22.12. ✵ Ellys Weihnachten

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      22.12. ✵ Ellys Weihnachten

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      ✵ 22. Dezember ✵

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      Ellys Weihnachten

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      von @Myshanah

      Mit einem lauten Rumms fällt die Tür ins Schloss und völlig erschöpft sinkt Elly auf den Boden. Sie blickt in ihre kleine Einzimmerwohnung, wo sich nun Kiste um Kiste stapelt, und bricht in Tränen aus. Aber der schnelle, völlig überstürzte Auszug war ihre Rettung gewesen. Ihr Noch-Ehemann Rick war durch seine Alkoholsucht zunehmend aggressiver geworden, und das Leben mit ihm war einfach kein Leben mehr. Vielmehr war es die Hölle.

      Mehr als einmal war es knapp gewesen, dass er sie beinahe in seinem Wahn erwischt hätte. Zum Glück traf es dann nur die Tür oder die Wand. Aber das alles war kein Zustand mehr gewesen. Mit Hilfe ihrer besten Freundin Sina hatte Elly in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alle Sachen gepackt und war 300 km weit weggezogen. Weg von ihrem alten Leben, weg von Rick, weg von ihrem Job, weg von allen Verpflichtungen als Ehefrau eines wohlhabenden Bankvorstehers. Einem Choleriker, einem verwöhnten Macho, der absolut möchtegern-dominant war. Dabei fing das damals alles so schön an, er war genau der Top gewesen, den sie sich immer vorgestellt hatte.

      Nach außen hin führte sie mit ihm zusammen das perfekte Leben: Sie wohnten in einem großen Haus am Stadtrand, jeder besaß zwei Autos, sie konnte sich jedes Teil leisten, die schönste Kleidung, hatte eine Haushälterin und dennoch war dieses Leben nicht mehr das, was sie führen wollte. Nicht nur Ricks Aggressivität und Unberechenbarkeit führten dazu, sondern auch, dass sie sich wie im goldenen Käfig fühlte. Sina sagte eines Tages zu ihr: „Es ist dein Leben und das, was du daraus machst! Vergiss nie, dass du nur dieses eine Leben hast und es ist zu schade, um unglücklich zu sein.“

      Also sitzt sie nun da in der neuen Wohnung und ihr ganzes Leben prasselt auf sie herein. Allein! Allein? Allein… Nein! Eigentlich ist sie nicht allein. Sie hat 2-3 wirklich gute Freunde und das sind auch die einzigen, die jetzt wissen, wo sie ist. Ihre Eltern leben eh in den USA, daher hat sich diese Distanz zu ihnen nicht verändert. Traurig zieht sie aus einer der Kisten eine riesengroße Kuscheldecke, geht zur Küche, schnappt sich den Wasserkocher und macht sich einen heißen Tee und eine Instantsuppe. Sie kuschelt sich auf das Sofa, denn das ist das einzige Möbelstück, was aktuell hier steht und schaut mit ihrem Handy ein paar YouTube Videos, bis sie erschöpft einschläft.

      Geweckt wird sie von Sonnenstrahlen, die in ihr Gesicht scheinen. Müde rappelt sie sich auf und versucht, sich irgendwie noch einen Tee zu machen, denn die Kaffeemaschine ist noch in dem Kistennirvana. Nach einer kleinen Stärkung, bestehend aus Tee, Keks und einer heißen Dusche (ohne Duschgel), geht sie raus, auf der Suche nach einem Supermarkt oder Bäcker. Kalt ist es an diesem Dezembermorgen. Die Autoscheiben sind alle zugefroren und mit ihrem Atem kann sie Wölkchen machen. Google sei Dank findet sie schnell in der Gegend beides und voller Tatendrang ist sie schon wieder auf dem Weg zurück zur Wohnung, immerhin wollen hier einige Kisten ausgepackt werden! Ganz euphorisch läuft sie das kurze Stück nach Hause, die kalte Luft schwirrt ihr um die Nase und sie hört einige Vögel in der Ferne singen, das ist doch eigentlich ein richtig schöner Tag.

