Von den Vor- und Nachteilen des "Umschaltens"

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      Von den Vor- und Nachteilen des "Umschaltens"

      Vorab auf Anregung einer guten Freundin das an sich Selbstverständliche: Das hier ist bewusst ein Blog, also quasi „lautes“ Denken. Darüber, wie wir BDSM leben und Dinge für uns definieren. Darin steckt keinerlei Kritik an anderen Lebensweisen und/oder Definitionen. Den gleichen Respekt möchte ich umgekehrt auch einfordern, Kommentare sind gern gesehen, von Diskussionen und gut gemeinten Ratschlägen bitte ich abzusehen.


      Wir leben eine 24/7-Beziehung. Das bedeutet für uns, dass ich jederzeit das Machtgefälle aktivieren kann. Es bezieht sich rein auf "erotic power exchange" (EPE). Im normalen Alltag sind wir 100% gleichberechtigt. Wobei es natürlich Bereiche gibt, wo in der Regel ganz automatisch der/diejenige mit "mehr Ahnung davon" alleine die Richtung vorgibt. Ich bezweifle, dass wir es anders wollen würden. Allerdings stellt sich diese Frage absehbar ohnehin nicht. Im Alltag mit Kind, jeweils einem Job und auch noch einer Reihe anderer Dinge wäre ein permanentes Aufrechterhalten eines Machtgefälles für uns schlicht nicht machbar.

      Das Aktivieren des Machtgefälles bezeichne ich als Umschalten, wir sind also "Umschalter" (nicht zu verwechseln mit "Switcher"). Das kann ein kurzes "Anknipsen" in alltäglichen Situationen sein, es ist das "Anschalten" vor einer Session, genauso kann es aber auch ein kurzes "Ausknipsen" während einer Session sein. BDSM findet bei uns nur in „umgeschaltetem Zustand“ statt. Der Schaltweg von "Alltag" zu "Session" ist manchmal etwas länger. Es ist (meistens) weniger ein "Schalter umlegen" als ein "langsam Aufdrehen".

      Nachteilig (zumal für zwei so verkopfte Menschen wie uns) bzw. schwierig ist es dabei:
      - den richtigen Zeitpunkt für das "Anknipsen" zwischendurch zu finden, denn es soll ja eben auch im Alltag noch ein "erotic power exchange" und kein "annoying power exchange" sein;
      - von "Alltag" auf "Session" schnell und zuverlässig umzuschalten, weil eben doch noch diverse alltägliche Dinge störend in den Gedanken herumschwirren, weil man aber andererseits z.B. zwischen Kind-ins-Bett-Bringen und dem Aufstehen am nächsten Arbeitstag nicht unbegrenzt Zeit zum "Reinkommen" hat und die nutzen will;
      - während einer Session zu unterscheiden, ob sie (oder seltener auch ich) jetzt "innerhalb des Spiels" was von sich geben will oder kurz "außerhalb" (dazu kommt ggf. noch, ob es eine "brattige" Äußerung ist oder nicht);
      - in ähnlicher Weise für in erster Linie mich, grundsätzlich aber auch für sie sein, zu erkennen, ob und wenn ja wie weit der andere bereits umgeschaltet/aufgedreht hat oder noch (zu viel) im "Alltagsmodus" ist.

      Es gibt aber auch Vorteile dabei:
      - es bringt keinen von uns aus dem Konzept, wenn man während einer Session mal kurz "außerhalb" spricht;
      - man muss nicht erst groß nachdenken, wie man etwas "submissiv" oder "dominant" formulieren/verpacken muss, man sagt es einfach frei raus;
      - wir brauchen keine "Außerhalb"-Zeiträume, um auf Augenhöhe zu kommunizieren, das macht es a) leichter und b) unmittelbarer/verzögerungsfreier;
      - wenn einem die nicht-BDSM-kompatiblen Dinge des Lebens dazwischenkommen (und das tun sie ab und zu nun mal), muss man nicht einen Ausstieg aus dem Machtgefälle hinbekommen, sondern einfach nur das "Anschalten" auf einen passenderen Zeitpunkt verschieben;
      - für mich ist das (erfolgreiche) "Umschalten" immer ein klein wenig so wie das jeweils allererste Mal, als ich einen Teil dieser Seite von mir ausleben konnte, und das war immer grandios;
      - es ist für mich immer eine schöne Bestätigung, wenn ich es schaffe, dass sie umschaltet, denn das ist (s.o.) eben keineswegs selbstverständlich.

      Sind wir damit glücklich? Ich schätze schon. Fehlt uns was? Ich schätze nicht. Fühle ich mich als "Umschalter" weniger dominant? Im zeitlichen Sinne, d.h. seltener: ein bisschen schon. Im qualitativen Sinne: nein. Im Gegenteil, ich empfinde es als Leistung, das Umschalten auch unter manchmal erschwerten Bedingungen hinzubekommen (was längst nicht immer klappt), auf die ich stolz bin. Denn das bedingt, sich zuerst gegenüber sich selbst durchzusetzen, und wie jede(r) weiß, ist das der wahrscheinlich härteste Gegner überhaupt.
      Power is nothing without control.

      Trust me, I know what I'm doing!

      Bedenke den Spaß...
      Danke für den schönen Bericht!

      Auch wenn es manchmal (noch) etwas schwierig ist, scheint ihr BDSM so auszuleben, wie ihr es euch wünscht - so, wie es euren persönlichen Vorstellungen entspricht und wie es eben in euer gemeinsames Leben passt. Und das ist meiner Meinung nach das Allerwichtigste: dass es passt. Dass nicht immer alles perfekt läuft und es manchmal nicht so funktioniert, wie es vielleicht noch etwas schöner und einfacher für euch wäre, tut dem ja offenbar keinen Abbruch!

      Ich freue mich für euch, dass ihr eure Art, BDSM in euer Leben zu integrieren, gefunden habt und damit zufrieden seid. :)
      Liebe ist nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts.