Selbstverständlich, oder nicht?

      Selbstverständlich, oder nicht?

      „Aber das ist doch selbstverständlich, dass man sowas weiß“, mit diesem Gedanken sitze ich aktuell regelmäßig vor meinen Kollegen, wenn ich versuche ihnen Word/Excel näher zu bringen. Doch warum ist es so? Weil es in meiner Realität selbstverständlich ist, dass diese Menschen, die es täglich anwenden, das Wissen haben wie es funktioniert. Sie haben sich schließlich damit beschäftigt…..oder?

      Ich springe jetzt in einem harten Themenwechsel mal zu meinem 18jährigen Ich, das unfassbar viel über BDSM gelesen hat und sich theoretisch total sicher war und dann richtig auf die Nase gefallen ist. Immerhin habe ich ganz offen immer kommuniziert wie ich zu Dingen stehe, was ich darüber denken und was ich will. Klingt im Endeffekt doch total gut, auch für mein Gegenüber.

      Dann machte ich meine Erfahrungen und irgendwie passte gerade im SM nichts für mich zusammen. Einerseits weil ich mit mir selbst nicht im Reinen war, andererseits weil ich nicht verstand warum es mir nicht gefiel. In der Theorie war es doch meins. Ich unterhielt mich mit Menschen, probierte Dinge aus mit verschiedenen Menschen und wurde auch von getrennten Menschen versucht an das Thema SM heranzuführen.

      Diese Menschen haben mich an ihr SM herangeführt, mit den Dingen die ihnen gefallen und ich habe es nicht in Frage gestellt, es als „so ist es hingenommen“, unabhängig von all dem was ich wusste. Aber es ist doch selbstverständlich, dass es noch anderes gibt? Oder?

      Ich lernte die ersten Jahre meines Auslebens nur hellen Schmerz kennen und da ich leider auch an Menschen geraten bin, die nicht achtsam mit mir umgegangen sind, führte das auch zu großen Ängsten. Teilweise bestehen diese bis heute. Damit hakte ich SM für mich ab, ich akzeptierte, dass das nichts für mich ist und ich nahm die destruktiven Gedanken ala „so bin ich nicht / so darf ich nicht sein“ als willkommenen Grund.

      Immer wieder las ich hier im Forum trotzdem sehr interessiert mit und die Neugierde brodelte unter der Oberfläche. Ich veränderte mich im Laufe der Zeit und irgendwann dachte ich, ich wage einfach nochmal einen Versuch. Zu meinem Glück geriet ich an jemanden, der tatsächlich die Geduld für mein gedankliches und emotionales Chaos in dem Zusammenhang aufbrachte und sich auch nicht scheute mir mit deutlichen Worten die Meinung zu sagen. Doch wieder ging es nur um hellen Schmerz schlussendlich und für mich als Supergau kam ich mit Instrumenten, die ich vorher als „in Ordnung“ kommuniziert hatte gar nicht mehr klar. Aber zu meinem Glück gab mein Gegenüber mich nicht auf – ich hätte es verstanden. Ich sammelte vorsichtig positivere Erfahrungen, aber meins war es immer noch nicht, mein Körper hingegen fand es toll. Also Schmerz ist gut ja, aber nicht dieser, aber mehr gibt es doch nicht, oder?

      Ich könnte jetzt die Verantwortung abwälzen und fragen „warum hat mir niemand was anderes gezeigt“, aber die Frage „warum habe ich nicht nach etwas anderem gefragt“ finde ich da viel elementarer. Für mich war es selbstverständlich, dass es nur das gab was ich bis dato kennengelernt hatte. Trotz, dass ich so viel anderes gelesen hatte, spielte es in meiner Realität keine Rolle – ich konnte es mir einfach nicht praktisch vorstellen, auch nicht das Schmerz alleine an verschiedenen Körperstellen anders wirkt. Doch eigentlich ist das doch selbstverständlich, oder?

