17.12.2022 ✷ Was du nicht willst

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      17.12.2022 ✷ Was du nicht willst

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      ✵ 17. Dezember ✵

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      Was du nicht willst

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      von @Psycho_the_ROPEist

      Intro


      Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, in der ich vielleicht nicht der Gute bin. Oder auch nicht mehr. Vielleicht ist es am Ende der Geschichte die Aufgabe der Lesenden (der Verstehenden), ein Urteil darüber zu fällen; über mein Verhalten, vielleicht sogar über mich. Also seien Sie sich der Verantwortung bewusst, die Ihnen mit dem Lesen (dem Verstehen) meiner Geschichte, meines Handelns zuteil wird. Und gehen Sie verantwortungsvoll damit um. Verantwortungsvoller als ich, als meine Geschichte mit dem Start des neuen Wintersemesters ihren Lauf nahm…


      Teil 1: Vorlesung

      Wie zu jedem Semesterbeginn musste ich - mit Erschrecken, wie ich betonen möchte - feststellen, dass sich die Anzahl der Studierenden verringert hatte. Und die Erfahrung zeigte, dass sich auch nahezu niemand zu einer der weiteren Vorlesungen einfand, wenn bereits die Auftaktveranstaltung verstrichen und verpasst war. Der Vorteil war, dass mit jedem Semester die Anzahl der zu korrigierenden Klausuren abnahm. Der Nachteil war, dass das von mir geschätzte und gelehrte Fach der Philosophie zusehends vom Radar der Hochschulverwaltung schwand. Zumindest schien es so, da mit jeder erneuten Feststellung der Renovierungsbedürftigkeit der alten Universitätsgebäude unser Umzug auf einen noch kleineren Campus besiegelt war.

      So stand ich in der ersten Vorlesung des fünften Semesters vor nur noch knapp einem Dutzend mehr oder minder motivierter Studierenden (und ja, ich fragte mich, warum ich im vorherigen Halbjahr noch einundzwanzig Klausuren korrigiert hatte, wenn nun nur noch ein Bruchteil derer anwesend war, die erst vor knapp 2 Monaten in der Prüfung saßen. Und nein, es war, bis auf eine unrühmliche Ausnahme, auch sonst niemand durchgefallen!).

      Nun muss ich gestehen, dass Gesichter und erst recht Namen nicht zu meinen Stärken zählen, doch bei einer derart kleinen Gruppe fällt dann sogar mir ein Gesicht auf, welches im vorherigen Semester noch nicht anwesend war. Ein auffallend hübsches Gesicht, das ließ sich nicht bestreiten.

      Ihr blondes, langes Haar fiel in sanften Locken über ihre Schultern, eine einzelne Strähne hing leicht versetzt vor ihrem linken Auge. Sie war nicht, höchstens leicht, geschminkt - und mehr brauchte sie auch gar nicht. Ihr Blick war wach, vielleicht ein wenig durchdringend und bildete mit ihren geschwungenen Lippen das Gesamtbild eines sympathischen Lächelns (und das in einer Philosophie-Vorlesung; ich dachte, stets der Einzige zu sein, der diese Empfindungen zu einem solchen Anlass verspürte). „Ich bin neu”, riss mich ihre Stimme aus den Gedanken; sanft, aber selbstsicher. „Ich habe die Hochschule gewechselt. Ich brauchte, ich wollte”, korrigierte sie sich ruhig, „mal etwas Neues."

      „Das freut mich”, erwiderte ich, ohne so recht zu wissen, was ich da sagte. „Willkommen!”

      Rückblickend betrachtet glaube ich, dass zwischen meinem ersten Satz und dem „Willkommen” eine viel zu lange Pause lag. „Danke”, lächelte die junge Frau mit einer Mischung aus Arroganz und berechtigter Selbstsicherheit, die bei jedem anderen Menschen wohl unsympathisch gewirkt hätte, bei ihr jedoch stimmig, wenn nicht sogar ihre Attraktivität untermauernd, wirkte. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Wahrscheinlich entstand erneut eine viel zu lange Pause, ehe ich meine Vorlesung begann.