      Schwungvoll öffnet sie die Haustür und es macht Peng. Wer oder was da in sie gerannt ist, hat verursacht, dass alle ihre Einkäufe sich nun auf dem Boden verteilen, wie das Konfetti eines Clowns. „HEY! Was soll das!?“, ruft sie empört und wagt einen wackligen Versuch, wieder auf die Beine zu kommen. „Oh! Kann ich Ihnen helfen?“, fragt eine warme, weibliche Stimme. Elly blickt auf und sieht eine bildhübsche Frau, die ihr die Hand entgegenstreckt. „Geht schon, danke“, murmelt Elly und klopft sich den Dreck von den Händen.

      Die Frau beginnt derweil, die Einkäufe wieder einzusammeln und drückt sie Elly in die Hand. „Hallo! Ich bin Lina, tut mir leid, ich wollte Sie nicht über den Haufen rennen“, sagt die Frau glucksend. Elly ist sprachlos, diese Frau ist perfekt. Nicht zu groß, nicht zu klein, hat ein paar Rundungen, goldblonde Haare und auch einen wohlgeformten Po. Ihr Duft nach zarter Vanille ist dezent. „Ja, kein Problem. Ehm… ich bin Elly“, stammelt sie nervös. „Komm, ich helfe dir schnell. Ist doch ok, wenn ich du sage?“, fragt Lina fröhlich. „Ja… Ehm… völlig ok“, murmelt Elly verdutzt.

      Die beiden gehen zusammen in den 2. Stock und Elly öffnet die Tür. „Entschuldige das Chaos, ich bin gestern erst eingezogen“, plappert sie verlegen. „Ach, das macht mir gar nichts, ich schreibe nur schnell meinem H… Freund und dann kann ich dir sicher etwas helfen!“, sagt Lina und kramt auch schon nach ihrem Handy. Elly beginnt derweil, einen Kaffee zu kochen, denn die Kaffeemaschine hat sie zuerst gefunden und deckt den Tisch für zwei Personen. „Geht klar, ich kann dir bis 11.00 Uhr helfen, sofern du möchtest?“, fragt Lina nachdenklich. „Oh gerne, aber nicht ohne Frühstück!“, antwortet Elly lachend und freute sich über die spontane Hilfe.

      Nach dem Frühstück machen die beiden sich ans Kistenauspacken. Da diese durch den schnellen Auszug nicht beschriftet sind, ist das gar nicht so einfach. Linas Fröhlichkeit tut das allerdings keinen Abbruch. Sie packt frohen Mutes eine Kiste nach der anderen aus und erfreut sich an jedem kitschigen Buch oder bunten Tuch. Kurz vor 11.00 Uhr klingelt es an der Wohnungstür. Elly geht hin und öffnet sie schwungvoll, um dann wie eine Salzsäure zu erstarren. „Hallo, ich bin Mike, du wirst Elly sein? Ich wollte Lina einsammeln!“, sagt der Mann und hält ihr freundlich lächelnd die Hand hin. Nicht nur, dass er ein Riese ist, er hat eine Stimme, die durch Mark und Bein geht und ein Duft, der sie ganz hibbelig werden lässt. Und dann ist dieser Mann auch noch ganz gut anzuschauen!

      Ellys Gedanken schweifen langsam ab. Halt! Stopp! Er ist vergeben! Diesen Gedanken muss sie sich in den Kopf meißeln, damit dieser wieder klar denken kann. „Ja, ich bin ich, vergeben… ach Quatsch. Ich bin Elly“, stammelt sie. Er steht immer noch in der Haustür. Elly ist völlig überfordert und er regt sich nicht. Da ergreift Mike das Wort: „Braucht ihr noch Hilfe?“, fragt er freundlich lächelnd, als auch schon Lina um die Ecke gefegt kommt. „Oh schön, dass du da bist. Wir könnten noch ein paar Minuten deine starken Arme gebrauchen, mein – äh, Schatz.“ Dank der tatkräftigen Hilfe ist nach ein paar Minuten alles fertig und Elly hat endlich so etwas wie ein richtiges Zimmer.

      Weil alles so gut lief und sie sich so gut verstehen, wird Elly für diesen Abend zum Essen in Mikes und Linas Wohnung im Dachgeschoss eingeladen. Gegen 19:00 Uhr läuft sie die Treppe nach oben und klingelt an der Tür mit der Aufschrift L & M. Mike öffnet auch gleich und umarmt sie herzlich zur Begrüßung. Lina schaut kurz aus der Küche heraus, um ihr freudestrahlend zuzuwinken. Elly staunt nicht schlecht, als sie die Wohnung betritt, hier oben, über den Dächern der Stadt.

