Die Geschichte der O

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      Vorab, ich habe das Buch nicht gelesen und nur die brasilianische Fernsehserie mit Claudia Cepeda in der Rolle der O gesehen. Inwieweit die Serie von dem Buch abweicht in Inhalt und gefühlsmäßigem Vibe, kann ich nicht beurteilen und beziehe mich jetzt nur auf meinen Eindruck von der Serie.

      Meins war es nicht, aber das ist möglicherweise auch eine Folge von unpassender Erwartungshaltung. Ist das nun ein Porno oder ein Spielfilm? Ich hatte in erster Linie nicht den Eindruck, einfach "nur" einen Porno zu gucken, wobei man es dann fraglos hinnimmt, dass "überall Stroh rumliegt" und keinen tieferen Sinn darin sucht. Dafür war es zu viel Geschichte und Figurenentwicklung. Aber für die Erwartungshaltung, die ich im Hinblick auf Figurenentwicklung an eine Spielfilm-Serie hätte, war es mir wiederum zu wenig und zu eindimensional und in der Hinsicht bin ich beim Schauen dann insgesamt etwas verhungert. Wenn ich es als "Porno mit etwas Tiefgang" gesehen hätte, hätte es mir vielleicht etwas besser gefallen.

      Durch die Bank hat mir menschliche Wärme gefehlt. Besonders im Hinblick auf die dominanten Männer.

      René, der O nach Roissy gebracht hat bzw. dem sie dorthin folgt, weil sie sich in ihn verliebt hat, wirkt auf mich gerade im Fortgang der Geschichte überhaupt nicht mehr dominant. Eher nur wie ein Frischfleischjäger im Auftrag der "Über-Doms", der neues Material anschleppt und es dabei auch vorsichtig ein bisschen anknabbern darf, um mal auf etwaige Eignung vorzufühlen. Was das "Einvernehmen" angeht, erfährt O. zumindest in der Serie von René vorher nicht genau, was sie auf Schloss Roissy erwartet und meiner Meinung nach kann sie es aus dem, was sie bis dahin mit ihm erlebt hat, als bis dato "Vanilla" auch nicht wirklich voraussehen. Sie darf Ja oder Nein sagen, das ist aber nicht sehr aussagekräftig, wenn sie nicht weiß wozu. Und ja, sie dürfte auch später noch jederzeit Nein sagen, wäre damit aber auch gleich ganz draußen. Für Film und Spannungsbogen ist das so ok. Im Real Life würde das so überhaupt nicht gehen. Aber gut, es ist ja nicht das Real Life.

      Von Sir Stephen, oder zumindest von seiner Darstellung in der Serie, war ich ziemlich enttäuscht. Er hat O. ziemlich frrüh anal vorbereiten lassen, also war klar, dass er das mag und dann auch mal macht. Soweit so gut. Es wurde aber auch gesagt, bzw. er hat sich so vorgestellt, dass er Rituale liebt. Als ich ihn das sagen hörte, hab ich mich darauf gefreut, diese sich entfalten zu sehen und O. sich darin entwickeln zu sehen. Aber entweder bin ich blind oder blöd oder sie haben diesen Teil bei der Verfilmung später einfach vergessen. Unter Ritual verstehe ich einen wiederkehrenden Ablauf bestimmter Handlungen, der Struktur gibt und Orientierung bietet und es erlaubt, ihn mit Emotionen, auch wechselnden, zu befüllen. Nun ja. Ich konnte am Ende der Serie kein einziges wirkliches Ritual von Sir Stephen erkennen oder beschreiben.

      Gerade bei Sir Stephen konnte ich nicht erkennen, ob er in der Lage ist, irgendeine menschliche Wärme zu fühlen. Aber gut, es geht auf Roissy wohl eher um Benutzbarkeit und Objektifizierung und so, da könnte menschliche Wärme möglicherweise hinderlich sein. Bzw. die Objektifizierung der Subs entmenschlicht am Ende auch die Doms, kann das sein? Not my cup of tea. Und ich weiß, dass dies in der Fantasie andere Leute erregt. Aber irgendwie wünsche ich das IRL in dieser Form niemandem. Weder Sub noch Dom...

      Bitter fand ich (das geht mir in anderen BDSM Filmen mitunter auch so) diesen einen Typen (Dom kann man vielleicht hier nicht sagen), der gegen später mal aufgetaucht ist, O. benutzen durfte und sie danach aus ihrem Roissy-Leben "retten" wollte. Nun, zu dem Zeitpunkt wollte O. nicht gerettet werden, auch nicht von ihm, und man kann sagen, so ein "Vanilla-Kerl" hat halt das Konzept nicht verstanden. Aber das Bittere ist, dass solche Intentionen (die ja an sich erst mal gute und menschliche Intentionen sind), dann gerne mal lächerlich und verächtlich gemacht werden, als wäre es das Dümmste von Welt, auf so eine Absicht zu verfallen. (In dem Film Secretary gab es so einen Charakter auch. An den musste ich sofort denken und in Secretary hat der mir wirklich leid getan, auf welche Art und Weise die Sub-Protagonistin mit ihm umgegangen ist und ihm kommuniziert hat, dass er nicht mehr gewünscht ist und nicht passt. Als wäre Vanilla zu sein etwas Lächerliches und Dummes...)

