte. Die vielen Kinder und ihre Wünsche ans Christkind und die Sehnsüchte der Erwachsenen mischten sich zu einem Klang, der die Dunkelheit erfüllte. Doch eine Stimme stach heraus, ein Sehnen, das so stark war, so voller Trauer und Hoffnung, voll Liebe und Schmerz, dass es kaum auszuhalten war. Es musste einfach herausfinden, wem diese Stimme gehörte!

      So kam es damals zu diesem kleinen Haus am Rand der Stadt, ein wenig abgelegen und düster, mit kaputten Fensterläden und einem ungepflegten Garten. Doch die Frau zog seine Aufmerksamkeit sofort auf sich. Sie wirkte so jung, so verletzlich. So einsam.

      Sie stand am Fenster im Obergeschoss und sah mit Tränen in den Augen zum Himmel. Sie hatte ein Festtagsgewand angelegt und die dunklen Haare sorgfältig frisiert. Als es sich ihr näherte, erkannte es, dass die Frau nicht so jung war, wie es gedacht hatte. Sie musste schon in den Vierzigern sein. Die grauen Augen waren tränenverschleiert und der Mascara hatte schwarze Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen. Sie sah zu den Sternen empor, doch sie schien nicht wahrzunehmen, was vor ihren Augen lag.

      „Hilf mir …“, flüsterte sie. Es huschte an ihr vorbei ins Zimmer und sah einen Mann auf dem Bett liegen. Er schlief tief und fest. Es machte nicht den Eindruck, als ob die Frau Hilfe bräuchte. Und doch erfüllte das Sehnen und Flehen der Frau den Raum, unhörbar für Menschen, aber es konnte sie laut und deutlich hören.

      Die Frau drehte sich um und schien es direkt anzublicken. Es wunderte sich, denn normalerweise konnten Menschen es nicht sehen, sie spürten höchstens vage seine Anwesenheit. „Geist der Weihnacht“ nannten sie es, „Christkind“. Doch diese seltsame Frau schien genau zu wissen, wo es war.

      „Ich liebe ihn, mehr als mein Leben“, hauchte sie. „Ich kann keine Sekunde ohne ihn sein.“

      Sie kam näher und streckte die Hand nach dem Mann auf dem Bett aus, verharrte, kurz bevor sie ihn erreichte. „Ich liebe ihn so sehr.“

      Zögernd trat es neben die Frau und blickte mit ihr gemeinsam auf den schlafenden Mann, wurde eins mit ihr und ihren Gefühlen, Gedanken und Träumen. Es fühlte die Qual, die Einsamkeit, die Liebe. Es spürte jede Sekunde der Zweisamkeit, jede glückliche Erinnerung und jeden Schmerz der Zurückweisung.

      Wie so viele Paare hatten sie sich entfremdet, waren immer mehr getrennte Wege gegangen. Die Liebe war noch da, aber sie war zur Gewohnheit geworden. Sie lebten wie Freunde nebeneinander her, vereinsamten gemeinsam. Die Zeit hatte ihren Tribut gefordert und was einst so hoffnungsvoll und himmelhochjauchzend begonnen hatte, manifestierte sich nun in Tränen und Leid.

      „Ich liebe ihn“, flüsterte sie erneut, „doch ich kann nicht mehr. Ich ertrage den Schmerz nicht länger. Bitte, bitte hilf mir - hilf uns! Bitte lass es geschehen. Nur ein einziges Mal, nur eine kurze Zeit…“

      Lass es geschehen? Es war verwirrt, versuchte herauszufinden, was die Frau meinte. In ihrem Herzen fand es die Antwort, ihre Sehnsüchte, ihre Träume. Und es schrak zurück.

      „Bitte …“

      Der Mann grunzte im Schlaf und ein Lächeln huschte über das Gesicht der Frau. Da fasste es sich ein Herz und trat zu dem Mann, strich ihm sachte über die Stirn. Es erforschte sein Herz und was es da fand, ließ es einen Entschluss fassen.

      „Ich werde deinen Wunsch erfüllen. Für ein Jahr wird es so sein, wie du es wünschst. Doch bedenke: Erst in einem Jahr, am nächsten Heiligabend, werde ich zurückkommen. Bis dahin wird nichts deinen Wunsch rückgängig machen können, egal was geschieht. Bist du sicher, dass du es so willst?“

      Die Frau schloss die Augen und atmete tief ein. „Ich will es so“, sagte sie mit fester Stimme.

      „Dann soll es so sein … dein Wunsch sei dir gewährt!“

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      Natürlich wartete es nicht ein ganzes Jahr ab. Immer wieder flogen seine Gedanken zu der Frau hin, versuchten seine Sinne zu ergründen, wie es ihr wohl erging. Es erinnerte sich an alles, was es im Herzen des Mannes gesehen hatte – und es hatte Angst vor dem, was jetzt wohl gerade passierte. Gelegentlich kehrte es zu dem alten Haus zurück und spähte durchs Fenster.

      Es hatte sich viel geändert in diesem Jahr. Bei jedem Besuch schienen die zwei Menschen sich verändert zu haben. Die Frau wirkte ruhiger, stiller, von tiefer Demut erfüllt. Der Mann harsch und doch zärtlich, in sich ruhend. Aber da waren auch die anderen Momente. Momente, in denen es Angst bekam und es bereute, den Wunsch erfüllt zu haben. Momente in denen Schreie die Nacht durchdrangen, Tränen flossen und wimmerndes Flehen um Gnade an seine Ohren drang. In diesen Momenten war es kurz davor, alles zurück zu nehmen. Doch das Jahr war noch nicht vorbei.

