BDSM und die eventuelle Betriebsblindheit

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      Gast 125 schrieb:

      Brauchen Menschen immer mehr diese Art von Reizen, um sich selbst spüren zu können und wieso ist es so?


      Toller Thread !

      Darauf bin ich Dir ja noch eine Antwort schuldig.

      Antwort:
      JA ! Brauchen sie.

      Wann hattest Du zum letzten mal Hunger ?
      Also ich meine so richtig Hunger und nichts zu Essen in der Nähe, so dass Du es auch nicht beenden konntest.
      Wann das letzte mal Durst ? Ohne 10 min später was trinken zu können.

      Wir wissen doch gar nicht mehr was echte extentielle Gefühle sind.
      Wir sind doch gar nicht mehr mit der Essenz unserer Existenz konfrontiert.
      Wir leben auf einer Abstraktionsebene unseres eigenen Daseins...der Grund und Boden die grundlegenden Ängste die BASIS Glücksgefühle sind teilweise weit weg.

      Extremsport.... eine Methode sich zu spüren.
      Intensiver Sex ..... eine andere Methode sich zu spüren.
      BDSM.... noch eine Methode sich zu spüren.

      Wie wollen wir uns denn sonst noch spüren in diesem allgemein Gemenge des gut gehens....
      Und ja wir alle haben Probleme.... und ja... wir leiden darunter.... und ja... es beschäftigt uns...

      Aber glaubt ihr wirklich im Mittelalter hatten die BDSM nötig.... oder das wird gelebt wenn man am Existenzminimum in einem
      Land in der Dritten Welt lebt.... no way.... das ist etwas was wir erfunden haben um das Tier in uns wieder mal zu spüren und
      zu bemerken wie geil es ist zu leben....

      Cheers

      Giz
      ich sehe das nicht anders als du adena, und genau deshalb gehe ich heute so entspannt mit meiner neigung um.
      die grenze von gesund zu ungesund muss jeder für sich selbst ziehen. aber um dazu fähig zu sein benötigt es einen klaren blick auf sein inneres. bdsm beinhaltet bestimmt einige gefahren für sein seelenheil aber wie bei allem anderen bleibt es einem nicht aus, sich selbst nie aus den augen zu verlieren.
      ich fuhr früher motorrad was mir aufgrund meines fahrstils viele grenzerfahrungen einbrachte. damals konnte ich mich aus dem strudel, immer noch mehr zu erleben, noch schneller zu fahren, die maschine noch tiefer in die nächste kurve zu treiben, nicht befreien was darin mündete dass ich eine unfreiwillige flugstunde einlegte. dies war nötig um mir zu zeigen wo meine grenzen sind und vor allem, dass es welche gab!
      mit bdsm ging es mir anfangs ähnlich aber diesmal benötigte ich diesen totalen absturz nicht. ich liebe grenzerfahrungen noch immer aber ich denke, ich kann mittlerweile ein wenig besser einschätzen was gut für mich ist und was nicht mehr. vielleicht hat das was mit lebenserfahrung zu tun und in meinem fall ist es sicher gut, dass ich bdsm erst sehr spät für mich entdeckte. andernfalls hätte ich wahrscheinlich auch ein paar dunkle seiten kennengelernt. für mich sind das nämlich die, wo man weit über seine grenzen geht.

      es gibt ja den thread "nicht dommig/subbig genug" - in den anfängen wünschte ich auch, dass mein partner noch viel viel dommiger wäre. jetzt sehe ich das anders. er hat das richtige tempo für uns beide vorgegeben - meins wäre definitiv nicht gut für mich gewesen.

      dh. wenn ich es mir so überlege liegt es wahrscheinlich an meinem partner, dass ich nichts dunkles an bdsm entdecken kann. wäre es nach mir gegangen, hätte ich es wahrscheinlich wie damals mit meiner maschine gemacht.
      andererseits lernte ich einige doms damals kennen und ich suchte mir gerade ihn aus. ich spürte von anfang an, dass er mir einfach gut tut und da liegt der unterschied zu früher.
      nur tote fische schwimmen immer mit dem strom :engel:
      Giz, genial :D .....genau über diesen Aspekt habe ich mich gestern unterhalten und ich sehe es genauso, wie du.
      Red, vielen Dank für den Einblick, der es nochmal viel verständlicher macht, was ich gemeint habe. :blumen:

      gizmo schrieb:

      JA ! Brauchen sie.

      Oder auch nicht. Ich ticke einfach so. Schon immer, seit ich mich erinnern kann. Seile hatten was, bevor ich wusste, was Bondage ist. Ich brauche da keine Schneller-höher-weiter-Eskalation, aber ohne ist auch nicht.