      Soweit mal dazu...
      Ich denke, dass die Gefühlskälte dem damaligen Zeitgeschmack und dem Anlass der Geschichte geschuldet ist. O sollte kein Profil erhalten, denn: es geht nicht um sie als Mensch, sondern vor allem um die (je nach Sichtweise) Auf- oder Abwärtsspirale der Subordination. Ich finde übrigens, dass auch die anderen Figuren sehr platt wirken. Und zwar auch in allen mir bekannten Filmen.

      Anne Desclos schrieb das Buch vor 1954 (Erscheinungsjahr). Europa litt noch immer unter den Folgen des Krieges, fiebrige Vorboten der Aufbruchsstimmung waberten durch die Kunstszene. Sartre und de Beauvoir liefen zur Hochform auf. Und Desclos schrieb das Buch sehr schnell, es soll nur innert dreier Monate, als eine Art Liebesgeschenk an ihren Geliebten in Form einer Fortsetzungsgeschichte, entstanden sein. Für eine abgerundete und präzise Ausarbeitung der Personen blieb da keine Zeit.

      Und doch ist und bleibt der Roman, wenn auch etwas angestaubt, ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des BDSM.
      Ich habe vor vieeelen Jahren mal für die Wiener Libertine eine Marathonlesung der O organisiert.

      Das war das langweiligste Anti-Event in der gesamten Geschichte von BDSM, weltweit, seit jeher, und immerdar.

      Man kann viel sagen über mangelnde Einvernehmlichkeit in BDSM-Fiktion - ein Thema das mich sehr interessiert - es gibt am Anfang glaube ich eine Aussage, dass sie für ihren Geliebten "selbstverständlich" alles tun würde, und das war's dann schon - dass man kaum Einsicht in ihr Innenleben bekommt... dass die Szenen ins Surreale übergehen...

      Auf jeden Fall hat das Buch eine große Zahl der Klischees, die heute in unsern perversen Hirnen rumgeistern, erst populär gemacht. Geplattformt quasi.

      Es ist interessant, die O mit Sacher-Masoch zu vergleichen, der durchaus einen literarischen Anspruch hatte und wo das Innenleben ganz klar rüberkommt - oder mit de Sade, der sowieso auf einem ganz andern Stern daheim war. De Sade würde ich mir nicht wieder antun wollen, O auch nicht - aber Venus im Pelz könnte mich durchaus wieder mal reizen.

      Ganz ehrlich, die Quintessenz ist, dass die O einfach kein sonderlich literarisch guter Text ist. Die Frau hat sich ihre Phantasien von der Seele geschrieben, und das war's schon.
      Nö ... sie wollte eine Wette mit ihrem Liebhaber gewinnen, der behauptete, Frauen könnten keine erotische Literatur schreiben. Das ist per se eine Aussage, die ich für geradezu aberwitzig halte. Ich bin genau der gegenteiligen Meinung. Pornos belegen eindrucksvoll die vor allem optische Fixierung von Männern und mangelnde einfühlsame Phantasie.

      Der Roman wurde dann wahrscheinlich von ihr schnell "zusammengedengelt".

      Sappho schrieb:

      sie wollte eine Wette mit ihrem Liebhaber gewinnen, der behauptete, Frauen könnten keine erotische Literatur schreiben.
      Ja, jetzt wo dus erwähnst - stimmt, habe ich irgendwie vage in Erinnerung. Machts aber auch nicht viel besser...

      Sappho schrieb:

      Das ist per se eine Aussage, die ich für geradezu aberwitzig halte.
      Fürwahr. Wir reden allerdings auch von 1954, da waren solcheIdeen noch viel weiter verbreitet. Und man muss auch sagen, die O ist nicht unbedingt der beste Beleg für deine Aussage...

      Sappho schrieb:

      Nö ... sie wollte eine Wette mit ihrem Liebhaber gewinnen, der behauptete, Frauen könnten keine erotische Literatur schreiben. Das ist per se eine Aussage, die ich für geradezu aberwitzig halte. Ich bin genau der gegenteiligen Meinung. Pornos belegen eindrucksvoll die vor allem optische Fixierung von Männern und mangelnde einfühlsame Phantasie.

      Der Roman wurde dann wahrscheinlich von ihr schnell "zusammengedengelt".
      Dein Kommentar macht mich ein wenig fassungslos...und lässt mich kopfschüttelnd zurück ...
      "Birnen mit Äpfeln vergleichen"zum Einen und sehr viel Voreingenommenheit deinerseits,will ich meinen.

      Es gibt doch auf beider Geschlechterseiten solche und solche und das ist nicht eine Frage der heutigen Zeit.