      Das Essen, das Lina gezaubert hatte, war köstlich gewesen und als sie sich alle sehr satt auf dem Sofa niederlassen, hat Elly nochmal Zeit, sich genauer umzuschauen. Diese Wohnung war wunderbar. Hier im Dachgeschoss waren überall offene Holzbalken, hohe weiße Fenster und hohe Decken. Eine warme Atmosphäre durch schöne Holzdielen, viele Kerzen, indirekte Beleuchtung, Kissen und Weihnachtsdeko. Ellys Wohnung war hiervon noch weit, weit entfernt, aber immerhin keine Bruchbude mehr. Mit einem Glas Wein machen sie es sich auf dem Sofa gemütlich, so kurz vor Weihnachten kann man von hier oben auch alle Lichterketten an den anderen Häusern sehen und in der Luft liegt Weihnachtsstimmung.
      In diesem Moment fühlt sich Elly auf einmal schrecklich einsam. Sie kuschelt sich noch mehr in das Sofa und versucht, auf andere Gedanken zu kommen. So eine innige Beziehung wie die beiden haben, davon konnte sie nur träumen. Lina sitzt gemütlich auf dem Boden vor dem Sofa und lehnt ihren Kopf an Mikes Beine. Die Gespräche beginnen, Form anzunehmen, und sie reden miteinander wie alte Freunde.

      Elly erzählt, warum sie ausgezogen ist, Lina und Mike im Gegenzug, wie sie zusammengefunden hatten. Interessant ist, dass hierbei Mikes großer Bruder eine tragende Rolle spielte. Der Abend schreitet mit dem ein oder anderen Glas Wein immer weiter voran und es ist beinahe so, als ob sie sich schon immer gekannt hätten. Als alle gerade ausgelassen lachen, macht es: „Ding Dong“. Lina schaut Mike verdutzt an. „Wer wird das denn sein um die Uhrzeit?“, fragt sie. Er zuckt nur mit den Schultern und geht zur Tür. Entfernt hört man Männerstimmen und freudiges Murmeln, das immer näherkommt. Zwei Männer stehen in der Tür, einer ist Mike.

      „Roman!“, ruft Lina freudig und springt auf, um den Mann, welcher in der Tür zum Wohnzimmer steht, zu umarmen. Mike schaut sie streng an, sagt aber nichts. Als Lina seinen Blick wahrnimmt, verharrt sie, schaut ihm in die Augen und murmelt etwas. Elly kommt diese ganze Situation ein bisschen komisch vor, denn warum sollte sich Lina nicht über Besuch freuen dürfen? Mike nickt Lina zu und diese setzt sich ruhig wieder auf den Boden. „Elly, das ist mein Bruder Roman“, stellt Mike den anderen Mann vor. Roman also. Er ist so groß, dass er den Türrahmen fast vollständig ausfüllt, hat dunkles Haar, einen Bart, trägt eine Jeans mit einem dünnen Pullover. Was Elly allerdings tatsächlich aus den Socken haut, ist, als er sie anspricht. „Hallo, guten Abend“, sagt er und hält ihr seine Hand entgegen. Elly ergreift sie und schaut ihm in die Augen.

      Die Welt steht still.

      Kennt ihr das Gefühl, wenn man nicht mehr weiß, ob man atmet? Wenn es so leise ist, dass man eine Stecknadel fallen hören kann? Und einem der eigene Puls in den Ohren dröhnt? Genauso fühlt sich Elly in diesem Moment. „Du darfst mich jetzt loslassen“, sagt er leise und mit ruhiger Stimme. „Ehm, eh ja“, stammelt sie unbeholfen. Elly setzt sich etwas torkelnd auf ihren Platz auf dem Sofa zurück. Mike setzt sich wieder neben seine Lina und Roman nimmt zwischen Mike und Elly Platz.

      Mike nickt Lina zu, sie steht auf und geht in die Küche. Ein paar Minuten später kommt sie zurück mit einem Tablett, auf dem neue Getränke stehen. Sie gibt jedem ein neues Glas in die Hand. Roman nickt sie dabei schüchtern zu und schaut ihn kaum an. Auch als sie Mike das Glas in die Hand drückt, ist sie plötzlich eingeschüchtert oder verhalten? Auf jeden Fall nicht mehr so ausgelassen und wild. Elly beobachtet die drei noch eine ganze Weile, beteiligt sich aber durchaus auch an den Gesprächen und fragt ihren neuen Bekanntschaften ein wenig aus.

