Wie geht's weiter nach dem Kompromiss?

      Wie geht's weiter nach dem Kompromiss?

      Hallo,

      ich beschäftige mich grad gedanklich mit der Fragestellung, wie es NACH dem Kompromiss weiter geht? Grundsätzlich bin ich eine große Freundin des reflektierten Nachdenkens und ich löse Konflikte am liebsten mit einer Mischung aus Verstandes -Entscheidung und dem emotionalen Gefühl von "alles wieder in der richtigen Spur". Mir ist es wichtig, die Dinge gelingen zu lassen. Ich kenne meine Fehler, ich weiß um die Schwächen meines Gegenübers. Und ich weiß und verstehe aus tiefsten Herzen, dass jeder Mensch manchmal nicht anders handeln kann, als er es gerade eben tut. Bei manchen Verhaltensweisen ist mir klar, dass die sich nie ändern können, und das respektiere ich beim Anderen und auch bei mir selbst. Ein wohlwollendes Grundverständnis setze ich in meinen Maßstäben auch bei einem Konflikt voraus, wenn die Beziehung Bestand haben soll.

      Nun die Frage an euch, wie ihr weiter macht, wenn nach einem Konflikt letztendlich doch ein Kompromiss gefunden werden konnte? Wie füllt ihr diesen Kompromiss, eine gemeinsame Absprache, einen Plan zum beiderseitigen Wohlergehen mit Leben? Einfach zur Tat schreiten und möglichst wieder Normalzustand herstellen? Sich erst langsam voran tasten und den strittigen Punkt gemächlich und vorsichtig anrollen lassen? Möglichst viel reden, auch nochmal über den Konflikt, die Verletzungen? Oder lieber weniger reden, um sich nicht im heillosen "Zerreden" zu verfransen?

      Ich will jetzt absichtlich gar keinen konkreten Streitfall im Detail benennen und zur Diskussion aufwerfen.
      Aber vielleicht kennen einige von euch so eine Standart -Situation (meine Begriffe von Er und Sie sind natürlich variabel und austauschbar):
      - er sagt oder verlangt was
      - sie ist überfordert oder verletzt
      - der Konflikt ist da
      - es kann auch zu Verletzungen, Vorwürfen oder Unverständnis kommen
      - man ist beiderseits traurig
      - man geht ins Gespräch, weil man es gut miteinander meint
      - ein Kompromiss wird gefunden

      Und dann? Piept eine Stimme rum im Kopf, dass der Problemfall doch nicht überwunden ist? Gibt es Ängste für die Zukunft? Fließen immer wieder Tränen?

      Speziell im Hinblick auf ein Machtgefälle: wie geht ihr da ran? Ist es unantastbar? Steht es zur Disposition? Wird es aufgrund der Erfahrungen angepasst?

      Konflikte vermeiden, totschweigen, etwas in sich reinfressen oder resigniert aufgeben halte ich im Übrigen für sehr gefährlich! Ein Streit ist für meine Begriffe auch ein Anlass, bei dem man was lernen kann. Das mag über eine begrenzte Zeitspanne ein hartes Brot sein, aber danach meine ich, dass die Luft sich gereinigt hat und es besser weitergeht.

      Unüberbrückbare Differenzen, zerstörerisches Verhalten oder ähnliche massive Probleme in der Beziehung will ich mit meinem Thema hier nicht ansprechen. Eher die allfälligen Meinungsverschiedenheiten, Verständigungsprobleme und Streitereien, die man hat, auch wenn man einander sehr liebt.

      Ich bin gespannt, wie ihr die Zeit nach einem Konflikt anpackt! Danke, wenn ihr mich / uns alle daran teilhaben lasst, wie es weitergeht.
      Du gibst meinem Suchen ein Finden, meiner Liebe schenkst du fruchtbaren Boden, meinen Ungehorsam bezwingst du mit Güte, mein Lachen findet sich wieder in deinen Augen, und meiner Sehnsucht, Herr, gibst du Heimat.
      Eine interessante Frage, die mich durchaus auch schon beschäftigt hat.

      Ich bin ein Mensch, der viel zu viel denkt, so ziemlich alles hinterfragt und fast permanent an sich selbst zweifelt. Dann gibt es da plötzlich einen Menschen, der die Tür in eine vollkommen neue Welt geöffnet hat, die mich gerade am Anfang oft überforderte. Mit unglaublicher Geduld und viel Unterstützung hat er es geschafft, dass ich mir selbst mehr vertraue, mehr fühle als denke und weniger zweifle. Insbesondere, weil er im Gegensatz zu mir das "Wir" nie in Frage gestellt hat.

