Missbrauch oder nicht?

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      Ja, ich weiß: ich habe hier wahrscheinlich schon genug geschrieben. Aber andererseits, es beschäftigt mich ja. Und daher möchte ich zumindest eine Aussage von Dir, @AppreciationPrince, kommentieren.

      AppreciationPrince schrieb:

      (…)

      Nicht alles was sich gut anfühlt ist immer unproblematisch und nicht alles was sich schlecht anfühlt ist problematisch. Da finde ich, dass ein durchdachtes theoretisches Modell einen zusätzlichen Schutz bietet um unsere Gefühle zu überprüfen. Und da bietet sich ein Forum ja geradezu an um Sichtweisen auszutauschen und weiter zu entwickeln.

      (…)

      Das mag ja sein. Aber Deinen ganzen Faustregeln, Definitionen und Modellen, die Du hier vorstellst, bleiben am Ende sehr vage, verfangen sich im Allgemeinen, führen zu einer gewissen Beliebigkeit und schaffen es somit nicht, Menschen wirklich da abzuholen, wo sie mit ihren Erfahrungen stehen.
      Gerade dieser letzte Satz wirkt seltsam paternalistisch, und das hier in einem Umfeld, wo sich viele gerade völlig zurecht von vermeintlichen moralischen Zwängen und Regeln, wie eine Beziehung, wie Sex, wie Liebe funktionieren muss, gelöst haben.

      Du meinst es mit Deinem theoretischen Modell sicher gut, keine Frage. Aber es gibt eine Menge Menschen mit höchst unterschiedlichen Erfahrungen, die sich nicht unbedingt „modellgerecht“ einordnen lassen.

      Viele Menschen haben ihre kleinen und größeren Traumata, mit denen sie am Ende zurechtkommen müssen. Je nach individueller Resilenz funktioniert das mehr oder weniger gut. Gerade hier im Internet gehört es dazu, behutsam zu sein.

      Und um hier auch etwas persönliches einzuwerfen: ich habe eine für mich toxische Vanilla-Ehe erleben müssen. Das nenne ich bewusst nicht Missbrauch, das war es nicht. Ich bin auch kein Opfer, das trifft es nicht.
      Aber auch diese Zeit hat mich geprägt. Einzelheiten gehören hier nicht her, aber ich weiß nicht/kann nicht wissen, wie diese Beziehung vielleicht für einen Beobachter von außen ausgesehen haben muss.
      Gerade als Mann kann man sich ziemlich hilflos fühlen oder auch tatsächlich ziemlich hilflos sein.

      Wichtig ist mir: nichts ist einfach. Ich bin vorsichtig geworden, hier Tipps zu geben, wenn hier Probleme in D/s- Konstellationen geschildert werden.
      Und auf der anderen Seite habe ich in den letzten Jahren mein D/s kennen und lieben gelernt, dass externe Beobachter sicherlich auch als extrem bewerten dürften.


      Menschen kann man letztlich nur unterstützen. Beobachten und zuhören ist dabei oft viel wertvoller als zu bewerten oder Tipps zu geben.
      Hmm, vielleicht hilft das mein Verhalten ein bisschen besser einzuordnen:

      Ich habe in einem anderen Thread das Wort Missbrauch verwendet und einige Leute haben sich unwohl damit gefühlt. Ich möchte aber nicht, dass sich andere unwohl fühlen, schon gar nicht wegen Dingen die ich sage oder tue.

      Also habe ich diesen Thread erstellt um herauszufinden, ob ich eine sanftere Möglichkeit finde meine Gedanken auszudrücken als mit dem Wort Missbrauch.

