BDSM und Jugendschutz, aktuelle Entscheidung

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      BDSM und Jugendschutz, aktuelle Entscheidung

      Für jene die juristisch nicht so tief in der Materie drin sind gibt es eine interessante Entscheidung BPjM (PR 1079/14 - Entscheidung 6060) zum Buch "Befreie mich, versklave mich".

      Unter anderem wird in der Begründung beispielhaft auf diese Szene (Zusammenfassung) eingegangen:

      "Als sie sich weigert, zerrt er sie aus dem Auto und beginnt, sie mit seinen Händen um den Hals zu würgen. Sie fürchtet um ihr Leben und glaubt, er werde sie vergewaltigen, bis Mario sie daran erinnert, dass sie, um ihn zu stoppen, nur ihr Safeword sagen müsse. Sie benutzt das Wort nicht, woraufhin er seine Dom-Rolle fortführt."

      Dennoch wurde das Buch nicht indiziert. Dies sollte nun aber nicht als Freifahrtschein verstanden werden, denn die Prüfer schauen auf den Gesamtkontext damit müssen alle Gründe betrachtet werden und die sprechen eben gegen eine Indizierung:

      - Diese Szenen sind nur ein Teil der Handlung
      - Beide Gefühls- und Gedankenwelten werden offenbart und beide setzen sich mit ihren Gefühlen auseinander, es ist eine gemeinsame Beziehung an der gemeinsam gearbeitet wird
      - Damit auch eine Gleichwertigkeit der Partner außerhalb des Kontextes BDSM aus dem die Sub jederzeit (Safeword) aussteigen kann
      - Vollwertige und eigenstündige Persönlichkeit der Sub
      - Gewalt in einem genau abgesteckten konsensualen Rahmen >Safeword


      Sicher kann diese Entscheidung nicht schaden, ist es nun möglich ein heftiges Rapegame öffentlich zu posten. Jedoch kann man dies nicht machen, ohne eben auch die Faktoren einzubinden welche gegen die Indizierung sprechen. Für Romane wird es nun sicher leichter sich gegen den Vorwurf der Jugendgefährdung zu wehren, bei Kurzgeschichten haben wir aber das Problem, dass wir eine sehr lange Einleitung hätten in welcher es um Gefühle, Sicherheiten, usw gehen müsste und damit einen Spannungsbogen zu erzeugen ist eben alles andere als leicht. Dennoch eine Entscheidung die zu etwas mehr Sicherheit führen dürfte und durchaus ein wenig richtungsweisend sein könnte.

      Auch interessant ist übrigens, dass sich an einer Stelle die Entscheider alles andere als einig waren:

      Ein Teil des Gremiums sah vorliegend aufgrund des Umstandes, dass mit Gewaltanwendung verknüpfte sexuelle Handlungen als Lust steigernd präsentiert werden, eine sexualethisch desorientierende Wirkung und damit eine Jugendgefährdung von solcher Erheblichkeit gegeben, dass in Abwägung mit der Kunstfreiheit ein Vorrang des Jugendschutzes vorliege und damit eine Indizierung auszusprechen sei. Im Buch werde in aller Ausführlichkeit eine Konditionierung zur Hörigkeit geschildert. Die Botschaft, dass man im Sadomasochismus Erfüllung finden könne, wenn man beim Sex sonst keine Lust empfinde, sei im Hinblick auf Kinder und Jugendliche in hohem Maße bedenklich. Das Gremium ist dieser Auffassung nicht mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen gefolgt.


