Verantwortung abgeben/übernehmen

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      MissTreat schrieb:

      Als Top bin ich immer wieder erstaunt, wie schnell mir Männer ihr Vertrauen entgegen gebracht haben.
      Ich glaube, man muss das Thema eher von vier verschiedenen Seiten aus betrachten. Sowohl männliche als auch weibliche Subs leben in (leicht?) abweichenden Gefühlswelten. Und so sieht es auch bei männlichen und weiblichen Tops aus.
      Existence could not resist the temptation of creating me

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      Bei mir ist Verantwortung etwas, das jeder Mensch für sich selbst hat. Ich habe Verantwortung für mich und für alles, was ich mache. Sub hat Verantwortung für sich und seinen Körper.

      Das, was ich in einer Spielbeziehung zeitweise übergeben bekomme, nenne ich für mich eher die "Kontrolle".
      Kontrolle über die Situation, Kontrolle über Sub. Aber Sub behält dabei auch die Verantwortung für sich, indem er Grenzen kommuniziert, mit Ampelfarben, zur Not über das Safeword. Es ist mir wichtig, dass jemand offen sagt, was passt und was nicht passt. Das verstehe ich auch unter Verantwortung. Ich selbst muss das natürlich genauso kommunizieren. Und verantwortungsbewusst mit dem mir Anvertrauten umgehen.
      Man muss sich da auf die Offenheit des anderen verlassen können, damit man im Vertrauen miteinander sein kann, meiner Meinung nach.

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      Ich denke das Thema ist komplexer als einfach Verantwortung und Kontrolle abgeben und übernehmen.

      Zum einen kann ich als Dom nicht die Verantwortung für etwas übernehmen, das ich nicht kontrollieren kann. Wenn ich mich nicht auf den "Gehorsam" der submissiven Seite verlassen kann, sondern damit rechnen muß, daß sie jederzeit "ihr eigenes Ding" macht, kann ich keine Verantwortung dafür übernehmen, was danach passiert.
      Genauso kann die Sub nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie keine Kontrolle hat. Das Einzige wo da die (Selbst-) Verantwortung liegt, ist bei der Auswahl wem man die Kontrolle übergibt.
      [Letzteres hat sich ja damals in der Gepflogenheit ausgedrückt, daß Beschwerden über das Verhalten immer an den Dom gerichtet wurden, niemals an die Sub. Die sub ist 'nur' die Verlängerung des Doms, weil sie eben (formal) keine Kontrolle hat. - Ein Konzept das m.E.n. aus der Mode gekommen ist]

      Und wie weit Kontrolle abgegeben wird, hängt sehr mit der jeweiligen Risikowahrnehmung zusammen. Ich habe es schon öfters erlebt, das trotz strömenden Regens, ein Angebot die Dame zur nächsten Bahnstation zu fahren abgelehnt wurde, weil es "nach nur zwei Stunden Gespräch" zu riskant sei in das Auto eines Mannes zu steigen. Nur um dann per App einen wildfremden (Uber-) Fahrer zu rufen, der sie sogar bis vor ihre Haustür fährt. (Und ja, es hat danach weitere Treffen gegeben ... es lag also nicht an fehlender Chemie)

      Und Kontrolle (und indirekt damit auch Verantwortung) geben wir alle im täglichen Leben laufend ab. Wenn wir mit einem Taxi oder Bus fahren, oder irgendwohin fliegen, müssen wir immer vertrauen, daß die fahrende Person nicht gerade angetrunken (s. Bus) ist oder am nächsten Berg Selbstmord begehen will (s. fliegen) - Aber diese Risiken hinterfragt kaum jemand, weil sie "alltäglich" sind.

      Neti
      Quiet, Inanna, the ways of the underworld are perfect
      They may not be questioned.
      - The Descent of Inanna (c. 1900-1600 BCE)

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      Wenn ich die Kontrolle abgebe, dann will ich doch, dass verantwortlich damit umgegangen wird.
      Und gerade das:

      Alexis Raven schrieb:


      Sub behält dabei auch die Verantwortung für sich, indem er Grenzen kommuniziert, mit Ampelfarben, zur Not über das Safeword.
      wäre gar nichts für mich. Ich kann den Kopf eh schlecht ausschalten, aber es ist genau das, was ich suche. In den Subspace kommen, in die Hingabe.
      Mir dauernd zu überlegen, bei welcher Farbe bin ich denn grad, würde mich da total rausbringen.
      Ich gebe also außer der Kontrolle auch die Verantwortung über meinen Körper für die Augenblicke ab, in denen ich in einer Session im Subspace bin. Da wäre es mir auch nicht möglich ein Safeword zu nutzen.
      Ich übernehme aber im Allgemeinen Verantwortung für mich, indem ich im Auge behalte, wie gut mir das Gesamtkonstrukt tut, anspreche, wenn es in eine ungesunde Richtung geht und die Beziehung beende, wenn es ganz falsch läuft.
      Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein
      Friedrich Nietzsche