      Als sie zur Toilette muss, läuft sie Lina über den Weg und spricht sie an: „Lina, darf ich dich bitte was fragen?“ „Ja klar Elly, was gibt es?“, fragt Lina aufgeschlossen. „Ich will mich nicht aufdrängen und auch nicht komisch erscheinen, aber ich finde, du bist, seit Roman da ist, nicht mehr so lebhaft und irgendwie eingeschüchtert. Ist alles in Ordnung? Brauchst du Hilfe? Du weißt, ich komme aus einer Beziehung, die sehr unschön geendet hat und du liegst mir jetzt schon sehr am Herzen“, sprudelt es aus Elly heraus.

      Lina beginnt, zu grinsen. „Ach Elly, du bist großartig. Ich erzähl dir gleich mehr, oder Mike wird es tun. Aber ganz kurz, es ist wirklich alles in bester Ordnung“, sagt sie strahlend, umarmt Elly und lässt sie zur Toilette. Elly ist nicht wirklich beruhigt, aber wartet ab, ehe sie voreilig irgendwelche Schlüsse zieht. Sie geht gespannt ins Wohnzimmer zurück und setzt sich wieder auf ihren Platz. „Na, dann schießt mal los“, sagt sie erwartungsvoll. „Du Elly, wir wissen, dass wir uns noch nicht sehr lange kennen. Aber du hast scheinbar ein feines Gefühl und wir würden dir gerne reinen Wein einschenken“, ergreift Lina schüchtern das Wort und schaut hilfesuchend in Richtung Mike.

      Elly hebt die Augenbrauen und sagt: „Ok, dann erzählt mal.“ „Lina und ich führen eine Beziehung mit Machtgefälle. Ich bin ihr Top, sie ist meine Sub, meine Lebensgefährtin, meine Liebe“, sagt Mike ganz geradeheraus. Roman scheint davon nicht weiter beeindruckt. „Hast du schon mal von dem Buch Fifty Shades gehört? Das kennen wohl noch die meisten“, fragt Mike Elly. „Ehm ja, das sind ja Neuigkeiten. Ja, ich kenne das Buch von Hörensagen“, antwortet Elly gelassen. Dann trinkt sie ihren Wein in einem Zug leer. „Nun, auch wenn das Buch vielleicht nicht das repräsentativste ist, es gibt ja doch einen kurzen Einblick. In unserem Fall heißt das, Lina würde mich immer um Erlaubnis fragen, und meine Entscheidung ist im Normalfall gesetzt“, erklärt er weiter.

      „Wir hoffen, dass du jetzt keine Angst vor uns hast“, sagt Lina leise. Elly schüttelt den Kopf. Was die beiden - beziehungsweise die drei - nicht wissen konnten, sie selbst kam zwar aus einer beschissenen Ehe, aber sie kam auch aus einer Beziehung, die mit einem dominanten Mann begonnen hatte. Dass dieser dann zu einem echten Idioten mutierte und eher ein Möchtegerndom war, nun da hatte Elly sich damals einfach blenden lassen. Roman sitzt noch immer da und sagt nicht viel, hört Elly aber genau zu. „Ich kenne diese Art, eine Beziehung zu führen, Mike. Mein Ex-Mann dachte zumindest immer, er wäre dominant. Vor ihm hatte ich selbst eine lose Spielbeziehung mit einem Top. Die war nicht lang, aber ich habe Erfahrungen sammeln können und doch einiges über mich kennengelernt damals“, erzählt Elly. „Und ich bin sehr froh, dass du nicht in so einer Beziehung steckst, wie ich sie hinter mir gelassen habe, Lina. Da hatte ich vorhin einfach Angst.“ Mike nickt Lina zu und diese hüpft neben Elly und umarmt diese herzlich. „Du bist so ein toller Mensch, Elly!“, sagt sie und drückt noch fester. Danach geht sie wieder an ihren Platz neben Mike auf dem Boden.

