BDSM und Mittelalter

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      Das ist eine gute Frage, die man deutlich mit einem klaren Jein beantworten kann ;) .

      Wenn man unter Mittelalter das versteht, was die Filmindustrie und die ganzen Festivals daraus gemacht haben, dann schon in gewisser Weise. Und wenn man sich verschiedene Gerätschaften zur Erzwingung von Geständnissen / Bloßstellung von Missetätern anschaut, die im Mittelalter so üblich waren, dann auch.

      Man denke nur an den Pranger, die Streckbank, Käfige, Peitschen und dergleichen... :spiteful:

      Auch passt das düstere Image, welches das Mittelalter bei vielen Menschen hat, durchaus zum düsteren Bild des BDSM, das viele haben.
      Liebe Nachbarn, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, Familie: Ich bin entsetzt, auf was für Seiten ihr euch rumtreibt! :frech:

      Lernen durch Schmerz ist nicht angenehm, aber unglaublich effektiv... :evilfire:
      Für mich gehört BDSM keiner Epoche an. Es gab diese Spielart vor dem Mittelalter und auch danach. Wobei die Geschichte der O und auch Marquise de Sade spielen deutlich nach dem 15 Jahrhundert und die "bekannten" dunklen Folterzeiten, wie die spanisch Inquisition die erst kurz vor Ende des Mittelalters ihren Anfang nahm und angeblich sehr grausam war (oder es war die Propaganda von anderen Großmächten die dieses Bild schufen), zählen eh mehr zur Neuzeit.

      Im Rahmen eines Rollenspiels mögen es aber einige Menschen aufnehmen und die Zeit nachspielen. Soweit mir aus einem Seminar bekannt war das europäische Mittelalter gar nicht so innovativ was Foltermethoden anbelangt, vieles gab es schon vorher und im fernen Osten... Menschen verstanden sich schon sehr früh aufs Foltern und selbst das gute alte Testament hat etliche Stellen in denen es um Folter, Pranger etc geht Der König wird an den Pranger gestellt, der Königin reißt man die Kleider vom Leib, sie wird abgeführt (aus Nahum, Vision vom Untergang Ninives) oder auch die Römer zum Beispiel während der Christenverfolgung die eigentlich auch schon alle Gerätschaften kannten.

      Die Folter in der Rechtspraxis des Mittelalters stützt sich zudem häufig selbst auf die Bibel, ich glaube 4 Buch Mose V, 13 ff. wurde unter anderem als Legitimation angeführt.

      Vielleicht ist es wie BDSM und Gothic, es gibt faktisch große Überschneidungen in den jeweiligen Szenen und auch viele Larper (also die die das Mittelalter oder etwas anderes nachstellen) sind BDSMler...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Gentledom ()

      Ich habe jetzt auf die Schnelle nichts über die Foltermethoden der Römer gefunden. Werde mich aber nachher mal auf die Suche begeben. Ich kam immer nur zum heiligen römischen Reich.

      Doch wenn ich die Begriffe, Streckbank oder Schandgeige höre, dann fällt mir doch als erstes das Mittelalter ein.
      Wie kennen wir eigentlich das Mittelalter? Die Meisten sehen das Mittelalter doch als finster und die Meisten werden wahrscheinlich erstmal an Folter und Hexen denken. Vielleicht liege ich auch falsch. Aber bevor ich mich mit dem Mittelalter beschäftig habe, dachte ich auch an Ritter, Burgen, Burgfräulein, Folter, Hexen und absolute Gehorsamkeit. He, gute Überleitung.

      Lassen wir die Folter mal weg. Gibt es nicht auch Parallelen in der Unterwürfigkeit?

      Du hast ja nochmal ediert, Gentledom, wähernd ich hier schnell meine Antwort reinschreibe.
      Wie du es so schön ausdrückst geht es mir um diese Überschneidungen.
      Die spanische Inquistion war im ausgehenden Mittelalter und war sehr grausam. In Autodafés wurden gleich massenweise Ketzer verbrannt. Wer nicht zum rechten Glauben übertrat wurde eben verbrannt.

