Buchempfehlung: "BDSM und Psychotherapie" von Gisela Fux Wolf

      Buchempfehlung: "BDSM und Psychotherapie" von Gisela Fux Wolf

      Ich bin vor Kurzem auf das Buch "BDSM und Psychotherapie. Eine Handreichung auf dem Weg zum kinkrespektvollen Arbeiten" von Gisela Fux Wolf gestoßen und bin ehrlich begeistert. Da ich mir vorstellen könnte, dass es auch für andere Foris hilfreich sein könnte, möchte ich es an dieser Stelle gerne wärmstens weiterempfehlen. :)
      Das Buch richtet sich in erster Linie an Fachpersonal in Gesundheitsberufen, wie der Titel bereits verrät vor allem an Professionelle im psychotherapeutischen/ beratenden Kontext. Es ist aus meiner Sicht darüber hinaus aber auch sehr gut für interessierte Laien geeignet, die Interesse haben, sich mit BDSM aus einer eher wissenschaftlichen Perspektive auseinanderzusetzen.

      Kern des Buches bildet das Anliegen der Autorin, den Weg zu einem kinkrespektvollen und kinkaffirmativen Umgang mit nicht- gesellschaftsnormativen Sexualitäten und Lebensweisen im Gesundheitssystem zu ebnen. "BDSM wird als vielfältige sexuelle Kultur beschrieben" kündigt der Klappentext des Buches an- diesem Anspruch wird die Autorin aus meiner Sicht mehr als gerecht. Ihre Haltung ist durchgehend wertschätzend, offen, neugierig, um Verständnis bemüht, der Inhalt dabei seriös, sorgfältig recherchiert, fachlich fundiert. Insgesamt zeichnet sich das Buch durch ein gehobenens Sprachniveau und hohen wissenschaftlichen Standard aus. Die Methodik und persönliche Einstellung der Autorin werden transparent dargestellt, Textstellen werden umfangreich mit Quellenangaben belegt, es wird eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien sowie weiterführender Literatur zitiert.

      Aus meiner Sicht könnte das Buch auch deshalb für BDSMler*innen oder BDSM-interessierte Personen hilfreich sein, weil die Autorin umfangreich auf die Problematik der Pathologisierung und Stigmatisierung von BDSM und Angehörigen von BDSM-Communities eingeht. Gerade für Menschen, die sich zwar ihrer Neigung bewusst sind, aber stellenweise damit hadern, könnte das Buch eine wertvolle Hilfestellung bieten, sich selbst mit der eigenen sexuellen Präferenz besser verstehen und annehmen zu lernen. So thematisiert das Buch u.a. Probleme, die durch stigmatisierende Zuschreibungen und internalisierte BDSM-Negativität im Hinblick auf das eigene Selbstbild entstehen können. Außerdem widmet es sich den Herausforderungen von Coming-out-Prozessen sowie Diskriminierung im Gesundheitssystem.

      Da ich selbst im Gesundheitssystem arbeite, stößt mir leider gerade der zuletzt genannte Punkt immer wieder schmerzlich auf. Stigmatisierung und Diskriminierung von BDSM-Praktiken und -Praktizierenden sind im gesundheitsprofessionellen Kontext leider immer noch vertreten. Dies ist insbesondere deshalb so bedauerlich, weil die Kompetenzzuschreibung und das Vertrauen gegenüber Gesundheitsversorger*innen sowie die vulnerabele Situation von hilfesuchenden Patient*innen BDSM-feindliche oder verächtliche Äußerungen vonseiten eben dieser Gesundheitsversorger*innen auf die Betroffenen besonders verletzend, verstörend, verunsichernd wirken lassen können. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es selbstverständlich auch Kolleg*innen gibt, die äußerst aufgeschlossen, respektvoll und wertschätzend mit dem Thema BDSM umgehen. Weil diese kinkaffirmative Haltung jedoch leider nicht vorausgesetzt werden kann, halte ich entsprechende Weiterbildung gerade auch in fachlichen Kreisen für essentiell.

      Da es insbesondere im deutschsprachigen Raum leider immer noch an fundierter, kinkaffirmativer Fachliteratur zum Themenkomplex BDSM mangelt, leistet das Buch aus meiner Sicht einen großen Beitrag, diese Lücke zu schließen. An dieser Stelle unbekannterweise ein herzlicher Dank an die Autorin für ihre Mühe und ihren Mut, die versprenkelten Wissensfetzen zum Thema BDSM so umfangreich zusammenzutragen und daraus ein gut lesbares, übersichtliches und fachlich kompetentes Gesamtwerk entstehen zu lassen. :blumen:
      "Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten. "
      Robert Browning