      „Wo wir schon bei Wahrheiten sind“, sagt Roman räuspernd. „Bevor du es nun von jemandem anders hörst, liest oder selbst herausfindest: Ich bin Inhaber des Black Floors.“ Ach, das war ja interessant. Elly kannte das Black Floor, obwohl sie nicht aus der Gegend war. Mit ihrem Ex war sie einmal in der „Großen Oper“ gewesen, welche auch einschlägige Partys schmeißt. Das Black Floor war allerdings eine Nummer edler und man kam auch nur per Einladung dort hin. „Warum erzählst du mir das?“, fragt Elly keck. Das muss der Wein sein. „Nun, ich hatte schon vorhin den Eindruck, dass wir beide uns vielleicht ganz gut verstehen könnten, Elly“, sagt er und zwinkert. Da war es wieder, dieses Gefühl, als ob die Welt stillstehen würde. Elly konzentriert sich darauf, weiterzuatmen. „Vielleicht sollten wir die beiden allein lassen“, flüstert Mike zu Lina. Diese gluckst und sagt: „Ach, ich würde gerne noch ein wenig zuschauen, mein Herr.“ „Ich glaub, ich muss dringend runter“, stammelt Elly plötzlich. Sie nimmt ihre Sachen und verlässt fluchtartig die Dachgeschosswohnung. Mit einem lauten Rumms fällt die Tür ins Schloss und völlig fertig sinkt Elly auf den Boden.
      Sie blickt auf und bricht in Tränen aus. Was war das? Wieso konnte sie nicht dableiben? Ihr Herz pocht wie wild und sie kann sich kaum beruhigen. War es denn möglich, dass man sich zu jemandem, den man nicht kennt, gleich so hingezogen fühlt? Egal ob zu Lina, zu Mike und vor allem zu Roman. Roman… er war DER Inhaber eines der edelsten Schuppen weit und breit. Ein elitärer Kreis an Leuten ging dort ein und aus. Das war alles zu viel, viel zu viel.

      Ein paar Tage später. Elly hatte sich die letzte Zeit völlig eingeigelt in ihrer Wohnung und reagierte auch nur auf den Pizzaboten. Lina hatte mindestens 2x geklingelt und auch Mike war einmal an der Tür. Doch Elly ist überfordert mit allem um sich herum. Aber sie bekommt Roman auch nicht aus dem Kopf.

      Er ist immer präsent. Immer in ihrem Kopf. Tief in ihrem Inneren wünscht sie sich schmerzlich, noch einmal dieses Gefühl erleben zu dürfen. Dann blockt sie diesen Gedanken aber sofort wieder. Schwermütig steht Elly auf, denn sie muss runter an den Briefkasten, erwartet noch Post von ihrem Anwalt. Rums, die Tür fällt (mal wieder) ins Schloss.

      In dem Moment wird Elly bewusst, dass ihr Wohnungsschlüssel noch drinnen liegt. „Scheiße!“, sagt sie frustriert zu sich und setzt sich erst einmal auf die kalten Stufen. Nach gut 10 Minuten geht sie völlig verzweifelt hoch ins Dachgeschoss, in der Hoffnung, dass Lina oder Mike da sind. Sie klingelt und hört Schritte. Die Tür öffnet sich, aber es stehen weder Lina noch Mike da. Es ist Roman. Elly schaut ihn mit großen Augen an und würde am liebsten im Boden versinken. Sie trägt eine karierte Schlafanzughose, einen Oversized-Disney-Pulli und pinke Einhornhausschuhe. Sie starrt ihn ungläubig an. „Oh, hallo Elly. Lina und Mike kommen erst in einer Stunde nach Hause. Kann ich dir helfen?“, fragt er ruhig und mustert sie ein wenig. „Ja ehm, ich habe mich ausgesperrt“, murmelt Elly.

      „Komm erst mal herein“, sagt er und öffnet die Tür. „Magst du vielleicht was trinken?“ Elly nickt und er holt ihr einen Kaffee und ein Glas Wasser. „Ich warte auf einen Lieferanten, Mike hat einen neuen Schrank bestellt und der soll heute angeliefert werden“, erklärt er, ehe Elly fragen kann. Sie fühlt sich sehr einsam und nippt vorsichtig an ihrem Kaffee. „Elly, du siehst nicht gut aus. Hör zu, ich hole dir nun ein Handtuch, Bademantel und du gehst duschen. Du brauchst auch nicht auf die Idee zu kommen, Nein zu sagen. Ich denke, Linas Sachen passen dir auch. Ich hole dir was zum Anziehen und wenn du dich frisch gemacht hast, was gegessen und getrunken, dann kümmern wir uns um deine Tür“, sagt er bestimmend.