      Die Bibel gibt für alles eine Rechtfertigung. Wer sucht der findet den passenden Satz in der Bibel um seine Meinung zu untermauern. So eben auch für Todesstrafe und Folter. Problem ist, ich bin evangelisch und habe mit dem AT nicht wirklich was am Hut (abgesehen dass ich mit der Bibel schlichtweg überhaupt nichts am Hut habe) ausser das was ich im Konfirmationsunterricht lernen musste. ups

      Ich weiß dass viele Larper auch BDSM'ler sind. Ich gehe gerne auf Mittelaltermärkte und man kommt zwangsläufig mit den Leuten ins Gespräch (okay, ich babbel auch jeden an). So unterhielt man sich und so kam ich auch auf die Frage.
      Zum Mittelalter zähle ich mehr die französische, deutsche und italienische (nicht zu verwechseln mit der römischen) Inquisition die mehr als 250 Jahre früher anfing... Für mich ist vieles aber auch nur Volksglaube, wie die Verbrennung rothaariger Frauen. Zu jeder Zeit gab es in der Menschheitsgeschichte Verfolgungen und Massaker, Pax Romanis war nett aber auch im friedlichen römischen Kernland gabs Bürgerkriege, Christenverfolgungen und Sklavenaufstände, ganz zu schweigen von dem was an den Grenzen passierte... und Rom war zu der Zeit auf einem Zivilisationsstand (wenn man darunter Arbeitsteilung, Recht der Privilegierten, Stabilität, Architektur, Ernährungssituation etc versteht) wie er im Westen erst wieder im späten Mittelalter erreicht wurde. So blutig wie sein Ruf war das Mittelalter glaube ich gar nicht, jedoch roher und weniger zivilisiert als andere Epochen davor und danach allemal.

      Ja Larper sind oft auch BDSMler... genauso wie es Berufsgruppen gibt die besonders häufig bei uns anzutreffen sind oder die angesprochene Musikrichtung... vielleicht sind Larper, wie auch BDSMler experimentierfreudiger als andere Gruppen und haben neben der Vorliebe für Leder auch noch andere Schnittmengen... je mehr Schnittmengen die Gruppen haben umso größer wird in der Regel ihre gemeinsame Mitgliederzahl sein...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Es war ein Rückschritt von dem vergleichsweise zivilisierten Rom ins Mittelalter. Das Frühmittelalter fing, soweit ich weiß, mit dem Untergang des römischen Reiches an. Das Hochmittelalter ist eine für mich sehr interessante Zeit. Schade finde ich dass man wenig weiß über das Leben der einfachen Menschen. Das Spätmittelalter interessiert mich wieder weniger. Das hat aber mit den Baustilen zu tun. Ich bevorzuge die Romanik und die Gothik.

      Darf ich nachfragen was du unter deutscher, italienischer und französchicher Inquisition verstehst? Mit Karl dem Großen waren weite Teile Deutschlands sowie Frankreichs eins und wurde das heilige römische Reich deutscher Nation genannt. Unter späteren Kaisern wurden sich auch noch Teile Italiens einverleibt, zumindest als deutsche Könige herrschten sie über Teile Italiens, was immer wieder zu Reibereien mit den Päpsten führte.

      Ich denke auch nicht dass das Mittelalter so blutig war, wie wir denken. Aber bei Kriegen wurden ganze Landstriche geplündert, die Bauern erschlagen, die Dörfer niedergebrannt. Oder auf dem Weg ins heilige Land hat man mal eben tausende von Juden erschlagen. So war die Zeit.

      Wenige hatten die Macht und viele davon haben sie missbraucht.

      Ich spinne jetzt mal ein bisschen rum. Im Mittelalter war es durchaus üblich einen Höhergestelleten mit "Herr" anzureden, ebenso senkte man den Blick. Auch wurde gerne mit dem Stock gestraft oder mit der Peitsche und manche Menschen wurden auch "vorgeführt". Also ich sehe da schon einige Gemeinsamkeiten...ach und ich lehne mich auch gerne mal weit aus Fenster ups
      Da fällt mir ein:

      Weil sie für $ 4.52 getankt hatte, das Benzin aber nicht bezahlt hat, wurde die 18-jährige Sherelle Purnell vom zuständigen Richter dazu verurteilt, drei Stunden lang vor der betreffenden Tankstelle herum zu laufen. Dabei sollte sie ein Schild tragen auf dem stand, dass sie beim Benzindiebstahl erwischt worden sei („I was caught stealing gas“). (Quelle gastheft.com/)