      Und um das zu tun habe ich im Verlaufe der Diskussion meine eigenen Definitionen und Gedanken explizit offengelegt, damit andere sie untersuchen, kritisieren und auf die Probe stellen können. Davon lebt der intellektuelle Austausch. Und die einzelnen Definitionen und Erfahrungen der unterschiedlichen User haben mir sehr geholfen. Ich habe dadurch viel dazu gelernt, neue Möglichkeiten gefunden meine eigenen Erfahrungen einzusortieren und meine Ansichten angepasst. Es war meiner Meinung nach ein sehr produktives Gespräch.

      Niemand muss meine Ansichten teilen oder auch nur verstehen. Es war nie mein Ziel hier irgendwelche Vorschriften festzulegen, wie man Dinge betrachten muss. Es ging mir hier auch nicht darum meine Erfahrungen zu teilen oder praxisnahe Ratschläge zu geben. Ich wollte etwas lernen.

      Ich habe mir auch überlegt ob ich am Anfang eine Trigger-Warning anbringen soll, habe mich aber dann dagegen entschieden, weil es aus dem Titel bereits klar sein sollte, dass es hier um Missbrauch geht.

      AppreciationPrince schrieb:

      Die Tatsache, dass ich explizit das Wort Missbrauch verwendet habe, scheint nicht bei allen gut angekommen zu sein. Jetzt frage ich mich, warum das so ist? :huh: Wäre es weniger kontrovers gewesen, wenn ich stattdessen körperliche und psychische Gewalt gesagt hätte? Und warum fällt es uns so schwer Missbrauch auch so zu nennen? Wir könnten ja z.B. sagen:

      • "Für mich hört es sich so an, als seist du missbraucht worden."
      • ist das "Euer Spiel"? ...oder wurdest du missbraucht?!"
      Machen wir aber nicht. Stattdessen nutzen wir "beschönigende" Umschreibungen. Und warum fühlt es sich so viel leichter an zu sagen "Oh, tut mir leid, da habe ich wohl deine Grenzen ein bisschen überschritten" statt zu sagen "Oh, tut mir leid da habe ich dich ungewollt missbraucht"? Findet ihr es wichtig, Missbrauch explizit als solchen zu bezeichnen? Oder stört euch etwas daran? Was fällt euch generell zu dem Thema ein?


      Deine Fragestellung ist - neutral von außen betrachtet - nicht nur etwas unglücklich formuliert, sondern vermischt zwei verschiedene Themen. Es geht nicht um die Verwendung des Wortes "Mißbrauch", sondern die Nähe zum Thema BDSM, in die du Mißbrauch durch deine Fragestellung rückst, vermittelt ein ungutes Gefühl.

      Ähnlich, wie es bei Schwulen ein ungutes Gefühl verursacht, wenn in Diskussionen rund um Homosexualität fast zwangsläufig auch das Thema Pädophilie auftaucht, ebenso im Zusammenhang mit Diskussionen um die katholische Kirche und dem Zölibat, die ständig mit Kindesmißbrauch assoziiert werden oder auch Diskussionen über Emanzipation der Frau, in denen zuverlässig "Männerhaß" thematisiert wird. Will sagen: es braucht keine direkte Unterstellung, das Nebeneinanderstellen solcher Themen impliziert einen ursächlichen Zusammenhang, den es nicht gibt.
      Ob es einem nun gefällt oder nicht, BDSM ist ein Spiel im grauen Bereich, denn man führt nunmal gewalttätige Aktionen durch.
      Legal wird es nur dadurch dass man vom "Opfer" die ausdrückliche Erlaubnis dazu erhält.
      Klar können Unfälle passieren, aber es ändert nunmal nichts daran dass da gerade unbeabsichtigt eine Gewalttat geschehen ist und man wenn es doof läuft, dafür angezeigt werden kann.
      Vorallem wenn man sich häufig im Metabereich bewegt, ist es besonders kritisch und auch wenn man zwar theoretisch die Erlaubnis dafür hat, über die Grenze hinaus zu gehen, sollte man trotzdem noch genug Köpfchen haben um zu merken, wann tatsächlich kein Einverständnis mehr vorhanden ist.

