Missbrauch oder nicht?

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      Apprecations Prince schrieb:

      Machen wir aber nicht. Stattdessen nutzen wir "beschönigende" Umschreibungen. Und warum fühlt es sich so viel leichter an zu sagen "Oh, tut mir leid, da habe ich wohl deine Grenzen ein bisschen überschritten" statt zu sagen "Oh, tut mir leid da habe ich dich ungewollt missbraucht"? Findet ihr es wichtig, Missbrauch explizit als solchen zu bezeichnen? Oder stört euch etwas daran? Was fällt euch generell zu dem Thema ein?
      @AppreciationPrince
      Für mich zwischen einer Grenuüberschreitung und Missbrauch ein großer Unterschied.

      Eine nichtgewollte Überschreitung von Grenzen kann passieren, in einer Beziehung die aus Vertrauen aufbaut, kan man darüber reden, einander verzeihen.
      Beim Missbrauch liegt für mich mehr vor, als eine Grenzpberschreitung oder ein Missverdtändnis. Da wird bewusst in Kauf genommen, dass der andere unter den Folgen leidet oder es ist der Person aus egoistischen Gründen egal.

      Persönlich finde ich es richtig und wichtig Dinge beim Namen zu nennen, doch ob jemand sich missbraucht fühlt oder nicht, ist erst mal sehr individuell. Da bin ich auch eher der Meinung, dass es ausschliesslich dem Berroffenen zusteht dieses zu formulieren oder auch für sich eine andere Formulierung zu nutzen.

      Was mich so manches mal stört, ist ein inflationäre Gebrauch des Wortes. Denn wenn ich für jede Grenzüberschreitung jede Kleinigkeit das Wort Missbrauch nutze, dann ist es ein "Schlag ins Gesicht" der Opfer von tatsächlichem Missbrauch.
      Um es nicht unter jeden Beitrag schreiben zu müssen. Zwischen mir und den Meinen herrscht Einvernehmen und ich werde niemanden gegen seinen Willen, misshandeln, der Freiheit berauben oder sonst irgendwie Schaden zufügen.

      AppreciationPrince schrieb:

      1) Negative Konsequenzen androhen (z.B.: "Wenn du nicht ... machst, dann verlasse ich dich.")

      2) Gaslighting (z.B.: Zu leugnen, dass man etwas getan hat und zu behaupten, dass das Opfer sich das nur eingebildet hat.)

      3) Mobbing

      4) Emotionale Erpressung (z.B.: "Liebst du mich denn nicht genug, um ... für mich zu machen?")
      Die obigen Punkte finden sich sehr wohl im Strafgesetzbuch:
      1. Nötigung §240 StGB
      2. Falsche Verdächtigung §164 StGB
      3. Mobbing (wird ggf. als Körperverletzung gewertet §§ 223, 224 StGB)
      4. Erpressung §253 StGB
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
      Und Trost ist nicht, da du mein Trost gewesen; Und Rat ist nicht, da du mein Rat gewesen; Und Schutz ist nicht, da du mein Schutz gewesen; Und Liebe nicht, da ich um deinetwillen; Die Welt geliebt. <3 [Marie Luise Kaschnitz]
      Missbrauch liegt, in meinen Augen dann, in unserer Gesellschaft vor, wenn Jemand seine Überlegenheit (körperlich, geistig, seelisch) gegenüber einer anderen Person so nutzt, dass diese Schaden nimmt (körperlich, seelisch, geistig).
      Wann das der Fall ist, entscheidet bei uns wer? Ein Gericht? Und in vielen Fällen ist es sicherlich nicht gerade leicht, so ein Urteil zu fällen. In anderen schon.
      Und es gibt sicherlich auch ungefähre Richtlinien, an denen man sich zu orientieren versucht.

      Mein "BDSM" schrammt bei mir selber gefühlstechnisch schon manchmal hart an der Grenze dessen entlang bzw. habe ich mich selber schon gefragt, wie es mir geht, ob meine Beziehung für mich okay ist, wie sie ist oder nicht, mir gut tut, ich sie so will oder nicht oder weshalb ich unter den Bedingungen mit diesem Mann doch noch zusammen bin, usw...

      Ich finde, jeder hat das Recht sein Empfinden, seine Ansichten, sein Gefühl und seine Meinung gegenüber einer anderen Person auszudrücken. Sei es face-to-face oder virtuell, ob öffentlich oder privat.
      Wenn also Jemand, auf Grund eigener Missbrauchserfahrungen, beim hören und sehen, das Gefühl bekommt, dass Missbrauch vorliegt oder vorliegen könnte, darf (und sollte) er das auch so benennen.
      Klar, birgt das Risiken (Jemand fühlt sich missverstanden, verurteilt, in eine Rolle gedrängt, die er gar nicht hat oder nicht haben will, usw…). Aber wie dann damit umgegangen wird, liegt, bei Erwachsenen in der Eigenverantwortung des Gegenübers. Meiner Ansicht nach, jedenfalls.

      Ich sehe einzig und alleine einen Unterschied in der inneren Haltung einer Person und wie sie diese nach Außen trägt: Maßt sie sich an, entscheiden zu können, ob im Falle xyz (bei einer Beschreibung einer Beziehung hier im Forum), Missbrauch vorliegt und zu schreien: "Hey, das ist Missbrauch!!!" Oder eher zu sagen: !Also, meinem Empfinden nach, ist das Missbrauch" bzw. "für mich fühlt sich das missbräuchlich an".
      Jeder hat das Recht, so zu empfinden, wie er empfindet und es auch so zu äußern, denke ich.

      Dann fängt man hier auch nicht an über Definitionen zu diskutieren (wann ist etwas Missbrauch? Etc…), warum eine Person xyz nicht empfinden dürfte (und nicht äußern dürfte) usw….

      Immer noch grübelnd :gruebel:
      E`s d (Liza)

      Dominantseptakkord schrieb:

      Das ist die Duden-Definition, ja. Ich glaube aber, für die Zwecke dieses Threads ist die Beschränkung auf sexuelle Gewalt zu eng gefasst. Vielleicht wäre Misshandlung der passendere Begriff gewesen, denn ich verstehe den Thread so, dass auch nicht-sexuelle Gewalt erfasst sein soll (Stichwort psychischer Missbrauch). Das nur als kleine Anmerkung, bevor es wegen unterschiedlicher Definitionen zu Verwirrung kommt.
      Deshalb bin ich ein Freund der korrekten Verwendung von Sprache :) .

      Um nicht Offtopic zu werden: als ich den Thread las, wurde mir bewusst, dass ich wohl tatsächlich Missbrauch erlebte.