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      Zuerst mal einleitend: ich möchte hier keine Wortklauberei anfangen was Begriffe wie "Kontrolle" oder "Verantwortung" angeht. Wer meint, da relevante Unterschiede für sich zu erkennen, völlig In Ordnung und gerne erläutern, finde ich spannend. Ich sehe da keine bzw. für mich sind die zwei Begriffe im Großen und Ganzen untrennbar miteinander verbunden, jedenfalls im Kontext BDSM. Ich sehe das so, dass die/derjenige, der/die die Kontrolle über Dinge wie Situation/Setting, (nicht nur Schlag-) Werkzeuge, Bewegungsfreiheit (Bondage), Sinne (z.B. Augenbinde, Knebel, Ohrstöpsel) bis hin zu Atemluft (breath play) und nicht zu vergessen eine mehr oder weniger starke mentale Kontrolle über eine(n) Spielpartner(in) innehat (Regeln, Dirty Talk, D/S), die/der trägt da immer auch (den Großteil der) Verantwortung. Ist wie im Straßenverkehr: wer das gefährlichere Gerät bedient (z.B. Auto), der trägt immer größere Verantwortung als andere, die weniger gefährlichere Geräte bedienen (z.B. Fahrrad), auch letztere müssen aber "mitspielen" und dürfen sich nicht ausschließlich auf den anderen verlassen.

      Ich könnte auch zur anderen Seite was sagen, wenn gewünscht, fangen wir aber mal mit meiner Dom-Sicht an. Verantwortung für Dinge wie oben übernehme ich nur, wenn

      - ich mir das selbst zutraue (Beispiel: Rohrstock kein Problem, Bullwhip... nicht bevor ich das anständig gelernt hätte, derzeit also klar nein);
      - ich sicher bin, dass sie und ich das Gleiche darunter verstehen, was an Verantwortung abgegeben wird und unter welchen Bedingungen (und nein, dazu braucht es keinen daumendicken Vertrag ;) );
      - es klar ist, dass ich die Verantwortung auch jederzeit (!) wieder "zurückgeben" kann (was bedingt, dass sie in der Lage ist, die auch "zurückzunehmen");
      - ich sicher bin, dass sie in der Lage ist, den nicht zu unterschätzenden Teil der Verantwortung für sich selbst in jedem Fall wahrzunehmen (Stichwort Safeword-Nutzung);
      - und last but not least: ich selbst einen Lustgewinn daraus ziehen kann (Beispiel: Orgasmuskontrolle ja, Kontrolle von Süßigkeitenkonsum nein), das kann allerdings auch eher indirekt sein, schließt aber für mich persönlich vieles aus, was bei anderen hier zu deren D/S dazugehört.

      Die Übertragung von Verantwortung (man könnte auch Macht sagen oder?) hat wie man leicht sieht viel (wenn nicht gar alles) mit Vertrauen zu tun. Und das ist keine Einbahnstraße, unabhängig davon, in welche Richtung Verantwortung übertragen wird. Um eine bekannte Meldung von Linux zu zitieren, wenn man die Admin-Rolle übernehmen will: "With great power comes great responsibility".
      Power is nothing without control.

      Trust me, I know what I'm doing!

      Bedenke den Spaß...

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      Danke @DerekReign, so was hatte ich mir als Antwort erhofft!!!

      Besonders gerne würde ich nochmal auf das zurückgeben und -nehmen der Verantwortung eingehen, weil mir das sehr wichtig erscheint, auch wenn man mal rückblickend auf die eine oder andere für mich toxische Abhängigkeit schaut. Und da bin ich dann bei der Selbstverantwortung, merke ich, dass ich größere Schwierigkeiten habe diese Verantwortung, Kontrolle oder Macht zurückzunehmen muss man sich meines Erachtens kritisch selbst hinterfragen.

      Vertrauen, ich schrieb es bereits ist für mich die Basis, ohne die für mich gar nichts anderes möglich wäre. Kann ich nicht vertrauen kann ich keine Kontrolle abgeben, würde das sogar als gefährlich für mich selbst empfinden aber auch gefährlich für den Top.

      Auf der anderen Seite würde ich auch keine Kontrolle über Teile von mir abgeben, die ich selbst nicht richtig kontrollieren kann. Da würde ich jemandem etwas aufbürden, was er/sie …, gar nicht tragen kann.
      Und für mich muss auch mein Top mir vertrauen können, dass ich ihn nicht irgendwo ins offene Messer laufen lasse. Insofern wären wir wieder bei klarer, ehrlicher Kommunikation.

      Ich fänd es spannend da noch mehr Meinungen zu zu lesen.
      I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it


      Evelyn Beatrice Hall