      Es gab allerdings auch Missverständnisse und die ein oder andere Krise, u. a. weil wir vollkommen unterschiedlich kommunizieren. Wir haben es immer geschafft, auf Augenhöhe darüber zu reden, ohne zu urteilen und uns Vorwürfe zu machen. Entweder haben wir eine Lösung oder einen Kompromiss gefunden, denn es geht um "gemeinsam", "zusammen" und "uns", ohne das gibt es kein Machtgefälle. Durch die Gespräche entwickelt es sich automatisch weiter, passt sich an, wird intensiver.

      Der Umgang mit dem Kompromiss selbst ist eher situationsabhängig. Es gibt Kompromisse, denen man einfach Taten folgen lassen kann und es gibt Kompromisse, bei denen man sich langsam ans Ziel herantasten muss. Und es gibt Kompromisse, die auch mal neu justiert werden müssen, weil sich z. B. die Umstände verändern.

      Die goldene Regel für alle Konflikt-Situationen:
      Reden, reden, reden und nochmal reden.
      Und gerade wenn man gestresst und/oder sauer ist, hilft es offen zu sein, mal einen Schritt zurückzutreten und die Perspektive zu wechseln. So ziemlich jeder schleppt Ballast aus seinem bisherigen Leben mit sich herum und hat deswegen vielleicht auch die eine oder andere Macke entwickelt. Verständnis und Akzeptanz helfen da sehr viel weiter als alle Versuche, den Charakter umzuformen.

      So jedenfalls mein Verständnis dazu.
      Don't dream it - be it
      Ich habe die Zeiten, nachdem man einen Kompromiss gefunden hat, als nicht so positiv erlebt.
      Warum? Weil ich im Nachhinein bemerkt habe, dass es gar keinen wirklichen Kompromiss gab. Partner haben mir z.B eine Spielbeziehung erlaubt, obwohl es später doch nicht ok war. Sie haben es nur mir zuliebe zugesagt. Entweder um mich zu halten oder weil sie vielleicht dachten, ich lebe den Kompromiss nicht wirklich aus.
      Dabei war es ganz unabhängig davon, wann der Kompromiss entstand. Also am Anfang,um eine Beziehung überhaupt einzugehen oder weil ein Bedürfnis in der Beziehung wuchs.
      Auch war es egal, ob ich halbwegs zeitnah dem Kompromiss umgesetzt habe oder so nach und nach.
      Dann doch lieber direkt sagen, dass die Idee vom BDSM nicht die eigene ist oder man es noch nicht sicher sagen kann.
      Ich glaube, nach dem Finden eines Kompromisses, empfinde ich sehr viel liebevolle Dankbarkeit für meinen Partner. Ich fühle mich glücklich. Die Liebe fließt völlig frei, weil er mir entgegengekommen ist. Es fühlt sich für mich sehr, sehr schön an.
      Und ja, ich glaube, mein Partner und ich setzen dann einfach das Abgesprochene bei nächster Gelegenheit in die Tat um, so wie es vereinbart wurde. Ohne viele weitere Worte. Außer, dass ich vielleicht nochmal sage, dass ich ihm dankbar und dass ich glücklich bin. Erleichtert.
      Es kommt, gefühlt, bisher eher selten vor, dass er und ich in einer Meinungsverschiedenheit tatsächlich zu einer gemeinsamen Vereinbarung finden.
      Häufiger laufen Konflikte dauerhaft nebenher oder mit unserer Beziehung mit und lassen sich nicht so schnell mit einem Kompromiss lösen. Unsere jeweiligen Positionen sind dann zu weit auseinander und keiner kann wirklich so weit davon abrücken, dass wir einander treffen.
      Ich war allerdings auch schon mal bei Entgegenkommen meines Partners enttäuscht, weil ich lieber seine Durchsetzung gespürt hätte. Verrückt? Keine Ahnung.

      Aber ja, wenn eine Einigung gelingt, dann löst das Glücksgefühle in mir aus. Ich empfinde Zusammenhalt, Gemeinsamkeit, Vorwärtsbewegung, Liebe, Wollen, usw…

      Ich habe mit der Zeit gelernt, nicht mehr misstrauische zu sein, dass mein Partner zu etwas zustimmen könnte (ja-sagen), ohne dass er wirklich dahinter steht. Früher hatte ich Angst oder konnte deshalb nicht mit gutem Gewissen umsetzen, in was er mir entgegen gekommen war.
      Ich kannte es aus einer vergangen Beziehung, dass mein Partner etwas zustimmte und ich es dann zu spüren bekam, dass es ihm doch nicht gut damit ging, er es aber nicht sagte. Das war unangenehm für mich.