      Also auch heute noch gibt es den Pranger in der Justiz...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von nightbird ()

      BDSM in seiner heutigen Form gibt es noch nicht lange.
      Die entsprechenden Gelüste gab es aber schon immer und die Menschen sind dem auch immer schon nachgegangen.
      Wer glaubt, dass in der Antike Sklaven dafür nicht den Kopf hinhalten mussten (pun intended), dürfte als "naiv" gelten, selbiges trifft auf das Mittelalter zu, welches eh viel versauter war, als sich das viele heute vorstellen.
      Ab der Renaissance haben wir ein ziemlich versautes Bild von unseren Vorfahren, welches wohl in der Regel auch zutreffend ist.

      BDSM gehört trotzdem in keine der Epochen.
      BDSM ist ganz klar in unserer Gesellschaft von heute verwurzelt, da diese Form der Sexualität erst durch die fortschreitende sexuelle Freizügigkeit und (noch wichtiger) die gesellschaftliche Gleichbehandlung von Mann und Frau (bei der es noch ziemlich viel zu erreichen gilt) möglich wird.

      Wenn solchen Gelüsten in der Vergangenheit gefröhnt wurde, geschah dies immer durch Missbrauch. Mag sein, dass es die eine oder andere Hausfrau gab, der die autoritäre Führung ihres Ehemannes gefallen hat, klar. Aber eine wirkliche Alternative hatte sie nie und die ist imho für unser modernes Verständnis von BDSM unglaublich wichtig. BDSM ist kein Missbrauch, es ist keine patriarchalische/matriarchalische Beziehung, in der der untergebene Part nichts zu melden hat. Es ist ein aktiv gewähltes Beziehungs-/Sexualmodell. Auf beiden Seiten.

      Dementsprechend finde ich diesen Vergleich mit der Hexenverfolgung und anderen Themen extrem daneben.
      Mag sein, dass sie auf die selben Gelüste fußen - Um das zu beurteilen reichen meine Kenntnisse der Hexenverfolgung nicht aus, aber sie ist dennoch überhaupt nicht mit dem vergleichbar, was wir heute miteinander machen.
      Wer in der Vergangenheit nach Elementen sucht, die wir heute in den Kontext "BDSM" stellen, der stößt natürlich mit dem, wovon in der Regel fantasiert wird.
      Folter war aber kein Spiel, das sexuelle Lust bringen sollte, sondern eben Folter.
      Und das ganze spielerisch in einer Session/einem Rollenspiel darzustellen, hat durchaus was mit BDSM zu tun (auch wenn es weh tut), jemandem wirklich zu foltern aber nicht.

      Das, was den BDSM definiert, ist der Konsens und dieses entscheidende Element hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben (zumindest nicht "flächendeckend") und genau deshalb ist der BDSM eine sexuelle Spielart der Gegenwart.

      Narve schrieb:

      selbiges trifft auf das Mittelalter zu, welches eh viel versauter war, als sich das viele heute vorstellen.
      Ab der Renaissance haben wir ein ziemlich versautes Bild von unseren Vorfahren, welches wohl in der Regel auch zutreffend ist.
      Wenn solchen Gelüsten in der Vergangenheit gefröhnt wurde, geschah dies immer durch Missbrauch.
      Naja entweder war es versaut dann ging man wohl mir der Sexualität offen um oder eben nicht... Darstellungen von BDSM Praktiken beim Sex gibt es schon lange (de.wikipedia.org/wiki/Tomba_della_Fustigazione) also seit 2500 Jahren, im Kama Sutra gibt es mehrere Beschreibungen von BDSM Praktiken (und das wurde vor fast 2000 Jahren geschrieben) und mir fallen noch sehr viele weitere Belege ein... Schlaubischlumpfbrille auf :geek:
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      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von nightbird ()

