18.12.2022 ✷ Bobby ist gar nicht tot

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      18.12.2022 ✷ Bobby ist gar nicht tot

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      ✵ 18. Dezember ✵

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      Bobby ist gar nicht tot

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      von Lemming


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      Zu dieser Geschichte gibt es weitere Teile:
      Teil 1: Adventskalender
      Teil 2: Kling Glöckchen
      Teil 3: Noch sechs Tage
      Teil 4: Hochzeitsnacht mit Hindernissen

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      Als ich langsam und schwer erwachte, lag ich allein in dem für mich viel zu großen Bett mit den vier wuchtigen Metallsäulen. Was für eine Nacht. Und was für ein Traum, der mir so real erschien, dass ich mich gedanklich nur schwer davon lösen konnte. Mein Kiefer schmerzte noch immer von der langen Behandlung am vorherigen Nachmittag. Zwei Zähne mussten raus und die obere Zahnreihe wurde fast vollständig abgeschliffen. Gut vier Stunden hatte ich auf dem Behandlungsstuhl gelegen und musste mich von meiner reizenden Zahnärztin und ihrer nicht minder entzückenden Assistentin quälen lassen. Immerhin konnte ich meine Lippen wieder bewegen und wahrscheinlich sah ich nicht mehr ganz so derangiert aus. Ich hatte schon Angst, dass irgendein Nerv beschädigt worden war und etwas an meiner Mimik zurückbleiben würde, nachdem ich mich mit herunterhängender Gesichtshälfte vor meinem eigenen Spiegelbild erschrocken hatte. Na ja, der alte Hypochonder in mir. Am Abend war noch alles taub, und danach kamen die Schmerzen und mit ihnen irgendwann, als ich endlich einschlief, die Träume.

      Ich drehte mich auf den Rücken, sah zur Zimmerdecke und seufzte. Lisa… So deutlich hatte ich sie lange nicht gesehen. Und wie nah ich mich ihr fühlte, obwohl es nur ein Traum war und ich ihr schon lange nicht mehr nah war. Vielleicht hatten die Erlebnisse des Tages, Rückstände von Narkosemitteln in meinem Körper und das Pochen in meinem Kiefer meine Träume verstärkt und realer erscheinen lassen, als es sonst üblich war. Mir war, als wenn ich sogar Lisas Duft geatmet hätte. Und ihr Lächeln war so schön, als sie mir in die Augen gesehen hatte. Und ich hatte mich nicht darüber gewundert, weil alles so wirkte, wie es immer war.

      Langsam wurde mir klar, dass ich zurück in meiner trostlosen Welt und wieder in der Wirklichkeit angekommen war. Es gab keine Blockhütte, jedenfalls nicht die, von der ich geträumt hatte, wir haben nicht geheiratet und selbst Annabelle habe ich seit der Zeit damals mit ihr nie wieder gesehen. Nein, „Bobby Ewing ist gar nicht tot“, schoss es mir durch den Kopf, und Lisa war nicht mehr bei mir. Gern hätte ich den Traum festgehalten und gern wäre ich mit ihr verheiratet gewesen, jetzt, bis in alle Ewigkeit. Doch es kam anders.

      Sie verließ mich im Frühjahr, und ich ließ sie zu meiner eigenen Überraschung klaglos gehen. Es war so irreal, dass ich es gar nicht glauben konnte. Lange dachte ich, es wäre nur ein schlechter Scherz und sie stünde irgendwann wieder vor der Tür. Aber da lag ich falsch. Ihre Gründe waren für mich an den Haaren herbeigezogener Unsinn und ich hatte das Gefühl, sie steigerte sich immer mehr hinein. Wenn es nicht noch etwas anderes gab, das sie mir verschwieg, dann konnte das nicht das Ende sein. Unmöglich. Ich dachte, dass sie irgendwann erwachen müsse und sehen, was wirklich ist. Ich kämpfte nicht und ließ sie gehen. Nur wenn du sie gehen lässt, ergibt sich vielleicht die Chance, dass sie zu dir zurückkehrt, sagte ich mir. Daran hielt ich mich, egal wie sehr es schmerzte und wie sehr ich sie von ihrem Vorhaben abbringen wollte, weil ich es für so falsch hielt.