      Ich war 17 (kurz vor 18). Ich war mit einer Freundin (das erste Mal) in einer Disco (ihre Mutter fuhr uns hin und holte uns pünktlich wieder ab, da ich ja noch nicht erwachsen war). Ich war zu der zeit gänzlich unberührt (weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll). Irgendwann saßen meine Freundin und ich mit zwei oder drei Männern an einem Tisch, ich würde sagen, die waren in der Mitte der Zwanziger bis knapp zu 30 Jahre. Mit einem der Dreien unterhielt ich mich intensiver und dieser fing irgendwann an, mich intim zu befingern unter dem Tisch, was ich zuließ. Er versuchte auch, mich zu küssen, was ich abwehrte. Ich wusste tatsächlich nicht, wie ich insgesamt mit der Situation umgehen soll. Es war mir alles sehr unangenehm, ich wollte aber meiner Freundin nichts sagen, warum, weiß ich nicht mehr.
      Ich war froh, als ihre Mutter endlich kam, um uns abzuholen. Er wollte meine Telefonnummer, welche ich ihm auch gab, obwohl ich nicht wollte (wie gesagt, ich war noch gänzlich unbedarft).

      Als er anrief, schickte ich die Erzieherin vor, danach hörte ich zum Glück nie wieder von ihm.

      Mein "Nein" zum Küssen hat er ein paar Mal versucht, in ein Ja zu verwandeln, hat es sich aber nicht "mit Gewalt" geholt. Das Fingern habe ich nicht mit Worten und wohl auch mit Taten nur wenig abgewehrt. Hätte er wissen sollen/ können/ müssen, wie unangenehm es mir ist? Hätte er fragen müssen? Hätte er bei meiner Abwehr bezüglich des Küssens hellhörig werden müssen? (Dies sind tatsächlich gänzlich offene Fragen, welche ich nicht einfach mit ja oder nein beantworten kann)

      Ich kann mich noch heute, über 25 Jahre später daran erinnern. Heute würde ich sagen: ja, ich fühlte mich missbraucht, aber war es auch objektiv Missbrauch?. Damals hatte ich nur ein schlechtes Gefühl, ein schlechtes Gewissen und war ärgerlich über mich selbst, dass es mir nicht gelungen war, nein zu sagen.

      Hätte von außen jemand gesagt: "du wurdest missbraucht", hätte ich vielleicht gesagt "ja, stimmt" und hätte ein noch größeres Gefühl von Machtlosigkeit empfunden.

      Missbrauch hat immer auch mit gefühlter und/ oder tatsächlicher Machtlosigkeit zu tun. Zu erkennen, dass man machtlos ist/ war, schmerz und macht einen ggf. noch macht- und hilfloser. Oder es rüttelt einen wach. Ich denke, beides ist möglich. Daher gibt es wohl keine eindeutige Antwort auf die Frage: "ansprechen, ja oder nein".
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
      Und Trost ist nicht, da du mein Trost gewesen; Und Rat ist nicht, da du mein Rat gewesen; Und Schutz ist nicht, da du mein Schutz gewesen; Und Liebe nicht, da ich um deinetwillen; Die Welt geliebt. <3 [Marie Luise Kaschnitz]
      Missbrauch fängt für mich dort an, wo wir die Grundlage des deutschen Rechts verlassen. Die Grundlage ist dabei eben die rechtswirksame Einwilligung: gentledom.de/infos/bdsm-und-re…htswirksame-einwilligung/

      Nun wird es sicher Personen geben die denken, aber wenn jemand psychisch labil ist, dann kann er doch einwilligen und es ist dennoch Missbrauch. Nein, wenn jemand einen solchen Mangel hat, der ihn oder sie daran hindert ganz aus freien Stücken einzuwilligen, dann ist es nicht mehr von der rechtswirksamen Einwilligung gedeckt. Wobei dies natürlich auch erkennbar sein muss, um dem dominanten Part hier einen Vorwurf machen zu können.

      AppreciationPrince schrieb:

      Jemanden durch anschreien einschüchtern
      Es gibt BDSMler für die ist das Teil des Spiels, wenn es beide so wollen und die Einwilligung frei von Willensmängeln ist, wer sind wir dann, dass wir sagen es wäre ein Missbrauch. BDSM kann grob sein, wenn es alle Beteiligten so wollen.

      AppreciationPrince schrieb:

      Negative Konsequenzen androhen (z.B.: "Wenn du nicht ... machst, dann verlasse ich dich.")
      Ähm, wenn das nun Missbrauch ist, dann habe ich schon oft missbraucht. Ein Beispiel von vielen: "Wenn du weiterhin so zappelst, dann verdoppel ich die Schläge". Und selbst das Drohen jemanden zu verlassen muss kein Missbrauch sein. Ich hatte mal eine Partnerin die mich betrogen hat, klar habe ich da gesagt "kommt es nochmal vor, dass ist es aus mit uns", war das nun Missbrauch oder einfach das Aufzeigen einer roten Linie?

      AppreciationPrince schrieb:

      Kritik an der Person (z.B: "Du bist doch verrückt. Mit dir stimmt etwas nicht.")
      Kritik ist doch erst mal nur eins: Kritik. Es kommt darauf an wie man sie verliert, bis es zu einem Missbrauch durch Kritik kommt, das ist ein weiter Weg.


      Kommunikation ist wichtig beim BDSM, man muss klären was geht und was nicht. Wenn ich morgens also die halbschlafenden Person neben mir in meinen Lendenbereich drücke um auf eine schöne Art und Weise geweckt zu werden und dabei vielleicht noch meine Hand so in den Nacken lege, dass ich sie quasi dorthin drücke, dann kann das Missbrauch sein. Nämlich wenn es nicht abgesprochen ist. Wenn ich aber das OK meines Partners habe dies zu tun und dieser sogar noch über ein Safeword verfügt es aber nicht nutzt, dann ist es einfach Sex, den mag dann zwar womöglich nur einer gerade genießen aber auch das kann OK sein, wenn es eben im Rahmen dessen stattfindet, worauf sich beide geeignigt haben :)

      Missbrauch ist das Handeln gegen den grundlegenden Willen einer Person, zu derem Schaden. Damit stehen BDSM und Missbrauch für die meisten BDSMler in einem totalem Widerspruch.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Missbrauch... Ich stimme @Primrose zu, das ist ein sehr hartes Wort. Und es ist ein harter Vorwurf, wenn man jemanden damit konfrontiert, sei es als Täter, sei es als Opfer. Die eigentlichen Missbrauchsdelikte setzen ein (klar definiertes) Abhängigkeitsverhältnis voraus, sind hier also nicht einschlägig. Aber es bleiben noch ein paar andere Delikte, unter die ein "Missbrauch" fallen kann. Eine strafrechtliche Relevanz erhält die Handlung, wenn sie vorsätzlich ausgeführt wird, das gilt zumindest für § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) als auch für alle Delikte (von der Körperverletzung abgesehen), die @Louise angeführt hat. Einen "unbewussten" Missbrauch kann es meiner Meinung nach nicht geben, zumindest nicht mit strafrechtlicher Relevanz, denn Vorsatz definiert sich als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Wenn nur (bitte nicht falsch verstehen!) das Opfer es als Missbrauch empfindet, ist der Partner strafrechtlich gesehen raus, moralisch ist das eine ganz andere Sache. (Eine Körperverletzung mit oder ohne Einwilligung klammere ich hier mal aus, das würde m.E. zu weit gehen).