      Oder ganz schlicht die Freude an Rollenspiel und Verkleiden, Kopfkino und Fantasie. Nicht ohne Grund sind eine ganze Menge BDSMer auch LARPer, Reenactors oder RPG-Fans. Gefühltes und gespieltes Mittelalter und historische Realität müssen ja nicht deckungsgleich sein.
      Naja, das Mittelalter ist in der Hinsicht sehr abivalent.
      Einerseits diese Dominanz der Kirche mit teils abstrusen Moralvorstellungen, andererseits verweise ich nur mal auf den Minnesang von Leuten wie Walther von der Vogelweide. Das war dann ganz und gar nicht prüde.
      Ich hab auch gar nicht behauptet, dass in der Vergangenheit nicht schon die selben Dinge gemacht wurden.
      Ganz im Gegenteil.
      Ich behaupte nur, dass das nichts mit dem BDSM von heute zu tun hat, weil sich "unser" BDSM anders definiert.
      Ohne hier auf geschichtliche Hintergründe eingehen zu wollen, hat BDSM für mich nicht wirklich viel mit dem Mittelalter zu tun. Besser gesagt, es hat mit dem MA so viel oder so wenig zu tun, wie mit jeder anderen Epoche auch.
      Ich selber besuche gerne MA-Märkte und habe auch Kleidung im Stil des 13. Jahrhunderts, aber ich sehe für mich persönlich keine Verbindung zu BDSM.
      Ähnlich wie die Verbindung Gothic-Mittelalter, auch hier sehe ich für mich persönlich keinen wirklichen Zusammenhang.
      Betrachtet man das alles jedoch aus dem Blickwinkel "Spaß an Rollenspielen/am Verkleiden", kann hier sicherlich ein Zusammenhang hergestellt werden. Das würde dann ja auch erklären, warum viele LARPer auch BDSMer sind, oder?
      Fazit: Einen Zusammenhang mit der Epoche sehe ich nicht, Zusammenhänge in anderen Arten und Weisen mag es für jeden individuell im persönlichen Bereich geben.
      Ich denke die klare Verknüpfung mit BDSM und Geschichte liegt wenn dann in den Jahren 1740 bis 1814
      Ich denke man könnte hier genauso sagen gehören BDSM und die GOthic Szene zusammen.
      Vieles was heute in Spielzimmern steht oder auf diversen Plattformen bestellt werden kann, entstammt den Folterkellern des Mittelalters, das ist sicher.
      Aber ein festes Miteinander sehe ich nicht.
      You think you want me
      I control you

      Legat schrieb:

      Vieles was heute in Spielzimmern steht oder auf diversen Plattformen bestellt werden kann, entstammt den Folterkellern des Mittelalters, das ist sicher.
      Spannend was alles sicher ist... bei einigen Gegenständen bin ich mir sehr sicher, dass es schon die guten Römer kannten...

      Folter gibt es schon sehr lange und wird es wahrscheinlich auch noch länger geben... klar liegt es nah dem Mittelalter viel davon zuzuschreiben weil es ja als dunkel angesehen wird... die Zeit davor war aber auch immer wieder alles andere als unblutig...
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      @Gentledom gefoltert wurde Überall. ICh bin selber in der MIttelterszene und lauf auch gerne als Henker :evil:

      Ich hab mich lange mit dem Thema Folter beschäftigt, es gab schon in der Antike und früher Foter und Technicken. ICh denke jedoch das es in Sachen MIttelalter und BDSM berührungspunkte gibt, aber jedoch keinen ZUsammenhang in dem Sinne.

      Wenn heute von Folter gesprochen wird ist das erste Bild, in der Gesellschaft, der TYp mit der schwarzen Kaputze im Burgkeller.
      You think you want me
      I control you
      Die Zeit nach dem Mittelalter war auch wesentlich dunkler, als das Mittelalter selbst.
      Jedenfalls, was Inquisition, Hexenverbrennungen und Folter betrifft.
      Ich denke der Bezug zum BDSM spielt sich hauptsächlich im Kopf und der schaurig aber auch romantischen Vorstellung, die wir von der Zeit haben, ab.
      "Borussia Dortmund ist nicht an Attentaten zerbrochen, nicht an der 89. Minute in Wembley und wird auch definitiv nicht wegen dieses Liga-Finales zerbrechen.
      Wir werden daran wachsen und aus diesem Schmerz neue Kraft entwickeln."

      (Hans-Joachim Watzke, Borussia Dortmund)