      Und was das Non-BDSM-Mittelalter angeht: Kinbaku hat sich als erotische Spielart des Hojo-Jitsu um diese Zeit abgespaltet, Gilles de Rais hat die wirklich dunklen Seiten ausgelebt - und die ein wenig älteren Fresken in Pompeji zeigen auch so manche Spielart.
      @jester -> den Punkt, den ich hier gemacht hatte, war nicht das BDSM nicht alt ist, sondern das man sich ihm widmet wenn man in der Bedürfnispyramide nicht mehr auf den unteren Levels Arbeit leiten muss... Das galt auch schon im alten Pompeji. Und auch bei Dir trifft es zu... Hättest du als Kind bis zum Umfallen auf den Feldern arbeiten müssen... Hätten Seile null Attraktivität für dich gehabt, außer damit das Wasser aus dem Brunnen zu ziehen ;)

      gizmo schrieb:

      @jester -> den Punkt, den ich hier gemacht hatte, war nicht das BDSM nicht alt ist, sondern das man sich ihm widmet wenn man in der Bedürfnispyramide nicht mehr auf den unteren Levels Arbeit leiten muss... Das galt auch schon im alten Pompeji. Und auch bei Dir trifft es zu... Hättest du als Kind bis zum Umfallen auf den Feldern arbeiten müssen... Hätten Seile null Attraktivität für dich gehabt, außer damit das Wasser aus dem Brunnen zu ziehen ;)

      Das würde ich nicht so ganz unterschreiben. Klar, eine elaborierte Inszenierung à la de Sade mit einem Dutzend Teilnehmern braucht Zeit, Geld und Bildung und war damit in früheren Zeiten eine recht exklusive Angelegenheit.

      Die Neigung an sich ist aber unabhängig davon und sucht sich halt ihren Weg, wie sie es kann. Selbst heute noch ist nicht jeder BDSMer auf dem Level, mal eben ein Schloss mit gut ausgestatteter Folterkammer für ein lustiges Wochenende mieten zu können. Aber dafür gibt es ja Baumarkt und Ikea. ;)

      Auch die niederen Schichten hatten trotz harten Alltags Sex und oft sogar Spaß daran. Und Spielarten/Praktiken waren selbst damals schon recht vielfältig. Natürlich abhängig von den vorherrschenden Moralvorstellungen, aber die wurden nicht selten eher als Empfehlung denn als in Stein gehauene Regeln interpretiert, und das 11. Gebot galt damals wie heute. Vgl. die gängige, aber irrige Vorstellung von den "prüden" Viktorianern.

      Was fehlte, war eine Nomenklatur der Perversionen im heutigen Sinne. Perverse dagegen gab es damals schon, und die Verteilung dürfte wohl so schichtenübergreifend gewesen sein wie heute. Wobei ich in dem Zusammenhang davon ausgehe, dass die Neigung zu BDSM eben kein freiwilliges Anhängen an eine Modeströmung im Sinne von "Klingt spannend, probier ich mal aus ..." nach 50SOG-Lektüre ist, sondern ein Bedürfnis, das tief in einem drin steckt.

      Wie gesagt, ich bin da aufgrund eigener Erfahrung etwas voreingenommen, aber ich kenne einige Leute, die ähnlich fühlen, eben dass BDSMiges individuell ein quasi-kreatürliches Bedürfnis ist.
      Danke für den schönen Thread! :blumen:
      Ich habe mal eine Frage. Warum müssen oder sollten phatologische Aspekte, die zweifellos unter dem Mäntelchen BDSM gelebt werden, denn von uns als BDSM anerkannt werden? Das ist etwas was ich nach wievor nicht verstehe. Ich stimme damit überein, dass BDSM oft nicht aus reiner sexueller Lusterfüllung ausgelebt wird. Ich stimme auch damit überein das man durch BDSM seine persönlichen Untiefen ausleuchtet und ich sehe darin auch eine hohe Motivation BDSM zu betreiben. Ich finde es auch gut, wenn man sich selbst, seine Motive und seine Handlungsweisen prüft und hinterfragt und sich so immer besser kennenlernt.
      Und natürlich habe ich in der Zeit die ich in der Szene schon unterwegs bin viel gesehen was ich persönlich für nicht mehr gesund gehalten habe und wo mich auch keine Argumentation vom Gegenteil überzeugen konnte. Aber warum muss ich das als BDSM anerkennen?
      Es ist noch nicht lange her, da gab es keine Vergewaltigung innerhalb einer Ehe. Weil es eben hieß es ist eine Ehe und damit sein/ihr Recht, auch wenn es nicht schön ist. Irgendwann hat sich der gesellschaftliche Blick darauf geändert. Dazu war viel Lobbyarbeit nötig. Warum soll eine ähnliche Sicht beim BDSM nicht möglich sein? Warum soll man nicht die phatologischen Dinge als krankhaft und eben als NICHT- BDSM definieren dürfen, so wie man irgendwann nicht einvernehmlchen Sex innerhalb einer Ehe nicht mehr als eheliche Pflicht sondern als Vergewaltigung definiert hat?
      Ich weiß, dass die Beurteilung in gesund und ungesund schwierig ist. Und ich weiß das es da Grauzonen gibt die man wohl gar nicht richtig beurteilen kann. Aber ist das nicht auch wieder überall im Leben so?