      Nun also zum Missbrauch an sich. Jeder von uns hat dafür sicherlich eine etwas andere Definition, die durch unterschiedliche Erfahrungen und Moralvorstellungen beeinflusst wird. Ich definiere einen Missbrauch für mich z.B. als ein Benutzen des Partners, ohne, dass dafür eine (von mir aus auch generelle) Einwilligung besteht. Eine Einwilligung ist für mich etwas, das freiwillig und ohne (eingebildeten oder tatsächlichen Druck) gegeben wird. Und von einer Einwilligung kann man meiner Meinung nach jederzeit zurücktreten (Safeword o.ä.). In jedem Fall schwingt für mich eine ordentliche Portion Egoismus und Rücksichtslosigkeit auf Seiten des Missbrauchenden mit, Vorsatz hin oder her.


      Missbrauch kann in einer einmaligen Situation geschehen (wie von @Louise geschildert) oder sich auch erst aus mehreren Grenzüberschreitungen/Unfällen ergeben. Wie kann man das abgrenzen? Ich finde, @Isegrim_w_devot hat das gut auf den Punkt gebracht, es kommt auch ganz stark darauf an, was danach passiert und wie die Situation danach empfunden wird. Wird danach darüber gesprochen? Gibt es überhaupt den Rahmen dazu? Was sind die Konsequenzen daraus? Wiederholt es sich?


      Nun aber zur eingangs gestellten Frage… @Elizabeth`s devotion hat das meiner Meinung nach sehr schön auf den Punkt gebracht: "Jeder hat das Recht, so zu empfinden, wie er empfindet und es auch so zu äußern" Von daher - wenn es nicht übergriffig formuliert wird (Das soll kein Vorwurf sein, dass das so passiert wäre!) -sollte man die Wörter "Missbrauch" oder "missbräuchlich" nicht zwangsläufig vermeiden. Ich für meinen Teil bevorzuge jedoch auch die etwas subtilere Art, erstmal nachzufragen, wie es dem/der Betroffenen in der Situation geht, allein schon, um eine (wahrscheinlich unübersichtliche und bestimmt nicht eindeutige) Situation besser einschätzen zu können. Können wir anhand einer Schilderung in einem Forum überhaut beurteilen, ob etwas Missbrauch, Grenzüberschreitung, oder etwas ganz anderes ist? Ich würde sagen, von ganz eindeutigen Fällen vielleicht mal abgesehen, nein, das können wir nicht. Das kann nur der/die Betroffene selbst. Aber wir können Anregungen geben, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Und wenn derjenige durch einen Post in einem Forum dazu anregt, genau das zu tun, dann spricht für mich nichts dagegen!
      Moin,

      AppreciationPrince schrieb:

      imaginary schrieb:

      Wenn man jetzt Sub oder Dom 'einredet' es wäre Missbrauch, und sei es auch nur im absolut wohlmeinenden Sinne, "es könnte Missbrauch sein, wenn ...", ja dann kann es sein , dass man ein Leben zerstört.
      Das ist zwar theoretisch denkbar, halte ich aber für extrem unwahrscheinlich. Wenn kein Missbrauch vorliegt, dann werden die Partner das ja relativ schnell merken. Für so fragil halte ich einvernehmliche Beziehungen nicht, dass sie am Satz „Falls … vorliegt, dann ist das Missbrauch“ zerbrechen.
      mMn. übersiehst du hier den Punkt, dass es äußerst selten Personen in einer derzeit stabilen Beziehung sind, die Fragen nach dem Status ihrer Beziehung stellen.

      Grundsätzliche Einvernehmlichkeit hin oder her:
      Irgendetwas bringt die Frager dazu, an sich, an dem Partner und/oder an der Beziehung "zu zweifeln" und die anonyme Masse zu fragen.
      Das kann eine kurzzeitige Irritation sein, kann aber auch durchaus eine derzeit instabile Beziehnug sein.

      Und da ein Wort 'missbräuchlich' in den Raum zu stellen hat durchaus das Potential von einer Irritation zu einer destabilisierten Beziehung zu führen, eine wackelige Beziehung weiter zu destabilisieren oder gar die Beziehung beenden, weil der verunsicherte, fragende Part dem Ratgebenden unbewusst eine entsprechende Expertise unterstellt.

      Nur als Denkanstoß

      imaginary
      Die Gedanken sind frei.
      Denken muss man sich erarbeiten.

      Frei nach Quigley: "ich habe gesagt, daß ich mit `nem Flogger nicht viel anfangen kann, nicht daß ich damit nicht umgehen kann."
      Ganz ehrlich? Wer redet denn da was ein?

      wenn ein Partner merkt, hoppala, ich will das eig. Gar nicht was hier (schon monatelang) passiert, dann sollte er tunlichst das abstellen. Und dass er das abstellen darf und kann, kann man ihm sagen.
      vielleicht bringt man auch denjenigen dazu, ehrlich zu sich selber zu sein.

      Missbrauch, gegen den eigenen Willen, fühlst du dich wohl damit, ist das euer (normales) Spiel? Es zielt darauf ab, der- oder demjenigen einen Denkanstoß zu geben.
      Ich finde es generell schwierig und sehe es kritisch, wenn man einem anderen Menschen versucht deutlich zu machen:
      Du darfst das nicht sagen, weil… (Du Schaden anrichten könntest. Eine Beziehung zerstören könntest? Das Wort zu hart klingt?)
      Du darfst das nicht denken und fühlen, weil … (Du xyz falsch definierst? In Beziehungen geht es doch sehr um ein individuelles Fühlen, denke ich).

      Meiner Meinung nach lebt und entwickelt sich der Mensch doch gerade dadurch: Durch den Kontakt und den Gedankenaustausch mit anderen Menschen (und eben der Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen).
      Und I-Net bietet die tolle Möglichkeit eine breite Masse zu erreichen und breit-gefächerte Ansichten (feedback) zu erhalten, aber beinhaltet eben auch das Risiko solcher (es schlagen Einem u. U. Ansichten entgegen, die man nicht hören wollte, die Einen schocken, erschrecken, ängstigen, enttäuschen, usw… Telweise von fremden Menschen zu extrem persönlichen Themen!).