      Mit Beginn meiner Beziehung zu @Nachtwanderer fingen wir an neue Dinge auszuprobieren, für ihn war es selbstverständlich, dass wenn mir eins nicht gefällt, mich das Thema aber reizt, wir dann einfach was anderes ausprobieren. So naheliegend und einfach, aber für mich die Eröffnung einer neuen Welt. Einer Welt in der ich Schmerz genießen konnte, sogar Hellen, der Unterschied war nur die Stelle

      Mir ist es mit noch anderen Themen passiert, dass ich sie ad acta gelegt habe, weil das Offensichtliche und mehrheitlich bekannte, nicht meins war. Es aber mit einer simplen Veränderung z.B. der Form, dem Aufwand von 5 Minuten Googlen und der Lieferdauer des Paketdienstes, etwas ganz anderes und sehr Tolles wurde. Für mich war das nicht so banal wie es vielleicht klingt, sondern es betraf Themen die mit wirklich großen Ängsten verknüpft waren.
      Selbstverständlich hätte mir all das bereits von Anfang an zur Verfügung gestanden, wenn ich Selbstverständlichkeiten hinterfragt hätte.
      Ich habe die Selbsterfahrung gemacht,dass es keine allgemeingültige Wahrnehmung gibt ,denn unserer Sinneslandkarten sind in unserer Spezie "Frau" so unterschiedlich ,dass Empfindungen so stark variieren können ....
      Wir sind so individuell ,dass es keine Allgemeingültigkeit von angenehm oder unangenehm ,spitz,scharf oder hell,grell bis zu dumpf,dunkel,tragbar oder inakzeptable gibt .

      Was dem einen sein Himmelreich ,ist mein Gang durch die Hölle.
      Was mich belebt ,ist für eine andere ein No-Go oder indiskutabel.

      Und manchmal ändert sich das ganze nochmal um 360 Grad ,wenn das Pendant wechselt.
      Eine weitere Variable.
      Weiterhin spielt doch immer auch mein Geist mit ein und wie sehr mich das Gegenüber bewegt und auch erregt ... :yes:

      Den richtigen Partner an seiner Seite zu haben ist wie ein Sechser im Lotto,ein Gewinn und stets ein Zugewinn für die Eigenwahrnehmung.Es können Perspektiven erweitert und "angenommene " Hürden überwunden werden.

      Das sind nur MEINe Gedanken dazu ...
      ---
      Sei von Her <3 zen bedankt für 's Teilen...
      LG
      Anna

      Noctua schrieb:

      Und manchmal ändert sich das ganze nochmal um 360 Grad ,wenn das Pendant wechselt.
      Eine weitere Variable.
      das ist mir auch schon so gegangen........und aktuell erlebe ich das auch wieder so. :love: <3

      Stillstand........bei Seite schieben.......manchmal hilft es für eine Weile........und dann mit neuer Energie nochmal da anfangen.

      als "Sebstverständlich" nehme ich gar nichts mehr hin......es gibt immer Wege...lange, kurze, gerade, kurvige........
      An den Kreuzungen des Lebens stehen leider keine Wegweiser.

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      Ja, Lebenswege sind sogar steinig...
      Ein wichtiger Wegweiser ist Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten, aber darüber hinaus zu dem oder auch den Menschen, der es oder die es verdienen!!
      Dazu ist Vorsicht ein guter Ratgeber, Oberflächlichkeit und Unverständnis führt zu Enttäuschung, sondern es muss nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz sprechen...

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      In solchen Dingen fällt mir immer nur ein Kommentar ein: Es kommt darauf an.

      Es gibt keine allgemeingültige Aussage. Es gibt Titel, Definitionen, Bedeutungen. Aber auch eigenes Empfinden und Wahrnehmen. Kein Lehrbuch kann mir nahebringen, was genau richtig für mich ist.

      Exkurs: Ein ferner Bekannter ist der Ansicht, dass Fetisch-Events und Stammtisch ein Muss sind, notwendig, ja fast schon das einzig Richtige. Ich habe in meinen 10 Jahren Sub-Karriere noch nie einen Stammtisch besucht und war gerade mal zu 2 Kinky-Veranstaltungen. Es gehört einfach nicht oder nicht zwingend in meine Welt.