      Alaia schrieb:

      Ob es einem nun gefällt oder nicht, BDSM ist ein Spiel im grauen Bereich, denn man führt nunmal gewalttätige Aktionen durch.
      Legal wird es nur dadurch dass man vom "Opfer" die ausdrückliche Erlaubnis dazu erhält.
      Ich finde, das ist unglücklich formuliert.

      Dadurch, dass die Erlaubnis vorliegt, ist es eben keine 'gewalttätige Aktion'. Von Gewalt würde ich nur sprechen, wenn es definitiv gegen den Willen der anderen Person geschieht. Das, was für Außenstehende / Nicht-BDSMler eventuell wie Gewalt aussieht, findet im Einvernehmen statt und gibt den Beteiligten etwas, z. B. sexuelle Erregung, Luststeigerung oder auch seelische / emotionale Befriedigung. Das macht für mich den Unterschied aus.
      Liebe ist nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts.

      Zofe schrieb:

      Alaia schrieb:

      Ob es einem nun gefällt oder nicht, BDSM ist ein Spiel im grauen Bereich, denn man führt nunmal gewalttätige Aktionen durch.
      Legal wird es nur dadurch dass man vom "Opfer" die ausdrückliche Erlaubnis dazu erhält.
      Ich finde, das ist unglücklich formuliert.
      Tatsächlich ist es aber sehr gut formuliert, denn entgegen deinem Empfinden:
      "Personelle Gewalt meint Gewalt zwischen zwei Menschen, wobei der Täter ein existierendes Machtgefälle zu seinem Opfer ausnützt oder ein solches schafft, um es anschließend auszunutzen."

      Und genau das findet statt. Und erst durch den Konsens wird es legitimiert.
      Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein
      Friedrich Nietzsche

      Amarena schrieb:

      Tatsächlich ist es aber sehr gut formuliert, denn entgegen deinem Empfinden:"Personelle Gewalt meint Gewalt zwischen zwei Menschen, wobei der Täter ein existierendes Machtgefälle zu seinem Opfer ausnützt oder ein solches schafft, um es anschließend auszunutzen."

      Und genau das findet statt. Und erst durch den Konsens wird es legitimiert.
      Woher ist die Definition?
      Ich finde, sie passt nicht, auch wenn sie erstmal sehr treffend klingt. Die Definition setzt voraus, dass ein Machtgefälle existiert oder vom Täter geschaffen wird und dass dieses Machtgefälle vom Täter ausgenutzt wird. Du sagst, das finde statt und werde erst durch den Konsens legitimiert.
      Woher kommt aber das Machtgefälle in BDSM-Kontexten? Ist das schon vorher da? Schafft Dom das Machtgefälle? Oder ist es nicht vielmehr so, dass beide gemeinsam das Machtgefälle schaffen?
      In aller Regel willigt Sub doch nicht ein, dass ein existierendes Machtgefälle ausgenutzt würde, sondern ohne Subs Einwilligung gäbe es gar kein Machtgefälle - und damit schaffen sie es gemeinsam und nicht nur der "Täter".
      Dasselbe Problem habe ich mit dem Wort "ausnutzen". Als Dom bin ich ab und an egoistisch und das ist für meine Partnerin manchmal mindestens nervig. Aber in der Gesamtschau würde sie es nicht anders wollen. Nutze ich also das Machtgefälle aus, oder nutzen wir es nicht eigentlich gemeinsam, um die Art der Beziehung zu führen, die uns glücklich macht? Ich bin der Überzeugung, dass das zweite der Fall ist.
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      Ich finde schon allein die Begriffe "Täter" und "Opfer" im Zusammenhang mit BDSM falsch.

      In dem Moment, wo es einen gemeinsamen Konsens gibt, gibt es auch keinen Täter und kein Opfer.