      Dennoch, so denke ich, liegt es in der Eigenverantwortung eines jeden erwachsenen Menschen hier, damit so umzugehen, dass es ihm im Leben gut geht. Das ist nicht immer einfach.

      Aber deswegen anderen die Äußerung ihrer Gedanken und Empfindungen „madig“ zu machen, finde ich nicht richtig oder im Sinne von „Du bist „schuld“, wenn danach xyz passiert.“ (Eine Beziehung in die Brüche geht?)

      Schön, finde ich threads mit einer breiten Sammlung an Ansichten, Erlebnissen und Empfindungen. Dabei hat in meinen auch eine Person das Rede- und Gehört-Werden-Recht, die Missbrauchserfahrung hat und deswegen anders empfindet, als die Mehrheit der Anderen.
      Ich finde, es liegt AUCH eine Chance darin- z. B. im Falle von schlechten Zuständen, die Möglichkeit zu eröffnen jemanden hellhörig zu machen, genauer hinzusehen und entsprechend zu agieren. Kann ja sogar für eine Beziehung, die schlecht läuft, eine positive Bereicherung darstellen.

      Ich habe mir schon häufiger „Rückhalt“ in meinem Umfeld oder sogar auch hier geholt um damit gestärkt in die Auseinandersetzung mit meinem Sir gehen zu können (dadurch sind manchmal Missverständnisse erst aufgeklärt worden, selbst, wenn ich gestärkt provokativ auf ihn zuging :evil: ).

      Persönliche Diskussion (Sag` das lieber nicht…Wie kannst Du nur usw…) gehören für mich auch in einen persönlicheren Rahmen (PN) und möglichst nicht in den thread selbst, weil es sonst Themen in Themen werden (wie sich hier z. B. die Diskussion um die Definition von Missbrauch auftat - ich bin mit meiner Beziehung von gentledoms Definition von rechtswirksamer Einwilligung schon raus- ich habe in so mancher Hinsicht Druck EMPFUNDEN, selbst wenn es mein Sir nicht beabsichtigt haben sollte!).

      E`s d (Liza)
      Um hier ein Missverständis aufzuklären:
      Ich mache niemandem seine Empfindungen streitig.
      Ich halte es allerdings für falsch jemandem zu sagen du bist ein Missbrauchsopfer und da ist der Täter, wenn ich mir dessen nich zu 100% sicher bin.
      Nachfragen wie es dem Ratsuchenden geht: Ja
      Eine Hilfestellung zu Reflektion geben: Ja
      Eine Straftat unterstellen: Nein
      Die Gedanken sind frei.
      Denken muss man sich erarbeiten.

      Frei nach Quigley: "ich habe gesagt, daß ich mit `nem Flogger nicht viel anfangen kann, nicht daß ich damit nicht umgehen kann."

      AppreciationPrince schrieb:

      Es gibt Situationen, die beim ersten mal zwar etwas unangenehm sind, aber noch keine langfristigen, psychologischen Folgen haben, nach 10, 20 oder 100 Wiederholungen aber schon. Da kann es etwas übertrieben wirken, das beim ersten Mal bereits als Missbrauch zu bezeichnen. Aber haben wir denn so viel Kontakt zu der Person, bzw. schreibt sie so viele Beiträge, dass wir 20 mal den Verdacht auf Missbrauch haben, bevor wir ihn als solchen ansprechen? Meistens nicht. Deshalb finde ich es wichtig, (potentiellen) Missbrauch gleich beim ersten mal als solchen anzusprechen. Wenn wir das nicht tun, dann kann sich das Opfer viel leichter einreden, dass alles in Ordnung ist, statt sich Hilfe zu holen. Das Problem zu erkennen ist der erste Schritt. Und an diesem Schritt scheitert es bei den meisten Opfern, weil wir es nicht explizit ansprechen, sondern nett umschreiben.
      Hmmmm .... zum einen kann man die ganze Sache eben nur sehr fragmentarisch beurteilen und somit kann schnell mal auch der vermeintliche Täter zum Opfer werden, das möchte ich mir ebenso wenig auf die Fahne schreiben wollen, wie jemanden in seiner körperlichen oder seelischen Not alleine zu lassen. Also frage ich im Zweifel nach, ich denke ich frage nicht nett nach und kann eine Richtung auch antesten ohne das Wort Missbrauch zu nutzen.

      Und genau weil hier jemand möglicherweise nur mit diesem einen Post in Erscheinung tritt bin ich sicherlich vorsichtiger als bei einem Gespräch vis a vis. Alleine weil ich im realen Gegenüber eine ganz andere Einschätzung gewinnen kann als von einem Posting, in dem mir Gestik und Mimik fehlt.
      I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it


      Evelyn Beatrice Hall

      AppreciationPrince schrieb:

      Das ist zwar theoretisch denkbar, halte ich aber für extrem unwahrscheinlich. Wenn kein Missbrauch vorliegt, dann werden die Partner das ja relativ schnell merken. Für so fragil halte ich einvernehmliche Beziehungen nicht, dass sie am Satz „Falls … vorliegt, dann ist das Missbrauch“ zerbrechen.
      Du machst dir gar keine Vorstellungen, was sogar einzelne, unbedachte, nichtmal böse gemeinte Wörter für Schaden anrichten können.

      Gerade angesichts der hier schon erwähnten Tatsache, daß hier kaum eine Person einen (solchen) Thread eröffnen wird, bei der in der Beziehung gerade eitel Sonnenschein herrscht.
      Dieser Zustand alleine bedeutet aber nicht unbedingt , daß dort etwas falsch läuft; vielleicht ist die Beziehung der Person eigentlich auf einem guten Weg, aber gerade an einem Punkt, an dem die Person einiges sortieren muß, wie auch @Elizabeth`s devotion es hier schon beschrieben hat.
      Und gerade in solchen verwundbaren Momenten können eben auch gutgemeinte, unbedachte Worte von außen sehr viel Schaden anrichten.
      Nun ja, das ist doch immer das Risiko.

      in dem Moment, in dem ich mich äußere, im anonymen Netz, muss ich mit jeglichen Ansichten rechnen. Hinter jeder Antwort steckt ein anderes Leben, andere Erfahrung, andere Erziehung.
      Angriffe („wie kannst du nur so blöd sein…“ „selber schuld, wenn Du...“), Spott, Hohn
      da muss man es schon schaffen das nicht zu persönlich zu nehmen.
      das richtet Schaden an, ohne Frage. Stress. Wut. Fassungslosigkeit.

      bei gutgemeinten Ratschlägen, finde ich, ist es geringer, dieses Risiko. Da wären mir dann ehrliche Worte, direkter Art lieber, aber das ist lediglich meine Ansicht.
      Der Schaden ist dann evtl. Der Schock der Erkenntnis weil man ein bisschen mehr Selbstreflexion betreibt.

      suche ich dringend Rat, und möchte Meinungen hören von scheinbar Gleichgesinnten, die ich nicht kenne oder sie mich, dann muss ich da durch. Und muss das aber auch auf meine individuelle Situation, die nur ich 100 % kenne, ummünzen können. Also herausfiltern, welcher Ratschlag mir und meiner Situation am nächsten kommt.
      Manchmal gibt es dann gute Denkanstöße oder ich sage, ne, das passt so nicht, das ist absurd.

      diese Entscheidung bleibt dem Fragenden.