      „Ich möchte mit Ihnen etwas Grundlegendes zum Einstieg in unser neues Thema wiederholen”, begann ich, ganz gemäß meinem Plan, welchen ich noch zuhause mehrfach vor dem Spiegel durchgegangen bin. Zumindest die ersten fünf Minuten. Oder zehn. Und gerade machte sich diese Vorbereitung mehr denn je bezahlt. Ich hatte das Gefühl, dass ihr Blick jeder meiner Bewegungen folgte, dass ihre Ohren an meinen Lippen hingen, dass ihre Aufmerksamkeit in voller Achtsamkeit auf meinen Worten ruhte. „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”, fuhr ich fort. „Oder, einfach ausgedrückt, so zum Start des neuen Semesters: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg’ auch keinem Ander’n zu.”

      Sie sagte kein Wort, doch ich spürte und sah in ihren Augen, dass sie meine (zugegebenermaßen sehr vereinfachte und unvollständige) Übersetzung von Immanuel Kant belächelte. „Wollen Sie mir, oder besser, Immanuel Kant, widersprechen?”, fragte ich. Jetzt war ich in meinem Element. Deshalb mochte ich diese Vorlesungen - und bestenfalls volle Kurse: die aufkommenden Diskussionen erschienen mir so viel wertvoller als das bloße Durchbringen meiner Themen. Und so wollte ich diesen Abstecher auch heute zulassen. Und vielleicht ein wenig fördern, wenn sie sich auf die Diskussion einlassen wollte.

      „Interessante Frage”, stellte die junge Frau fest und strich sich die Strähne aus dem Gesicht. „Würde ich widersprechen, müsste ich doch wollen, dass dies ein allgemeines Gesetz werde. Und dann müssten Sie mir widersprechen und so weiter. Ich glaube also, dass ich Ihnen nicht widersprechen möchte, auch wenn ich es könnte.”

      Selten endete eine Diskussion darin, dass ich nichts mehr erwidern konnte. Ich wollte, ich wollte es so sehr, doch ich konnte nicht. Es war, als sei mein Kopf binnen weniger Sekunden auf einen beinahe pränatalen Zustand zurückgesetzt worden. „Fahren Sie doch gerne mit Ihrem Thema fort, auf das Sie hinleiten wollten”, setzte die junge Frau mit ihrer sanften Stimme an. „Zumindest hatte ich Sie so verstanden.” Ich hatte zu diesem Zeitpunkt jedes Gefühl von und für Zeit und Raum verloren. Ich gehe davon aus, dass ich meine Vorlesung irgendwie habe halten können; vielleicht hatte ich aber durch das Abfärben meiner Verwirrtheit den Studiengang heute noch ein wenig mehr ausgedünnt, das würden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mit einem Blick auf die Uhr endete meine Vorlesung heute einige Minuten früher als im Lehrplan vorgesehen (ein Novum für mich).

      Kaum hatte ich das Ende verbal kundgetan, sprangen die ersten Studierenden auf und verließen beinahe fluchtartig den Raum. „Bis nächste Woche”, rief ich - wohl einen Hauch zu verzweifelt klingend - hinterher. Ich wähnte mich schon allein im Raum stehen, während ich meine Sachen zusammenpackte, als mich die nunmehr wohl vertraute Stimme aus meinen Gedanken (oder aus meinem dissoziativen Zustand) riss. „Spannende Vorlesung. Ich glaube, mein Hochschulwechsel hat sich schon gelohnt.”

      „Wo haben Sie denn vorher studiert?”, fragte ich und ärgerte mich zugleich, dass ich von allen möglichen Fragen ausgerechnet diese laut stellte. „Und erneut: Interessante Frage”, lächelte die junge Frau. „Ich würde aber gerne nochmal auf ihre letzte Frage zurückkommen.”

      „Welche Frage?”, fragte ich irritiert.

      „Ob ich Kant widersprechen wolle. Sie wissen schon, was du nicht willst und so”, half mir die Studentin auf die Sprünge.

      „Achso, ja”, begann ich. „Und?”