      Wer die gesamte Entscheidung nachlesen will: Link zum PDF Dokument
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Da fällt mir ein, ein Grund warum der Jugendschutz kein Problem mit diesem Forum hat sind die ganzen Sicherheitshinweise und Bereiche wie Beziehungen und die Gleichwertigkeit der Protagonisten, letzteres wurde mal in einem Telefonat gesagt und ich glaube ich weiß was dir Person damit sagen wollte :D Also es sind eigentlich ähnliche Gründe wie bei der obigen Entscheidung, das Gesamtpaket erlaubt es, sich an einigen Stellen auch mal ein wenig weiter aus dem Fenster zu lehnen, wobei wir eh die halbwegs in die Richtung jugendgefährdenden Dinge hinter einem sicheren Veribereich haben. Ohne den Gesamtaspekt würde das Forum und die Hauptseite aber sicher weitaus kritischer von den Jugendschützern beäugt werden und ich bin froh, dass man uns trotz Meldungen (das lässt sich bei einem erfolgreichen Projekt kaum verhindern) eigentlich immer in Ruhe lässt :)
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff
      Ah, da ist mir @Gentledom zuvor gekommen. Ich wollte eigentlich auch einen Thread zu diesem Thema eröffnen. Betrifft mich ja in gewisser Weise unmittelbar - auch in meinen Romanen gibt es BSDM-Szenen.

      Mich würde an der ganzen Sache allerdings etwas anderes interessieren. Nämlich: Wie kommt es zu solchen Situationen? Soweit ich weiß, können Privatpersonen keine Klage gegen ein solches Buch reinreichen - das fällt irgendwie unter irgendwas mit P...klage - in den USA wohl häufiger. Wer also verklagt da den Autor? Wer kommt auf die Idee, das Buch sei jugendgefährdend?

      Ich hab es mir inzwischen runtergeladen und lese es gerade. Ist bei solchen Sachen so - ich will einfach wissen, wo genau der Stein des Anstosses zu finden ist. Bisher (ca. 50 % gelesen) sieht es nach einem Roman aus, der für mich unter Aufklärungsliteratur fällt. Kennt ihn jemand von euch? Falls ja, wie seht ihr das Buch und die aktuelle Entscheidung?

      Falls es günstiger ist, mach ich gern auch einen neuen Thread dazu auf, @Gentledom. Dann gib mir bitte einfach kurz Bescheid :)

      PS: An der Konditionierung zur Hörigkeit ist übrigens was dran - es bliebe allerdings zu diskutieren, inwieweit das ohnehin Bestandteil von BDSM ist und insofern ohnehin logisch. Letzlich ließe sich auch das jederzeit mit dem Safeword abbrechen ...
      Jeder kann beim KJM jedes Medium anzeigen, zudem können das auch diverse andere Institutionen (rund 800) und an alle kann man sich auch als Privatperson wenden. Man selber kann jedoch kein Verfahren einleiten. Was dann passiert hängt von der Stelle und dem Medium und auch der Einschätzung des Mitarbeiters ab.

      Beispiel KJM
      Für Webseiten (oder Medien die online abrufbar sind): Webseite unbedenklich, das wars. Webseite mit extrem bösen Inhalten, sie werden selber aktiv. Webseite mit bösen aber nicht extrem bösen Inhalten, man gibt es erst mal an das sehr aktive aber zahnlose Jugendschutz.net ab.

      Für Bücher Print: Ich meine die werden dann selbst aktiv, in dem Bereich habe ich mich beruflich aber nie bewegt.

      KJM stellt dann wenn sie meinen es ist nötig einen Indizierungsantrag beim BPjM. Das ist dann ein Verfahren bei dem es ein Gremium gibt und beide Seiten ihre Argumente vorbringen können (also eine Art "Antragserstatter" und der Anbieter). Dann wird entschieden, es ist kein Gericht sondern eine behördliche Entscheidung gegen die gerichtliche Rechtsmittel (Verwaltungsverfahren) eingelegt werden können. 12er Gremium (das große Gremium) kommt zusammen wenn es nicht eindeutig ist, sehr viel wird aber als eindeutige Angelegenheit durch das kleine 3er Gremium entschieden, wenn die drei sich nicht einig sind geht es ans 12er.

      P.S. Hörigkeit ist in meinen Augen alles andere als ein zwingender Bestandteil von BDSM, ganz im Gegenteil dürfte Hörigkeit eher eine sehr große Ausnahme sein. Wobei hier wohl gilt welche Definition von Hörigkeit man wählt.
      "Es ist gleich willkürlich, ob man den Leuten sagt: ihr sollt nicht frei, oder: ihr sollt und müsst gerade auf diese und keine andere Weise frei sein." Joseph von Eichendorff