      Eine wirkliche Aussprache hatte es nie gegeben, nur ein paar Zeilen, die wir uns schrieben. Zu wenig, für mein Dafürhalten, und äußerst ungewöhnlich. Aber vielleicht macht man das heute so und ich bin nur altmodisch mit meinen Vorstellungen. Sie ging mit einem Koffer mehr, als mit dem, mit dem sie gekommen war. Ein paar Sachen brachte ich ihr einige Wochen später nach. Wir trafen uns auf einem Supermarktparkplatz. Eine Arbeitskollegin hatte sie mit dem Wagen gebracht. „Pass auf dich auf“, sagte ich ihr zum Abschied, als wir uns kurz gegenüberstanden. Es klang wie eine Drohung, als wenn sie ohne mich in Gefahr geriete. Dabei war das nicht mal spontan. Schon seit Tagen hatte ich die Worte im Kopf. Unsere Tränen verbargen wir, indem wir uns nicht lange in die Augen sahen, sondern rechtzeitig abdrehten. Und dann war sie einfach aus meinem Leben verschwunden. Aber nicht aus meinen Gedanken. Am Anfang gab es kaum eine Minute, in der ich nicht an sie dachte. Da tat es noch weh und ich vermisste sie überall. Egal was ich tat, egal wo ich herging, alles erinnerte mich an Lisa.

      In meinen Gedanken redete ich mit ihr und erklärte mich. So war sie noch einen Sommer lang bei mir, ohne dass sie wirklich da war. Doch es tat bald nicht mehr so weh und ich wies sie ab, wenn ich mir vorstellte, sie wollte zu mir zurück. Irgendwie wollte ich wohl nicht mehr der Verlassene sein und den Spieß herumdrehen. Doch so richtig hineinsteigern konnte ich mich in diese Gedanken auch nicht, weil ich mir letztlich einfach nur wünschte, dass es ihr gut gehen möge, egal wie und wo und mit wem. Von diesem Wunsch abzuweichen, nahm ich mir übel und das verhalf mir dazu, Gedanken an Lisa kaum noch zuzulassen, und das fiel mir irgendwann nicht mal mehr schwer.

      Und nun plötzlich dieser Traum. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so ausführlich und detailliert geträumt zu haben. Ich war in der Nacht sogar zwischendurch wach, habe aber später nahtlos weitergeträumt. Alles wirkte echt und die Orte kamen mir so seltsam vertraut vor, obwohl sie gar nicht existierten. Ich war nie in dem Lokal, in dem sich die Hochzeitsgesellschaft versammelt hatte. Mein Zuhause sieht anders aus und ist auch anders eingerichtet. Selbst die Berge am Stadtrand gibt es so nicht, auch wenn es hier rechts und links etwas hügeliger und auch mal steiler wird. Serpentinen und Ferienhäuser, wie die aus meinem Traum, gibt es so nicht.

      Ich drehte mich zurück auf die Seite, zog das Kissen etwas hinauf und sah in die andere Betthälfte, zu dem Platz, an dem Lisa so oft neben mir erwachte, als sie noch bei mir war. Der Platz war nun leer und vielleicht würde er es immer bleiben.

      Das dunkelblaue Seidentuch, mit dem ich Lisa so oft die Augen verbunden hatte, lag noch auf ihrem Nachtschränkchen. Sie hatte es zurückgelassen und ich hatte es seitdem nicht angerührt. Es war zu einem langen, breiten Band zusammengefaltet und eines der Enden hing gut zwanzig Zentimeter über der vorderen Kante herunter. Ich weiß nicht mehr, ob sie es sich zuletzt selbst abgenommen und dort abgelegt hatte, oder ob ich es war. Manchmal trug sie es auch in seiner ursprünglichen Bestimmung als Halstuch und lenkte damit meine Blicke auf sich. Manchmal kam es mir vor wie eine Aufforderung an mich, mit ihr etwas zu beginnen, und sei es nur, dass ich ihr das Tuch abnahm und sie damit zur Blinden Kuh machte, die mich suchen musste. Wir waren oft so unbeschwert, wie Kinder. Das vermisse ich so sehr.

      Es kam mir vor wie eine letzte Erinnerung, wie ein letztes Zeichen an uns und das, was zwischen uns war. Und verrückt, wie ich nun mal bin, hatte ich längst ein Foto davon gemacht, für den Fall, dass es irgendwann vielleicht nicht mehr dort liegen würde. Bis jetzt konnte ich es jedenfalls nicht übers Herz bringen, es wegzuräumen. Und so packte ich es auch nicht mit in den Karton, als ich ihre letzten Sachen in der Wohnung einsammelte.

      Bald ist Weihnachten. Auf den Adventskränzen flackert bereits die vierte Kerze, obwohl es noch sechs Tage bis Heiligabend sind. Dominosteine und Marzipanstollen werde ich mir in diesem Jahr verkneifen, weil die neuen Keramikkronen nicht rechtzeitig fertig werden und ich dem überdimensionierten und zerbrechlich wirkenden Provisorium nicht zu viel zumuten will. Es wird ein trauriges, einsames Fest, ohne Licht… und ohne Lisa.

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