BDSM und Trauma (4) – Interview mit Nachtwanderer

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    BDSM und Trauma (4) – Interview mit Nachtwanderer

    Diesen Blogbeitrag poste ich mit der Genehmigung von nightbird.

    Um diesen Blogbeitrag zu verstehen sollten die ersten Teile gelesen werden: BDSM und Trauma (1) & BDSM und Trauma (2) & BDSM und Trauma (3)

    Für diesen Blogbeitrag hat sich mein Partner und Herr @Nachtwanderer für ein Interview bereit erklärt. Im 2. Teil dieser Reihe bin ich bereits darauf eingegangen, welche Auswirkungen es für meine Partnerschaften hat.

    Wer könnte im Detail besser erzählen, als mein Partner selbst.

    A= Teufelanna; N=Nachtwanderer


    A: Guten Abend mein Herr, vielen Dank, dass Ihr Euch zu diesem Interview bereit erklärt habt. Fangen wir mal direkt an.

    Ich habe Euch sehr früh von meiner Krankheit erzählt. Was ging Euch dazu als erstes durch den Kopf?

    N: Ich hatte bereits Erfahrungen mit Menschen die psychisch krank waren. Zusätzlich bin ich der Meinung, dass jeder Mensch sein Päckchen zu tragen hat, in welche Richtung das geht, macht für mich keinen Unterschied, wenn ich den Menschen kennenlerne.

    A: Hättet Ihr gerne sofort Details gewusst oder spielten die für Euch erstmal keine so große Rolle?

    N: Hm….Die Details wollte ich nicht sofort wissen, aber ich wollte wissen worauf ich bei einem näheren Kennenlernen achten muss. Ein grober Umriss hat mir für den Anfang vollkommen gereicht. Ich hatte die Hoffnung, dass wenn wir uns besser kennenlernen, du mir die Details von selbst erzählst.

    A: Ich habe Euch ja relativ schnell mehr Details erzählt, da mir wichtig war, dass Ihr meine Geschichte kennt. Hat sich dadurch etwas für Euch verändert? Habt Ihr mich dadurch mit anderen Augen gesehen?

    N: Weder noch! Meine Ansichten über dich hatten sich nicht verändert. Du bist weiterhin die Person, die ich kennengelernt hatte. Bis heute!

    Wichtig dazu ist vielleicht noch, dass für mich dein PTBS nichts anderes ist, als andere Beeinträchtigungen.

    A: So viel zum Kennenlernen. Jetzt habt Ihr mich ja schon eine Weile am Hals und viele Dinge hautnah miterlebt. Wie erlebt Ihr die Auswirkungen der Krankheit innerhalb unserer Beziehung?

    N: Ich erlebe es auf verschiedenen Ebenen: Die schlechten Tage, an denen du keine Berührungen mehr ertragen kannst, sind für mich sehr schwierig. Es fällt mir sehr schwer, dich nicht dennoch zu berühren. Gerade da es dir dann schlecht geht will ich dir Nähe geben.

    Ich fühle mich ein wenig in meiner Freiheit die ich über dich habe eingeschränkt. Auch wenn du mir keine Küsse oder Berührungen verweigern darfst, möchte ich Rücksicht nehmen, um es dir nicht noch schwerer zu machen und gebe mich auch mit Kompromissen zufrieden. Wenn auch zähneknirschend.

    Der verbale Austausch: Wir reden in der Regel sofort über die Dinge, wenn etwas los ist, was ein hartes Stück Arbeit war, und in diesen Momenten ziehst du dich zurück und versuchst mich noch zu beruhigen, in dem du mir sagst, dass alles gut ist. Dabei merke ich an deiner monotonen Stimme und deinem Zurückziehen, dass irgendwas los ist. Ich habe für mich eine Zeit gebraucht um zu lernen, dass dies von dir keine Absicht ist, sondern du einfach nicht anders kannst und auf mich zukommst, sobald es wieder geht.

    A: Ihr habt die Freiheit, die Ihr über mich habt angesprochen. Dann lasst uns mal im BDSM bleiben. Dafür sind wir schließlich hier.

    Habt Ihr das Gefühl, dass Ihr mehr Verantwortung deswegen übernehmen müsst? Wenn ja, wie fühlt sich das für Euch an?

    N: Für mich ist es im Alltag nicht mehr Verantwortung, die ich übernehmen muss. Wenn es dir nicht gut geht, dann ist es eine andere Art der Verantwortung.

