Augenhöhe

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      So wie so manch einer hier bereits geschrieben hat, definiere ich Augenhöhe so, dass man gleichberechtigt ist. Keiner steht über dem anderen. Keiner ist dem anderen untergeordnet. Man kann sich über Dinge unterhalten ohne dass einer sich dem Willen des anderen unterordnen muss.

      Für mich kommt sowas nur eingeschränkt in Frage, da ich ein Machtgefälle im Alltag brauche. Ich möchte dass mein Partner in allen Lebensbereichen das letzte Wort hat, dabei jedoch meine Wünsche und Bedürfnisse nicht aus den Augen verliert. Ich vertraue ihm dabei, dass er mich gut behandelt, mich beschützt und ich ihm lieb und teuer bin. Im Gegenzug ordne ich mich ihm unter und kümmere mich im Rahmen meiner Möglichkeiten darum, dass es ihm gut geht.
      Von daher möchte ich bereits in der Kennenlernphase herausfinden, ob seine Dominanz und meine Devotion zusammen passen. Ob wir uns da auf einer Frequenz befinden.
      Hier mal wieder ein etwas längerer Text von mir.

      Ich kann sagen, dass diese Redewendung für mich ein Unwort geworden ist. Aufgrund seiner inflationären Verwendung und weil es mittlerweile jeder verwendet, ohne selber zu verstehen, was es bedeuten soll.

      Anfangs bedeutete Augenhöhe für mich, dass in der Kommunikation und im Verhalten Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung, Respekt und Ehrlichkeit vorherrscht. Und Ebenbürtigkeit. Aber es ist nicht leicht, mit Menschen zu kommunizieren, denen man nicht abnimmt, dass sie ebenbürtig sind. Denn im allgemeinen sind sie das nicht.

      Wenn ich mit einem Mathematiker über Infinitesimalrechnung, mit einem Physiker über Heisenbergs Unschärferelation, mit einem Virologen über den Nachweis von Virusgenom im Rachen, mit einem Bioinformatiker über Modellierungen des Ausbreitungsgeschehens einer Pandemie oder mit einem Politiker über Vertragsgestaltung im Zuge einer Impfstoffbestellung diskutiere. Nie bin ich ebenbürtig, nie kommunizieren wir auf Augenhöhe. Ich habe nämlich schlichtweg keine Ahnung.

      Andersherum sind mir im Hinblick auf Theologie, Werbung und Grafikdesign die meisten Menschen nicht ebenbürtig, auch wenn viele – obwohl sie sich noch nie wirklich damit beschäftigt haben – da auf Augenhöhe mitdiskutieren wollen.

      (Da fordere ich auch gerne mal Augenhöhe ein. Bitte erst mal versuchen, selber Augenhöhe zu erreichen. Auf die Zehenspitzen zu stellen ist aber anstrengend)

      Das heißt nicht, dass ich in diesen Fachgebieten allen überlegen bin. Es gibt dort viele, vor denen ziehe ich meinen Hut und stelle mich ganz hinten an. Weil ich nämlich was davon verstehe und es einschätzen kann.

      Die Worthülse „man begegnet sich auf Augenhöhe“ ist für mich Marketing-Selbstdarstellungs-Bla-Bla-Bla. Da wird in Unternehmern die Augenhöhe, ein neuer Spirit im Umgang, heraufbeschworen und bei der nächsten Gelegenheit wird, ohne mit den Betroffenen im Vorfeld gesprochen zu haben, ein Bereich aufgelöst und die Mitarbeiter in der Führungsebene von heute auf morgen entlassen, der Rest wird einfach in andere Bereiche und Abteilungen aufgeteilt. Kraft Weisungsbefugnis. Alles also eine leere Worthülse.

      Was manchmal mit dem Begriff ausgedrückt werden soll ist, dass – unabhängig von der Ebenbürtigkeit – ein zwischenmenschlich respektvoller Umgang, Höflichkeit und die Achtung der Menschenwürde angeboten oder eingefordert wird. Ich plädiere dafür, dann auch diese Begriffe zu verwenden, denn sie beschreiben klarer, was gemeint ist.

      Die Frage, ob der Begriff „auf Augenhöhe“, diesen Definitionen standhält, ist kaum jemandem klar, der ihn gebraucht. Die meisten, die ihn verwenden, haben ihn irgendwo gehört und nehmen an, dass er richtig ist. Dass es auf den situativen Kontext ankommt ist ihnen nicht bewusst.