      Es hatte Angst. Angst vor dem, was es im Herzen des Mannes gesehen hatte. Angst vor dem Biest, das lange unter Kontrolle gehalten wurde und das es am Heiligabend erweckt hatte. Es hatte dem Biest in die Augen geblickt und hätte es nicht auch die Liebe gesehen, es wäre geflüchtet. Und doch hätte es ohne das Biest niemals den Wunsch der Frau erfüllen können. Es konnte nur wecken, was bereits vorhanden war.

      Doch hatte sie wirklich gewusst, auf was sie sich einließ? Es hatte sich in jener Nacht geschworen, auf jeden Schrei, auf jeden Hilferuf von ihr zu achten, ihr zu Hilfe zu kommen, wenn sie es brauchte. Doch trotz aller Schreie, trotz aller Brutalität und Demütigung – der Ruf nach Rettung kam nicht.

      Und jetzt stand es wieder vor dem Haus, trat wieder durch das Fenster im Obergeschoss. Und wieder schlief der Mann im Bett, während die Frau auf der Bettkante saß. Ein schmaler Halsreif aus Metall umschloss den schlanken Hals, durch eine Kette mit einem Ring an der Wand verbunden. Sie war nackt, trug nichts außer dem Halsreif und Hand- und Fußfesseln. Es sah blaue Flecke und Striemen auf ihrem Körper und Tränen in ihren Augen. Es erschrak.

      War alles ein Fehler gewesen? Hätte es sie retten müssen?

      Zögerlich trat es an die Frau heran und legte sacht und tröstend die Hand auf ihre Stirn. Sie lächelte.

      „Ich habe auf dich gewartet“, sagte sie leise. „du bist gekommen.“

      „Ich hatte es versprochen und hier bin ich. Ich kann alles rückgängig machen und es wird so sein, als wäre es nie geschehen.“

      Die Frau sah zu ihm auf und die Tränen liefen über ihr Gesicht. Und da erkannte es ein Leuchten in ihr, einen inneren Frieden, den es nicht erwartet hatte.

      „Du bist glücklich“, sagte es zu ihr. „Du möchtest nicht, dass sich etwas ändert. Aber warum?“

      „Ich bin, was ich bin. Und ich darf es endlich sein. Wir beide dürfen es“, antwortete sie. „Wir haben es so lange verleugnet, dass wir uns beinahe selbst verloren. Doch du hast uns befreit, ich werde dir ewig dankbar sein.“

      Erneut sah es in ihre Herzen und diesmal fand es keinen Schmerz, kein Leid. Es fand nur Liebe, Dankbarkeit und Frieden. Es war so, wie die Frau gesagt hatte: Sie waren endlich sie selbst. Sie gehörten zusammen in ihrer Art und Neigung, in ihrer Liebe.

      Es musste sie nicht retten. Jetzt, beim Blick in die Herzen der zwei Menschen, konnte es endlich sehen, was es das Jahr über nicht erkannt hatte. Sie waren genau dort, wo sie sein mussten.

      Es wärmte sich für einen Moment an dieser tiefen Liebe und sog den inneren Frieden des Paares in sich auf. Und es ließ seinen Segen zurück, als es wieder in die Dunkelheit der längsten Nacht hinaus zog.

      Es war auf dem Weg, den nächsten Weihnachtswunsch zu erfüllen.

      Wer weiß, vielleicht besucht es ja dich heute Nacht?


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      Das Christkind möchte auf eigenen Wunsch anonym bleiben.
      Wenn euch die Geschichte gefallen hat, dann freut es sich umso mehr über eure Kommentare.
      Ihr dürft auch gerne einfach nur mit „Like“ kommentieren. Es wird hier mitlesen.
      Es rührt mich zu Tränen!
      Sehr schön geschrieben.. an mir darf das Christkind ruhig vorbeiziehen, meine Wünsche haben sich erfüllt in einer Art und Weise die ich nie für möglich gehalten habe.
      Schade, dass es schon zu Ende ist, ich werde die täglichen Geschichten vermissen..

      Euch allen ein schönes Fest!!
      " Wie ein Adler aus dem Blauen ist der Schmerz der seine Klauen jählings scharf ins Fleisch dir schlägt, aber dann mit starkem Flügel über Wipfel dich und Hügel zu des Lebens Gipfeln trägt"
      Emanuel Geibel
      ;( Danke liebes Christkind für die schöne Geschichte :blumen:

      Hoppla, da war der falsche Smiley drin... gleich geändert
      Liebe Nachbarn, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, Familie: Ich bin entsetzt, auf was für Seiten ihr euch rumtreibt! :frech:

      Lernen durch Schmerz ist nicht angenehm, aber unglaublich effektiv... :evilfire:

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Spätzle ()

      Diese wunderschöne Geschichte geht einem ans Herz! Danke schön dem anonymen Christkind dafür! :blumen:

      Gleichzeitig möchte ich dem ganzen Team - den Autoren, den Korrekturlesern und allen Mitarbeitern an diesem Projekt - ganz herzlich für dieses Advent-/Weihnachtsgeschenk danken, das den Lesern viel Freude und Schmunzeln, aber auch Gedanken der Rührung und Sehnsucht bereitet hat. :thumbsup:

      Schade, dass es nun zu Ende ist, aber schön, dass es ja vielleicht nächstes Jahr wieder Adventgeschichten gibt, und man sich darauf und ev. auch auf die vertonten Versionen freuen darf!

      Allen Mitarbeitern am Gentledom-Projekt ein herzliches Dankeschön und auch allen Foris ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für 2021!

      Pedro