      Was als gut lesbar ,konsumierbar empfunden wird,ist eine sehr subjektive Angelegenheit .
      Man muss mal nur einen Blick in die Geschichten-Ecke wagen -
      da sind sehr unterschiedliche Schrift-Stile von Mann und Frau vorhanden und verpacken so "Pornöses-Erotisches" auf ganz unterschiedliche Weise ...mal mehr oder weniger gut.
      Das ist eben auch Geschmackssache. :yes:
      Das es solche und solche gibt, ist eine Aussage, die immer richtig ist, also eigentlich keinen Inhalt hat.

      Ich meine, es ist sogar wissenschaftlich unterlegt, dass Männer stärker auf visuelle Reize reagieren als Frauen. Das dürfte wohl noch aus der Zeit der Jäger und Sammler stammen. Und das merkt man deutlich an der Porno-Industrie.

      Noctua schrieb:

      Es gibt doch auf beider Geschlechterseiten solche und solche und das ist nicht eine Frage der heutigen Zeit.
      .....

      Sappho schrieb:

      Das es solche und solche gibt, ist eine Aussage, die immer richtig ist, also eigentlich keinen Inhalt hat.
      Das empfinde ich gerade als rechte Haarspalterei. Zumal Noctua ihre Ansicht gleich im Anschluss noch einmal erläutert.

      Sappho schrieb:

      Ich meine, es ist sogar wissenschaftlich unterlegt, dass Männer stärker auf visuelle Reize reagieren als Frauen. Das dürfte wohl noch aus der Zeit der Jäger und Sammler stammen. Und das merkt man deutlich an der Porno-Industrie.
      Auch ohne dass mir Studien dazu bekannt sind stimme ich dir völlig zu, dass Männer stärker auf visuelle Reize reagieren als Frauen. Das betrifft aber in allgemeinen Durchschnitt. Individuell gibt es bei beiden Geschlechtern eine Menge Menschen außerhalb des Mainstreams.
      Mir persönlich sind mehrere Damen bekannt, die sich auch gerne mal mit einem Porno stimulieren und denen es durchaus Spaß macht hinzusehen.

      Sappho schrieb:

      Pornos belegen eindrucksvoll die vor allem optische Fixierung von Männern und mangelnde einfühlsame Phantasie.
      Wie du von der optischen Fixierung der Männer auf mangelnde einfühlsame Fantasie kommst ist für mich nicht nachvollziehbar. Das liest sich für mich eher nach Frust ablassen. Undch bestreite auch, das mangelnde einfühlsame Fantasie ein typisch männliches Merkmal ist.

      Sappho schrieb:

      Der Roman wurde dann wahrscheinlich von ihr schnell "zusammengedengelt".
      Vermutlich. Trotzdem muss man anerkennen, dass er auch nach 70 Jahren noch immer erregt und bewegt. Die einen erregt er sexuell, die anderen erregen sich über die vielen bösen Dinge die drin stehen. ;)
      @Kopfschmerz - der Name ist Programm
      ich denke, man sollte hier den Ball etwas flacher halten.

      Bei Hänsel und Gretel werden Kinder eingesperrt und die Hexe anschließend bei lebendigem Leib verbrannt. Das gibt es auch filmisch. Wieviele Männer sterben zum Teil sehr grausam in den alten Western.

      In der Geschichte der O wird eine Frau, die das "freiwillig" erträgt, gepeitscht, benutzt und gekennzeichnet. Egal ob Märchen, Western oder Porno. Es ist Roman, Phantasie und damit m. E. in. Ordnung.

      Der Geschmack ist sehr unterschiedlich und wer das Buch nicht mag, wird es nach ein paar Seiten weglegen. Andere verschlingen es und legen andere Bücher als Schund nach ein paar Seiten weg.

      Ich fand die Geschichte der O und der "Erziehungsinternate" für Frauen sehr erregend, wenn auch sicher extrem überspitzt erzählt. Aber es war eben eine Romanverfilmung und keine Anleitung das eigene Leben zu führen oder so ungefragt mit Frauen umzugehen.
      Guter Sex beginnt in ihrem Kopf :P
      Die Ergebnisse dieser Studien belegen, dass es keine Unterschiede in den Gehirnreaktionen auf visuelle Sexualreize zwischen den Geschlechtern gibt. Es treten jedoch signifikante Unterschiede in den Aktivitätsmustern auf: Je nachdem, wie die Reize präsentiert wurden, fielen die Reaktionen unterschiedlich stark aus.

      Quelle: Max Planck Institut

      Die Analyse stammt aus mehreren Studien.

      Nur um das Thema sachlicher zu betrachten.



      Sappho schrieb:




      Ich meine, es ist sogar wissenschaftlich unterlegt, dass Männer stärker auf visuelle Reize reagieren als Frauen. Das dürfte wohl noch aus der Zeit der Jäger und Sammler stammen. Und das merkt man deutlich an der Porno-Industrie.

      Sappho schrieb:

      Eben ... Für Frau ist das Kopfkino wichtiger als die Netzhaut. Das wirkt sich dann auch auf die schriftliche Fixierung der Phantasie aus ...
      I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it


      Evelyn Beatrice Hall