      Zum situativen Kontext:

      Callimorpha schrieb:

      Wenn ich nur darüber nachdenke, was ich gesucht habe....das war ein dominanter Mann.
      Also war für mich immer irgendwie auch wichtig, dass ich nicht nur Mann zum Kaffee treffe, sondern dominanten Mann
      Zwar wird ja normalerweise bei einem Date im BDSM Kontext schon im Vorfeld vieles angesprochen, was sich beide vorstellen, welche Bedürfnisse sie in einer Verbindung befriedigt wissen wollen. Aber wie Callimorpha so schön ihr Verhalten und Erwartungen bei einem ersten Treffen beschreibt:

      Callimorpha schrieb:

      Also habe ich bei Treffen, zumindest einen Teil, meiner Fassade fallen gelassen.
      Ebenso habe ich von meinem Gegrnüber erwartet, dass er authentisch ist.
      Was zwangsläufig dazu führte, dass keine klassische Augenhöhe vorhanden war.
      Genau! Bei einem D/D/S Treffen geht es um Disziplin, Dominanz & Submission. Und da entscheidet nicht nur die Chemie, sondern auch das Auftreten. Wenn ich mich mit einer Frau treffe, die sich als devot/submissv bezeichnet, dann möchte ich auch bei einem ersten Treffen in Ansätzen sehen, ob mir ihre Art, diese Neigung auszudrücken ebenso wie das Erscheinungsbild und ihr Wesen gefällt. Das geht natürlich nur in begrenztem Rahmen auf neutralem Grund und auch im Privaten sollte es meiner Meinung nach nur einen leichten „Vorgeschmack" darstellen. Umgekehrt setzte ich diese Erwartung mir gegenüber auch voraus. Ist es ein S/M Treffen oder ein Treffen, in dem Bondage im Vordergrund steht, dann erwarte ich keine Unterwürfigkeit sondern einen Austausch über S/M Vorlieben oder den Erfahrungsschatz als Bunny / Rigger

      Callimorpha schrieb:

      Etwas anderes ist dass ich mich bei einem ersten Treffen nicht "bedommen" lasse.
      Ich würde also keine "Spielereien" zulassen, dafür brauche ich dann schon eine gewisse Vertrauensbasis.
      Und hier kommen wir wieder zu dem oben genannten zwischenmenschlich respektvollem Umgang, Höflichkeit und die Achtung der Menschenwürde.
      So interpretiere ich den Wunsch, nicht „bedommt“ werden zu wollen.
      Es geht in diesem situativen Kontext also nicht darum, als DOM mit SUB dominante Spielchen zu spielen, besonders forsch und dominant aufzutreten, sondern ihr einen Eindruck von mir als dominantem MENSCHEN zu vermitteln. und sie als devoten/submissiven MENSCHEN wahrzunehmen.

      Ob mir das gelingt, liegt im Auge des Betrachters und in meiner Autentizität. Vielleicht bin ich Sub nicht dominant genug, vielleicht erscheint Sub mir nicht devot genug. Das ist eine Gratwanderung. Ich bin beispielsweise im ersten Kontakt recht verhalten, beobachte viel. Meine Dominanz trage ich nicht wie einen strahlenden Schild vor mir her. Sie ist eher mit dem Mithril-Panzer von Frodo zu vergleichen, den er unter der Kleidung trägt und nur bei genauem Hinsehen hervorblitzt ;)

      *** Disclaimer ***

      Selbstverständlich beschreibt mein Geschreibsel hier nur meine persönliche Meinung und Wahrnehmung. Es liegt mir fern, irgendjemanden zu beleidigen oder in seiner Würde zu verletzen. Ich bin tolerant gegenüber anderen Meinungen, fordere diese Toleranz aber auch von anderen für mich ein. Mit einer Ausnahme. Ich bin nicht tolerant gegenüber totalitären Meinungen und Strukturen, die versuchen, das Recht auf freie Meinungsäußerung abzuschaffen. -> Toleranzparadoxon
      Ein Mensch sieht ein - und das ist wichtig: Nichts ist ganz falsch und nichts ganz richtig.
      – Eugen Roth –
      Für mich bedeutet Augenhöhe Gleichberechtigung. Wenn ich diese Definition zugrunde lege, hoffe ich doch sehr, dass ich mich mit einem Dom, dem ich gerade im Rahmen eines Kennenlernens zum ersten Mal begegne, auf Augenhöhe befinde, denn ehrlich gesagt sehe ich keinerlei Veranlassung, irgendwelche Rechte an einen Menschen abzutreten, den ich gerade erstmalig real treffe.