      Elizabeth`s devotion schrieb:

      Und die Gedanken daran, jemand könne missbraucht werden, gehören für mich eben auch, mindestens in eine PN. Aber vorsichtiges Nachfragen, ob es der Person wirklich gut geht, auch. Aus Beidem spricht schließlich etwas Sorge und ein "hey, schau mal hin, ich habe den Eindruck, es ginge Dir evtl. nicht so gut?".
      Hast du da irgendwelche Erfahrungen damit, ob es Menschen leichter fällt auf solche Nachfragen zu antworten, wenn man es per PN anspricht statt öffentlich?

      Elizabeth`s devotion schrieb:

      Jeder hat das Recht, so zu empfinden, wie er empfindet und es auch so zu äußern, denke ich.
      Das sehe ich ähnlich. Wir können anderen nicht vorschreiben, wie sie zu empfinden oder zu sprechen haben. Wir können höchstens sagen: „Mir gefällt nicht, wie du dich äußerst“.

      Trotzdem glaube ich nicht, dass es immer sinnvoll ist sich so zu äußern wie man empfindet. Es kommt ja oft vor, dass unsere Gefühle oder Gedanken nicht besonders schön/freundlich sind. Deshalb finde ich es auch wichtig über unsere Wortwahl zu reflektieren. Das ist auch der Hauptgrund, warum ich den Thread eröffnet habe. Ich wollte mehr Input darüber haben, wie es bei anderen ankommt, wenn ich das Wort „Missbrauch“ verwende.

      Gentledom schrieb:

      Und selbst das Drohen jemanden zu verlassen muss kein Missbrauch sein. Ich hatte mal eine Partnerin die mich betrogen hat, klar habe ich da gesagt "kommt es nochmal vor, dass ist es aus mit uns", war das nun Missbrauch oder einfach das Aufzeigen einer roten Linie?
      Ich finde du sprichst da einen Wichtigen Punkt an: Wo ist in (dem Beispiel) der Unterschied zwischen Missbrauch und dem Kommunizieren von Grenzen? Ich denke, das hängt davon ab, ob wir versuchen unsere Partnerin zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, oder ob wir offen dafür sind, dass unsere Partnerin fremd geht, wenn sie das möchte.

      Um den Unterschied in der Intention rüber zu bringen, könnte man z.B. statt "kommt es nochmal vor, dann ist es aus mit uns" zu sagen, folgendes sagen: „Mir ist es wichtig, dass du die Freiheit hast dir auszusuchen mit wem du schläfst. Ich möchte aber auch, dass dir bewusst ist, dass ich nicht in einer Beziehung sein möchte, in der meine Partnerin mit anderen Menschen schläft. Wie ist das für dich, wenn du das hörst?“

      Das deckt sich, wenn ich das richtig verstehe, auch mit deinem Verständnis von Missbrauch: Wenn ich sage „Wenn du fremd gehst, dann verlasse ich dich“, dann hat die Person vermutlich Angst davor verlassen zu werden (also Druck von außen). Damit ist ihre Einwilligung, nicht fremd zu gehen, nicht freiwillig und damit nicht rechtswirksam und dann nach deiner eigenen Aussage ebenfalls Missbrauch. Oder irre ich mich da?

      Ich weiß, dass es schwierig ist, so penibel darauf zu achten keinen Druck auf unsere Gesprächspartner auszuüben. Und gerade deshalb finde ich es so wichtig es anzusprechen, damit wir vielleicht ein bisschen häufiger darauf achten.

      Gentledom schrieb:

      Ähm, wenn das nun Missbrauch ist, dann habe ich schon oft missbraucht. Ein Beispiel von vielen: "Wenn du weiterhin so zappelst, dann verdoppel ich die Schläge".
      Ich gehe mal davon aus, dass beide Personen im Beispiel, mit dieser Art der Behandlung einverstanden sind. Deswegen würde ich das nicht als Missbrauch bezeichnen, sondern als einvernehmliches BDSM.

      Ich würde aber auch sagen, dass es wahrscheinlich keinen Erwachsenen gibt, der noch nie jemanden missbraucht hat:

      Das fängt ja schon früh im Leben an. Als Babys lernen wir schnell, dass jemand kommt und unsere Bedürfnisse erfüllt, wenn wir weinen. Im Kindesalter merken wir dann auch, dass wir im Supermarkt Süßigkeiten oder eine neues Spielzeug bekommen, wenn wir nur laut genug schreien oder mit den Spielsachen unserer Geschwister spielen können, wenn wir sie schlagen. Zum Glück schreiten da meistens die Eltern ein und bringen uns bei, dass wir anderen keine körperliche Gewalt zufügen dürfen um das zu bekommen, was wir wollen.

      Aber welche Eltern sagen ihren Kindern, dass es nicht in Ordnung ist, so zu sprechen, dass andere aus Angst, Scham oder Pflichtgefühl das tun was wir wollen? Welche Eltern können ihren Kindern denn erklären, was emotionale Erpressung, Gaslighting oder psychologischer Missbrauch sind? Oder Mobbing vollumfänglich erläutern? Das können die wenigsten. Körperliche Gewalt bemerkt man leicht, aber emotionale Gewalt ist viel schwieriger zu erkennen.

      Und so lernen und verfeinern wir alle unsere mehr oder weniger subtilen Wege um das Verhalten anderer zu beeinflussen. Und außer im BDSM holen wir uns praktisch nie die Zustimmung dafür ein.

      Es fragt z.B. keiner „Bekomme ich deine Zustimmung, dich dazu zu drängen mit auf die Party zu gehen, indem ich dich einen Spielverderber nenne, wenn du nicht kommst?“ oder „Darf ich Druck aufbauen, damit du mir einen Blowjob gibst, indem ich dir sage, dass es normal ist, dass Frauen ihren Partnern einen geben und damit suggeriere, dass du nicht normal bist, wenn du keinen geben willst?“

      Stattdessen sagen wir einfach „Sei kein Spielverderber“ oder „Das ist doch normal“ und denken uns nicht mal was dabei. Sowas machen wir alle ab und zu. Die einen häufiger, die anderen weniger oft.