      Ansonsten stimme ich @Dominantseptakkord zu. BDSM lebt von einem gemeinsam herbeigeführten Machtgefälle. Denn Dom kann ein Machtgefälle nur schaffen bzw. aufrechterhalten, wenn Sub dazu die Erlaubnis gibt. Sonst ist er kein Dom sondern Täter.

      Und statt dem Begriff "ausnutzen" würde ich einfach das Wort "nutzen" nutzen.

      Dom nutzt das von beiden gemeinsam herbeigeführte oder aufrechterhaltene Machtgefälle, um konsensuelle Handlungen auszuführen.

      klingt doch ganz anders als

      Der Täter nutzt ein existierendes Machtgefälle oder schafft eines, um das Opfer auszunutzen.

      Das ist für mich der Unterschied zwischen BDSM und Gewalt / Missbrauch
      It´s the blackness of the night
      teaches us how to see the light

      Shayleigh schrieb:

      Ich finde schon allein die Begriffe "Täter" und "Opfer" im Zusammenhang mit BDSM falsch.
      [...]
      Ansonsten stimme ich @Dominantseptakkord zu.
      Nicht nur ansonsten, ich finde die Begriffe auch unpassend. Deshalb habe ich "Täter" auch in Anführungszeichen gesetzt, als ich es im selben Satz wie "Sub" verwendet habe. :)
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      Ich fand diesen Wiki-Eintrag.
      Ich finde ihn gut. Aber ich bitte ev. noch einen Juristen ein Auge drauf zu werfen, weil Wiki-Einträge ja eigentlich von jedem erfasst werden können.

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Rechtslage_von_BDSM

      Für mich ist auch der Konsens das Schlüsselwort. Jedoch stell ich mir schon auch die Frage, was ist, wenn man vom Konsens zurücktritt? Und das muss, soweit ich weiss, nicht mit einem „Nein, ich will nicht mehr“ stattfinden. Sondern kann auch mit einer Reaktion einhergehen. Also wann merkt man bei einer wehrhaften Sub, wann sie es noch geil findet und wann sie eigentlich nicht mehr will. Ich finde da keine abschliessende Antwort…

      Ich hoffe, dass so ein Missbrauch unter dem Deckmantel BDSM nicht so häufig vorkommt. Und der Konsens, die Empathie und Einschätzung dem andern Gegenüber überwiegt. Davon bin ich aber überzeugt.
      Schwarze Schafe gibts überall. Und auch wenn die Folgen schwerwiegend sind, es ganz zu verhindern, ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Bzw. mehr tun als Aufklären und hoffen das die Richter die jeweiligen Tatbestände möglichst genau zerpflücken und untersuchen und dann ein Urteil fählen können, geht nicht…

      GreenBlueEyes schrieb:

      Für mich ist auch der Konsens das Schlüsselwort. Jedoch stell ich mir schon auch die Frage, was ist, wenn man vom Konsens zurücktritt? Und das muss, soweit ich weiss, nicht mit einem „Nein, ich will nicht mehr“ stattfinden. Sondern kann auch mit einer Reaktion einhergehen. Also wann merkt man bei einer wehrhaften Sub, wann sie es noch geil findet und wann sie eigentlich nicht mehr will.
      Streng genommen stellst Du hier gleich zwei Fragen: Was ist, wenn keine Einwilligung mehr vorliegt? Und: Wann merkt man, dass keine Einwilligung mehr vorliegt?

      Die erste Frage ist sehr einfach beantwortet: Wenn ich mit meiner Partnerin etwas anstelle, was normalerweise verboten ist und sie nicht damit einverstanden ist, mache ich was verbotenes. Dann breche ich das Recht. So simpel.