      In der Hinsicht finde ich den hier mehrfach angeführten Vergleich mit Führungskraft und Mitarbeitern schwierig, denn dort ist bereits eine Hierachie durch die Strukturen des Unternehmens etabliert.
      Das ist bei einem Kennenlernen von Dom und Sub aus meiner Sicht nicht so. Die Neigung sagt dabei für mich lediglich aus, an welchem Pol auf der Dimension Dominanz vs. Submissivität man sich selbst eher einsortiert, aber nichts über das hierarchische Verhältnis der beiden zueinander.
      Das hängt aber sicher auch davon ab, in welcher Form das vorherige Kennenlernen stattgefunden hat, ob es bereits Anklänge an ein Machtgefälle gegeben hat oder eben nicht.

      Wenn Dom sich dommiger fühlt, wenn er den Tisch im Café aussucht, kann er das von mir aus herzlich gerne tun, nur betrachte ich es nicht als Akt der Unterwerfung, wenn ich seiner Platzwahl zustimme. Ich halte es in aller Regel schlicht nicht für notwendig, wegen eines Sitzplatzes zu diskutieren. :pardon:

      Die Doms, mit denen es bisher für mich menschlich gepasst hat, hatten die absolut entzückende Eigenschaft, ihre Dominanz nicht beim ersten Treffen auszuspielen. :D Stattdessen hatten sie die Fähigkeit, einen Raum zu schaffen, der zum Wohlfühlen einlädt, eine Atmosphäre zu erzeugen, die signalisiert, komm an und entspann dich, ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.

      Wie soll ich wissen, ob ich mich jemandem unterwerfen will, bevor ich ihn kennenlerne? Wie soll mich jemand wirklich führen, bevor er weiß, wer und wie ich eigentlich bin? Insofern besteht da für mich zu Beginn Augenhöhe- die dann sukzessive in Richtung Machtgefälle kippen kann, wenn gewünscht.
      "Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten. "
      Robert Browning

      1ND13 schrieb:

      Die Frage, ob der Begriff „auf Augenhöhe“, diesen Definitionen standhält, ist kaum jemandem klar, der ihn gebraucht. Die meisten, die ihn verwenden, haben ihn irgendwo gehört und nehmen an, dass er richtig ist. Dass es auf den situativen Kontext ankommt ist ihnen nicht bewusst.
      Dazu gibt es ja einen, wie ich finde, recht interessanten Artikel von Thomas Chorherr über die Bedeutung von "Augenhöhe".

      Ich finde es wie viele andere Begriffe und neue Wortschöpfungen innerhalb wie außerhalb von BDSM recht schwierig, eine allgemeingültige Bedeutung zu finden. Meist scheitert es an einem sich nicht deckenden Verständnis des Begriffes. Zeigt sich hier doch recht deutlich.

      Führt für mich zu der Erkenntnis, es ist deutlich leichter, vielleicht dort anzusetzen, wo man hin will oder eben nicht, ab wann möchte ich ein Machtgefälle spüren. Beim ersten Kennenlernen? Nein, da möchte ich den Menschen kennen lernen aber auch schon da, könnten ja erste Züge von Dominanz oder Submission einfliessen. Aber das heisst ja nicht, dass man automatisch jetzt ins Machtgefälle rutscht oder von mir aus auch die Augenhöhe verliert, für mich, rein persönlich heisst das lediglich, dass ich einen Menschen kennenlerne und auch seine Art Neigung zu zeigen.