      Mir ist nach langem Überlegen auch aufgefallen, dass eines meiner Anliegen in diesem Thread ist, auf genau diese Art von Missbrauch aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren. Und ob man es dann Missbrauch nennt, oder Emotionale Gewalt, Psychische Gewalt, Emotionale Misshandlung, Emotional Abuse oder sonst irgendwas, ist mir dann gar nicht so wichtig. Hauptsache man hat einen Begriff um die Thematik anzusprechen.

      Und noch eine Sache, weil einige Missbrauch (wahrscheinlich mit einer anderen Definition) als schweren Vorwurf bezeichnet haben:

      Kleine Kinder sagen manchmal „Die Vase ist kaputt gegangen“ statt „Ich habe die Vase kaputt gemacht“ um sich vor möglichen, negativen Konsequenzen zu schützen und keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen zu müssen. Deshalb finde ich es in gewisser Weise sogar gut, wenn wir offen sagen können „Ja, auch ich missbrauche manchmal andere Menschen.“ Das macht uns nicht zu schlechten Menschen, sondern zeugt meiner Meinung nach von Verantwortungsbewusstsein.

      imaginary schrieb:

      mMn. übersiehst du hier den Punkt, dass es äußerst selten Personen in einer derzeit stabilen Beziehung sind, die Fragen nach dem Status ihrer Beziehung stellen.
      Nein, nein, dessen bin ich mir schon bewusst. Gerade deshalb habe ich den Begriff Missbrauch ursprünglich auch verwendet. Ich will darauf nochmal genauer eingehen, weil ich den Eindruck habe, dass ich meine Ansichten viel zu oberflächlich erklärt habe, was zu Missverständnissen geführt hat.

      Wenn jemand einen Beitrag schreibt und ich mir beim Lesen Sorgen mache, dass Missbrauch im Spiel sein könnte, dann frage ich erst mal nach (ohne gleich das Wort Missbrauch zu verwenden). So, wie viele andere es ja auch machen. Wenn der Beitragsschreiber dann mehr dazu schreibt, dann kann ich empathisch zuhören und mein Mitgefühl ausdrücken. @Primrose hat das, wie ich finde, auch schön ausgedrückt. Falls gewünscht, gebe ich dann noch Ratschläge.

      Aber was, wenn wir nachfragen und keine Antwort bekommen? Nehmen wir dann einfach an, dass alles in Ordnung ist? Es könnte ja auch sein, dass sich die Person einfach nicht traut, darüber zu sprechen oder gar nicht weiß, dass die Art wie sie behandelt wird langfristig zu psychologischen Problemen führen könnte.

      Sollten wir dann einfach sagen: „Wer sich nicht traut nach Hilfe zu fragen, dem helfe ich auch nicht?“ Meine Ansicht ist eher: „Wer keine Hilfe möchte, dem helfe ich nicht. Aber wenn jemand Hilfe möchte, sich aber nur nicht traut darüber zu sprechen, dann will ich schon helfen.“

      Wenn ich aber nichts/wenig über die Situation weiß und deswegen weder Empathie noch Ratschläge geben kann, dann fällt mir nur noch ein, allgemeine Informationen zu geben.

      In dem Zusammenhang erkläre ich dann Konzepte wie Konsens, Missbrauch oder Emotionale Erpressung usw. (und benenne sie auch als solche). Dann kann der Nutzer selber beurteilen, ob das auf seine Situation zutrifft oder nicht und ob es für ihn nützlich ist.

      Das ist übrigens genau die Situation, die mich zum erstellen dieses Threads gebracht hat.

      AppreciationPrince schrieb:

      (…)

      Wenn jemand einen Beitrag schreibt und ich mir beim Lesen Sorgen mache, dass Missbrauch im Spiel sein könnte, dann frage ich erst mal nach (ohne gleich das Wort Missbrauch zu verwenden). So, wie viele andere es ja auch machen. Wenn der Beitragsschreiber dann mehr dazu schreibt, dann kann ich empathisch zuhören und mein Mitgefühl ausdrücken. @Primrose hat das, wie ich finde, auch schön ausgedrückt. Falls gewünscht, gebe ich dann noch Ratschläge.

      Aber was, wenn wir nachfragen und keine Antwort bekommen? Nehmen wir dann einfach an, dass alles in Ordnung ist? Es könnte ja auch sein, dass sich die Person einfach nicht traut, darüber zu sprechen oder gar nicht weiß, dass die Art wie sie behandelt wird langfristig zu psychologischen Problemen führen könnte.

      Sollten wir dann einfach sagen: „Wer sich nicht traut nach Hilfe zu fragen, dem helfe ich auch nicht?“ Meine Ansicht ist eher: „Wer keine Hilfe möchte, dem helfe ich nicht. Aber wenn jemand Hilfe möchte, sich aber nur nicht traut darüber zu sprechen, dann will ich schon helfen.“

      (…)

      Dann solltest Du es aushalten, was es auch sonst im täglichen Leben leider oft die einzige Möglichkeit ist! Dann solltest Du die Intimssphäre fremder Menschen, die Dir hier einen Einblick gegeben haben, bitte respektieren! Wie kommst Du dazu, dass man Dir letztlich aktiv bestätigen muss, das alles in Ordnung ist?

      Anderes Beispiel: wenn eine Masochistin hier stolz Bilder mit Spuren zeigt, die für mich eine schon ziemlich „grobe“ Behandlung zeigen, werde ich nicht bezüglich nachhaken bzgl. der offensichtlichen Körperverletzung und erst recht nicht nachfragen, ob ihr Herr dabei wohl alle Sicherheitsregeln beachtet hat.

      AppreciationPrince schrieb:

      Um den Unterschied in der Intention rüber zu bringen, könnte man z.B. statt "kommt es nochmal vor, dann ist es aus mit uns" zu sagen, folgendes sagen: „Mir ist es wichtig, dass du die Freiheit hast dir auszusuchen mit wem du schläfst. Ich möchte aber auch, dass dir bewusst ist, dass ich nicht in einer Beziehung sein möchte, in der meine Partnerin mit anderen Menschen schläft. Wie ist das für dich, wenn du das hörst?“

      AppreciationPrince schrieb:

      Und so lernen und verfeinern wir alle unsere mehr oder weniger subtilen Wege um das Verhalten anderer zu beeinflussen. Und außer im BDSM holen wir uns praktisch nie die Zustimmung dafür ein.
      Guten Morgen @AppreciationPrince,

      ich versuche mal für mich die Kirche wieder ins Dorf zu holen :) . Du bist jetzt sehr fein auf einen Teil von Kommunikation eingegangen, mir und ich bin eindeutig Wortfetischist, geht das jetzt aber zu sehr ins alltagsuntaugliche. Sprache, nein Kommunikation (also auch Gestik und Mimik) verfolgen ja immer einen Zweck. Ob ich jemandem nun mit, Du Spielverderber zur Party überrede oder mit "ohne den geilsten Partyman ist es keine Party", beides wäre in Deinem Fall dann Manipulation. Soll es ja auch sein, wir möchte ja mit der Nutzung unserer Sprache etwas erreichen, überall im Leben. Ob ich nun in positiver Wortwahl oder in negativer Wortwahl manipuliere hat maximal für den Empfänger und sein Gefühl für die Manipulation eine Auswirkung, für das Nachfolgende also die Konsequenzen der Manipulation aber eben nicht. Die Art der Kommunikation, die Du Dir hier wünschst ist für mich einfach, bitte verzeih, weltfremd, eben weil wir Kommunikation genau dafür nutzen, um ein Ziel zu erreichen.