      Elly ist zwar etwas überrumpelt, aber folgt, ohne ein weiteres Wort zu sagen, Romans Anweisungen. Während sie im Badezimmer duscht, bereitet er ihr etwas zu essen vor und wartet in der Küche auf sie. Als sie um die Ecke kommt, das Haar zu einem Turban gewickelt und im Bademantel, steht schon alles bereit. „Danke“, murmelt sie leise. „Ist schon gut, Elly. Warum bist du am Montag einfach weggelaufen? Ist alles ok?“, fragt er direkt. „Ich, ich… ich hatte Angst. Vor meinen Gefühlen. Vor meinem Leben. Vor der Zukunft und dem Jetzt“, antwortet Elly stockend und schaut auf ihren Teller. Ein paar Minuten lang ist nur das Klappern ihrer Gabel zu hören.

      Da steht er auf und geht langsam um den Tisch herum und bleibt neben ihr stehen. Vorsichtig und schüchtern schaut sie auf. Ihr Herz pocht wie wild. „Elly, hör zu, mag sein, dass ich mich nun völlig zum Deppen mache, mag sein, dass wir uns nicht lange kennen, noch nicht. Mag sein, dass das alles sehr überwältigend ist und dass es am Ende auch nicht passt zwischen uns, aber ich werde nicht mit ansehen, wie du hier allein bist, während ich spüre, dass es zwischen uns eine Verbindung gibt! Ich will dich! Ich will für dich da sein und ich werde dir immer helfen, wo ich nur kann“, sagt er ihr ins Gesicht und ist fast aufgebracht dabei.

      Elly erstarrt. Ihre erste Reaktion ist eher ein: „Wer ist der Kerl eigentlich, dass er mir so eine Ansage machen darf?" Dann jedoch findet sie es charmant, dass er so um sie kämpft, obwohl er sie noch gar nicht wirklich kennt. „Vertraust du mir?“, fragt er sie leise aus dem Nichts und unterbricht damit ihre Gedanken. Elly steht auf und stellt sich vor ihn hin. Sie schaut nach oben in seine dunklen Augen. Und da ist auch wieder dieses Gefühl. Die Welt um sie herum dreht sich und sie hört nur ihren eigenen Puls. „Ja doch, ich glaube, ich vertraue dir, Roman“, antwortet Elly. Sie ist total von dem Gefühl überwältigt.

      „Komm mit!“, sagt er lächelnd und zieht sie quer durch die Wohnung. Neben dem Wohnzimmer geht ein kleiner Flur entlang, an dessen Ende eine Tür ist. Roman öffnet sie und zusammen treten sie in einen recht großen Raum. Hier finden sich ein Bett, zwei Sessel, die am Fenster stehen, diverse Kommoden und ein Gestell, was auch ein Andreaskreuz sein könnte. Der ganze Raum ist mit einem flauschigen Teppich ausgelegt und an den Wänden hängen große, abstrakte Bilder. „Elly, ich möchte jetzt nicht, dass du Angst bekommst. Das ist das Spielzimmer von Lina und Mike, aber das ist der neutralste Boden, den ich hier kenne“, sagt er schmunzelnd „Ich habe deine Anziehsachen vorhin schon hingelegt. Also besser gesagt, die von Lina. Du kannst dich dann auch gleich anziehen.“

      „Roman?“, fragt Elly leise. „Ja, Elly?“, er schaut sie fragend an. Elly ist so nervös, wie sie noch nie war. Ihr Herz, ihr Verstand, ihre Gefühle, alles ist durcheinander, das Herz schlägt wie wild, sie hat schwitzige Hände und ist gar nicht sie selbst. Sie hat das Gefühl, als würde sie ihn schon ewig kennen und möchte mehr und ihr Verstand sagt gleichzeitig: „Nein! Du kennst ihn doch kaum!“ „Seit ich dich das erste Mal gesehen habe, ist alles verrückt um mich geworden. Ich… ich vertrau dir. Aber ich kenne dich nicht. Das erste Mal seit langem ist meine devote Seite geweckt. Ich habe Sehnsucht nach Nähe, ich habe Sehnsucht nach dem Sein als Sub. Mein Verstand sagt mir, ich sollte gehen, mein Herz ist sich auch noch nicht sicher, mein Gefühl möchte mehr, das möchte dich kennenlernen. Als Roman und…“, sie hält inne, „…auch als Top.“ Nun ist es raus. Sie senkt den Kopf, sie schluckt ein paar Tränen herunter und verharrt vor ihm.