      Kurz: Ich versuche für mich diesen Begriff der Augenhöhe eher zu vermeiden. Ich finde den eher hinderlich :rot:
      I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it


      Evelyn Beatrice Hall
      Ich muss sagen, ich mag den Begriff der Augenhöhe an sich ganz gerne, allerdings hat er bei einem Kennenlernen für mich keinerlei Bedeutung.
      Treffe ich einen Menschen zum ersten Mal, und das jetzt unabhängig von einem BDSM Aspekt, so geht es immer erst mal darum seine "Position" zu finden. Zwei Menschen, die versuchen sich gegenseitig einzuschätzen. Dass man sich dabei mit einem grundsätzlichen Respekt begegnet, sehe ich als Pflicht. Ob der andere sich jedoch den Respekt dauerhaft verdient, das stellt sich erst noch raus. Und das alles ist unabhängig von der sexuellen Neigung.

      Wenn ich meinen Freund und mich betrachte, dann leben wir definitiv auf Augenhöhe. Wir verdienen uns regelmäßig den Respekt des anderen. Jeder hat seine Gebiete auf denen er dem anderen überlegen ist und jeder von uns nimmt das gerne so an. Dass er dann im Bett ganz einfach die Möglichkeit hat, mir einen Schalter umzulegen und ich gerne sämtliche Macht an ihn abgebe, das hat mit unserer Augenhöhe ansonsten absolut nichts zutun und tut dieser auch keinen Abbruch.

      Für mich muss ich sagen, ist die Augenhöhe ein Grundsatz für Attraktivität und damit ein Grundstein für alles Sexuelle. Denn ist einer der beiden Partner ständig merklich unterlegen, so fehlt für mich der Reiz der anschließenden Hingabe.

      Ziva schrieb:

      Wenn ich meinen Freund und mich betrachte, dann leben wir definitiv auf Augenhöhe. Wir verdienen uns regelmäßig den Respekt des anderen. Jeder hat seine Gebiete auf denen er dem anderen überlegen ist und jeder von uns nimmt das gerne so an. Dass er dann im Bett ganz einfach die Möglichkeit hat, mir einen Schalter umzulegen und ich gerne sämtliche Macht an ihn abgebe, das hat mit unserer Augenhöhe ansonsten absolut nichts zutun und tut dieser auch keinen Abbruch.
      Ja, so wie du es formulierst und in den EPE Kontext stellst, finde ich, das der Begriff euer „sonstiges" Verhältnis gut beschreibt. Verstehe ich Dich richtig, wenn Du im Bett nicht von Augenhöhe sprechen würdest?

      In dem Fall vermute ich, dass Euer Kennenlernen tatsächlich auf „Augenhöhe“ stattfand und Euer gewünschte Beziehung wiederspiegelte: Im normalen Umgang gleichberechtigt. D/S im Bett war dann vermutlich ein Kennenlernen, das später stattfand. :)

      Wenn ich Callimorpha richtig verstehe, dann suchte sie nicht nur einen Mann, der dann im Bett dominant ist, sondern es soll sich die Dominanz und Submission auch im Alltag zeigen. Daher auch beim Kennenlernen.

      Callimorpha schrieb:

      Also war für mich immer irgendwie auch wichtig, dass ich nicht nur Mann zum Kaffee treffe, sondern dominanten Mann
      Ebenso war mir auch klar dominanter Mann sucht devote Frau.
      Und daher die Frage:

      Callimorpha schrieb:

      Wenn von Augenhöhe die Rede ist, ist es dann wirklich so? Finden erste Treffen auf Augenhöhe statt und man entscheidet danach bewusst, in ein bestimmtes Verhaltensmuster zu wechseln?
      Ein Mensch sieht ein - und das ist wichtig: Nichts ist ganz falsch und nichts ganz richtig.
      – Eugen Roth –
      @1ND13 das ist jetzt natürlich die Frage wie Challimorpha das genau meint.

      Was mich betrifft, meinen jetzigen Partner habe ich tatsächlich ohne BDSM Kontext kennengelernt, wobei ich natürlich von Anfang an im Hinterkopf hatte, was mir im Bett vorschwebt. Daher habe ich natürlich sein Verhalten ganz klar "analysiert". Und die Augenhöhe im Bett konnte sich schnell verabschieden, während wir uns ansonsten völlig ebenbürtig sind.

      Aber auch bei meinem vorherigen Partner war das kaum anders, obwohl wir uns ganz klar unter dem Gesichtspunkt Spielbeziehung zum Kaffee getroffen haben. Erst als ich für mich beschlossen habe, dass er es sich verdient, dass ich mich dementsprechend fallen lasse, konnte er den entsprechenden Schalter bei mir umlegen.

