Freiheit

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      Ich schreibe hier, weil ich a) mit keinem sonst wirklich drüber reden kann und b) ich so ein Thema aus meinem echten analogen Tagebuch immer wieder herausreisse aus Angst, mein Nachwuchs könnte es lesen...

      Ich bin in einem sehr patriarchalischen und eher reaktionären Umfeld groß geworden. Dass Männer mehr wert waren, hielten viele für selbstverständlich, und dass Frauen von ihren Männern abhängig waren, war noch sehr üblich - dass Frauen (und Kinder) im häuslichen Umfeld viel Gewalt erlebten, leider auch.

      Höhere Bildung für Mädchen war weder im weiteren Umfeld noch in meiner Ursprungsfamilie so selbstverständlich wie evt heute. Ich war die erste Frau in meiner Familie, die studierte, meine kleinen Schwestern später auch, aber ich kenne eben auch ungläubige Blicke und Kommentare, wenn ich "nicht altersgerechte" Bücher lesen wollte als Kind, oder Interessen hatte, die eher den Jungen zugeordnet wurden... (und sowas wie LGBTQI gab es damals in unserem Dorf noch gar nicht...). Es war alles sehr normiert, wer da ausbrechen wollte, hatte es schwer.

      Ob das alles nur die Gesellschaft war, oder Tendenzen in der Gesellschaft für mich noch um ein Vielfaches verstärkt wurden durch meine eigene sehr dysfunktionale Familie, weiss ich nicht.
      Ich wusste nur, ich wollte da weg und ich wollte nie abhängig sein, weder finanziell, noch emotional. Und ich würde mich ganz sicher keinem Mann unterordnen. Nie.

      Gleichzeitig war da jedoch diese dunkle Seite, die Unterordnung mental und auch körperlich sexuell genoss, die ich aber irgendwann weg sperrte, weil sie mich immer wieder zu Männern hinzog, die nicht verfügbar waren, oder psychisch belastet, oder die irgendwo Suchtverhalten zeigten. Ich war mir sicher, dass ich durch meine Biographie ziemlich kaputt war und durch Traumata sicher nie in der Lage zu vertrauen.

      Ich las alles an psychologischen Ratgebern, was mir in die Finger kam, und war doch nicht in der Lage, das Gelesene mit meinen Gefühlen zu verbinden.

      Mit Mitte 20 traf ich meinen jetzigen Mann und erst durch ihn habe ich gelernt, was Vertrauen bedeutet. Und irgendwann nach Jahren war das Vertrauen so gross, dass ich mich es wagte, mehr zu mir selbst zu stehen.

      Heute mit 50 sieht mein Leben so anders aus, dass es mich manchmal umhaut. Ich sehe anders aus. Ich versuche nicht mehr, meine Haare jeden Tag glatt zu kriegen, ich trage jeden Tag Kleider oder Röcke, ich habe mich beruflich verändert, meine Arbeitszeiten verkürzt, und bin überraschend glücklich damit.

      Der Knoten im Hirn hat sich jedoch noch nicht ganz gelöst. Ich wundere mich immer wieder, warum ich Klapse oder Schläge auf einmal genieße - und wie man Demütigung und entwürdigende Behandlung generell erfahren kann und sich trotzdem so wertgeschätzt fühlt, so respektiert.
      Obwohl ich das Alles doch als Heranwachsende in einem ganz anderen Kontext erlebt habe...

      Wie kann man in so einem Ungleichgewicht leben und lieben, das trotzdem so im emotionalen Gleichgewicht ist. Aussenstehende beschreiben uns immer als so harmonisch und bemerken, dass unsere Beziehung ja anscheinend immer noch so gut sei, auch nach so langer Zeit. Gott sei Dank fragen sie nicht nach Rat...

      Lange hab ich mit mir gehadert, ob ich nicht mit meiner Lust alle Frauen verrate, die vor mir da waren, mit meiner aktuellen Art zu leben, denen irgendwie schade, die eben nicht frei wählen können.

      Aber es ist einfach so, und ich kann es immer besser annehmen. Ich habe für mich beschlossen, dass ich nicht alles rational verstehen muss.
      Und wenn mein Liebster mir hilft, meinen ständig ratternden Kopf auch mal auszuschalten, dann tut mir das sehr gut.
      Und solange es mir gut geht dabei, kann es nicht ganz verkehrt sein.

      Eventuell ist diese latente "mir doch egal" Haltung ja Zeichen wirklicher Emanzipation.

      Weil es ja meine Entscheidung ist...
      ... und weil ich mich dabei so frei fühle :)
      Danke für dieses - in meinen Augen - wunderbare Einblickgeben @Wildbiene :thumbup:

      Du beschreibst einen Emanzipationsprozess, der dein Leben komplett verändert hat, einfach weil du es mental zugelassen hast!

