Sprachlos

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      Ihre Schreie waren weithin zu hören. Laut und zunächst voller Entrüstung, dann jammernd, um Aufmerksamkeit bettelnd, und schließlich waren Verlassenheitsängste und Sehnsucht gemischt mit unendlicher Trauer aus ihren Schreien zu vernehmen. Der Herr hatte sie verlassen.

      Wie sie die Zeit des Wartens verbrachte, lässt sich nicht sagen; ob sie weiterhin jammerte, ob sie still trauerte, oder ob sie ihre Situation mit stoischer Gelassenheit ertrug. Zeit war ohnedies für sie eines ihrer größten Mysterien, ob nun eine Minute verstrich oder eine Stunde verrann, beides kam ihr gleich lang vor, ohne Anfang und ohne Ende, eingefroren im Jetzt der Unendlichkeit. Warten.

      Minuten, Stunden, eine Ewigkeit später oder gar in einem ganz neuen Leben kam endlich ihr Herr zurück. Sollte sich ein Augenblick der Freude eingestellt haben, so war diese nur von sehr kurzer Dauer, an ihrem Verhalten nur schwer feststellbar. Soweit es im Bereich ihrer Möglichkeiten lag, äußerte sie Laute der Entrüstung, sie war beleidigt. Gleichzeitig aber versuchte sie, sich an ihren Herrn anzukuscheln, sich an ihn anzuschmiegen. Und obwohl sie wiederholt weggeschoben wurde, ließ sie in ihren Anlehnungsversuchen nicht nach. Den zunehmenden Ärger ihres Herrn nahm sie nicht zur Kenntnis, oder doch nur insoweit, als dass ihre Äußerungen jetzt in schmeichelnde Laute übergingen.

      Schließlich wurde sie energisch zur Seite geschoben und ihr Herr begann sie streng zu tadeln. Sie möge sich gedulden bis sie an der Reihe sei, sie wisse genau, dass es keinen Zweck habe, zu quengeln, und sie erst bekomme, was sie wünsche, wenn sie sich still verhielte. Dessen ungeachtet erwiderte sie das Geschimpfe ihres Herrn mit zunächst vorwurfsvollen Lauten und dann wehleidiger Entrüstung.

      Das Ergebnis war, dass ihr Herr den Raum ver- und sie damit wieder allein zurückließ. Voller Enttäuschung suchte sie den ihr zugewiesenen Platz auf und schmollte.

      Eine weitere Ewigkeit später kehrte ihr Herr in den Raum zurück, sie wagte es aber nicht mehr, sich zu rühren. Jetzt endlich hörte sie die Anzeichen von Essenszubereitung und kurz später breitete sich der Duft der Mahlzeit bis zu ihr aus. Es dauerte nicht lange und es wurde eine gefüllte Schale vor sie hingestellt. Erwartungsvoll und demütig blickte sie ihren Herrn von unten aus an, aber dieser ignorierte sie und drehte sich weg.

      Langsam und vorsichtig näherte sie sich der Schale. Sie erkannte sofort, dass die ihr angebotene Mahlzeit bei weitem nicht ausreichen würde, ihren Hunger zu stillen, zu lange hatte sie nichts bekommen.

      Scheiß Katzenleben. Miau!