      „Ich wollte darauf zurückkommen und sie nicht beantworten”, lächelte sie mich an. Irgendwie hatten sich die Rollen gerade kolossal vertauscht. „Aber vielleicht finden Sie die Antwort hier”, fuhr sie fort und drückte mir einen Zettel in die Hand. „Heute Abend, ab acht Uhr. Da steht ‘ne Bank am Feldrand. Halten Sie nach Max Ausschau.”

      Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging langsam die Treppen des Hörsaals hoch. Ehe sie die Tür durchschritt, drehte sie sich noch einmal um.

      „Ich bin übrigens Maxime.”
      Teil 2: Maxime

      Neunzehn Uhr.

      Ich saß daheim auf meinem Sessel. In meinem Schoß lag die Interpretation einer meiner Studenten zur „Kritik der reinen Vernunft”, in meiner Hand hielt ich den Zettel, den mir Maxime in die Hand gedrückt hatte.

      Maxime. Ein interessanter Name für eine interessante Frau, dachte ich. Ursprünglich ein männlicher Name, nun zusehends auch weiblichen Personen zugehörig, dennoch selten. Und zugleich so philosophisch. Ich hatte die Adresse mehrfach gelesen, mehrfach im Internet eingegeben und festgestellt, dass es nur einen vergleichsweise kurzen Fußweg brauchte, um sie zu erreichen. Und ausgehend von den heutzutage sehr präzisen Karten konnte ich sogar die Bank hinter dem Haus und vor einem Feld ausmachen, die sie gemeint haben musste. Ich zögerte.

      Auf der einen Seite trieb mich die Neugierde, auf der anderen Seite war es das wohl Absurdeste, was ich bislang erlebt habe. Und ich zweifelte erstmals in meinem Leben, dass es noch absurder werden könnte (Ein Irrtum, wie Sie vielleicht noch feststellen werden).

      Aus heutiger Sicht muss ich wohl sagen, dass ich meine Entscheidung unwissend bereits getroffen hatte.

      Ich schaute in regelmäßigen Abständen auf die Uhr. Auf keinen Fall wollte ich den Zeitpunkt verpassen, zu welchem ich – laut der Internet-Routenführung – starten musste, um pünktlich um zwanzig Uhr dort zu sein. Aber irgendwas hielt mich, trotz aller Neugierde, auch davon ab, wesentlich früher dort sein zu wollen.

      Und dennoch zweifelte ich. Ich konnte die Situation weder einschätzen, geschweige denn so beschreiben, dass Außenstehenden meine Problematik damit auch nur ansatzweise hätte deutlich werden können. Im Endeffekt hatte mir eine Studentin (eine attraktive Studentin) einen Zettel mit einer Adresse in die Hand gedrückt und mir eine Uhrzeit genannt, zu welcher ich mich an dieser Adresse einfinden könne, um ihre Antwort auf meine Frage aus der Vorlesung zu erfahren. Streng genommen gab es nun zwei Extreme: Entweder, die junge, attraktive Studentin machte sich an ihren Professor ran (etwas, was in der Realität ansatzweise so häufig vorkam wie in diversen Filmen; und nicht selten waren es Philosophieprofessoren) oder aber die Studentin hatte es auf mich und mein Leben abgesehen (hierbei stellte sich mir die Frage nach dem Warum?, da die Studentin neu an der Universität war und ich sie mit Sicherheit nicht in einer vorherigen Arbeit habe durchfallen lassen. Und selbst wenn, erschiene mir ein Mord aufgrund einer nicht bestandenen Philosophieklausur vergleichsweise rabiat).

      Gut, natürlich gab es noch weitere Möglichkeiten; vielleicht wollte die Studentin mir ihre Antwort tatsächlich einfach nur außerhalb des Hörsaals geben, da es ihr peinlich war, vor anderen zu sprechen… Ich verwarf den Gedanken. Ehrlicherweise erschien mir keine der erdachten Varianten sinnig. Letztlich gab es wohl nur eine Möglichkeit, herauszufinden, was es mit Maxim, dem Zettel und dieser bizarren - nennen wir es - Verabredung auf sich hatte.