      Die zweite Frage ist es, die das alles immer so kompliziert macht: Konnte ich wissen, dass sie nicht einverstanden ist? Extremes Beispiel: Sie ist einverstanden und sagt das ausdrücklich. Nach einer Weile überlegt sie es sich anders, ändert aber überhaupt nichts an ihrem Verhalten. Vielleicht frage ich sogar nochmal und sie versichert mir, dass es okay wäre (lügt dabei aber). Dann habe ich trotzdem das Recht gebrochen, konnte das aber nicht wissen und werde deshalb nicht bestraft - es bleibt aber verboten!
      Wenn sie dagegen, wie in Deinem Beispiel, klar sagt: "Nein, ich will nicht mehr!" (und dieser Satz nicht zum Spiel dazugehört...), ist der Fall auch klar und ich weiß, dass ich das Recht breche, wenn ich weitermache.
      Alles zwischen ausdrücklicher Äußerung und absichtlichem Verheimlichen ist sehr vom Einzelfall abhängig und davon, wie gut man sich kennt etc. Das lässt sich unmöglich abstrakt fassen.
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      @Amarena,
      danke! Auf dieser Seite sind ja gleich mehrere Definitionen aufgeführt: Eine übergeordnete und dann zwei Präzisierungen für personelle bzw. strukturelle Gewalt.
      Die übergeordnete Definition lautet:

      Faltung (gewaltinfo.at) schrieb:

      Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potenzielle Verwirklichung ... Gewalt ist das, was den Abstand zwischen dem Potenziellen und dem Aktuellen vergrößert oder die Verringerung dieses Abstandes erschwert.
      Spätestens hier sehe ich dann definitiv keinen Bezug mehr zum BDSM. Alle Beteiligten einer BDSM-Beziehung wollen sich ja so entwickeln, wie sie es tun. Das ist keine Einwilligung in eine Verhinderung von Subs Entwicklungszielen, sondern Dom und Sub haben gemeinsame Entwicklungsziele.
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!

      Dominantseptakkord schrieb:


      Spätestens hier sehe ich dann definitiv keinen Bezug mehr zum BDSM. Alle Beteiligten einer BDSM-Beziehung wollen sich ja so entwickeln, wie sie es tun. Das ist keine Einwilligung in eine Verhinderung von Subs Entwicklungszielen, sondern Dom und Sub haben gemeinsame Entwicklungsziele.
      Weil dieser so allgemeine Gewaltbegriff so schwammig ist, hat Galtung den Unterschied zwischen struktureller Gewalt und Personeller Gewalt eingeführt und die Definition für Personelle Gewalt, habe ich zitiert.

      Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt:
      "Gewalt bezeichnet den Einsatz von physischem oder psychischem Zwang gegenüber Menschen sowie die physische Einwirkung auf Tiere oder Sachen."

      und das trifft auf BDSM sehr wohl zu. Es gibt physischen und psychischen Zwang.
      Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein
      Friedrich Nietzsche
      Ich hatte das so verstanden, dass Galtung die Ausführung zur Personellen Gewalt als Präzisierung der allgemeinen Definition verfasst habe, nicht als eigenständige Definition.

      Aber gut, Du bringst eine neue Definition. Nach dieser Definition von der Website der Bundeszentrale für politische Bildung sind manche Formen des BDSM Gewalt, ja. Auf derselben Seite (bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17566/gewalt) findet sich dann noch eine soziologische Definition, die Wert darauf legt, dass es gegen den Willen der anderen Person passieren muss, aber diese allgemeine Definition hat mit dem Willen des Opfers oder den Intentionen des Täters nichts am Hut. Nach dieser Definition ist BDSM in den meisten Fällen Gewalt. Nach derselben Definition wäre es auch Gewalt, wenn Eltern ihre Kinder (ohne Schläge oder sowas) zum Zähneputzen zwingen...daher finde ich diese doch sehr weite Definition für eine differenzierte Diskussion unbrauchbar.

