Sturmgepeitscht

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

      Sturmgepeitscht

      Der Sturm peitscht mir den Regen ins Gesicht, Wassertropfen wie feine Nadelstiche auf der Haut. Ich stemme mich dagegen, meine Jacke ist nach hinten aufgeplustert, die Tropfen auf meiner Brille rauben mir die Sicht. Ich kämpfe mich weiter, Schritt für Schritt, die Nässe in meiner Kleidung, die Kälte in meinen Knochen. Es ist der Weg, den ich gehen muss. Der Weg, der in die Freiheit führt, der Weg, der aus der Freiheit führt.

      Es war meine freie Entscheidung. Allen Widrigkeiten zum Trotz würde ich mich Dir hingeben, nichts könnte mich davon abhalten. Die Liebe ist eine seltsame Ratgeberin. Du hast von mir verlangt, dass ich diesen Weg gehe, auf meinen eigenen Füßen. Dass ich nicht mit dem Auto komme, mir kein Taxi nehme, sondern dass ich den Weg abschreite, Schritt für Schritt meine Entscheidung überdenke.

      Noch ist es dunkel, noch deutet nichts auf den nahenden Morgen. Wie lange bin ich schon unterwegs? Ich weiß es nicht. Eine Stunde? Länger? Die Zeit scheint keine Rolle mehr zu spielen. Ich zittere vor Kälte, ich zittere vor Ungewissheit. Tue ich das Richtige? Die Straße vor mir scheint kein Ende zu nehmen. Die letzten Häuser liegen schon lange hinter mir, keine Beleuchtung mehr, die mir den Weg erhellt. Hagelkörner gesellen sich zum Regen. Der Tag war lange vorher festgelegt. Musste es unbedingt ein solcher Tag sein? Mit Sturm und Regen, mit Hagel und Eis? Nichts lässt das Ende meiner Reise erahnen. Gefangen zwischen Zeit und Raum scheine ich in der Ewigkeit zu wandern. Werde ich Dich je erreichen? Die Liebe ist eine Verführerin. Sie hat mich verführt, Du hast mich verführt, Dir zu folgen, Dir zu gehören. Doch Du wolltest mich nicht einfach so. Ich muss Dir meine Hingabe beweisen und dieser Weg ist nur ein Teil davon.

      Ich halte inne, blicke zum Horizont. Ein leichtes Grau kündigt den Tag an. Ich friere. Ich muss weiter. Die Bewegung wärmt mich auch nicht mehr, ich spüre meine Hände kaum noch. Ich halte sie in den Hauch meines Atems, aber auch das hilft nicht gegen die Kälte. Du verlangst viel von mir. Und Du wirst noch mehr verlangen. Bin ich wirklich bereit zu ertragen, was Du von mir forderst? Ich bleibe wieder stehen, blicke zurück, blicke nach vorn. Habe ich die Hälfte schon überschritten? Sollte ich umkehren? Dann hätte ich den Wind im Rücken. Rückenwind. Ich käme schneller voran. Aber ich würde mich von Dir entfernen. Die Liebe ist eine Sirene. Sie lockt mich unwiderstehlich zu Dir.

      Ich setze meinen Weg fort, gegen Sturm und Regen, gegen Kälte und Nässe. Tränen laufen über mein Gesicht. Die Anstrengung fordert meine letzte Kraft. Werde ich durchhalten? Werde ich den Weg zu Ende gehen? Das Ende des Weges wird das Ende meiner Freiheit sein. In Freiheit habe ich entschieden, meine Freiheit aufzugeben. Es war meine letzte freie Entscheidung, die mich Schritt für Schritt in die Unfreiheit führt. Ich spüre meine Füße kaum noch, und doch tragen sie mich weiter. Die Liebe ist eine Hexe. Sie hat mich verhext. Und Du bist der Teufel, der mich in seinen Bann gezogen hat.

      Welche Hölle wartet auf mich? Du hast Dich nicht konkret geäußert. Andeutungen, Verheißungen, vage Versprechungen und Androhungen, welchen Qualen Du mich aussetzen wirst. Schlimmer als ich mir vorstellen kann, weit über meine Grenzen hinaus. Will ich das? Will ich das wirklich? Ich will Dich. Und für Dich bin ich bereit, alles zu ertragen. Die Liebe ist eine Teufelin. Sie zieht mich in die Hölle.

      Der Regen hat nachgelassen, langsam wird es heller. In der Ferne erkenne ich ein Haus. Einsam, am Waldrand gelegen, dunkel noch, ein Schatten im verschwommenen Raum. Mit letzter Kraft beschleunige ich meine Schritte, das Ziel ist nah. Das Ziel, das Ende meines Weges ohne Wiederkehr. Ich kämpfe weiter gegen den Sturm, der die Nässe in meiner Kleidung gefrieren lässt. Der letzte Rest der Glut der Liebe in meinem Innersten wird erneut entfacht. Aus der Glut wird Feuer und es lodert mehr und mehr, mit jedem Schritt, den ich Dir näher komme. Die Liebe selbst ist eine Hölle, die in mir brennt und deren Flammen mich verzehren.

      Die letzten Schritte spüre ich kaum. Ich stolpere von Fuß zu Fuß, ich taumele die letzten Meter. Dann stehst Du da, in offener Tür. Lächelnd nimmst Du mich in Empfang. Ich falle Dir in Deine Arme, Du fängst mich auf, hältst mich, tröstest mich, küsst mich. Die Liebe ist ein Himmelswesen. Sie trägt mich hinauf in die Höhen des Glücks.