      Mit seinen Händen packt er ihre Schultern und streichelt dort entlang. „Was möchtest du als erstes?“, fragt er sie neugierig. „Möchtest du jetzt einen Kaffee mit mir trinken, möchtest du in deine Wohnung gehen, möchtest du dich aufs Sofa setzen? Oder mich küssen?“ Elly ist nervös. Natürlich möchte sie ihn noch kennenlernen, aber gerade jetzt möchte sie ihn kennenlernen als Top. Sie hat so großes Verlangen nach diesem „Fels in der Brandung“ und der Stärke, die nur ein Top ausstrahlt für sie. Gleichzeitig ist sie verwirrt, denn das alles ist gegen jeden Verstand.

      Sie räuspert sich, nimmt allen Mut zusammen und sagt: „Mein Verstand sagt mir, dass es nicht richtig ist, aber ich möchte es. Ich möchte dein sein, ich möchte dich als Top kennenlernen, ich möchte deine Hand auf meinem Hintern spüren.“ Er drückt sie kurz an sich und gibt ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. Der erste Kuss wird also auch nicht klassisch sein. „Elly, ich möchte dich. Ich möchte dich als Roman und ich möchte dich als meine Sub. Vom ersten Moment an war ich mir sicher und für mich gibt es kein Richtig oder Falsch, es gibt höchstens unseren Weg.“ Mit seiner Hand hebt er ihr Kinn an, so dass sie aufblicken muss, beugt sich runter und seine Lippen berühren die ihren. Sie küssen sich und wieder mal dreht sich alles. Die Welt kreiselt um sie herum und in einem Meer aus Licht und Blitzen vereinen sie sich.
      Sie weiß nicht, wie lange sie geküsst haben, irgendwann lässt er sie los und schaut ihr tief in die Augen. „Bist du bereit für einen Einblick in meine Welt, Elly?“, fragt er sie. Elly nickt. Er setzt sich auf die Bettkante, schaut sie an und sagt ihr, dass sie zu ihm kommen soll. Schritt für Schritt geht Elly Richtung Roman und das Kribbeln in ihrem Bauch hört gar nicht mehr auf. Sie ist sehr aufgeregt und hat ganz kalte Hände. „Leg dich über meine Knie“, ist Romans Anweisung. „Elly, du brauchst auch keine Angst haben, das wird wirklich nur ein kleiner Einblick sein.“

      „Ich habe keine Angst, ich will es ja so“, antwortet Elly schüchtern. „Dann müssen wir wohl nur noch die Vorbereitungen treffen, dass wir deinem Wunsch auch nachgehen können. Öffne bitte den Bademantel“, sagt er behutsam, aber mit fester Stimme. Mit zitternden, kalten Händen öffnet sie die Schlaufe des Bademantels. Er steht nochmal auf, greift nach dem Kragen und lässt den Bademantel langsam über ihre Schultern hinunter zu Boden gleiten. Schutzlos steht sie vor ihm, aber sie ist gar nicht mehr so nervös, wie sie dachte. Im Gegenteil, sie fühlt sich sehr wohl.

      Als er wieder Platz genommen hat, legt sie sich über seine Knie, ihr Kopf liegt auf dem Bett und so ist sie ganz angekuschelt an ihn. So viel Nähe hatte sie lange nicht mehr. Sein rechter Arm hält sie unter ihrem Po fest, der linke liegt locker auf ihrem Rücken. „Elly, zu unserem Einstand werde ich dir ein paar sanfte und ein paar stärkere Schläge auf deinen schönen Hintern geben, so wie es dein Wunsch ist. Wenn dir was zu viel wird, sag es mir bitte“, sagt er und streichelt sanft über ihre Pobacken. Elly nickt abermals.