      Ich bin aber auch im Alltag nicht wirklich devot. Das macht sicherlich einen großen Unterschied und eben auch die gewünschte Beziehungsform.
      Meine Gedanken und Erfahrungswelten:

      Mhmmm... ich glaube, dass das sehr unterschiedlich ist , wieviel Machtgefälle und Augenhöhe stattfinden kann oder soll.
      Das hing bei mir oftmals von der Lebenssituation ab und auch von dem Mann, der mir begegnet ist oder den ich gesucht habe.

      Das, was möglich ist, d.h. wie weit das Machtgefälle in den Alltag hineinspielt, entwickelt sich meiner Meinung nach erst mit der Zeit und ist auch abhängig von dem Verlangen beider und der vorhandenen Möglichkeiten(Umfeld,soziale Strukturen usw.).

      Als junge Frau hab ich das viel leichter erlebt-
      ich bin für ein Jahr "ausgestiegen", und nichts anderes zählte als meine Aufgabe, mich um den Herren zu sorgen, mich zu bemühen und nach seinen Wünschen zu dienen.

      ...
      Heute sieht das ganz anders aus:
      Ein neugieriges Kind im Alter von 9 muss nicht alles mitbekommen, der Ex-Partner hält die Neigung für "krank", auf der Arbeit werden von mir Führungsqualitäten erwartet....

      Der Liebes-Bindungspartner;auch der Spielpartner wertschätzen diese Umstellungsfähigkeit, das Innere (Dienende Seele) nach außen zu kehren, wenn die Zeit und der Raum da ist.

      Wie schrieb mein Spielpartner in einer Session - Reflexion:

      "Nun, während der kurzen Auszeit im Garten Eden bist du oft beides-
      sub mit masochistischen Zügen, sowie Frau und Geliebte auf Augenhöhe.

      Es ist immer Frage, was MANN will!
      In der Community habe ich gerade mal das Thema Augenhöhe gestartet und mit der Diskussionsvorgabe versehen, dass erst einmal nur die Leute zu Wort kommen, die keine Augenhöhe wollen, einfach da diese in der Minderheit sind und später dürfen auch nur Fragen gestellt werden aber nicht pro Augenhöhe argumentiert werden. Ich bin sehr gespannt was das Experiment so an Einsichten bringt...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Jetzt bin ich lange um dieses Thema herumgeschlichen. Ich muss voranstellen, dass ich eher auf dem brat-eigen Spektrum von Unterwerfung anzusiedeln bin:

      Zu Anfang des Kennenlernens steht für mich IMMER der Mensch.
      Nun muss ich dazu sagen, dass ich quasi nie direkt "auf der Suche" bin, sondern sich bisher alles, egal ob Freundschaft mit kinky Aspekten, Spielbeziehungen oder Partner*innenschaften immer nebenbei ergeben haben.
      Ich date also nicht.
      Daher war es zwangsläufig so, dass man sich erst als Mensch kennenlernte. Selbst wenn es dabei um Austausch über BSDM bezogene Themen geht, bewegt mich eigentlich nie der Gedanke, dass es da mal eventuell zum Spiel oder gar einer Partner*innenschaft kommen könnte.

      Hat sich dann doch mit der Zeit etwas mit BDSM Aspekt ergeben, dann wäre mein Ideal schon die Augenhöhe mit der Zeit und nach und nach abzubauen.
      Dafür muss sie meinem Empfinden nach aber erst einmal da sein.
      Augenhöhe heißt für mich Gleichberechtigung, gleiches Mitspracherecht, einfach mit meinen Bedürfnissen ebenso gewichtig in die Waagschale zu fallen wie die Bedürfnisse des anderen, im besten Fall Kompromisse auszuhandeln, sodass alle zumindest einen Stück ihres Willens bekommen.

      In einer D/s Beziehung sähe das für mich schon anders aus. Da möchte ich zwar auch meine Bedürfnisse formulieren und äußern können, wäre aber durchaus (wenn auch mit Widerstand) bereit mich den Bedürfnissen des dominanten Parts unterzuordnen.
      Unterordnen in dem Sinne, dass ich dann auch mal etwas mache, was mir nicht unbedingt Spaß macht, einfach nur, weil Dom*me es gerade für richtig erachtet oder einfordert oder eigene Bedürfnisse mal hintenanstelle.