      Meinem wissenschaftlichen Geiste nach war ich Experimenten grundsätzlich nicht abgeneigt, doch als Geisteswissenschaftler vertrat ich die Ansicht, dass sich viele Ergebnisse auch ohne tatsächliches Experiment rein in der Gedankenwelt ergaben (Ganz abgesehen von der ethischen Komponente, die verschiedene Experimente mit sich brachten). Doch in diesem Falle sah ich keine andere Option, als den Versuch zu starten (und die Ethik außen vor zu lassen, mich abends mit einer Studentin zu treffen, die mich mutmaßlich entweder ins Bett oder ins Grab bringen wollte) und mich - in letzter Sekunde, um noch pünktlich zu sein - auf den Weg zu machen.

      Ich merkte mehrfach, wie meine Schritte schneller wurden - ob mein Herz aufgrund der damit verbundenen Anstrengung oder meiner Aufregung schneller schlug, vermag ich nicht zu sagen. Ich ermahnte mich innerlich mehrfach zu einem ruhigen Schritt und entschleunigte, dennoch kam ich gut fünf Minuten vor zwanzig Uhr an der Bank an.

      Und jetzt? Ich ärgerte mich. Ich hatte gut zwanzig Minuten Fußweg nicht genutzt, um mir mal zu überlegen, was ich tun wolle, wenn ich an der Bank ankäme. Ich entschied mich für das wohl Offensichtlichste im Angesicht einer Bank: ich setzte mich.

      Alter, was tust du hier? Gedanken, die ich in diesem Wortlaut schon seit einigen Jahren nicht mehr gehabt hatte.

      „Hey”, riss mich eine männliche Stimme aus eben diesen Gedanken und ein junger Mann setzte sich ans andere Ende der Bank. Gut, jung ist relativ; er war mit seinen Mitte zwanzig auch nur maximal 10 Jahre jünger als ich.

      „Hey”, erwiderte ich die Begrüßung langsam. „Bist du… also sind Sie… Tom?”

      „Max”, sagte der junge Mann.

      Oh man, ich und Namen.

      „Äh, Max, mein’ ich doch”, murmelte ich. Oh man, Maxime und Max… es hätte so einfach sein können.

      „Alles gut. Und sag ruhig du”, setzte Max an. „Du bist ernsthaft Prof?”

      Ok, Maxime musste ihm von mir erzählt haben.

      „Äh, ja”, antwortete ich.

      „Krass”, entfuhr es Max. Ich kam mir plötzlich sehr alt vor. „Sag mal, kann ich deine Nummer haben?”

      „Bitte was?”, fragte ich irritiert - und das spiegelte mein gesamtes Empfinden in dieser Situation sehr authentisch wider.

      „Nicht für mich, man, für Maxime. Ich check die Leute immer, aber Maxime entscheidet, ob sie dir schreibt.”

      „Ähm…”, fing ich an. „Du… ähm… was?”

      „Ok, warten wir ab”, sagte Max. Er schien mir erschreckend un-irritiert in dieser Situation. Alter, was läuft hier?, meine Gedanken.

      Offenbar schaute ich Max an. Zumindest wies er mich darauf hin.

      „Prof, du müsstest schon zum Fenster gucken.”

      Bitte was, wollte ich gerade ansetzen, da sah ich aus den Augenwinkeln, wie in dem Haus, hinter dem ich auf einer Parkbank mit einem gewissen Max saß, ein Licht anging.

      Meine Augen brauchten einen kurzen Augenblick, um das sich ihnen ergebende Bild scharfzustellen, da…

      „F*CK”, entfuhr es mir.

      Das Haus verfügte über eine riesige, nun hell erleuchtete Fensterfront.

      Und das Haus war näher, als ich dachte. Oder anders ausgedrückt: Der Garten des Hauses war kleiner, als es im Internet den Eindruck gemacht hatte. Oder noch anders ausgedrückt: Ich konnte alles sehen. ALLES.