      Und nein, ich würde in Deinem Beispiel oben niemals Deine Wortwahl nehmen, schon alleine weil es entgegen meiner Emotionen und meines Willens in solch einem Fall wäre, ich sehe das auch nicht als seelischen Druckmoment wenn ich sage "machst du das nochmal beende ich die Beziehung" sondern schlichtweg als Tatsache. Klare Ansage und mein Gegenüber hat ja die Wahl, leave it or take it. Da will ich keine Diskussion sondern klar meinen Standpunkt ausgeben. Wollte ich das nicht, würde ich sagen müssen wir drüber reden ...

      Um jetzt wieder zum Missbrauch zurück zu kommen, ja man kann alles so nennen womit wir wieder bei wann verwende ich welche Begrifflichkeit sind, ich würde das Meiste hier nicht Missbrauch in meiner Wortwahl nennen.
      I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it


      Evelyn Beatrice Hall

      Gordon schrieb:

      Anderes Beispiel: wenn eine Masochistin hier stolz Bilder mit Spuren zeigt, die für mich eine schon ziemlich „grobe“ Behandlung zeigen, werde ich nicht bezüglich nachhaken bzgl. der offensichtlichen Körperverletzung und erst recht nicht nachfragen, ob ihr Herr dabei wohl alle Sicherheitsregeln beachtet hat.
      es ist doch ein deutlicher Unterschied, ob jemand voller Stolz Spuren präsentiert (die mir möglicherweise zu heftig sind, das ist aber dann ggf. mein Problem), oder ob jemand bspw. schreibt: "nach zwei Tagen habe ich immer noch Spuren der Session, das war mir nicht klar, dass das so heftig sein kann und ich wollte das nicht" o.ä. Im zweiten Fall ist m. E. was schief gegangen (ohne Schuldzuweisungen in Doms Richtung) und man dann nachfragt und ggf. Tipps für die Zukunft gibt. :gruebel:
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
      Und Trost ist nicht, da du mein Trost gewesen; Und Rat ist nicht, da du mein Rat gewesen; Und Schutz ist nicht, da du mein Schutz gewesen; Und Liebe nicht, da ich um deinetwillen; Die Welt geliebt. <3 [Marie Luise Kaschnitz]

      Gordon schrieb:

      wenn eine Masochistin hier stolz Bilder mit Spuren zeigt,
      Und genau DAS ist der Unterschied, wie ich in meinem Beitrag schon beschrieben hatte.
      Die eine ist stolz auf das, was sie erlebt hat und drückt das auch aus, die andere ist verunsichert, ob das, was sie erlebt hat, normal ist und fragt um Rat.

      Lieber einmal zuviel nachhaken und deutlich nachfragen, als die Not von jemandem nicht ernst genug nehmen, weil man sich nicht traut, das Kind beim Namen zu nennen.

      Es gibt hier im Forum auch Eröffnungsposts, bei denen man denken könnte, es sei ein Troll unterwegs, der sich einen Spaß daraus macht, ein brisantes Thema zu eröffnen, es zu überspitzen und auf unsere Reaktionen zu warten. Aber immer gibt es Foris, die das Thema ernst nehmen, fürsorglich nachhaken, auch einen eventuellen Missbrauch oder eine Straftat vermuten und ansprechen.

      Lieber einmal zuviel!
      Die Gefahr, dass jemand in einer intakten Beziehung Handlungen als Missbrauch ansieht und jemandes Lebens zerstört, indem er denjenigen anzeigt, ist geringer als die Gefahr, den Hilfesuchenden nicht stark genug werden zu lassen, um aus einer echten Missbrauchssituation auszubrechen.
      Die Gefahr, dass eine Beziehung zerbricht, weil derjenige, dem "eingeredet" wird, dass es Missbrauch sei, wo keiner vorherrscht, vorliegt, besteht sicherlich, dann liegt es aber überwiegend an fehlender Kommunikation.

      In meinem Blog hatte ich eine Situation mit einer Freundin beschrieben, die mir sehr nah ist und mir einreden wollte, dass ich in meiner BDSM-Beziehung negativ manipuliert wurde. Nichts, kein Argument von mir, kein strahlendes Lächeln beim Erzählen, hat sie vom Gegenteil überzeugen können. Habe ich mich damals von meinem Dom getrennt? Nein! (Die spätere Trennung hatte andere Gründe) Habe ich mich von meiner Freundin getrennt? Nein! Haben wir die Situation bereinigen könnnen? Nein, noch ist die Zeit dafür nicht da, sie hat ihre Meinung darüber, ich meine, wir meiden das Thema um unserer Freundschaft willen.
      Dennoch bin ich ihr dankbar, dass sie ein Auge auf mich hatte und mich immer wieder "gewarnt" hat. Es war zwar nervig, weil es so oft vorkam (genauso oft, wie ich ihr etwas vorgeschwärmt hatte ^^ ), in meinen Augen aber besser, als wenn sie ihre Bedenken für sich behalten hätte. Ich hab daraus gelernt, dass ich bei ihr über zukünftige BDSM-Beziehungen nicht so rumschwärmen werde wie bei anderen Freundinnen. Mir zu verbitten, ihre Bedenken zu äußern, wäre der falsche Weg. Wenn mich etwas stört und ich kann es nicht akzeptieren, gehe ich der Situation aus dem Weg.

      Um den Bogen zu dem Thema hier zurückzuschlagen: Wenn ich nicht damit leben kann, dass bei einer brisanten Frage in einem öffentlichen Forum besorgte Äußerungen wie Missbrauch oder Straftat fallen, sollte ich es vermeiden, meine Sorgen öffentlich einzustellen. Ich frage doch nach Meinungen und bei den Meinungen ist mit Sicherheit nicht immer nur etwas dabei, was mir gefällt.
      Oft genug wird auch dazu geraten, sich an offizielle Hilfestellen zu wenden. Dort gibt es geschultes Personal, das herausfiltern kann, ob eine Gefahr besteht oder nicht. Allein, an diese Stellen zu verweisen, bedeutet, dass der Verdacht auf Missbrauch beim Ratgebenden vorhanden ist, auch wenn das Wort nicht ausgesprochen wird.
      Auch wenn es widersprüchlich klingt:
      Ihr Ego muss stark genug sein, um seine begrenzte, defensive Haltung und Kontrolle aufgeben zu können.
      Sie brauchen ein starkes Ego, um das Ego transzendieren zu können.