      Damit das passiert braucht es aber bei mir sehr viel Zeit, sehr viel Konsequenz und sehr viel Einfühlungsvermögen.
      Wenn mir z.B. Regeln nicht logisch einleuchten, dann habe ich den Drang vehement Widerstand zu leisten, sei es nur darüber diskutieren zu wollen. D.h. bisher war es immer so, dass das Machtgefälle schon sehr oft bestätigt werden musste, weil ich es schon oft in Frage stelle. Dom*me beschließt, ich folge? Nur bedingt bis no way. Dom*me muss mir auf der Ebene der Beziehung schon beweisen, dass es richtig wäre zu folgen, egal ob argumentativ oder körperlich.
      Mein Ideal von D/s wäre also durchaus einvernehmlich Augenhöhe abzubauen, ich frage mich nur, ob ich das jemals erreichen werde, weil es durch mein Wesen eben sehr sehr viel Zeit benötigt, bis das Machtgefälle halbwegs stabil ist.
      “Everything has been figured out, except how to live.” (Jean-Paul Sartre)
      Oh dann habe ich diese Passage überlesen...

      Dann hier:
      Mich würde interessieren: Die einen reden von Stück für Stück in das extreme Machtgefälle reingehen, die anderen von sofort. Ich nenne es extremes Machtgefälle, weil ich der Aussage, dass D/S auf Augenhöhe nicht funktioniert und ein leichtes Gefälle durchaus immer vorhanden ist, zustimme. Auch wenn es manchmal nur temporär ist.

      Jetzt, für die, die es von Anfang an so wünschen und wollen; Wo ist da die Sicherheit? Wie sichert sich der/die Unterlegene (ist mir kein besseres Wort eingefallen) ab? Wo nimmt man da das Vertrauen her oder ist das genau der Reiz?

      Diese Fragen bitte nicht als Kritik auffassen, ich bin einfach nur neugierig und möchte es verstehen:)
      @GreenBlueEyes, ich für mich kann sagen, dass ich mit einigen Bereichen anfangen und dann Stück für Stück mehr abgeben wollen würde.
      So sehe ich ja, wie er sich verhält und baue Vertrauen auf.

      Außerdem kommuniziere ich vorher, was mir wichtig ist und würde, wie auch in der Vergangenheit, ein Veto einlegen, wenn über meine Grenzen gegangen wird, weil anders kommuniziert. Den Menschen und wie er tickt, werde ich vorher schon kennengelernt haben, bevor ich mich ins Machtgefälle begebe.
      Auch wenn es widersprüchlich klingt:
      Ihr Ego muss stark genug sein, um seine begrenzte, defensive Haltung und Kontrolle aufgeben zu können.
      Sie brauchen ein starkes Ego, um das Ego transzendieren zu können.

      - John Bradshaw, Das Kind in uns -

      GreenBlueEyes schrieb:

      Jetzt, für die, die es von Anfang an so wünschen und wollen; Wo ist da die Sicherheit? Wie sichert sich der/die Unterlegene (ist mir kein besseres Wort eingefallen) ab? Wo nimmt man da das Vertrauen her oder ist das genau der Reiz?

      Ich kann nur von mir reden, wenn ich auf Augenhöhe verzichte, ist das eine sehr bewusste Entscheidung meinerseits, da ich meinem zukünftigen Partner zutraue mit dieser Verantwortung umzugehen und mein Wohlergehen für ihn an erster Stelle steht. Er sich seiner Verantwortung bewusst ist und dafür sorgt, dass es mir auch nach einem Ende der Beziehung gut geht. Genau das versuche ich in der Kennenlernphase heraus zu finden.

      Klar gibt es einen Reiz die Augenhöhe von Anfang an abzugeben, jedoch sollte man diesen Reiz als Sub kontrollieren können. Die Abgabe der Augenhöhe muss für mich immer von Sub ausgehen und sollte nie unter drängen des Doms geschehen.