      Einiges davon hat mich an ein tiefgründiges Gedicht von Rainer-Maria Rilke erinnert:

      "Du musst das Leben nicht verstehn,
      dann wird es werden wie ein Fest.
      Und lass dir jeden Tag geschehen
      so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt.

      Sie aufzusammeln und zu sparen,
      das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
      Es löst sie leise aus den Haaren,
      drin sie so gern gefangen waren,
      und hält den lieben jungen Jahren
      nach neuen seine Hände hin."
      "Die üste hat die freie Wahl,
      wählt sie ein W, dann bleibt sie kahl,
      wählt sie ein K, dann wird sie nass,
      die freie Wahl macht keinen Spaß!" (Robert Gernhardt)
      ...wählt sie ein Br, macht sie MIR Spaß!!! (Carmantus) ;)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Carmantus ()

      es ist zwar ein Blogbeitrag aber ich schreibe meine Gedanken dazu, in der Hoffnung das du einverstanden bist.
      Ich kenne das sehr gut. Ich sollte ein Sohn werden, und als der Arzt meinem Vater erklärte, das sein Kind auf der Welt ist, brauchte er ganz lange um ihm zu sagen das es eine Tochter ist und kein Sohn.
      Mein Vater vermutete eine Behinderung oder sonstiges beim Rumgammeln des Arztes.
      Meine Mutter war nie so präsent, außer im Krieg mit meinem Vater.
      Ich wurde erzogen, das eine Frau den unteren Weg zu gehen hat, durfte kein Abitur machen und mußte eine Lehre machen.
      Gerne hätte ich studiert.
      Früh wurde ich erwachsen und musste auf mich aufpassen, nie und nimmer schwor ich mir würde ich einen unteren Weg gehen und mich einem Mann unterordnen, nur weil er ein Mann ist.
      Es dauerte ein paar Ehen und Jahrzehnte und heute komme ich mit mir zurecht. Es ist nicht alles super, aber bei wem ist das schon so? Heute gerade nachdem ich mich selbstständig gemacht habe, mit dem Geschäft was mein Vater nie wollte das ich es bekommen würde, lerne ich mich noch mehr kennen und manchmal scheint alles ein Widerspruch zu sein, es liegen riesige Kluften zwischen allem.
      Und da bin ich.
      Es war ein schwerer und harter Weg mich selbst zu akzeptieren, alle inneren Tiefen zu sehen und zu ertragen.
      Ob ich heute es vermisse nicht studiert zu haben? Ja manches wüsste ich gerne und nein unabhängig vom Wissen bin ich glücklich. Das was ich studieren wollte, lebe ich heute auf meine eigene Art und Weise aus.

      Für mich ist Emanzipation, das Frauen ihre Rechnungen selbst bezahlen dürfen nicht mehr und nicht weniger. Wo gibt es denn Gleichberechtigung? Ich denke Gleichberechtigung zu fordern ist der falsche Ansatz. Nicht jeder Mensch ist gleich, grundsätzlich unterscheiden wir uns schon mal rein Körperlich in zwei Geschlechter in Mann und Frau, ein Mann wird kein Kind zur Welt bringen, eine Frau schon und dafür wird er es zeugen. Ich finde es respektlos alles gleich machen zu wollen. Ich will garnicht gleich sein.
      Ich will ich sein. Ich bin nicht besser oder schlechter als ein Mann, er aber auch nicht.
      Wieso werden Rechte überhaupt heute noch in Frage gestellt? das man für Gleich-- Berechtigung kämpfen soll?
      Ist es nicht eher die Gleich --Wertigkeit?
      Und da sind wird wieder bei der Augenhöhe was so hart umkämpt ist in Zeiten des Kampfes um die Gleichberechtigung. Augenhöhe und Respekt sind wohl die Wörter,die oft vertauscht oder gleichgesetzt werden.
      Eine Freundin lernte einen Mann kennen und wir sprachen darüber. Ich sagte ihr allgemein ohne BDSM Kontext, dass sie ihre Beziehung bewusst erarbeiten soll, weil Beziehungsarbeit für eine erfolgreiche Beziehung wichtig ist. Sie erklärte das sie alles geklärt haben, sie sind gleichberechtigt. Sie bringt 4 Kinder mit, das Chaos wird spannend was entstehen wird, bei aller Gleichberechtigung hört sie jetzt auf zu arbeiten....
      Ich finde es ist wichtig gerade heute sich selbst zu finden, man kann so viel sein, doch wer ist erlebst? Wer weiß schon wer er ist? Was er mag oder nicht? Wer lebt und wer wird gelebt?
      Für mich bedeutet es ich zu sein.
      Wer auch immer das ich ist oder nicht ist. Jeder sollte sein ich finden.
      Schlechtes Gewissen? oder eine Tochter muss Abitur machen ? Oder ein Sohn nicht?
      jeder kann machen was in demjenigen ist, ganz nach dem was jemanden innerlich glücklich macht, das ist für mich die wahre Emanzipation und das geschlechterneutral.