      Mittlerweile vertraue ich meinem jetzigen Partner und seiner seiner Liebe zu mir. Aber vor allem auch, dass er hinter dem steht, dem er zustimmt, ansonsten würde er nicht zustimmen, und mir aber auch sagt, wenn ihm etwas nicht (mehr) passt.
      Das zu verstehen war für mich wichtig, um überhaupt für meine Ansichten ruhig und sicher als ich selbst, ihm gegenüber, einstehen zu können und frei und freudig ein Entgegenkommen von ihm annehmen und das Ergebnis genießen zu können.

      Mehr Herausforderung habe ich mit dem Umgang von Gesprächen, in denen es zu keinem Ergebnis in gegenseitigem Einvernehmen kam.

      Muss noch etwas mehr dem Thema nachfühlen... :gruebel: ;)
      E`s d (Liza)
      Ich denke, man kann das gar nicht so pauschal beantworten, da es für mich sehr auf den Konflikt und die Art des Kompromisses ankommt.

      Meine Tendenz geht aber meistens in die Richtung, dass auf einen Kompromiss Taten folgen müssen, um zu spüren, ob der Kompromiss tragbar ist und er nicht zerredet wird. Sollte es im Verlauf dann zu den von dir beschriebenen Gefühlen wie Zweifel, Traurigkeit oder gar Tränen kommen, dann suche ich das Gespräch. Vielleicht nicht umgehend, weil man manchmal durchaus eine Weile braucht, um sich seiner Gefühle oder Gedanken bewusst zu werden. Manchmal sind Verletzungen einfach zu tief, Zweifel zu groß, dann ist es wichtig erneut zu reden.
      In unserer Beziehung gibt es für sowas (und auch andere Themen) eine wöchentliche fest vereinbarte Zeit, in welcher wir reflektieren, uns Feedback geben. Manchmal kann es aber auch sein, dass Themen so auf der Seele brennen, dass ein zusätzlicher Termin zwischendurch vereinbart wird.

      Prinzipiell als Fazit würde ich es wohl so beschreiben:
      Konflikt - Kompromiss - zügiges Umsetzen des Kompromisses - in sich Hineinfühlen, wie es einem mit dem Kompromiss geht - gegebenenfalls das Thema neu verhandeln

      Auch oder vielleicht sogar besonders in einem Machtgefälle ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten gut fühlen, gut umsorgt und in ihren Wünschen wahrgenommen fühlen.

      Promise schrieb:

      dass auf einen Kompromiss Taten folgen müssen
      Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Der Kompromiss muss sichtbar werden, die Beteiligten müssen sich daran halten, sonst kann man es gleich lassen.

      In meiner Muttersprache bedeutet compromiso vor allem Verpflichtung, Verbindlichkeit und im juristischen Sinne auch Vereinbarung oder Vertrag. Also es geht nicht nur darum, dass beide damit für den Moment "zufrieden" sind, sondern er muss dauerhaft halten.

      Black Velvet schrieb:

      Piept eine Stimme rum im Kopf, dass der Problemfall doch nicht überwunden ist?
      Hier würde ich ansetzen. Diese innere Stimme ernst nehmen, sie fragen, was an dem Kompromiss (ein Kompromiss bedeutet für beide Seiten jeweils einen Verzicht bzw. eine Kröte, die es ggf. zu schlucken gilt) dafür verantwortlich ist , dass die Kröte nicht geschluckt werden kann, sondern offenbar auf dem Weg vom Mund in den Magen hängen bleibt. Über einen Kompromiss wird in den aller seltensten Fällen eine der Parteien in Jubel ausbrechen, denn dann ist es kein Kompromiss. Aber es sollten beide Seiten insofern damit klar kommen, dass einem die Kröte nicht die Luft abschnürt.
      Und: nur weil man sich ggf. einen Kompromiss bzw. vermutlich eher eine Einigung so sehr wünscht, sollte man wohl dennoch nicht jeden Kompromiss eingehen, sondern tatsächlich schauen, ob man auch wirklich damit leben kann, ohne daran zu ersticken, weil die Kröte festsitzt. Und: sich auch fragen, warum man den Kompromiss eingehen möchte. Ist einem nämlich die eigene Motivation dahinter klar, kann das helfen, dass die Kröte weiterrutscht.
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
      Und Trost ist nicht, da du mein Trost gewesen; Und Rat ist nicht, da du mein Rat gewesen; Und Schutz ist nicht, da du mein Schutz gewesen; Und Liebe nicht, da ich um deinetwillen; Die Welt geliebt. <3 [Marie Luise Kaschnitz]