      Im hell erleuchteten Fenster - es musste der Wohnraum des Hauses sein - stand Maxime. Und wie sie stand. Sie trug schwarze High-Heels, einen nahezu verboten kurzen und engen Rock, ebenfalls schwarz, dazu einen nicht minder knappen BH, erneut schwarz, mit roten Elementen. Ja, ich sah ALLES.
      Und ich sah einen Mann. Vor Maxime kniend. Gefesselt. Nackt.

      Erst jetzt registrierte ich, dass Maximes Hände keinesfalls leer waren. Keine Ahnung, was sie darin hielt, aber aus ihrer geballten Hand hingen lange, schwarze Riemen.

      „Mega”, hörte ich Max, dann das Klick-Geräusch seiner Handykamera. „Richtig geil!”

      „Was. Zur. Hölle. Geschieht. Hier”, murmelte ich ebenso fassungslos klingend, wie ich es war.

      „Ok, du hast gar keinen Peil, oder?”, war Max’ Versuch, meine Frage zu beantworten.

      Mein Schweigen war für Max wohl ausreichend, um zu einer Erklärung anzusetzen.

      „Maxime ist meine Freundin. Schon seit… warte mal, 4 Jahren jetzt. Krass, wie die Zeit vergeht. Ok, egal. Also Maxime hat gewisse Vorlieben, die ich nicht so teile. BDSM ist dir ein Begriff?”

      „Was?”, erwiderte ich Max’ Frage mit einer Gegenfrage. Ich war gerade noch abgelenkt von dem Schauspiel im Fenster, bei welchem Maxim in ruhigen Schritten hinter den vor ihr knienden Mann schritt, ihn mit dem sanften Druck ihres linken High-Heels im Rücken mit dem Oberkörper dem Boden entgegendrückte und mit den langen Riemen in ihrer Hand über das Gesäß des Mannes strich. Und ich konnte mir grob ausmalen, was als Nächstes geschehen würde. Ich schaute zu Max.

      „Was?”, wiederholte ich. Max schaute unterdessen unentwegt auf die hell beleuchtete Fensterfront.

      „BDSM”, wiederholte er. „Also Maxime ist dominant. Und sie fesselt gerne, siehste ja. Und sadistisch ist sie auch. Und Frank, also der Dude da vor ihr, ist devot. Der wird gerne gefesselt. Und er mag Schmerzen. Das passt also. Ich kann damit halt gar nichts anfangen. Aber ich steh’ drauf, zu sehen, wie Maxime Spaß hat. Und irgendwie turnt es mich mega an, ihr dabei zuzusehen. Und Frank mag es, wenn jemand zusieht, wenn er gedemütigt wird. Naja, und Maxime mag es, wenn es mich anturnt und sie anturnt und Frank anturnt. Also haben alle was davon. Naja, und du… du turnst Maxime auch an. Sie steht auf intelligente Männer.” Max grinste. Offenbar hielt er sich für intelligent, oder zumindest Maxime tat dies.

      Max pausierte seine stakkatoartige Ausführung und ließ seine Handykamera einige Male klicken. Maxime hatte Frank, wie der Mann laut Max hieß, mittlerweile auf dem Rücken liegend zu Boden gebracht und stand breitbeinig über ihm… und spuckte ihn an.

      „Sie tut was?”, fragte ich. Ich konnte Max’ Worte weder als Kompliment noch in irgendeiner Form vollständig aufnehmen.

      „Maxime mag intelligente Männer. Männer, die voll im Leben stehen und so, was zu sagen haben. Naja, so Prof-Typen halt, schätze ich”, setzte Max seine Erklärung fort. „Oha, richtig gut, Maxime”, murmelte er, als Maxime Frank eine sicher schallende Backpfeife gab, die ich durch die Glasfront nur sehen, (zum Glück) aber nicht hören konnte.

      „Achso, wenn du nicht so drauf stehst, kannst du das Maxime auch sagen, wie gesagt: sie will, dass alle Spaß haben. Und ich bin auch nicht immer da, bist jetzt auch nicht so mein Typ wie Frank”, fuhr Max immer weiter fort. „Ist ja allein schon geil, zu wissen, dass Maxime wieder jemanden hat, egal wie.”