    A: Und welche andere Art?

    N: Die Verantwortung deine Trigger nicht weiter zu reizen und das dich dann auch nichts anderes gefährdet. Zusätzlich habe ich die Verantwortung dann aufzupassen, dass du dir nicht selber schadest, indem du versuchst mir auch dann zu dienen und mich glücklich zu machen, obwohl du es in dem Moment nicht kannst.

    Deine Ansprüche an dich selbst, sind da in der Regel viel zu hoch! *guckt grimmig*

    Dazu gehört aber auch, dass ich dich in solchen Momenten nicht alleine lasse, sondern trotzdem für dich da bin.

    A: Okay, das war der Alltag. Jetzt gehen wir mit derselben Frage mal in eine Session gedanklich.

    N: Die Verantwortung ist nicht mehr in einer Session nur weil du PTBS hast. Ich nehme einfach nur auf die vorliegenden Gegebenheiten die Rücksicht. Dabei ist mir doch total egal, ob es deine Probleme mit z.B. Wachs oder mit z.B. Enge sind.

    A: Gibt es währenddessen Dinge auf die Ihr besonders achtet?

    N: Ich achte immer auf die Körpersprache meiner Partnerin, auf die Atmung, und auch da macht es für mich wieder keinen Unterschied. Natürlich möchte ich keinen deiner Trigger absichtlich auslösen, aber ich muss auch keine Sorge darum habe, da ich hoffentlich immer an deiner Reaktion erkenne, wenn irgendwas los ist.

    Mir ist bewusst, dass es jederzeit umschlagen kann und Dinge, die in ner Sekunde vorher noch in Ordnung waren plötzlich nicht mehr gehen. Dann reagiere ich natürlich darauf.

    A: Jetzt springe ich nochmal zur Anfangszeit. Wir standen ja vor dem Dilemma, dass einer meiner größten Trigger das Gefühl von Enge ist und in Eurem Leben Bondage eine große Rolle spielt.

    Habt Ihr Zweifel daran gehabt, dass es möglich sein wird?

    N: Ja ich hatte Zweifel, aber keine Bedenken. Ich wusste, dass ich dich jederzeit sofort befreien kann, wenn du es mit mir ausprobierst.

    Allerdings musste ich auch lernen, dass du wirklich mit mir redest und ich mich darauf verlassen kann.

    A: Manchmal merkt Ihr ja aber auch vor mir, dass irgendwas mit mir nicht in Ordnung ist. Dafür bin ich auch sehr dankbar.

    Aber mal Butter bei die Fische: Habt Ihr Angst davor, dass Ihr Euch in Zukunft einschränken müsst?

    N: Ja ein wenig Angst habe ich davor, da keiner weiß wie es sich in der Zukunft auswirken wird. Aber das ist kein Grund mich gegen diese Beziehung zu entscheiden.

    A: Stört es Euch so viel Rücksicht nehmen zu müssen?

    N: Nein, in keinster Weise. Es ist mein Interesse, dass wir eine schöne Zeit haben. Es liegt absolut nicht in meinem Interesse meine Macht auszunutzen, nur um mich weniger einzuschränken, und es damit schlimmer zu machen.

    A: Macht. Achja, da war ja was. Viele Male habe ich schon gehört, dass ich meine Krankheit versuche im BDSM zu kompensieren. Wie sehr Ihr das?

    N: Überhaupt nicht. Würde ich das merken, würden wir darüber sprechen und dir nochmal Hilfe besorgen. Allerdings befürchte ich nicht, dass dies in Zukunft passieren könnte.

    A: Hat das PTBS Einfluss auf unser Machtgefälle?

    N: Nein *schüttelt den Kopf und sieht mich verständnislos an*

    Wieso sollte es? Es ist meine freie Entscheidung wie ich handel und die machst du mir doch in keiner Situation streitig oder sprichst sie mir ab. Im Gegenteil, wie oben schonmal gesagt, versuchst du mehr zu dienen, als du eigentlich kannst.

    A: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch

    @Nachtwanderer hat der Veröffentlichung dieses Interviews zugestimmt.

    Nachtrag: Ich bitte euch alle hier nicht zu kommentieren. Fragen oder Meinungen nehme ich gerne per PN entgegen, aber hier soll es nicht diskutiert werden.