      Der erste Schlag trifft sie mit guter, aber nicht zu starker Handschrift auf den Po. Sie zuckt leicht zusammen und auch schon folgt der zweite Schlag. Sie kuschelt sich immer mehr und mehr an ihn heran, genießt jeden Schlag auf ihren Hintern und fühlt sich wohl, wie schon lange nicht mehr. Als er aufhört, merkt sie erst, wie sehr ihr Po nun warm geworden ist. Lange hatte sie nicht mehr das Gefühl von Wärme, Geborgenheit und Halt. Sie saugt Romans Stärke auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Ihr steigen heiße Tränen in die Augen und leise schluchzend liegt sie weiter auf ihm. Er streichelt ihr Haar und hält sie einfach nur fest. Als er sie letztendlich wieder loslässt, sinkt sie langsam von seinen Beinen herunter auf den Boden.

      Sie sitzt dort und schaut ihn an. „Danke, mein Herr“, sagt Elly leise, senkt ihren Kopf und lehnt ihn an ihm an. Sie hätte eigentlich erwartet, dass er sie jetzt allein lässt, aber das tut er nicht. Sie sitzt neben seinen Beinen und er streichelt sanft ihren Kopf. All die Gefühle in ihr fahren Achterbahn. „Sehr gerne“, sagt Roman und drückt sie an sich. Knapp 2 Stunden später sieht die Welt wieder ein bisschen anders aus. Elly hatte sich Kleidung von Lina anziehen können. Die beiden, Lina und Mike, sind auch mittlerweile wieder zu Hause angekommen. Auf jeden Fall staunen die beiden nicht schlecht, als sie sehen, wie gut Roman und Elli sich nun verstehen.

      Es ist der 22.12., also zwei Tage vor Weihnachten. Elli ist gerade in ihrer kleinen Küche und backt ein paar Plätzchen, als es an der Tür klingelt. Roman steht da, mit einem kleinen Geschenk in der Hand. „Ich hatte es dir ja schon gesagt, ich muss leider am Heiligen Abend arbeiten, deswegen dachte ich, wir könnten die Bescherung vielleicht ein wenig vorziehen? Hast du Zeit?“, fragt er strahlend. „Ja klar, komm rein. Ich habe Zeit“, antwortet Elly und lässt ihn in ihre kleine Wohnung. Sie holt schnell noch die Plätzchen aus dem Backofen, bietet ihm einen Kaffee an und setzt sich dann zu ihm auf das Sofa. Plötzlich hält sie inne, schaut ihn fragend an: „Darf ich hier eigentlich sitzen?“

      Er lacht und antwortet: „Da wir noch keine Regeln besprochen haben, darfst du aktuell noch alles, naja fast alles. Wo wir aber gerade dabei sind, ich möchte, dass du dich bitte vor mich kniest.“ Sie schaut ihn etwas verdutzt an, steht aber auf und geht langsam in die Knie. Als sie kniet, senkt sie den Kopf und wartet. „Elly, du darfst mich anschauen, ich möchte dir bitte mein Geschenk geben.“ Seine Stimme ist ganz ruhig und warm. Sie schaut auf und nimmt ein kleines Päckchen entgegen.

      Sie öffnet es und innen ist ein Armband zu finden. „Ich fand alles andere noch sehr früh, aber ich wollte dir etwas schenken, was dich mit mir verbindet“, erklärt er. „Danke Roman“, sagt Elly gerührt. „Nur ich habe gar nichts für dich. Oder, darf ich…“, sie kommt ins Stocken, „darf ich dich…“ „Mich verwöhnen? Das hätten wohl die meisten Männer gerne, aber ich denke, das ist noch ein bisschen früh. Komm einfach zu mir aufs Sofa, wir kuscheln und vielleicht hast du nachher doch nochmal einen roten Po, aber einen sanft roten“. Er zwinkert, zieht Elly zu sich auf das Sofa und gibt ihr einen Kuss. Im Radio kommt „Do they know is christmas“ und draußen fängt es tatsächlich an, zu schneien.

      Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen, Elly und Roman wohnen zusammen in einer Wohnung, die zum Anwesen des Black Floors gehört. Tatsächlich ist diese Beziehung genauso, wie sich es Elly nie hat erträumen lassen. Er ist ein strenger, aufmerksamer und klarer Herr, ein toller Mann und ihr bester Freund. Das ging alles sehr schnell und in Windeseile, aber es war die beste Entscheidung, die sie treffen konnte.

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