      „Ja”, murmelte ich in Max’ Pause. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich sagen sollte.

      Max schwieg nun auch erstmal, ab und an klickte seine Handykamera (mal murmelte er „das wird Maxime gefallen”, mal „das wird Frank gefallen”, und mal „oh, das gefällt mir”). Irgendwas in mir sagte, dass ich mich unwohl fühlen sollte, aber irgendwie… ließ das nach.

      Ich sah, wie Maxime Frank mit den Riemen in ihrer Hand (ich denke, Peitsche ist irgendwie passend) bearbeitete, ihn anspuckte, die Seile um seinen Körper löste und wieder - wenn auch anders - zusammenband und - auch ohne etwas zu hören - mit Dingen zu titulieren schien, welche Frank offenbar gefielen (etwas zu offensichtlich, für meinen heterosexuell orientierten Geschmack).

      „Oh, ich peitsch’ ja auch gerne hotte Boys aus”, ergänzte Max.

      „Nein… äh… danke”, murmelte ich.

      „Nicht dich, keine Sorge. Ich mein’ ja nur. Aber du kannst halt Maxime und mich damit jagen, gepeitscht zu werden. Haben wir beide mal versucht… oh, das war nix. Man muss ja nicht alles von allen Seiten aus teilen und mitmachen, was man gerne macht.”

      „Ja, versteh’ ich”, erwiderte ich. Und ja, irgendwie verstand ich das, aber irgendwie verstand ich an dieser Situation auch gerade gar nichts.

      „Ach, da fällt mir ein, ich soll dir noch was von Maxime ausrichten”, setzte Max ein weiteres Mal an. „Ich hab’s selbst auch nicht so verstanden, was sie damit will, aber… so ist Maxime. Was sie sagt, gilt. Also… irgendwas von wegen Was du nicht willst, soll man auch keinem anderen antun oder so…, naja, du bist Prof, wirste schon verstehen. Krieg ich jetzt deine Nummer? Für Maxime?”

      Outro

      Ich wusste bis zu diesem Moment nicht mehr, ob ich Max meine Nummer - für Maxime - gegeben hatte oder nicht. Der gesamte Abend ist mir sowohl nahezu gänzlich entfallen als auch als wahnsinnig spannend in Erinnerung geblieben. Hier und da erinnerte ich mich an Wortfetzen aus Max’ Mund („kannst ja rot sagen, wenn’s dir zuviel wird”, „genieß es, ich guck’ auch nicht zu dann”, „Nummer?”), aber ich bekam kein vollständiges Bild dieses Abends mehr zusammen. Irgendwas in mir schrie weiterhin danach, dass ich verstört sein sollte, aber da gab es auch diese andere Seite in mir, die der Neugierde verfallen war.

      Ich saß einmal mehr in meinem Sessel und las die Ausarbeitung eines Studenten (diesmal über ein Werk Schopenhauers), wie ich es zumeist zum Ende eines Wochenendes tat, da riss mich das Summen meines Handys aus dem Lesefluss. Ich schaute auf den aufleuchtenden Bildschirm. „Ich freu’ mich auf die Vorlesung morgen, Prof”, von einer unbekannten Nummer. Keine Sekunde später blinkte eine weitere Nachricht auf: „Was du nicht willst…”

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      Hallo an Alle,

      in meinem 3 Jahr der Teilnahme am Adventskalender habe ich entschieden, den in den vergangenen beiden Jahren eingeschlagenen Weg zu verlassen und eine Geschichte in eine ganz andere Richtung zu schreiben.
      Ich hoffe, (auch) diese Richtung findet Anklang und bereitet eine ähnliche Freude, wie mir die Geschichten der vergangenen Tage (und ganz sicher auch der folgenden).

      Und zu guter Letzt auch von mir ein großes Dankeschön an @Teufelanna, @Isegrim_w_devot & @AleaH für die Organisation, Durchführung und Korrektur (und konstruktive Kritik, versteht sich) dieses tollen Projekts.

      Frohe Weihnachten allerseits :)
      Quod erat demonstrandum - Andernfalls möge der geneigte Leser den Nachweis selbst erbringen.