      lg redcat
      Ich weiß das damit immer noch die
      Redcat, mir ging es drum, dass man seine Motivationen/Antrieb auch mal im BDSM anschauen kann.
      Unsere Gesamterfahrungen/Erleben machen uns doch zu dem Menschen, der wir sind.
      Das betrifft natürlich nicht nur BDSM, sondern auch unsere Arbeitswelt, Beziehungsstrukturen etc....einfach alles, was unser Leben ausmacht.
      Hier geht es im Speziellen um BDSM. Also nur ein Teilbereich von unserem Leben/Erleben, der sicher mit zu den intensivsten gehören kann.
      Sexualität ist doch eine enorme Energie und Kraft, in der sich der Mensch als sehr lebendig erleben kann und ich denke, dass in den Lebenbereichen, in denen viele Emotionen vorhanden sind und erlebt werden, sich nicht nur die positiven zeigen können.
      Das hat für mich erstmal nichts mit pathologischem Verhalten zu tun, sondern um ein Gesamtbild, welches jeder für sich selbst erstellen kann, wenn er möchte und es für sich für sinnvoll hält.
      Sich selbst und seine Beweggründe immer mal wieder zu hinterfragen finde ich total richtig und auch wichtig. Ich stimme mit dir da absolut überein.

      Aber du schriebst:

      Gast 125 schrieb:

      Hi ihr,

      Man distanziert sich wehement von eventuellen pathologischen Aspekten, im Gegenteil, man schwört drauf, dass Alles aus reiner Lust, Geilheit, Begierde und Wolllust entspringt. /quote]


      Nun da bin ich eben eine von denen die sich wehement dagegen ausspricht pathologische Aspekte mit BDSM zu vermischen. So wie Vergewaltigung und Sex miteinander nichts zu tun haben so haben für mich pathologische Aspekte mit BDSM nichts zu tun. Das heißt nicht das ich leugne, dass es in manchen Beziehungen diese gibt. Ich halte es aber für falsch diese einfach zum BDSM dazu zu rechnen. Wenn wir das nämlich machen das sagen wir, dass man im BDSM immer mit pathologischen Aspekten rechnen muss. Wir räumen dann ein das diese quasi immer ein bisschen dazu gehören. Und genau das möchte ich nicht. Ich möchte das genau dieses Denken verschwindet. So wie das Denken, das ein Mädchen das gern freizügig ist und gerne Sex hat eine Vergewaltigung provoziert auch langsam (leider noch nicht ganz) aus dem Denken verschwunden ist. Ich halte das für wichtig. BDSM ist trotz das es schick ist, zu Teilen trotzdem noch stigmatisiert. Meiner Meinung nach tragen "wir" dazu selber bei, indem wir das phatologische selbst dazu rechnen.
      Frag mich nicht wie man das immer sauber auseinander halten soll, das ist immer eine Einzelfall Entscheidung und selbst da oftmals schwer zu beurteilen.

      P.S. grrr wie bekomme ich nur das zitiert was ich zitieren will?
      Da kam mir bei der neusten Umfrage gleich dein Thread in den Kopf...

      Also aktuell sagen laut jener 84% der Befragten, dass wir BDSMler offener über unsere Gefühle sprechen als die NichtBDSMler...

      Eine Frage später wird danach gefragt, ob BDSM Beziehung kürzer halten als NichtBDSM Beziehungen... wieder antwortet eine Mehrheit mit JA...

      Ähm bedeutet das nun, dass eine offene Kommunikation nicht förderlich für die Beziehung ist :whistling:

      Tendenziell fällt mir auf, dass es ganz schöne Zerrbilder geben muss, denn die Antworten zu BDSM Beziehungen oder auch speziellen Gruppen fallen doch arg unterschiedlich aus und meist wird die eigene Gruppe positiver gesehen als der Rest...

      Aber das ist wohl nur allzu menschlich... und eben ein wenig betriebsblind :nein:

      Nur wird man das überall und in so gut wie jeder Gruppe finden. In Deutschland glauben auch mehr Menschen daran, dass Deutschland den Titel holt als in Brasilien oder Frankreich...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Gentledom schrieb:

      Ähm bedeutet das nun, dass eine offene Kommunikation nicht förderlich für die Beziehung ist

      Nein, gar so einfach kannst Du Dir das nicht machen - es spielen ja noch andere Faktoren hinein.
      Wer weiß wie 'übel' die Sache aussähe, wenn es diese 'offene Kommunikation' nicht gäbe...?
      ;)
      Here comes a candle to light you to bed,
      Here comes a chopper to chop off your head.