      Leider wird häufig die Abgabe der Augenhöhe mit "negativen" Eigenschaften gleichgesetzt. Sub kann nicht für sich alleine entscheiden, Sub ist schwach, Sub gibt ihre Persönlichkeit auf, Sub ist eine Marionette, der Dom kann tun und lassen was er möchte, der Dom kann seine Macht missbrauchen und behandelt seine Sub schlecht und achtet nicht auf sie, sondern nur auf sich, etc. Aber genau das Gegenteil ist der Fall.
      Sub und Dom müssen beide eine gewisse Stärke haben um sich auf eine solche Beziehung überhaupt einzulassen. Beide müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, denn sonst können beide Seiten auch als "Verlierer" aus so einer Beziehung gehen.

      GreenBlueEyes schrieb:

      Oh dann habe ich diese Passage überlesen...

      Dann hier:
      Mich würde interessieren: Die einen reden von Stück für Stück in das extreme Machtgefälle reingehen, die anderen von sofort. Ich nenne es extremes Machtgefälle, weil ich der Aussage, dass D/S auf Augenhöhe nicht funktioniert und ein leichtes Gefälle durchaus immer vorhanden ist, zustimme. Auch wenn es manchmal nur temporär ist.

      Jetzt, für die, die es von Anfang an so wünschen und wollen; Wo ist da die Sicherheit? Wie sichert sich der/die Unterlegene (ist mir kein besseres Wort eingefallen) ab? Wo nimmt man da das Vertrauen her oder ist das genau der Reiz?

      Diese Fragen bitte nicht als Kritik auffassen, ich bin einfach nur neugierig und möchte es verstehen:)
      Hallo @GreenBlueEyes

      eine einfache und kurze Antwort auf deine Frage wäre: Durch Langsamkeit. ;)

      Und jetzt die längere. Vorab aber noch: Es ist alles meine persönliche Sicht und Erfahrung und ich kann nicht pauschal für andere sprechen.

      Bevor es zur "Übergabe der Macht" kommt ist es ein langsamer Prozess, in dem man sich ausgiebig kennenlernt. Man lernt den anderen vorab durch sehr viele Gespräche so kennen, wie manche ihren Partner erst innerhalb einer Beziehung kennenlernen. Setzt sich auseinander mit dem Menschen. Was er mag, was er nicht mag. Und auch das warum. Dazu gehört dann auch das Reden und Erklären von Tabus, sowie das Auseinandersetzen mit der Vergangenheit. Und zwar auf beiden Seiten.
      Durch all diese Dinge wächst dann schon mal das Vertrauen. Wir reden hier über eine Zeitspanne von Wochen oder Monaten.

      Aus diesem Vertrauen heraus wächst dann auch die Sicherheit, welche durch Handlungen bestärkt wird. In dem man sich an seine Worte hält. Nicht gegen die eigenen Grundsätze handelt. Und wirklich immer darauf schaut, dass es dem anderen gut geht. Denn es wird immer mal wieder Dinge oder Situationen geben, die einem nicht gefallen. Mir genauso wenig wie ihr. Wenn ich mich dann, statt mich zurück zu lehnen und ihr etwas überlasse, dann trotzdem dazu stehe, was ich vertrete und die Verantwortung oder Entscheidungen/Handlungen übernehme, obwohl ich eigentlich zu dem Zeitpunkt keine Lust dazu habe, also auch die unangenehmen Dinge (für mich unangenehm) mache, gibt ihr das wiederum dann weiteres Vertrauen und Sicherheit, in anderen Situationen sich auch auf mich verlassen zu können.

      Das alles zusammen, die Mischung, ist es, die sowohl Sicherheit als auch Vertrauen schafft.

      Was den Punkt der Absicherung angeht... mhmmm... da können subs besser was dazu sagen. Ich persönlich würde aber sagen, dass zumindest auch die Art, wie man über eine vorherige Partnerin spricht, mit einen Teil dazu beiträgt. Wenn sie sieht, dass man nicht negativ über diese redet, sondern im Gegenteil positiv und auch immer noch für diese da ist, so könnte das vielleicht auch eine gewisse Absicherung schaffen. Aber wie gesagt, dazu können sich subs bestimmt besser äußern.
      BDSM ist nicht das geschenkte MacBook oder der Luftballon in Hubschrauberform.
      (Rainha)

      „Es ist nicht gut, wenn wir nur unseren Träumen nachhängen und vergessen, zu leben.“
      Harry Potter und der Stein der Weisen

      GreenBlueEyes schrieb:

      Jetzt, für die, die es von Anfang an so wünschen und wollen; Wo ist da die Sicherheit? Wie sichert sich der/die Unterlegene (ist mir kein besseres Wort eingefallen) ab? Wo nimmt man da das Vertrauen her oder ist das genau der Reiz?
      Grübbel....ich tue mich etwas schwer mit der Frage, weil ich nicht weiß ob ich sie gerade richtig verstehe bzw. interpretiere.