      Aber ich merke, dass Du BDSM als gewaltvoll bezeichnen möchtest, was ich ablehne. Von daher können wir uns jetzt hier weiter streiten und alle anderen langweilen, ohne einander zu überzeugen - oder wir lassen es gut sein und einigen uns darauf, dass BDSM in jedem Fall in Ordnung ist, wenn und solange es einvernehmlich stattfindet, und nicht mehr in Ordnung ist, wenn keine Einwilligung vorliegt. Egal, ob man das dann einvernehmlich stattfindende Gewalt nennt, oder nicht. Deal?
      Es gibt keine Grenze, die ich für eine Pointe nicht überschreiten würde.

      ...darf man sowas in einem BDSM-Forum überhaupt sagen? Oder ist das dann auch wieder eine Grenzüberschreitung?
      Hilfe, ich bin in einer Logikspirale gefangen!
      Ich habe mal eine Studienarbeit geschrieben über Gewalt, ist schon eine Weile her.
      Damals ging mir auf, dass der jetzige Gewaltbegriff überall ausschließlich durch die Brille Mord und Totschlag, brutal und Blut usw gesehen wird.
      Aber Begriffe wie Staatsgewalt, Gewaltenteilung haben ja auch mit Macht und Gewalt zu tun und gar nicht mit Mord und Totschlag. Bei der Staatsgewalt geht es ja auch darum, dass der Staat mit seinen Bürgern in eine Entwicklungsrichtung geht, die der Staat für die beste Richtung hält und das legitimiert durch die Zustimmung der Bürger mittels Wahl.

      Nein, ich sehe BDSM nicht gewaltvoll in der Richtung, in der du den Begriff siehst. Ich denke nicht, dass er was mit brutal oder Mord und Totschlag usw. zu tun hat.
      Aber wenn man den Gewaltbegriff weiter fasst und in Hinblick auf die Verwendung in Staatsgewalt und ähnlichen Begriffen, finde ich ihn passend.


      Damit will ich dich nicht von meinem Gewaltbegriff überzeugen, sondern lediglich meinen erklären.
      Und ja, deal...kein Problem :thumbup:
      Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein
      Friedrich Nietzsche

      AppreciationPrince schrieb:

      1) "Oh, tut mir leid, da habe ich wohl deine Grenzen ein bisschen überschritten"


      2) "Oh, tut mir leid da habe ich dich ungewollt missbraucht"?

      Der Aussage zu 1) entnehme ich eine einsichtige Entschuldigung, selbst wenn ich die Relativierung "wohl ... ein bisschen" rausnehme.

      Die Aussage zu 2) klingt für mich zynisch, da "ungewollt missbraucht" nicht zusammen passt.

      Ich habe mir etwas geliehen und vergessen, es zurück zu geben. Habe ich dann ungewollt gestohlen oder dich nur unbedacht eine Grenze überschritten?


      Amarena schrieb:

      der jetzige Gewaltbegriff
      Ich bin ganz bei Dir, @Amarena, in weiten Teilen wird Gewalt viel zu schnell mit der "Gewalttat" und strafbewehrtem, rechtswidrigem Verhalten gleichgesetzt. Ein Blick in den Duden schadet da auch nicht: von vier Bedeutungen ist nur eine mit unrechtmäßigem Verhalten verbunden:

      1. Macht Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden, etwas zu bestimmen, zu herrschen - das kann BDSM sein!

      2a. unrechtmäßiges Vorgehen, wodurch jemand zu etwas gezwungen wird - das ist kein BDSM, es fehlt der grundlegende Konsens!

      2b. gegen jemanden, etwas [rücksichtslos] angewendete physische oder psychische Kraft, mit der etwas erreicht werden soll - das kann BDSM sein!

      3. elementare Kraft von zwingender Wirkung - das kann BDSM sein!

      Die strafrechtlich fokussierte Perspektive auf den "althergebrachte" Begriff übersieht mE so wundervolle Wortzusammensetzungen wie Staats- oder Naturgewalt ebenso, wie den doch sehr freudig empfundenen, gewaltigen Orgasmus.

      Meint
      HvR