      - John Bradshaw, Das Kind in uns -

      AppreciationPrince schrieb:

      Es fragt z.B. keiner „Bekomme ich deine Zustimmung, dich dazu zu drängen mit auf die Party zu gehen, indem ich dich einen Spielverderber nenne, wenn du nicht kommst?“ oder „Darf ich Druck aufbauen, damit du mir einen Blowjob gibst, indem ich dir sage, dass es normal ist, dass Frauen ihren Partnern einen geben und damit suggeriere, dass du nicht normal bist, wenn du keinen geben willst?“

      Stattdessen sagen wir einfach „Sei kein Spielverderber“ oder „Das ist doch normal“ und denken uns nicht mal was dabei. Sowas machen wir alle ab und zu. Die einen häufiger, die anderen weniger oft.

      Mir ist nach langem Überlegen auch aufgefallen, dass eines meiner Anliegen in diesem Thread ist, auf genau diese Art von Missbrauch aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren. Und ob man es dann Missbrauch nennt, oder Emotionale Gewalt, Psychische Gewalt, Emotionale Misshandlung, Emotional Abuse oder sonst irgendwas, ist mir dann gar nicht so wichtig. Hauptsache man hat einen Begriff um die Thematik anzusprechen.
      Deine Beispiele, mindestens das erste, würde ich eher als Manipulation bezeichnen, Missbrauch ist mir dafür definitiv zu hart als Wort und geht meiner Meinung nach viel zu weit. Und ja, auch ich manipuliere, mal mehr, mal weniger, mal freundlich, mal weniger freundlich.
      Ein Beispiel, auch wenn das jetzt ganz schön OT wird: Mein Vater hatte Darmkrebs, mit Metastasen in der Leber. Heilungschancen? Vorhanden, aber unwahrscheinlich. In seinem Fall aber eher unmöglich, denn mein Vater war der irrationalen Ansicht, dass man Krebs dadurch kuriert, dass man Bettruhe hält. Hat ja bei jeder anderen Krankheit, die er vorher hatte, auch funktioniert. Schon im Krankenhaus musste ich all meine Manipulationskräfte dazu aufbringen, ihn mal dazu zu bewegen, sein Bett zu verlassen und mit mir über den Gang zu spazieren. Dafür gab's dann Lob vom Arzt, natürlich für ihn, nicht für mich. Es war auch nicht so, dass er körperlich dazu nicht in der Lage war, er WOLLTE nicht. Zu Hause wurde es noch schlimmer, die einzigen Male, an denen er das Haus (mehr oder weniger freiwillig) verließ, waren für die Chemotherapie und die Bestrahlung. Irgendwann stand dann Ostern vor der Tür. Und ich habe zu ihm gesagt, krank und depressiv, wie er war: "Wenn du möchtest, dass ich zu Besuch komme, dann möchte ich, dass wir zusammen eine Runde spazieren gehen." Habe ich ihn damit missbraucht? Ich habe ihn manipuliert, ja. Ich habe ihn genötigt und emotional erpresst, ja. Eine böse Absicht hatte ich nicht, im Gegenteil, ich wollte nichts mehr, als dass er lebt! Und bei dem "Spaziergang", es glich dann eher einem Dauerlauf, wurde mehr als deutlich, dass er körperlich definitiv noch dazu in der Lage war, eine Runde zu gehen (besser gesagt zu hasten). Er wollte eben einfach nur nicht. Und habe ich das Gefühl, bei dem, was ich damals getan habe, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen? Nein! Es war meine Art, um und für sein Leben zu kämpfen. Und ja, natürlich war ich dabei auch egoistisch, denn wer will schon, dass seine Eltern sterben.
      Wenn ich deine Aussagen richtig verstehe, @AppreciationPrince, dann würdest du das auch als Missbrauch bezeichnen, richtig?
      Ohne dir jetzt einen persönlichen Vorwurf machen zu wollen, wirkt eine solch weite Definition von Missbrauch wie eine Relativierung oder Verharmlosung auf mich.

      AppreciationPrince schrieb:

      Ich finde du sprichst da einen Wichtigen Punkt an: Wo ist in (dem Beispiel) der Unterschied zwischen Missbrauch und dem Kommunizieren von Grenzen? Ich denke, das hängt davon ab, ob wir versuchen unsere Partnerin zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, oder ob wir offen dafür sind, dass unsere Partnerin fremd geht, wenn sie das möchte.

      Um den Unterschied in der Intention rüber zu bringen, könnte man z.B. statt "kommt es nochmal vor, dann ist es aus mit uns" zu sagen, folgendes sagen: „Mir ist es wichtig, dass du die Freiheit hast dir auszusuchen mit wem du schläfst. Ich möchte aber auch, dass dir bewusst ist, dass ich nicht in einer Beziehung sein möchte, in der meine Partnerin mit anderen Menschen schläft. Wie ist das für dich, wenn du das hörst?“
      Wenn ich das mal provokativ weiterdenke, dann wäre auch jedes Tabu, das ich für mich aufstelle, ein Missbrauch des Partners, denn damit schränke ich seine Handlungsfreiheit ein, indem ich einen gewissen emotionalen Druck aufbaue. Mit jedem Tabu schwingt schließlich ein "Wenn du dich nicht daran hältst, ist unsere Beziehung vorbei." mit. Ich versuche ihn damit dazu zu bewegen, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, selbst, wenn er das gerne möchte.
      Im Gegensatz dazu kann (und da bin ich wirklich der Meinung!) jeder wissentliche und willentliche Bruch eines Tabus ein (dann auch strafrechtlich relevanter) Missbrauch sein.
      Damit wären wir dann an dem Punkt, dass jeder jeden jederzeit irgendwie missbraucht. Das kann doch nicht zielführend sein... Und hilfreich für Opfer von (tatsächlichem) Missbrauch ist das keinesfalls.

      Isegrim_w_devot schrieb:

      Um den Bogen zu dem Thema hier zurückzuschlagen: Wenn ich nicht damit leben kann, dass bei einer brisanten Frage in einem öffentlichen Forum besorgte Äußerungen wie Missbrauch oder Straftat fallen, sollte ich es vermeiden, meine Sorgen öffentlich einzustellen. Ich frage doch nach Meinungen und bei den Meinungen ist mit Sicherheit nicht immer nur etwas dabei, was mir gefällt.
      Besser könnte ich es nicht formulieren :)