      Ich versuche es aber mal :D
      Auch wenn ich auf Augenhöhe verzichte heißt es ja nicht das ich meinen Kopf ausschalten und sofortiges Eigentum des anderen werde.
      Da gibt es ja diese tolle Übergangsphase vom Low-protocol ins High-protocol.
      Da bleibt beiden Seiten doch ganz viel Zeit sich gegenseitig kennen zu lernen, zu schauen wie der andere tickt und zu schauen ob es passt.

      Nach dem ersten Kaffee, kann ich nicht wissen ob jemand zu mir passt, da kann ich es höchstens ausprobieren wollen, dem ganzen eine Chance geben.
      Um das tun zu können braucht die Person m.M.n.auch die Möglichkeiten.
      Für mich habe ich herausgefunden, dass ich wenig damit anfangen kann, bestimmte Bereiche aus Tabu zu definieren, weil ich dann wie doof darum kämpfe :pillepalle:
      Auf der anderen Seite, ist es mir aber auch wichtig zu sehen wie mein Gegenüber damit umgeht. Kann er diese Verantwortung überhaupt übernehmen, will er das und was am wichtigsten ist, sind wir da kompatibel.

      Die sensiblen Bereiche kennt jeder, da kommuniziert man dann ja auch deutlich mehr, so dass man es schon ziemlich schnell feststellen kann ob es passen könnte oder nicht.
      Ist der dominante Part dann der Meinung, in der Anfangszeit, sich wie die Axt um Wald zu benehmen, dann komme ich ziemlich schnell auf Augenhöhe. In der Regel erübrigt sich dann aber auch ein weiteres Nachdenken über die Beziehung.

      Jetzt hoffe ich, dass ich die Frage damit so beantwortet habe, dass du etwas damit anfangen kannst :D
      Wenn ich so reflektiere, wie es bei meinem Partner und mir war: Dann waren dort Anfangs nur Gespräche über alles, Goth und die Welt, und über Vorstellungen von D/s, Grenzen, Tabus etc. pp.
      Erst als wir uns gegenseitig im Groben einschätzen konnten, haben wir ganz langsam angefangen Machtgefälle aufzubauen. Und ich meine wirklich langsam.
      Es ging glaube ich damit los, dass ich täglich mein Outfit schicken sollte. Mehr nicht.
      Dann kamen über die Zeit mehr Dinge dazu. Es ging wirklich sehr schleichend.

      Im Gegensatz dazu war es mit meinem Ex. Da war von Jetzt auf Gleich alles da.
      Wir waren unerfahren, neugierig und übermütig.
      Daran ist es letztelendes auf der Ebene auch gescheitert.

      Was ich immer mal wieder lese ist, dass Dom*me nach 1. Kennenlerntreffen schon mit Halsbändern um sich wirft oder gar mit Verträgen. Und ich glaube so ist es auch gemeint oder @GreenBlueEyes?
      Oder dass aus einem reinen Onlinekontakt mit ein paar Mal hin und her schreiben schon ein Machtgefälle aufgebaut wird/oder dieses von dominanter Seite aus eingefordert wird?
      Ich war mal eine Zeit lang auf einer anderen Plattform Admina in einschlägigen Gruppen und musste das dort echt oft lesen und sehen: Onlinekontakt, 2 Wochen geschrieben, Zack TPE.
      Von sowas würde ich in der Tat abraten.

      Die meisten BDSMler*innen, die ich real kennenlernte und die sich in meinem Kreis bewegen sind durchaus von der langsamen, aber schon stetiges Machtgefälle Fraktion.
      Dort stand es zwar selbst zu Beginn des Kontaktes im Raum, hergestellt wurde es aber erst mit Zeit.
      Nun könnte man philosophisch fragen, ob überhaupt Augenhöhe besteht, wenn von Anfang an ein Machtgefälle angestrebt wird und man unbewusst dann schon eher darauf eingestellt ist. So Priming halt.
      “Everything has been figured out, except how to live.” (Jean-Paul Sartre)