      Und so kann es auch bei dir sein, dass mit dem richtigen Pendant, dem richtigen Feeling die gleiche Sache gleich ganz anders wirkt und für dich zu etwas Schönem wird.

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      Selbstverständlich würde ich nichts davon bezeichnen.
      Es ist ja nicht gerade so als würden einen Eltern oder die Gesellschaft auf das Thema BDSM vorbereiten, und man auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurück greifen kann.
      Und auch das Internet hilft einem da ja nur bedingt weiter, wo es Berichte und Tutorials in der Spanne von "sehr gut" bis "verstörend gefährlich" gibt und als Anfänger oft gar nicht reflektiert genug ist, zu unterscheiden, wie man mit den Informationen umgeht.
      Ich bemerke das ja selbst wenn ich mit Anfängern über die gleichen Begrifflichkeiten sprechen, aber wir uns was völlig Anderes darunter vorstellen.
      Einfach weil der Blickwinkel und die Erfahrungen ganz Andere sind. Und da gibt es auch kein richtig oder falsch, sondern Beide haben ihre Vorstellung, auf Basis ihres Wissens oder Infobubble in der sie sich befinden.

      Was mich zu der Frage bringt, wie viele BDSM Handbücher & Ratgeber eigentlich so eine Textzeile drin stehen haben, dass es immer noch BDSM abseits dem gibt, was der Partner einem erzählt. Ich glaube das wäre wie du selbst ja schon geschrieben hast wohl der aller wichtigste Tipp den man Neulingen auf den Weg geben könnte. So nach dem Motto "Bunt ist das Dasein". :)

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      Teufelanna schrieb:

      warum habe ich nicht nach etwas anderem gefragt
      ... wie willst Du nach etwas fragen, von dessen Existenz Dir bis dahin nichts bekannt war?

      Das ist mir schon in ganz vielen Bereichen aufgefallen: je intensiver ich mich mit einem Thema beschäftige, desto mehr erhalten Begriffe Inhalt und desto eher verstehe ich dann unter einem Begriff etwas anderes als zu Beginn. Ich denke, das ist auch ganz natürlich. Und der Grund, weshalb sich jemand, der sich schon viel mit einem Thema beschäftigt hat, ggf. Experte ist, nicht über andere erheben sollte, die sich (bisher noch) nicht mit dem Thema beschäftigt haben oder beschäftigen wollen.

      Ich mag die Anforderung an Experten, in der Lage zu sein, "ihr" Thema jederzeit auf ein Niveau "herunterbrechen" zu können, dass auch ein Laie versteht.
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
      Und Trost ist nicht, da du mein Trost gewesen; Und Rat ist nicht, da du mein Rat gewesen; Und Schutz ist nicht, da du mein Schutz gewesen; Und Liebe nicht, da ich um deinetwillen; Die Welt geliebt. <3 [Marie Luise Kaschnitz]

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      Louise schrieb:

      Teufelanna schrieb:

      warum habe ich nicht nach etwas anderem gefragt
      ... wie willst Du nach etwas fragen, von dessen Existenz Dir bis dahin nichts bekannt war?
      Weil es mir ja, zumindest theoretisch, eben ja bekannt war. Das ist ja das Paradoxe worum es mir geht. Ich habe so viel gelesen und es gewusst, also das es das gibt. Nur bis dato nicht real erlebt gehabt.

      Neu

      .. dann müsste ich die Frage vielleicht eingrenzen auf: "dessen Existenz Dir für Dein Leben bisher nicht bekannt war. Man wird jeden Tag mit so vielen Informationen geflutet und zieht sich die raus, die für einen selbst relevant oder spannend erscheinen. Offenbar war das Thema bis dahin für Dich nicht so spannend, dass es für Dich relevant wurde? Und da die meisten Menschen nicht Relevantes schnell in den Hintergrund drängen, ist es nicht verwunderlich für mich, dass Du nicht danach gefragt hast..
      Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärst du da! <3 [J. W. v. Goethe]
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